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Butler Parker
– 143 –

Parker macht die Schotten dicht

Günter Dönges

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-262-6

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Butler Parker hatte Mühe, sein Mienenspiel zu beherrschen. Er nahm zur Kenntnis, daß Lady Simpson in ihrer bekannt-ungenierten Art an den Schaltern und Hebeln spielte, die das Armaturenbrett als eine Art Steuerpult zierten. Ihm war klar, daß seine Herrin mit dem Feuer spielte und die sichtbare Lust entwickelte, eine mittlere bis schwere Katastrophe auszulösen. Agatha Simpson war deutlich anzusehen, daß sie sich langweilte und nach einer Abwechslung gierte.

»Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, Mylady«, sagte er höflich und deutete mit seiner schwarz behandschuhten Hand auf das Steuerpult, »aber darf ich höflichst darauf verweisen, daß man sich auf dem befindet, was die Fachleute der Marine eine Tauchfahrt nennen?«

»Warum reden die Herren dann so ununterbrochen?« fragte sie grollend, »warum passiert nichts?«

»Man möchte demonstrieren, Mylady, daß eben nichts passiert«, antwortete Josuah Parker würdevoll, »Mylady nehmen an einer Übungsfahrt eines neuen U-Bootes teil.«

»Das so eng ist wie eine Dose Sardinen«, beschwerte sie sich, »wann endlich beginnt man mit dem Angriff?«

»Dieser Scheinangriff, Mylady, findet bereits statt, wenn ich höflich darauf hin weisen darf.«

»Und warum spüre ich nichts davon? Was soll das alles? Man hat mir einige Delikatessen versprochen.«

»Technischer Art, Mylady«, erinnerte der Butler und versuchte vorsichtig, die ältere Dame vom Steuerpult abzudrängen.

»Was wird wohl passieren, wenn ich auf diesen Knöpfen einige Akkorde spiele?« fragte sie heiter, »Sie ahnen ja nicht, Mr. Parker, wie sehr mich das reizt.«

»Das Boot könnte unter Umständen irregulär reagieren, Mylady.«

»Eine hübsche Vorstellung, Mr. Parker, ich hasse Perfektion.« Agatha Simpson, eine stattliche Matrone, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, beugte sich wieder vor und studierte durch ihre Lorgnette eine Reihe von kleinen Signallampen, die wechselweise bunt aufleuchteten. Sie interessierte sich vor allen Dingen für einen roten Knopf, der von einem Drahtkorb geschützt wurde. Sie fingerte an diesem Drahtkorb herum und schaffte es natürlich mit Leichtigkeit, die versteckte Sperre zu lösen und den Drahtkorb hochzukippen.

»Allmächtiger Gott, nein, Mylady!« Eine bestürzte, fast entsetzte Stimme fuhr dazwischen. Dann schob sich ein Offizier der Königlichen Marine sehr entschieden an das Steuerpult und drückte die bereits ausgestreckte Hand der Dame recht energisch hinunter.

»Was erlauben Sie sich, junger Mann?« grollte Lady Simpson prompt. »Diese Manieren schätze ich aber gar nicht.«

»Der Auslöseknopf für die Torpedos, Mylady«, keuchte der Marineoffizier.

»Ich hoffe doch sehr, wir haben welche an Bord, oder?« Die energische Dame ließ sich ablenken.

»Natürlich, Mylady, aber wir sind noch nicht im Zielgebiet.«

»Dann beeilen Sie sich gefälligst«, gab sie verärgert zurück, »Sie haben mir eine Sensation versprochen. Ich möchte endlich was sehen.«

»Ein Bildschirm wartet auf Mylady«, schaltete sich Josuah Parker ein und deutete diskret auf den Kommando- und Gefechtsstand des U-Bootes. Dort standen Marineoffiziere und Zivilisten, die an dieser Übungsfahrt teilnehmen. Sie alle schauten auf einen normal aussehenden Fernseh-Monitor, wo jetzt ein scharf gezeichnetes Bild erschien.

»Eine technische Sensation«, erklärte ein Werftingenieur stolz, das Suchen und Anpeilen durch das übliche Periskop entfällt. Wenn Sie sich überzeugen wollen?«

Lady Agatha wollte.

Sie schob sich ungeniert durch die Gruppe der Marineoffiziere und Regierungsvertreter, pflügte sich weiter durch und genoß dann das Bild auf dem Monitor. Sie sah einen Frachter kleinerer Bauart, der mit Höchstfahrt ablief und zu entkommen versuchte.

