Illustration

Gabor Kiszely

Freimaurer-Hochgrade

Gabor Kiszely

Freimaurer-Hochgrade

Lehrarten und Pseudoriten

Edition zum rauhen Stein

 

 

 

Der zweite Band in der Reihe Freimaurer-Hochgrade hilft dem Leser zwischen freimaurerischem Gedankengut und fragwürdigen Kulten zu unterscheiden.

Herausgeber

Satz: Studienverlag/Roland Kubanda Umschlag: Studienverlag/Günther Reinalter Edition zum rauhen Stein, Bd. 11

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7065-5764-1

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Inhalt

I. Ein Wort vorneweg

II. England

Aufklärung in England

Die Entstehung der Freimaurerei

Einflüsse

Die Alten Pflichten

Das Angebot der Freimaurerei

Die symbolischen Grade

Der Lehrling

Der Geselle

Der Meister

Das Königliche Gewölbe

Seitengrade

Markmaurerei

Königliche Archenschiffer

Kryptischer Orden

Rat Verbündeter Maurergrade

Tempelritter

Der Alte und Angenommene Ritus

III. Frankreich

Das Ancien Régime

Die französische Aufklärung

Lichter der Aufklärung

Die Entfaltung der Freimaurerei in Frankreich

Freimaurerei und Revolution

Die Wucherung der Hochgrade

Die Neutempler

Die Schottischen Systeme

Der Heilige Johannes von Schottland – der Französische Philosophische Ritus

Das Clermont’sche Kapitel

Der Perfektionsritus von Heredom

Der Philosophische Ritus von Namur

Der Alte und Angenommene Schottische Ritus

Der Französische Ritus

Der Cerneau-Ritus

Hermetische Hochgradsysteme

Die Erleuchteten von Avignon

Ritus der Erleuchteten Theosophen von Avignon

Der Schottische Philosophische Ritus

Der Göttliche Orden der Philaleten

Der Ursprügliche Ritus der Philadelphen von Narbonne

Ritus Auserwählter Priester

Orden der Wohltätigen Ritter der Heiligen Stadt

Der Rektifizierte Schottische Ritus

Ägyptische Pseudosysteme

Die Magier von Memphis

Cagliostros Ägyptischer Ritus

Der Misraim-Ritus

Der Memphis-Ritus

Der Mesmerismus

Weibliche Freimaurerei

Droit Humain

IV. Deutschland

Die deutsche Aufklärung

Die Freimaurerei in Deutschland

Die Strikte Observanz

Die Rosenkreuzer

Das Klerikat

Afrikanische Brüder

Asiatische Brüder

Die Illuminaten

Der Johanniterritus von Zinnendorf

Das Schröder’sche Ritual

Fesslers System

Maurerische Philosophie

V. Das schwedische System

Die Lehre

Gradeinteilung

VI. Moderne Pseudosysteme

Neorosenkreuzer – Moderne Rosenkreuzer

Goldene Morgenröte

Der Swedenborg-Ritus

Yarkers pseudomaurische Riten

Die Neomartinisten und ihre Kirche

Reuss und der Orientalische Tempelorden (Ordo Templi Orienti)

Crowleys Satanskult

Die Theosophische Gesellschaft

Die Sonderbaren Gesellen (Odd Fellows)

Das System des Albert Pike

VII. Nachwort

VIII. Anmerkungen

IX. Personenregister

X. Sachregister

XI. Literatur

I. Ein Wort vorneweg

Der aus einem falschen Elitebewusstsein entspringende Hang zur maurerischen Selbstüberschätzung gilt als eine der „menschlich verständlichen Begleiterscheinungen“ der Bruderschaft. Das Phänomen ist allerdings uralt; man werfe doch einen Blick auf die selbst erfundenen, nicht einmal symbolischen Ahnengeschichten; in einigen wurden Gott selber, Adam oder sogar Jesus Christus als die ersten Freimaurer bezeichnet. Manche Frühhistoriker der Masonerie führten auch namhafte griechische Philosophen sowie altägyptische Götter- und Priestergestalten an. Doch während diese Art von Größenwahn mit der Zeit zum Glück weitgehend eingedämmt worden ist, wirkt eine andere masonische Unwissenheit weiter: die maurerische Selbstgefälligkeit, die sich in einer unkritischen Selbstbetrachtung äußert. Manchmal haben die Brüder den Eindruck, einer unfehlbaren Gemeinschaft anzugehören. Die Mitglieder gewinnen nur allzu leicht den Eindruck, der Bund habe von Anfang an ausschließlich das Rechte getan, Fehler und Versäumnisse seien von einzelnen Individuen zwar begangen worden, doch für diese könnte die Bruderschaft alleine schon aus dem Grunde nicht haftbar gemacht werden, weil sie die Gewissensfreiheit ihrer Mitglieder vollends respektiere. Nun ist aber die Freimaurerei eine Kommunität, die getreu ihren Grundidealen von vornherein die Verantwortung für die sittlich-spirituelle Entfaltung der Angehörigen wahrnimmt, bzw. wahrnehmen soll. Eine Logengemeinschaft, die dazu aus welchem Grunde auch immer nicht imstande ist, läuft Gefahr, die Unwissenheit im Bereich masonischer Geistigkeit gedeihen zu lassen, deren integrer Teil die maurerische Vergangenheit ist. Und gerade auf diesem Gebiet wäre einiges zu bewältigen.

