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Markus Thomm

Gebet des
Körpers

Yoga mit Pater Markus

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1. Auflage 2019

Ein image-Buch aus der

© 2019, Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Für die Texte der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift,

vollständig durchgesehene und überarbeitetet Ausgabe

© 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Franziska Barczyk, Toronto/New York

Gestaltung und Satz: wunderlichundweigand, Schwäbisch Hall

Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Lípová 1965, 737 01 Český Těšín, Czech Republic

Verlag: Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Silberburgstraße 121, 70176 Stuttgart

www.caminobuch.de

eISBN 978-3-96157-973-0
ISBN 978-3-96157-071-3

Inhalt

Einführung

Teil I: Grundlagen

Ursprung und Quellen des Yoga

Kultureller Kontext

Jahrtausendealte Poesie

Teil II: Hinduistische Erfahrung und christliche Theologie

Faszinierende Begegnung zweier Religionen

Spiritualität mit Leib und Seele

Der Yogaweg des Patanjali unter christlichem Vorzeichen

Durch Asanas zur Erfahrung des Göttlichen im Menschen

Das Ziel ist die Kontemplation

Parallelen zu den christlichen Mystikern und Theologen

Teil III: Ein Übungszyklus

Gebet des Körpers

Übung 1:Die Entspannungslage (Zavasana)

Übung 2:Der Neuanfang (Yogamudra)

Übung 3:Das Sonnengebet (Surya Namaskar)

Übung 4:Die Waage (Vyrabhadrasana)

Übung 5:Der Kopfstand (Sirshasana)

Übung 6:Der Pflug (Halasana)

Übung 7:Die Kopf-Knie-Stellung (Paschimothanasana)

Übung 8:Die Stellung des Kindes

Übung 9:Der Halbmond (Anjaneyasana)

Übung 10:Der Drehsitz (Matsyendrasana)

Übung 11:Der Kreis des Herzens

Übung 12:Die Dreieckstellung (Trikonasana)

Übung 13:Das kosmische Gebet

Übung 14:Das Seinsgebet

Übung 15:Der Lotus (Padmasana)

Teil IV:Hintergründe

Yoga-Schulen im Hinduismus

Das christliche Verständnis von der leibseelischen Einheit des Menschen

Das Ende, das ein Anfang war

Literatur

Einführung

Yoga, ein für Viele exotisch klingender Begriff, hat in den letzten Jahren immer mehr Anklang gefunden im westlichen Kulturbereich, nicht zuletzt in Deutschland. Dabei kann es sich in der Praxis um recht unterschiedliche Vorgänge handeln: So kann ein Yogakurs in Deutschland beispielsweise eine rein körperliche Einführung in bestimmte Körperübungen sein. Ebenso kann es einem passieren, dass zu den Übungen anhand von Texten und Erläuterungen eine bunte Mischung aus hinduistischen, christlichen, anthroposophischen oder allgemein esoterischen Auffassungen eingestreut wird und die Übergänge zwischen den verschiedenen Anschauungen sehr fließend erscheinen.

Aus dieser Erfahrung entstand mein Anliegen, eine systematische Klärung zusammenzustellen, worin das typisch Christliche besteht und inwiefern ich Yoga praktizieren kann, ohne die Weltanschauung des Christlichen verlassen oder relativieren zu müssen.

Der erste Teil des Buches enthält eine kurze Skizzierung der Geschichte und Gedankenwelt des Hinduismus und eine sehr kompakte Zusammenfassung über das entscheidend Christliche: das christliche Gottesbild, Welt-, Geschichts- und Menschenbild. Nachdem das christliche Profil geklärt ist, wird es nicht darum gehen, einen theologischen Dialog oder gar interreligiösen Bewertungsversuch zu starten. Es geht darum, aus dem christlichen Menschenbild heraus und der darin liegenden zentralen Erkenntnis von der Einheit von Leib und Seele und der Wertschätzung des Leibes als Gefäß des Heiligen Geistes, die Körperübungen anzuschauen, anzuleiten und zu deuten. Die Frucht, die dabei entsteht, ist ein in gewisser Weise neuer Yoga-Weg, der den Glauben nicht verkopft, sondern ganzheitlich mit Leib und Seele zu praktizieren und zu vertiefen hilft. Es findet also keine Relativierung des christlichen Glaubens statt, sondern durch die lebendige Integration des Körpers eine ganzheitliche Vertiefung dessen, worum es im christlichen Glauben und der persönlichen Gottesbeziehung zutiefst geht. Ein konkreter Übungszyklus von 15 Übungen und Bewegungsabfolgen zeigt, wie Leibübungen zum Körpergebet werden können.

