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Adax Dörsam
KAMMALASSE

Impressum

Umschlagfoto: Roland Rossbacher

Satz & Gestaltung: Verena Kessel

ISBN Hardcover-Buch 978-3-86476-059-4
ISBN E-Book EPUB 978-3-86476-634-3
ISBN E-Book PDF 978-3-86476-635-0
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Adax
Dörsam

KAMMALASSE

Verlag Waldkirch

Vorwort von Matz Scheid:

Gefüllte Nudeln und Grundschulfe

Warum schreibt Adax Bücher? Diese Frage werden sich wohl einige stellen. Und das aus nachvollziehbaren Gründen, macht der Autor der Lektüre, die Sie gerade in Händen halten, in der Regel doch eher wegen seines meisterlichen Umgangs mit allen möglichen Arten von Saiteninstrumenten von sich Reden. Ich könnte es mir einfach machen und mit der Gegenfrage Warum nicht? gleich hier zum Schluss kommen. Doch ein paar Gedanken will ich noch in Worte fassen. Nicht zuletzt aus dem Grund, dass mein Auftrag lautete, ein Vorwort beizusteuern. Und dieses wäre deutlich zu kurz, wenn hier schon am Ende.

Adax gehört nicht zur verbreiteten Spezies der „Man-müsste-mals“ oder wie man in unserem, dem Kurpfälzer Dialekt sagen würde, „Mameest-ämols“, deren herausragende Eigenschaft es ist, ihre zumeist in ebenso blumigen wie lauten Tönen der Weltöffentlichkeit mitgeteilten Lebenspläne für immer und ewig im Planungsstadium verharren zu lassen. Nein, Adax ist anders: ER TUT ES! Und so überraschte er uns im Jahr 2012 mit der Veröffentlichung eines Buches. „Saitenweise biografische Notizen“ hieß der literarische Erstling meines langjährigen Freundes und musikalischen Weggefährten. Wirklich überrascht waren diejenigen, die Adax kannten, natürlich nicht, denn mit kreativen Eskapaden, nicht nur auf einem seiner vielen Instrumente, war bei ihm immer und überall zu rechnen. Wobei, das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, die Reaktionen auf die Ergebnisse Dörsam’scher Kreativität durchaus unterschiedlich ausfallen und von heller Begeisterung bis hin zu einem gewissen Unverständnis reichen können.

Bezug nehmend auf Letzteres, erinnere ich mich sehr gerne an eine Geschichte aus meiner gemeinsamen WG–Zeit mit Adax Anfang der Achtzigerjahre. Eines Morgens, oder war es schon Nachmittag? – kurz nach dem Aufstehen eben, machte in unserer Wohngemeinschaft das Gerücht die Runde, Adax würde sich heute ums Abendessen kümmern und seinen Mitbewohnern ein von ihm kürzlich selbst erfundenes Gericht präsentieren – gefüllte Nudeln. Das klang vielversprechend. Pasta mit einer leckeren Füllung – Steinpilzen vielleicht, Käse, Spinat oder gar Lachs! Alle freuten sich aufs Abendessen. Als Adax zu Tisch rief, war die Spannung groß, aus was letztlich die Nudel-Füllung bestehen würde, und die Enttäuschung hielt sich, eben weil man Adax kannte, dann auch in Grenzen, als sich herausstellte, dass gefüllte Nudeln „a la Adax“ nichts anderes waren als Makkaroni, in deren Hohlraum Spaghetti gesteckt waren. Immerhin war Adax so clever gewesen, die Makkaroni vor dem Abkochen zu füllen! Das sei der Trick bei diesem Gericht, erklärte er uns.

Im Übrigen wollte er seine Pasta-Kreation durchaus nicht als kulinarischen Gimmick verstanden wissen. Mit lobenden Worten, erkennbarer Zufriedenheit und großem Genuss verspeiste er dann auch seine bahnbrechende Rezeptur. Ein erfrischend phantasievoller und erfinderischer Mensch eben, der Adax! Ausgestattet mit einem gesunden Selbstbewusstsein.