Die maurerische Unwissenheit ist jedenfalls nicht das Resultat einer dunklen innermasonischen Verschwörung, sie ergibt sich aus einem geistigen Rückstand, dessen substanzgefährdenden Charakter zu übersehen der Preisgabe ureigener Grundideale der Maurerei gleichkommt.

Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, der von der Freimaurerei mit Recht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird, zeichnete sich durch eine kritische Auseinandersetzung mit den geistigen und sozialen Werten der damaligen Gesellschaftsordnung aus. Dazu waren die unablässige Vermehrung von Wissen und analytische Prüfung des neu gewonnenen Wissens, mit anderen Worten: die Eliminierung der Unwissenheit notwendig. Jedem denkenden Geist der Zeit war es wohl bewusst, dass es sich hierbei um einen ewigen Prozess handelte.

Die kritisch-analytische Betrachtung der Welt verliert ihren Sinn, wenn sie nicht mit der kritisch-analytischen Urteilsbildung über unser Selbst einhergeht. In jedem Gelöbnis verpflichtet sich der Freimaurer zum Kampf gegen Unwissenheit und Aberglauben, d.h. zur Vermehrung der Erkenntnisse – sowohl individuell als auch gemeinschaftlich. Die Erfahrung zeigt, dass dies sogar bis in die Gegenwart hinein möglich ist – in Logengemeinschaften allerdings, in welchen die Bestrebung, mit den maurerischen Grundwerten in Einklang zu arbeiten, der Ausbreitung der Entfremdungstendenzen Einhalt gebietet. Nun macht aber der Globalisierungstrend der modernen Industriegesellschaft, d.h. die Bestrebung, auf dem Wege schleichender Manipulation möglichst viele Menschen in kritiklose Konsumenten zu verwandeln, auch vor den Logen nicht halt und fällt auf fruchtbaren Boden bei der masonischen Unwissenheit, die ihrer Natur gemäß weder die Folgen der Beschränkung grundlegender Menschenrechte des der Globalisierung ausgelieferten Bürgers noch die daraus entstehenden Gefahren für die maurerischen Grundwerte und Ideale erkennt. Eine zweite, ja, eine innermaurerische Aufklärung ist dringend vonnöten, die den Brüdern die notwendigen Kenntnisse über die Geschichte der Freimaurerei vermittelt.

Das vorliegende Buch, ein Beitrag zur maurerischen Aufklärung, behandelt Lehrarten, die sich bis heute als würdige Systeme der Freimaurerei bewährt haben, aber auch unzählige dubiose Hochgradwucherungen – Irrlehren, die mit der Freimaurerei, mit ihren essentiellen Grundidealen, d.h. mit ihrem moralischen Sinngehalt nichts zu tun haben. Sie gehören nur so weit zur Geschichte der Masonerie, als sie aus einem willkürlich zusammengebastelten Gemisch freimaurerischer Ideen entwickelt worden sind. Es trifft allerdings zu, dass sich die Großloge von England im 18. Jahrhundert herzlich wenig um die Entwicklung der Masonerie außerhalb des Inselreiches kümmerte, die nationalen Logengemeinschaften waren öfter viel zu zerstritten, um sich als maßgebliche Autoritäten behaupten zu können. Es mangelte auch an Übersichtlichkeit: Man konnte kaum in Erfahrung bringen, wer wo welche Loge gerade gegründet hatte. An fiktiven Patenten und dreisten Fälschungen aller Art mangelte es jedenfalls nicht, und es waren immer Freimaurer bzw. sich als solche ausgebende Individuen zur Stelle, die die chaotischen Zustände zu nutzen verstanden.

Die Frage der Regularität ist jedenfalls schwierig zu bewantworten, da diese bis zur Entstehung der Vereinigten Großloge von England im Jahre 1813 auch im Inselreich höchst umstritten war. Erst in der darauf folgenden Zeit hat sich die Gemeinschaft als Stammhalter der Masonerie, als Mutterloge der Welt zu behaupten versucht. Aufgrund welcher Kriterien können denn die seinerzeit auf dem Kontinent und sogar in Zentral- und Nordamerika entstandenen Systeme als maurerisch, bzw. pseudomaurerisch bezeichnet werden? Anhaltspunkt dafür liefert die Untersuchung der Frage, wie weit Lehrinhalte und Zielsetzungen der Neugründungen mit den masonischen Grundidealen in Einklang standen.