Der Kommandant des U-Bootes, der in einem sesselartigen Sitz vor dem Bildschirm saß, drückte auf die Tasten einer Computer-Anlage, die vor ihm an

gebracht war. Auf dem Bildschirm erschienen jetzt Zahlen, Symbole und verschlungene Kurven. Dann leuchtete ein dunkelroter Lichtpunkt auf. Der Kommandant trat mit dem rechten Fuß auf eine Art Pedal, worauf eine leichte Erschütterung durch das Boot ging.

»Vier Raketen-Torpedos«, erklärte der Werftvertreter stolz, »kleiner und schneller als alle bekannten Typen. Sie werden ja sehen.«

Und dann sah man! Schon nach wenigen Minuten schossen vier schmale, hohe Wassersäulen an der Bordwand des Frachters hoch, der sich sofort in Rauch hüllte. Der Kommandant gab dem Computer neue Codesignale ein, worauf der Frachter prompt wieder zu sehen war, aber mehr als undeutlicher Schattenriß.

Er sank bereits.

Seine Bordwand war häßlich aufgerissen. Lecks von der Größe eines Scheunentors ließen das Wasser in den Rumpf einströmen. Nach einigen weiteren Minuten war der Frachter völlig verschwunden. Der Bildschirm zeigte nun wieder eine kaum bewegte See und einen strahlend blauen Himmel.

»Wie in einem guten alten Hollywoodfilm«, sagte Agatha Simpson, »Sie haben uns natürlich einen vorbereiteten Streifen eingespielt, nicht wahr? Mr. Parker, wie nennt man so etwas noch?«

»Mylady denken sicher an eine Video-Kassette«, schlug Josuah Parker vor.

»Sagte ich doch.« Sie nickte gnädig. »Mit solchen Mätzchen können Sie mich kaum beeindrucken, meine Herren.«

*

»Waren es Mätzchen, Parker?« fragte Anwalt Mike Rander. Er hielt sich in seinem Büro in der Curzon Street auf md wußte inzwischen, was sich an Bord des U-Bootes abgespielt hatte.

Mike Rander, vierzig, ein lässiger Typ, der an den Filmschauspieler Roger Moore erinnerte und seinerseits wieder identisch war mit einem gewissen James Bond, sah den Butler lächelnd an.

»Die Versenkung des präparierten Frachters, Sir, spielte sich authentisch ab«, versicherte Josuah Parker, »es wurde per Funk gesteuert und tatsächlich versenkt.«

»Ein teurer Spaß, wie?« Mike Rander schüttelte den Kopf.

»Vor einer grausamen Realität, Sir, wenn man so sagen darf.«

»Ist das neue Klein-U-Boot tatsächlich so gut?«

»Bestürzend, Sir. Nach den Angaben der Werftleitung, die man nur als sehr zurückhaltend bezeichnen darf und sollte, ist es selbst unter Wasser bedeutend schneller als ein Jagd-Zerstörer oder ein Spezial-Schnellboot. Genaue Angaben wurden selbstverständlich nicht gemacht.«

»Und wozu hat man solch ein Ding konstruiert?« wollte der Anwalt wissen.

»Man spricht von einem U-Boot-Killer, Sir. Es soll Jagd auf getauchte Boote seiner Gattung machen. Es ist sehr klein, nur wenig bemannt und verfügt über eine Fülle von elektronischen Geräten aller Art, die man nicht näher bezeichnete.«

»Und die Sache mit dem Monitor, Parker?« Mike Rander hatte nicht zum Kreis der Personen gehört, die zur Demonstration eingeladen worden waren. Dies hatte ihm nichts ausgemacht, denn er war Zivilist durch und durch.

»Es gibt kein Periskop alter Art mehr, Sir«, berichtete Josuah Parker weiter. »Dünne Glasfasern leiten das Bild der Optik in das Bootsinnere und werfen es auf einen Bildschirm. Computer errechnen den eigenen Standort, den des Gegners und dann die Schußposition. Der Kommandant braucht nur noch eine Art Gaspedal zu treten.«

»Wie groß ist denn dieses scheußliche Ding«, fragte Mike Rander weiter, »wieviel Leute sind da an Bord?«

»Genaue Angaben auch darüber wurden tunlichst vermieden, doch meiner bescheidenen Schätzung nach dürfte es sich um etwa 150 bis 170 Tonnen handeln. Die Besatzung besteht aus insgesamt zehn Personen, wenn nicht weniger. Was die Form betrifft, so wurde meine Wenigkeit an die eines Delphins erinnert. An Torpedos der neuen Bauart vermag dieses Klein-U-Boot etwa acht Stück an Bord zu nehmen.«