Nicht nur die eine oder andere kulinarische Sensation haben wir ihm zu verdanken, auch in anderen Bereichen hat er sich Verdienste erworben, auch wenn diese in ihrer Bedeutung mitunter schwer einzuschätzen sind. Biologie zum Beispiel! Er und kein anderer entdeckte die zugegebenermaßen bis heute wissenschaftlich nicht belegte Spezies der Grundschulfe. Als er mir davon erzählte und ich ihn schließlich fragte, was genau Grundschulfe seien, antwortete Adax: „Das sind sehr flache, sehr kleine und sehr unscheinbare Fische, die sehr versteckt unter sehr flachen Steinen, noch dazu endemisch und damit quasi unbemerkt in einem kurzen Abschnitt des kleinen Odenwald-Flüsschens Weschnitz leben.“

Grundschulfe, gefüllte Nudeln, ganz zu schweigen von den rätselhaften Kreuchlingen. Davon vielleicht ein anderes Mal mehr. Adax steckt voller Ideen und Neugier, sein Forschergeist ist ungebrochen und er hat einiges zu erzählen. Warum also sollte einer wie er kein Buch schreiben? Ich hab’ dann übrigens mal nachgeschaut – und keine gesehen. Aber ich bin sicher – es gibt sie – irgendwo verborgen in der Weschnitz – die Grundschulfe!

Matz Scheid

Inhalt

Vorwort: Gefüllte Nudeln und Grundschulfe

Auf großer Fahrt

Der Druckers Hannes

Uschi Nerke

Anarchie und Staubsauger

Sex oder was?

Matz schreibt über Adax

Internes Vorspiel

Im Kirschbaum

Metalyrik 1

Drink & Drive

Uriah Heep

Die weiße Hündin

Der Turm von Pisa

Geschmacksache

Service wüster Kurdistan

Der ganz große Fettnapf

Adax kocht

Die pünktliche Frau

Von Köln nach Nieder-Liebersbach

Mark Twain in Münschbach

Zum Plural von Adax

Wurmhusten

Wie ich einmal beinahe tot war

Metalyrik 2

Essen satt

Winzerhof vs. Waldbühne

Veranstaltungshinweise fom Veinsten

Das Rollbett rollt

Denkwürdige Zitate 1

Tony Marshall auf Bora Bora

Bilder

Musik und Glück

Im Flötenkreis der Posaunenfolter

Ballermann-Alarm

Mehr Tiefpunkte!

Denkwürdige Zitate 2

Fiese Mieze

Der perfekte Gag

Barry McGuire

Die Odenwaldhölle

Das war früher schon die Zukunft

Krasse Sprache

Ätzend

Freiheit für Xavier!

Tommy Emmanuel in Heidelberg

Matthias Holtmann

Zweimal Heimat

Biografie

Adax CDs

ADAX Bücher

Adax T-Shirts

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Alle Kinder sind schon da: Auf dem Lindenhof in Mannheim im Wohnzimmer mit Matthias, Papa Franz, Bernadette, Mama Adelheid, Franz-Jürgen, Adelheid und dem kleinen Adalbert in Ledertracht.
Foto: Unbekannt/Rajya Karumanchi

Auf großer Fahrt

Martin Luther King verkündete 1963: „I have a dream“. Von der Weltöffentlichkeit völlig unbeachtet hatte auch der junge Adalbert und spätere Adax einen Traum: In der Diesterweg-Schule auf dem Lindenhof, Mannheims ältestem Stadtteil, wurde über die Römer berichtet. Und über Ausgrabungen römischer Siedlungen in Mannheim-Wallstadt. Der kleine Adalbert war elektrisiert, er sah schon historische Amphoren, Geschmeide aus Silber und Gold und antike Bäder vor seinem geistigen Auge. Nix wie hin!