Die ihre Gebräuche und Traditionen wahrende Masonerie bietet in der aus drei Graden bestehenden Johannismaurerei dem Individuum eine Lebenspraxis, eine ethische Schule an, in welcher es den Weg der geistig-moralischen Selbstfindung und Selbstvervollkommnung in einer brüderlichen Solidargemeinschaft antreten kann.

Das grundlegende freimaurerische Symbol ist die Bauhütte, in der der einzelne Stein für den großen Tempelbau bearbeitet werden soll. Deshalb arbeitet jedes Mitglied der Bruderschaft unablässig an der eigenen sittlichen Veredelung; er erkennt und läutert sich selbst, um ein würdiges Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Im Laufe dieses Prozesses lernt der Bruder Symbole und rituelle Handlungen kennen, in welchen ethische Werte zum Ausdruck kommen. Es handelt sich um das Erleben des Symbolgehaltes und des Rituals, das Erleben des maurerischen Geheimnisses, welches auch in der Gemeinschaft ein individueller Vorgang ist und mit Worten nicht ausgedrückt werden kann. Das Symbol spricht im Menschen ein ihm innewohnendes Geheimnis an. Die sich im Unterbewusstsein vollziehende Erfahrung ist mit Worten und Begriffen nicht mitteilbar. Nicht von ungefähr warten Freimaurergegner mit dem bornierten Vorwurf auf, die Masonerie manipuliere das Unterbewusstsein ihrer Opfer, um auf dem Wege von Gehirnwäsche entpersönlichte Gleichgeschaltete zu produzieren. Der Maurer könnte sein Gradgeheimnis selbst dann nicht verraten, wenn er es wollte.

Der Weg, der den Menschen zur Selbst- und Welterkenntnis führt, heißt Königliche Kunst, sie wird durch die Erfahrung erlebt. Die Maurerei erhebt keinen Anspruch darauf, die einzige Lösung zum großen Geheimnis zu bieten; in tiefem Respekt vor dem Schöpfungsgott betrachtet sie die Freiheit des Gedankens als eines der ureigensten Rechte des Menschen.

Nun dient die Johannismaurerei bei den meisten Neugründungen lediglich als Legalisierung des Hochgradüberbaus, dabei wird ihr eigentlicher Lehrinhalt nur geringfügig oder aber überhaupt nicht berücksichtigt.

Dummdreister Aberglaube, obskure Mystik, verdrehte Gnostik, Geldmacherei mit der Verheißung, im Besitz „magischer Kräfte“ zu sein, wirre Theosophie, das Angebot müheloser Schnellvereinigung mit Gott sind der Masonerie ebenso fremd wie erniedrigende Geisterbeschwörungen, Sexualpraktiken, Satanskult und eigene Kirchengründungen. All dies wird unter der Maske der Freimaurerei gegen Entgelt angeboten, in Wirklichkeit handelt es sich um die Vermarktung von pseudomasonischem Treiben, bei dem der Profit maßgeblich ist. Bald tobt eine Vielzahl von sich „wahre Freimaurerei“ nennenden Hochgradsystemen; die Gründer dieser miteinander konkurrierenden Sekten sind häufig psychisch auffällige Individuen, die allerdings reichlich viel vom Geschäft, d.h. vom Missbrauch der nach Magie und Aberglauben lechzenden Menschen verstehen.

Einige Riten – vor allem „schottische“ Systeme – weisen anfänglich noch masonische Züge auf, die aber mit der Zeit von den mystischen Elementen verdrängt werden. Nur wenige, so auch der Alte und Angenommene Schottische Ritus, erleben später eine Bereinigung von den störenden Zusätzen und behaupten sich bis in die Gegenwart hinein als würdige Lehrarten der Freimaurerei.

II. England

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts setzen Kämpfe gegen die Übergriffe der Krone der fast fünf Jahrzehnte dauernden Herrschaft der Stuarts ein Ende. Unter den Richtern, die über Karl I. das Todesurteil verkünden, befindet sich der Puritaner Oliver Cromwell (1599–1658). Die beinahe fünf Jahre währende Schreckensherrschaft des „auf göttliche Eingebung“ handelnden Lordprotektors reicht hinlänglich aus, um der Mehrheit der Bevölkerung die Begeisterung für die Republik auszutreiben. Schließlich wird die Krone dem Niederländer Wilhelm von Oranien angeboten. Die 1688 fast völlig gewaltlos geführte „glorreiche Revolution“ ist in Wirklichkeit eine feierliche Amtshandlung des Parlamentes. Die von Cromwell bald verabschiedete Bill of Rights beinhaltet vor allem Einschränkungen der Herrscherkompetenz, die Abschaffung der Pressezensur und die Proklamation der Redefreiheit. Allerdings nicht unbedingt für alle; Katholiken werden zwar nicht mehr verfolgt, aber auch nicht zu öffentlichen Ämtern zugelassen. Konstitutionelle Monarchie heißt die auf einem Gesellschaftsvertrag beruhende und durch das Parlament überwachte königliche Herrschaftsform, deren Garant etwa in der Funktion eines ersten Staatsbeamten der König selber ist – solange er sich dieser Ehre würdig erweist.