»Jetzt muß ich wohl auch nach der Reichweite fragen, wie?«

»Sie ist wegen der ungewöhnlich starken Motoren relativ gering, Sir«, zählte der Butler weiter auf, »falls meine bescheidenen Ohren mich nicht trogen, sprach man von etwa maximal tausend Seemeilen.«

»Unter oder über Wasser, Parker? Ich hoffe, Sie haben auch das mitbekommen. «

»Diese Daten wurden leider nicht genannt, Sir. Wie gesagt, es handelt sich um einen Prototyp, der erst in Serie gehen soll, wenn gewisse Entwicklungen abgeschlossen sind. Man möchte die maximale Tauchtiefe noch verbessern. «

»Und die liegt jetzt wo, Parker? Überraschen Sie mich mal…«

»Hinter diversen vorgehaltenen Händen sprach man von weit über dreihundert Meilen, Sir, aber in dieser Beziehung möchte ich es vermeiden, mich genau festzulegen.«

»Da scheint man ja in Sachen Abschreckung mal wieder hart zugeschlagen zu haben«, spöttelte der Anwalt. »Wie hat Lady Simpson es nur geschafft, an Bord zu kommen? Ich kann nur immer wieder den Kopf schütteln.«

»Mylady gehört zum Aufsichtsrat der Werft, Sir«, beantwortete der Butler prompt auch diese Frage, »darüber hinaus ließ Mylady gewisse interne Regierungsbeziehungen spielen, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Und es ist wirklich nichts passiert, was Mylady betrifft?«

»Mylady hatte vielleicht um ein Haar die sogenannte Rundumverteidigung ausgelöst«, entgegnete Parker höflich, »in solch einem Fall werden sämtliche Torpedos während einer gleichzeitigen Kreisdrehung des Bootes in die See hinaus entlassen und suchen dann mit ihren elektronischen Gefechtsköpfen jede erreichbare Metallmasse, die auf ein Schiff hindeutet.«

»Mehr hätte sie also doch nicht angerichtet.« Der Anwalt schmunzelte.

»Wie ich mitzuhören mir erlaubte, Sir, wird man Mylady zur nächsten Probefahrt nicht mehr einladen«, sagte Josuah Parker, »Mylady betätigte nach diesem kleinen Zwischenfall das Tiefenruder und brachte das U-Boot auf eine Rekordtiefe, die man eines Tages regelmäßig zu erreichen hofft.«

»Das hört sich doch schon besser an.« Rander grinste wie ein Schuljunge.

»Anschließend zog Mylady einen Marineoffizier zur Rechenschaft, der ihr gewisse Vorhaltungen machen wollte. Dieser Herr rutschte mit Verlauf der Auseinandersetzung gegen das Steuerpult, stemmte sich mit den Händen ungewollt auf einigen Bedienungsknöpfen ab und ließ das Boot wie eine Rakete aus dem Wasser schießen.«

»Wie hoch kamen Sie, Parker?« Rander grinste noch breiter.

»Das Klein-U-Boot, Sir, schien sich geradezu in ein Flugzeug zu verwandeln und hüpfte in seiner ganzen Länge meterweit aus den Fluten.«

»Entsprechend hart war dann wohl die Bruchlandung, nicht wahr?« Rander freute sich nur noch.

»In der Tat, Sir! Das Boot wird zur Zeit in der Heimatwerft überholt, was nach Berechnungen und auch Grobschätzungen der Ingenieure etwa vier Wochen dauert.«

»Das ist Mylady, wie ich sie liebe und schätze«, meinte der Anwalt ironisch.

»Wo liegt dieser schrottreife Kahn jetzt?«

»In Plymouth, Sir, in einem Sonderhafen der Werft. Das Klein-U-Boot ist nur noch bedingt einsatzfähig, wie der Terminus heißt.«

»Lady Simpson sollte Spezialistin für allgemeine Abrüstung werden«, schlug Mike Rander belustigt vor, »man braucht sie nur von Staat zu Staat zu schicken und ihr Kriegsgerät zu zeigen.«

»Sie werden verstehen Sir, daß ich mich dazu nicht näher äußern möchte, zumal es mir als Butler nicht zusteht, meine Herrschaft zu kritisieren.«

»Ich werde auf jeden Fall der UNO schreiben«, versprach der Anwalt, »vielleicht erkennt man dort die einmalige Chance.«

Er griff nach dem Telefon, das sich meldete und nannte seinen Namen. Er zwinkerte Parker zu, dessen Gesicht allerdings ausdruckslos und glatt wie das eines Pokerspielers blieb.