Mit meinem Tretroller sollte das kein Problem sein, ich machte mir einen Plan. Den Eltern sagte ich vorsichtshalber nichts, immerhin war ich jetzt schon stolze acht Jahre alt. In diesem Alter muss man nicht mehr wegen jedem Pipifax um Erlaubnis fragen. Um 10.00 Uhr ging es los. Ich rollerte und rollerte, es wurde 13.00 Uhr, wo, verdammt noch mal, war Wallstadt? Nach meinem Plan war ich längst schon da… Unterwegs weckte immer wieder rebellische Musik meine Neugierde. Sie drang aus offenen Fenstern, quoll aus Türschlitzen, floss von Balkonen. Das klang wild, nach Revolution, nach Ärger. Ich sah reizende junge Mädels, dahinter schemenhaft Burschen mit halblangen Haaren. Es wurde geraucht, getrunken, getanzt, gebalzt und geschmust. Und das am helllichten Tag: Was ging da ab?

Wallstadt ließ sich nicht finden. Um 14.00 Uhr gab ich auf, ich wollte zurück nach Hause. An der großen Einfallstraße nach Mannheim über Käfertal rollerte ich dann allerdings in die verkehrte Richtung. Dieser Weg war mir vertraut, da fuhren wir oft mit meinen Eltern zu Opa und Oma in den Odenwald, vielleicht hat mich das verleitet. Damals war diese Straße noch zweispurig, nicht ungefährlich für einen kleinen Buben mit Roller. Heute auf der voll ausgebauten Autobahn wäre das absolut tödlich. Ich bemerkte meinen Irrtum erst, als ich um 18.00 in Weinheim ankam. So ein Mist, wie sollte ich jetzt heimkommen? Mit dem Roller nicht mehr. Vielleicht konnte ich mit einem Zug zurück nach Mannheim kommen, aber ohne Geld? Vor dem Bahnhof stehend entdeckte ich dann die Polizeistation. Ich gab mir einen Ruck und klopfte an. Das muss für die Beamten ein lustiges Bild gewesen sein, einen achtjährigen Dreikäsehoch mit Tretroller hatten sie bestimmt selten da. Meine Eltern besaßen damals noch kein Telefon, also konnten sie auch nicht informiert werden um mich abzuholen. Nach einigem Hin und Her packten mich die Polizisten dann mit dem Tretroller in einen VW Käfer und fuhren mich heim. Eine spannende Sache: In einem echten Polizeiauto sitzen, das war schon was, das konnte ich meinen Mitschülern stolz erzählen! Für meine Eltern galt das weniger: Ich sagte lieber erst mal nichts… Wie sollte ich das auch erklären? Ihr Sohn wurde von der Polizei gebracht, das warf kein gutes Licht auf sie. Die elterliche Strafe fiel allerdings milde aus: Mein Vater hatte eine Lungenentzündung. Er schimpfte nur, statt mich – wie damals üblich – zu züchtigen. Und meine Mutter war einfach nur dankbar, dass sie ihren Filius zurückhatte. Eine ganz andere Quittung bekam ich die nächsten Tage: Wenn man acht Stunden am Stück mit dem rechten Fuß tritt und dem linken Fuß auf dem Trittbrett steht, rächt sich der Körper!

Während 1963 für den großen Martin Luther King und den kleinen Adalbert ein Jahr der Träume war, sang Schlagerstar Freddy Quinn, ebenfalls 1963, von ganz irdischen Dingen: „Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus.“