Aufklärung in England

Nach dem Ende der Dynastie der Oranier geht die Krone an das Haus Hannover. Georg I. besteigt 1714 den Thron des Inselreiches, dessen Wohlstand dank der merkantilistischen Kolonialpolitik und der zur Geldaristokratie gewandelten Oberschicht des Bürgertums im Wachstum begriffen ist. An der Spitze der von der parlamentarischen Mehrheit gebildeten Regierung steht ein Ministerpräsident. Die bis zur Mitte des Jahrhunderts währende Friedenszeit – die Kolonialkriege setzen ihr ein Ende – ist jedoch keine Idealwelt; eine schwere Krise bahnt sich an. Für viele hat sich das traditionelle Christentum außerstande erwiesen, Frieden zu schaffen; seine moralischen Gesetze scheinen ungeeignet, inmitten der Veränderungen als Maßstäbe zu gelten. Die ernüchterten, der aufgewühlten Zeiten überdrüssig gewordenen Bürger wünschen vor allem finanzielle Sicherheit, nachdem sie nun schon ihre eigenen Herren geworden sind. Seelenheil steht an zweiter Stelle.

Die Weichen für diesen Prioritätenwechsel sind jedenfalls schon Jahre zuvor gestellt worden, als sich im Denken der Menschen die Idee gebildet hatte, dass die einzig verlässliche Quelle der Erkenntnis die Erfahrung sei. Nur die auf dem Wege der Induktion erlangte Erkenntnis ermögliche den Menschen, Macht über die Natur zu gewinnen, denn das Individuum vermöge sich nur mithilfe des Wissens als Mensch zu behaupten – meinte Francis Bacon (1561–1626). Er arbeitete den Grundgedanken des Empirismus zum umfassenden Programm der Erneuerung des menschlichen Wissens in der Überzeugung aus, auf diese Weise die Herrschaft des homo sapiens über die Natur in die Wege zu leiten. Auch für den resignierten Zeitzeugen des Bürgerkrieges und der Restauration Thomas Hobbes (1588–1679) beruht Erkenntnis auf Erfahrung. Er erblickt in dem durch die Ursünde verdorbenen Menschen allerdings einen Egoisten, der sich in seinem anarchistischen Naturzustand – Kampf aller gegen alle – notwendigerweise nach einem vermissten Gut, der Sicherheit, sehnt. Aus dieser Sehnsucht erwächst auch der Wunsch nach einem geordneten Staat, in dem gesetzlich geschütztes Eigentum besteht. Doch der Staat als eine ungeheure Maschine beherrscht den Willen des Einzelnen, der nur zwischen zwei Ungeheuern die Wahl hat: dem tyrannisch regierten Staat oder der Revolution, die den Rückfall in den Zustand des Kampfs aller gegen alle zur Folge hat. Gott als die oberste Ursache versucht Hobbes weitgehend aus dem Spiel zu lassen. Nicht zuletzt deshalb gilt er für mehrere Zeitgenossen als schamloser und gefährlicher Atheist.

Der Empiriker John Locke (1632–1704) geht mit Gott weitaus behutsamer um. Er glaubt an die Offenbarung, und sogar auch an Wunder – soweit diese nicht sinneswidrig sind; den fanatischen Glauben, den er mit dem Aberglauben gleichsetzt, lehnt er ab. Er verlangt uneingeschränkte Glaubensfreiheit für jeden – ausgenommen die Katholiken und die Atheisten. Das ist allerdings schon ein bemerkenswerter Schritt auf dem Wege hin zur Toleranz. In seiner Staatslehre mit der Grundvoraussetzung der Volkssouveränität fordert Locke die konstitutionelle Regierung, Freiheit, gleiches Recht für alle und die Teilung der Gewalten. Zu den Grundrechten des Individuums zählt er Leben, Freiheit und Eigentum, wobei er Letzteres besonders hervorhebt, und nicht mehr weit davon entfernt ist, den individuellen Nutzen als treibendes Motiv zu bezeichnen. Seine Gedanken werden außerhalb Englands weiterentwickelt und beeinflussen das moderne Staatsdenken im Hinblick auf die Ansichten zu den natürlichen Grundrechten des Menschen.