»Ein Problem, Mylady?« fragte der Anwalt dann. »Doch, doch, Mr. Parker ist hier bei mir.«

Das amüsierte Lächeln, das seine Lippen umspielte, wich einem harten Mund. Die Nachricht, die er hörte, schien nicht gerade angenehm zu sein.

»Wir kommen sofort«, sagte er schließlich, »natürlich, Mylady, in ein paar Minuten sind wir drüben in Shepherd’s Market. Wir sind eigentlich bereits da.«

Er legte auf und sah Parker nachdenklich an.

»Unangenehme Nachrichten, Sir?« fragte der Butler, »ist Mylady zu einer weiteren Vorführung von Kriegsgerät Ungeladen worden?«

»Noch schlimmer«, erklärte Mike Rander, »das Klein-U-Boot ist vor knapp einer Stunde schlicht und einfach geklaut worden!«

*

»Ich bin konsterniert«, sagte der Mann, der das Gesicht eines alten, müden Pferdes hatte, »ich kann es einfach noch immer nicht glauben.«

»Ich schon«, schnappte Agatha Simpson grimmig zu, »die Geheimdienste haben selbstverständlich wieder mal geschlafen.«

»Mylady«, wehrte das Pferdegesicht gequält ab, »wer konnte denn damit rechnen, daß der private Wachdienst der Werft...«

»Papperlapapp, Sir Herbert«, grollte sie und musterte den Mann mit der gut ausgebildeten Glatze, »mir wäre so etwas nie. passiert, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Sehr wohl, Mylady«, erklärte Parker höflich, aber mit neutraler Stimme.

»Mylady, Ihr Butler«, erinnerte Sir Herbert und hüstelte nervös, »was hier zu erörtern ist, unterliegt der allerhöchsten Geheimstufe.«

»Darum ist Mr. Parker ja auch hier«, erwiderte sie erstaunlich herablassend, »ohne Mr. Parker höre ich mir Ihre Wünsche noch nicht mal an, Sir Herbert. «

»Einen Moment, Sir«, schaltete sich Chief-Superintendent McWarden ein und bat den Mann vom Geheimdienst zur Seite. Anschließend redete er eindringlich auf Sir Herbert ein, der mehrfach den Butler ansah und dann zustimmend nickte.

Chief-Superintendent McWarden, der sich ebenfalls im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Agatha eingefunden hatte, war ein etwa fünfundfünfzigjähriger, untersetzter und bulliger Typ, der leichte Basedowaugen hatte. Er leitete im Yard ein Sonderdezernat und arbeitete mit den diversen Geheimdiensten Ihrer Majestät eng zusammen.

»Ich hatte Ihren Namen nicht verstanden«, entschuldigte sich Sir Herbert halbherzig bei Parker, als er sich von McWarden getrennt hatte, »Sie können zuhören, Mr. Parker.«

»Zu gütig, Sir«, erwiderte der Butler würdevoll.

»Ich gehe zu gern«, schaltete sich Mike Rander ein und deutete auf die Tür, die in die große Wohnhalle des Hauses der Lady Simpson führte.

»Aber nein ... Nur keine Empfindlichkeiten«, bat McWarden hastig, »die Lage ist ernst genug. Sie alle gehören zum Kreis der Personen, die unbedingt ins Vertrauen gezogen werden und einfach mitarbeiten müssen.«

»Darf man in Erfahrung bringen, wie und durch wen das erwähnte U-Boot gekapert wurde?« fragte Parker.

»Durch wen, Mr. Parker? Sagt Ihnen der Name Ken Brixham etwas?«

»Ein Krimineller der sogenannten Mittelklasse, Sir, der bisher im verbotenen Glücksspiel sein Geld zu machen versuchte.«

»Und der jetzt alles auf eine einzige Karte gesetzt hat«, meinte der Chief-Superintendent und nickte. »Ken Brixham und seine Leute haben das Klein-U-Boot gekapert und sind bereits draußen auf See.«

»Möge dieses Subjekt seekrank werden«, hoffte die ältere Dame und passionierte Detektivin.

»Dazu wird’s kaum kommen, Mylady«, sagte McWarden, »Ken Brixham hat auf einem regulären U-Boot Dienst als technischer Maat getan. Er kennt sich leider bestens aus.«

»Auf einem U-Boot, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf«, warf Josuah Parker ein.