Ich wünsche viel Freude beim Lesen des Buches und lebendigen Entdeckergeist beim Üben dieses christlichen Yoga- bzw. Gebetsweges ganz nach Paulus, der sagt: »Prüft alles und behaltet das Gute!« (1 Thess 5,21)

Pater Markus Thomm

Teil I

Grundlagen

Ursprung und Quellen des Yoga

Das Wort Yoga hat seinen Ursprung im Sanskrit, aus dem die heutigen indischen Sprachen hervorgegangen sind. Seine ursprüngliche Wurzel »Yu« bedeutet u.a. »verbinden, anschirren, anspannen«. In diesem Sinn wird Yoga definiert als das Wiederherstellen der Verbindung zwischen dem individuellen Selbst und dem höchsten, dem göttlichen Selbst.

Auch in den modernen Sprachen finden sich Begriffe, die in der Sanskritwurzel ihren Ursprung haben so z.B. das englische Wort yoke und seine deutsche Entsprechung »Joch«, das zum Anschirren, zum Jochen dient. Das lateinische Wort iungere (verbinden, anjochen), iugum (Joch) zeigt ebenfalls Spuren der Sanskritwurzel.

Yoga gehört zu den ältesten religiösen Praktiken überhaupt. Als erste Quellen dieser Tradition werden Höhlenmalereien im nordindischen Industal gewertet. Sie sind um 2000 vor Christus entstanden. Die ersten schriftlichen Zeugnisse, wie z.B. die »Rig Veda«, sind zwischen 1500 und 800 vor Christus entstanden.

Trotz dieser frühen Dokumente ist es jedoch kaum möglich, den Ursprung des Yoga genau zu datieren, weil über lange Zeit die Weitergabe mündlich vom Lehrer zum Schüler bzw. Schülerkreis geschah.

Von Patanjali (2. bis 3. Jh. v.Chr.) stammen die bis heute als grundlegende Quellentexte des Yoga meistzitierten »Yoga-Sutren«. In acht Stufen liefert er eine konkrete Beschreibung von Methoden zur Erlangung von Konzentration, Meditation und Ekstase. Besonders bemerkenswert sind die detaillierten Beschreibungen von einzelnen Techniken bis in den okkulten Bereich von magischen Kräften, Elevation usw. hinein. Eine weitere herausragende Quelle, deren Akzente im dritten Teil eigens behandelt werden, stellt die Bhagavad Gita dar. Sie besteht aus 700 Doppelversen und bildet den Höhepunkt der Mahabharata, welche mit der Ramayana die beiden großen epischen Gedichtszyklen des antiken Indiens bildet.

Vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt schließlich die Hathayogapradipika, die, wie der Name schon andeutet, besonders dem Hathayoga gewidmet ist, der vor allem den körperlichen Aspekt der Yogastellungen betont.

Kultureller Kontext

Der kulturgeschichtliche Hintergrund der Anfänge des Yoga steht im Rahmen eines Strebens nach kultureller Einheit. Denn Indien repräsentiert schon von frühester Zeit an einen großen Pluralismus an Volksgruppen, Rassen und Kulturen. Dabei bedeutet die Einwanderung arischer Volksstämme in Nordindien im zweiten vorchristlichen Jahrtausend wohl die massivste Konfrontation zweier Kulturen. Die kulturelle Begegnung fand natürlich nicht während der militärischen Auseinandersetzungen statt, sondern setzte erst wesentlich später ein. Dies geschah durch zwei Randgruppen der arischen Gesellschaft, die wesentlich offener für Begegnung und Inkulturation waren als die einheimische Bevölkerung. Es waren die Vaisnava-Gemeinschaft und die Vratya-Bruderschaft. Hier nahm die kulturelle Begegnung von vedischer und vorvedischer Gedankenwelt ihren Ursprung. Der entstehende Yoga war der Beginn dieser ungeheuren Verschmelzung urindischer Kultur mit dem arischen Weltbild, ein Prozess, der sich über Jahrhunderte hinzog und die Grundlage einer indischen Ethik und Lebensphilosophie bildete.

Jahrtausendealte Poesie

Keshin-Hymne

Ein Auszug der Keshin-Hymne (1500–800 v.Chr.) soll einen Geschmack davon geben, in welchem Stil diese uralten Texte von Wesen und Ziel des Yoga sprechen, wie das religiöse Leben und Empfinden der Menschen damals geprägt war. In poetischer, bildhaft beschreibender Sprache wird das Ideal des Asketen beschrieben:

Der im langen Haar überdauert das Feuer.