Anhänger einer anderen das Zeitalter formenden Richtung sind bestrebt, die Religion von der Vernunft ausgehend zu begründen. Laut den Deisten, die sich zu einer „Vernunftreligion“ bekennen, gibt es einen Gott als Urgrund der Welt, doch er greift nach der Schöpfung nicht mehr – auch nicht durch Wunder oder die Sendung seines Sohnes – in den Lauf der Welt ein. Die Grundlagen dieser Lehre sind von Lord Herbert Cherbury (1583–1648) erarbeitet worden. Die „übernatürlichen Dinge“, die das Christentum als Eingriffe Gottes versteht, tut er mit dem Hinweis ab, diese müssten symbolisch verstanden werden, denn die echte Religion läge allein in der Vernunft, folglich sei das Christentum auch etwas allgemein Menschliches; die Bibel beinhalte lediglich die Verkündigung der Vernunftreligion. Diese sei beweisbar, einleuchtend und bedeute die Krönung menschlicher Erkenntnis. In Cherburys Gedankenwelt erscheint somit eine weitere Grundidee der europäischen Aufklärung; am Ende des Jahrhunderts nennen sich Anhänger dieser Richtung Freidenker.

Der für viele als der erste Freidenker geltende John Toland (1670–1722) meint allerdings, im ursprünglichen Christentum habe es keine Mysterien gegeben, die irrationalen Elemente seien von den Priestern in den Glauben hineingepfercht worden, um die Distanz zu den Gläubigen zu vergrößern. Folglich müsse der Glaube wieder auf die Grundlagen des mysterienfreien Evangeliums zurückgeführt werden. Die Wunder könne der Mensch nun bereits mit Hilfe der Wissenschaft enträtseln. Es sei jedenfalls nicht möglich, etwas Unbekanntes anzubeten, die Erkenntnis aber sei Sache und Aufgabe der freien Vernunft, der keine Grenzen gesetzt werden könnten. Das Individuum gelange nur auf dem Wege der Befreiung von religiösen und sozialen Vorurteilen zur Wahrheit. In Bezug auf die Unsterblichkeit der Seele – die jedoch vernunftgemäß nicht bewiesen werden könne – sei es ratsamer, die diesbezügliche Lehre des Erlösers vorbehaltlos anzunehmen. Im Grunde gebe es zwei Religionen: die historische, exoterische für das Volk und die nur für wenige Anhänger der Vernunft bestimmte esoterische, gekennzeichnet durch Wahrheit, Freiheit und Gesundheit. Mehreren Gedanken Tolands werden wir im Ideengut der Freimaurerei wieder begegnen. Dies gilt auch für seinen Zeitgenossen Matthew Tindal (1653–1733), der davon ausgeht, dass das Licht einer einzigen natürlichen Religion die ganze Menschheit durchflute. Jeder sei imstande, ihre ewigen Wahrheiten – Liebe, guten Willen, Mitgefühl – zu erkennen. Diese Wahrheiten den unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten anzupassen sei die Bestrebung aller offenbarten Religionen, welche jedoch von Irrationalität und Aberglauben befreit werden müssten, denn der göttliche Schöpfer wolle ja das Glück des Menschen, d.h., dass jedes vernünftige Wesen seiner Natur gemäß lebe und handle. Folglich müsse den Dogmen eine Absage erteilt werden, um das Leben des menschlichen Wesens im Glück der Liebe und der Sittlichkeit zu ermöglichen.

Antony Collins (1676–1729) geht noch weiter, indem er verkündet, dass der einzige Weg der Wahrheitsfindung der uneingeschränkte Gebrauch der Vernunft sei; ohne freies Denken gebe es keinen wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt. In der von zwingenden Glaubensformeln und Spekulationen bereinigten Religion erblickt er einen Wegweiser zum ethisch-moralischen Verhalten des Menschen.

Die hervorragenden Denker dieser Zeit sind reif genug, um die Freiheit des Wissens zu bejahen. Sie sind auch fest davon überzeugt, dass die Menschen auch reif genug seien, dies zu begreifen. Doch die Mehrheit kann die Einsamkeit dieser Freiheit nicht ertragen, da sie ihrer Trostlosigkeit nicht gewachsen ist, und wohl noch eine Weile auch nicht gewachsen sein wird.

Viel mehr als den Philosophen gelingt es dem Physiker Isaac Newton (1643–1727), einen Ausweg aus dieser Desintegration der Aufklärung aufzuzeigen. Seine Gravitationslehre bietet eine Versöhnung zwischen Glauben und Wissen. Die geheimnisvolle Anziehungskraft, die im Raum überall dort wirkt, wo stoffliche Körper vorhanden sind, wird als Zeichen dafür aufgefasst, dass Geist letztlich doch über Materie triumphiert, dass Gott weiterhin in die Schöpfung eingreift. Die Gravitation erscheint als die Hand Gottes. Newton selber erblickte in seiner Theorie eine Waffe gegen den Atheismus. Als Befürworter einer streng mechanischen, kausalen und mathematischen Naturerklärung sucht er Gott in der Natur mit Vernunft. Er bringt den absoluten Raum und die absolute Zeit in Anlehnung an den Mystiker Jakob Böhme (1575–1624) mit der Allgegenwart und Ewigkeit des Herrn in Beziehung und spricht diesbezüglich vom „Sinnesorgan Gottes“, dessen geheimnisvolle Wirklichkeit er für unerklärbar hält. Er erkennt, dass der aufgeklärte Mensch in seiner Anstrengung, sich einen neuen Gott zu schaffen, scheitern wird. Zugleich weiß er auch wohl, dass durch dieses Scheitern ein Minus-Gefühl entsteht, welches infolge der Abgeschnittenheit vom Mystischen die Verlassenheit und Desintegration der Aufgeklärten bis ins Unerträgliche steigern wird. Er hat die Tragik der Aufklärung erkannt.