Der im langen Haar überdauert das Gift.

Er überdauert beide Welten.

Der im langen Haar wird das Licht genannt.

Die vom Wind umgürteten Weisen,

haben die sandfarbene Robe des Staubs angezogen:

Sie gleiten mit dem Wind,

wenn das Göttliche sie erfasst hat.

Jubelnd als Seher,

sind wir über die Winde aufgestiegen.

Von uns, oh ihr Sterblichen,

nur unseren Körper ihr seht.

Im Zwischenbereich schwebt der Weise,

herabstrahlend auf alles, was Form ist;

wegen seiner Frömmigkeit

nennt man ihn Freund eines jeden Gottes.

Das Ross des Windes,

der Herr der Freunde des Lebens

ist der vom Göttlichen trunkene Weise.

In beiden Ozeanen wohnt er, im oberen und im unteren.

Auf dem Pfad der Nymphen, der Engel und der wilden Tiere

schreitet der mit dem langen Haar einher,

ein Kenner der Sehnsüchte der Herzen,

ein sanfter Freund mit durch und durch heiterem Wesen.

Für ihn hat der Herr über das Leben

aufgewühlt und zerstoßen das Unmögliche,

wenn der mit dem langen Haar, in Gott Rudras Gesellschaft,

aus dem Giftbecher trank.

Bhagavadgita

Wesentlich jünger ist das zweite Textzeugnis aus der Bhagavadgita (ca. 300 v.Chr.).

Auch hier wird das durch Yoga erlangte Ziel beschrieben:

Wenn alle Bewegungen des Verstandes unter Kontrolle sind, befreit von ruhelosem Verlangen, sodass sie ruhen in der eigenen Mitte, dann wird der Mensch ein Erleuchteter – einer, der in Gemeinschaft mit Gott lebt.

Eine Lampe flackert nicht mehr, wo es keinen Wind mehr gibt. So ist das mit einem Yogi, der sein Gedächtnis, sein Denken und sein Selbst unter Kontrolle hat und ganz aufgeht in dem Geist, der in seiner eigenen Mitte wohnt.

Sobald durch die Übung des Yoga die Ruhelosigkeit gestillt ist, findet der Yogi, durch die Gnade des Geistes, der in ihm wohnt, tiefe Erfüllung.

So erfüllt ihn eine ewige Freude, die jenseits der Sinne liegt, deren Sinn er nicht mehr begreift.

Er verharrt in dieser Realität und verlässt sie nicht.

Er hat den kostbarsten aller Schätze gefunden.

Es gibt nichts Größeres als dies.

Wer dies einmal erlangt hat, wird selbst durch den größten Schmerz nicht mehr im Innern berührt.

Das ist die wahre Bedeutung des Yoga – die Befreiung von Trauer und Schmerz.

Teil II

Hinduistische Erfahrung und christliche Theologie

Faszinierende Begegnung zweier Religionen

Echte Begegnung bedeutet nicht Nivellierung, sondern Bereicherung aus dem Wissen um die eigene Identität und den eigenen Ort, an dem ich stehe. Dazu gehört auch die im Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Überzeugung, dass Gott sich auch in anderen Weltreligionen, wenn auch in abgestufter Weise, offenbart und zu erkennen gegeben hat. Das heißt, auch Hindus gehören zur Gemeinschaft der Gott suchenden Menschheit, von der sich Gott in je eigener Weise in gewissem Maß finden lässt. Im Folgenden wird es aber nicht um einen Dialog gehen, das würde den Rahmen dieses Buches bei weitem sprengen. Der eigenen Identität bewusst, also ganz im Christlichen stehend, geht der Blick in die Erfahrungswelt des Hinduismus mit der Offenheit, sich bereichern zu lassen. Dabei können möglicherweise Elemente aufgenommen werden, die assimilierbar sind und die die eigene Glaubenspraxis bereichern und verlebendigen.

Der Horizont dazu ist und bleibt das christliche Gottesbild mitsamt dem damit gegebenen Welt-, Menschen- und Geschichtsbild sowie der christlichen Erlösungsvorstellung. Das ist der Glaube an einen personalen Gott, der die Welt aus dem Nichts geschaffen und ins Dasein gebracht hat und in diesem Sinn von ihr völlig verschieden ist, jenseitig und transzendent. Er setzt sich jedoch zur Welt in Beziehung als Gott der