Newton hat die Ergebnisse seiner fast fünf Jahrzehnte langen alchemistischen Versuche nie veröffentlicht, sie sind erst 1940 bekannt geworden. Demnach sei die Alchemie eine Wissenschaft, deren Gesetze auf die Struktur des Mikrokosmos anzuwenden seien. Er meint, der Allmächtige habe einigen wenigen im Anfang die Geheimnisse der Naturphilosophie und der Religion anvertraut. In Anlehnung an Paracelsus und Comenius vertritt er die Ansicht, dass die aus der Synthese okkultistischer Traditionen und der Naturwissenschaften entstehende totale Wissenschaft den Menschen zur Vervollkommnung verhelfen und zur Entstehung eines die Erneuerung von Kultur und Religion bezweckenden konfessionslosen Christentums beitragen könnte, in welchem die hermetische Tradition und die modernen Disziplinen im Einklang stehen. Unseriöse Nachahmer nehmen seine Ideen auf und verbreiten infolgedessen Irrlehren, in welchen sich Rationalismus und dunkelster Okkultismus verbinden, die mit der Newton’schen Lehre nicht das Geringste zu tun haben. Das auch in England Fuß fassende Rosenkreuzertum, eine der von der Alchemie stark beeinflussten Gesellschaften, die sich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts entwickelt hatten, wartete mit einer umstrittenen Ursprungsgeschichte auf. An historisch verifizierbaren Beweisen mangelt es da heute noch. Fest steht lediglich, dass im Jahre 1624 der württembergische Pastor Johann Valentin Andreae (1528–1590) in seiner Schrift Fama Fraternitates oder Bruderschaft des Ordens des Rosencreutzes von einem Mann namens Christian Rosenkreutz berichtet, der Ende des 14. Jahrhunderts bei einer Wallfahrt ins Heilige Land in uralte Weisheiten und Geheimnisse der Araber eingeweiht worden sein soll. Später soll er im Deutschen Reich die erwähnte Bruderschaft gegründet haben, mit dem Ziel, die Kirche zum Urchristentum zurückzuführen. Das Grab des in hohem Alter verstorbenen Gründers sei erst hundertzwanzig Jahre nach seinem Tode samt seiner Offenbarungen entdeckt worden, die Schriften wiesen aber merkwürdigerweise eindeutig protestantische Züge auf. Obwohl sich das Werk des Pastors Andreae samt seiner weiteren Schriften als eine tendenziöse Erfindung herausstellte, fand sich für die darin formulierten mystisch-alchemistischen Ideen bald eine breite Anhängerschaft, die diese bereitwillig mit anderen gnostischen und synkretistischen Theorien verband. Zahlreiche „authentische rosenkreuzerische Lehren und Methoden“ drangen mit der Zeit in verschiedene Maurerlogen und masonische Theorien ein.

Die im 17. Jahrhundert europaweit tätigen rosenkreuzerischen Akademien gliederten sich in drei Klassen. Zu der ersten gehörten die „philosophischen Alchemisten“, die auf Physik und Chemie aufbauende Weisheitslehren bearbeiteten. In der Klasse der Theoretiker befasste man sich mit Theorien über die Struktur und Beschaffenheit der Metalle. Die dritte Klasse hieß die Stufe der Praxis; hier galt es, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.

Die Philosophie der alchemistischen Weisheitslehrer zeigt eine Tiefe des Wissens und häufig auch eine Fülle religiöser Empfindungen. Demnach wohne der in Jesus Christus zu Mensch gewordene göttliche Geist als Keim des ewigen Lebens jedem Menschen inne; sich seiner bewusst zu werden, bedeute den Zugang zur Transzendenz, zur geistigen Wiedergeburt gefunden zu haben. Im Mittelpunkt des aus Alchemie, Magie und kabbalistischen Ansätzen bestehenden Systems steht das Hinstreben alles Bestehenden zur Vollkommenheit. Ziel ist es, den in seiner Würde herabgesunkenen Menschen emporzuheben und das verunstaltete Ebenbild Gottes wieder herzustellen. Dadurch sollte eine ideale Weltgemeinschaft geschaffen werden, in der das menschliche Wesen das höchste Glück zu erlangen vermag.

Die Mitglieder aller Klassen der rosenkreuzerischen Akademien waren dem Gebot der Verschwiegenheit unterworfen, um, wie es hieß, das Geheimnis des Steines der Weisen zu bewahren.

Jedenfalls standen mehrere namhafte Mitglieder der 1662 entstandenen Königlichen Akademie (Royal Society) im Banne rosenkreuzerisch-alchemistischer Lehren, wobei auch die mit ihnen stellenweise eng verflochtene Pansophie des Comenius1 (1597–1670) maßgeblich zum Zuge kam. Der böhmische Bischof war 1640 nach England gekommen, um eine ethisch-pädagogische Gesellschaft zu gründen, die im Geiste neoplatonischer und alchemistischer Lehren und der religiösen Toleranz an der Schaffung eines neuen geistigen Lebens interessiert war. Sein Ideal war das Gesamtwissen.

Zu den Mitgliedern der von König Karl II. geförderten Akademie zählten neben Newton u.a. Christopher Wren, Francis Bacon, John Locke, der Chemiker Robert Boyle, der Mathematiker William Ougthred und auch Rev. John Theophilus Desaguliers, eine der herausragenden Gestalten der Freimaurerei. Unter den Ehrenmitgliedern, die sich Freunde der Wissenschaft nannten, befand sich der Herzog von Montagu, der spätere Vorsteher der Großloge von London.

Die Entstehung der Freimaurerei

Die jahrhundertealte Behauptung, die Freimaurerei stamme direkt von den mittelalterlichen Steinmetzzünften ab, lässt sich historisch nicht verifizieren. Die nachträglich geschaffene Legende über eine Kontinuität hat jedenfalls einen festen Platz in der Geschichte der Masonerie.

Es ist nachweisbar, dass sich Mitglieder der einstigen Baugenossenschaften europaweit durch geheime berufsspezifische Zeichen und Sprüche zu erkennen gaben. Sie arbeiteten häufig unter der Schirmherrschaft von Benediktinern und Zisterziensern. Vielerorts wurden die Bauarbeiten vom Abt oder von einem als caput magister – im englischen Sprachbereich master builder – bezeichneten fachkundigen Priester geleitet. Um den Meister bildete sich eine aus Architekten, Ingenieuren, Statikern, Steinmetzen und Maurern bestehende, in Gesellen und Lehrlinge gegliederte Hierarchie. Die Kommunitäten nahmen auch soziale Aufgaben wahr, indem sie beispielhaft für ihre Kranken und die Familienangehörigen verstorbener Kollegen sorgten. Sie hatten eigene Arbeitsgesetze und innere Ordnungen; einige der ethische Normen beinhaltenden Vorschriften sind erhalten geblieben. Die Zunft hatte freilich ihre traditionellen Berufsgeheimnisse, die dem Aufzunehmenden nach der Prüfung seiner Leistungsqualitäten im Rahmen eines Rituals auch symbolisch verschlüsselt weitergegeben worden sind. Die Pflege von anderweitigen Mysterien kommt erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts bei den sich Freimaurer nennenden Gemeinschaften zum Vorschein.

Im Dienste der Geistlichkeit stehend, dürften die Angehörigen der Zünfte jedenfalls reichlich mit religiösen Ideen und Zeremonien zu tun gehabt haben. Der Ausdruck Freimaurer scheint zum ersten Mal 1375 in einer Aufzeichnung über die städtischen Gilden von London in der Form von freemasons auf. Über die Bedeutung herrscht nach wie vor Unklarheit. Vieles spricht jedenfalls dafür, dass jene Maurer als frei bezeichnet worden sind, die über die notwendigen Kenntnisse verfügten, um den freestone genannten Ornamentstein künstlerisch zu bearbeiten.

Teile des um 1400 entstandenen Regius-Manuskriptes und der aus der Zeit zwischen 1430 und 1440 stammenden Cook-Schrift, der zwei ältesten Denkmäler der Steinmetzbruderschaft, deren Originale erst im 19. Jahrhundert im British Museum gefunden worden sind, enthalten alte Zunftordnungen, sittlich-religiöse Anleitungen sowie einige Legenden, aber keinerlei Hinweise auf einen eventuellen Mysterienbund. Aus den Aufzeichnungen wird auch die Tendenz deutlich, den Ursprung der Maurerei bis ins Altertum zurückführen zu wollen. Die übersprudelnde Legendenbildung bezeichnet Abraham als Lehrmeister Euklids; außerdem sollen David und Salomon ebenfalls Urväter der hehren Gemeinschaft gewesen sein. Rituale, geschweige denn Zunftmysterien lassen sich jedoch nicht einmal aus diesem Sittenkodex rekonstruieren.

Verifizierbar ist, dass die Steinmetzzünfte im 17. Jahrhundert in Schottland immer mehr Nicht-Maurer in ihre Reihen aufnahmen. Als Grund dafür wird auch heute noch öfter angegeben, dass die Maurerzünfte mit ihren Traditionen, ihrer Toleranz und freilich auch mit ihren Geheimnissen auf zahlreiche Individuen, die der erbitterten religiösen Auseinandersetzungen überdrüssig geworden waren, als eine Stätte des brüderlichen Zusammenseins eine besonders attraktive Wirkung ausgeübt hätten. Gewiss. Übersehen wird dabei lediglich die Frage, warum diese Gemeinschaften sich veranlasst fühlten, ihre Berufsgeheimnisse auf einmal mit nicht professionellen Personen zu teilen. Nun geschah das in einer Zeit, als die meisten Bruderschaften nicht mehr imstande waren, sich wirtschaftlich und finanziell zu behaupten und einer ihrer Hauptaufgaben, der eigenen Sozialfürsorge, nachzukommen. Die Aufnahme von Außerberuflichen gegen Entgelt war selbstverständlich, auch wenn dies vom freimaurerischen Empfinden her nicht unproblematisch war. Fest steht jedenfalls, dass meistens Adlige, Geschäftsleute sowie bedeutende Männer auf kulturellem oder sozialem Gebiet Aufnahme in die schottischen Gilden fanden; im Jahre 1600 zählte die Gemeinschaft von Aberdeen unter ihren 49 Mitglieder nur noch zehn Zunftmaurer.

Die Situation in England war eine ähnliche. Es waren seinerzeit vor allem in London zahlreiche Box-Club genannte Berufsvereine in Schenken tätig, die bei geselligen Zusammenkünften regelmäßig Kollekten für ihre Notleidenden durchführten. (Eine Kollektenschachtel stand auf dem Stammtisch, daher auch der Name Box-Club.) Die „Geheimnisse“ der Steinmetze wirkten sicherlich für viele anziehend, obwohl von echten Geheimgesellschaften kaum die Rede sein kann, wenn an der Tür der Kneipen mit Aufschriften wie „Hier werden Maurer gemacht!“ geworben wird. Das Interesse war jedenfalls beträchtlich. In den vier Londoner Gemeinschaften2, die am 24. Juni 1717 beschlossen, sich zur Großloge von London zusammenzuschließen, waren die Zunftmaurer als „operative Brüder“ bereits in die Minderheit geraten. An ihrer Stelle agierten sich „spekulative Maurer“ nennende Mitglieder. Die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts zunehmende Unterwanderung durch die im Banne der Ideenwelt der Königlichen Akademie stehenden „Spekulativen“ rief allerdings auch den Widerstand der Minderheit hervor; drei der Gründergemeinschaften schlossen sich bald wieder mit einer alten Zunftloge zusammen und auch in der Großloge von London dauerte die Krise noch jahrelang; eine Tatsache, die von der Freimaurerei liebend gern ignoriert wird.

Einflüsse

Bei der „spekulativen“, genauer freimaurerischen Unterwanderung der Werkmaurergemeinschaften stechen besonders die pansophischen Ideen des bereits erwähnten Comenius ins Auge. In seinen Schriften schwärmt er vom „Aufbau des Tempels der Weisheit“, welcher „nach den Gesetzen und Normen des höchsten Baumeisters“ zu errichten sei und „allen dienen sollte, die als Menschen geboren sind“. Der auch im Banne der rosenkreuzerischen Lehren stehende Pansoph bekennt sich bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu der Religion, „in der alle Menschen übereinstimmen“ und erblickt den Sinn seines Lebens darin, „der Menschheit das universelle Licht zu entzünden“. Die Verfasser der 1721 entstandenen Alten Pflichten der Freimaurerei3 übernehmen sogar ganze Absätze wortgetreu aus seinen Satzungen für die 1620 von ihm in der Schlacht am Weißen Berg angeführten böhmischen und mährischen Brüder. Die Idee der Gründung eines weltumfassenden Humanitätsbundes stammt ebenfalls von dem Bischof. Denkwürdig ist auch die Tatsache, dass auf der Titelseite seiner 1644 erschienen Schrift Pansophiae Prodomus Winkelmaß, Zirkel und ein – sicherlich heiliges – Buch prunken, die später unter der Bezeichnung „drei große Lichter“ als Hauptsymbole der Freimaurerei gelten sollen.

Auch reine rosenkreuzerisch-alchemistische Elemente wirken auf die Entwicklung freimaurerischer Lehren ein. Die dem Zunftmaurertum unbekannten „mysterischen“ Züge werden von den „spekulativen“ Maurern vermittelt, denen es vor allem darum ging, aus einem Werkbund einen Weisheitsbund zu kreieren.

Als spiritus rectorAlten Pflichten