Der Druckers Hannes

1966

Eine eindrückliche Gestalt meiner Kindheit war der Druckers Hannes. Er lebte in Fürth im Odenwald in einer kleinen Wohnung am Marktplatz unweit der Wirtschaft, in der damals die legendäre Zeiße Anna herrschte. Der Druckers Hannes hieß eigentlich Johannes Schmitt, sein Vater war Drucker von Beruf. Er galt bei den Leuten im Ort als gefährlich und unberechenbar. In unregelmäßigen Abständen besuchte er meine Mutter, was mir am Anfang bedrohlich vorkam. Baggerte er sie an? War er eine Konkurrenz zu meinem Vater? Ich wunderte mich über die Freundlichkeit meiner Mutter ihm gegenüber: Jedes mal bereitete sie ihm roh geröstete Kartoffeln mit Buttermilch. Das war sein Leibgericht und wurde mit der Zeit auch zu meiner Lieblingsspeise. So langsam gewöhnte ich mich an diese Besuche. Beeindruckend waren seine sportlichen Fähigkeiten: Er konnte auf einem Stuhl mit Seitenlehnen die Waage machen. Und das nicht nur einmal – und minutenlang. Gelegentlich zog er mit einem schelmischen Grinsen eine Mundharmonika aus seiner Tasche. Er spielte sie mit großem Stolz, ich begleitete ihn dann auf der Gitarre. Die kleinen warnenden Zeichen meiner Mutter ignorierte ich – wir freundeten uns an. So lud er mich eines Tages zu sich nach Hause ein, eine ganz neue Welt für mich! Alles lag unordentlich durcheinander, ein klassischer Männerhaushalt. Überall leere Flaschen verschiedenster Herkunft: Hannes war schwerer Alkoholiker. Und arbeitslos und ohne Moos.... Was ihn dazu trieb, einen der merkwürdigsten Einbrüche zu verüben, der jemals vor Gericht kam: Nach einem ausgiebigen Zechgelage bekam der Druckers Hannes den späten Hunger. So machte er sich auf in den nächsten Tante Emma Laden und brach dort ein. Natürlich wurde er erwischt! Die Spuren führten deutlich sichtbar zu seiner Behausung. Vor Gericht kamen dann erstaunliche Dinge zu Tage: Der Richter fragte ihn irritiert, warum er denn die Kasse nicht geplündert habe, warum er nur ein kleines Stück vom Schinken abgeschnitten habe und warum er nur ein einziges Brot geklaut habe. „Herr Richter, die Leut wolle doch am nägschde Daag aa noch Ebbes zum Beisse hawwe. Unn Geld zumm Rausgewwe brauch mer aa. Isch häbb des genumme, wos isch gebrauchd häbb. Mäiner wolld isch ned.“ So etwas hatte der Richter noch nie erlebt, ein echter Old School Dieb! Natürlich bekam der Hannes nur eine sehr milde Strafe…

Im Nachhinein bewundere ich meine Mutter sehr: Voller sozialer Hingabe tat sie Dienst am Nächsten und scherte sich dabei nicht um eventuelle Gefahren: Der Druckers Hannes galt als unberechenbar, er hätte durchaus übergriffig werden können. Und Asozialen zu helfen, macht bei vielen Leuten auch nicht gerade beliebt. Außerdem lag üble Nachrede in der Luft nach dem Motto: Da geht der Druckers Hannes ein und aus, wer weiß, was da noch alles passiert.

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Das frühe TRIO 3 D: Franz-Jürgen, Adalbert und Matthias.
Foto: Unbekannt/Rajya Karumanchi

Uschi Nerke

Die Ikone des BEAT CLUB

1965

In diesem Jahr startete Radio Bremen den BEAT CLUB. Das war eine Provokation im deutschen Fernsehen: Zum ersten Mal konnte man die brandneue Beat- und Rockmusik mit ihren verwegenen Protagonisten live und ungeschminkt im TV hören und sehen. Dazu die junge fesche Moderatorin Uschi Nerke im Minirock mit extravaganter Frisur, ein Traum! Die Verantwortlichen glaubten nicht wirklich an den Erfolg dieses vermeintlichen Nischenprodukts und lockten anfänglich das Live Publikum mit einer Gratiswurst und einem Gratisbier ins TV-Studio. Es klingt unglaublich, aber sie hatten tatsächlich Angst, dass keiner zur Spencer Davis Group, zu Scott McKenzie, zu Dave Dee, Dozy, Bicky, Mick & Tich, The Hollies, The Nice oder The Lords kommen wollte…

2013

Wir saßen spät nachts im Freien und prosteten uns zu. Die Südsee umsäumte die MS Albatros, ein sanfter Wind umschmeichelte uns, die Longdrinks wurden zu Shortdrinks. Ein Passagier lobte uns „Flower Power Men“ über den grünen Klee und sagte: „Warum macht ihr nicht mal ne BEAT CLUB Show. Ihr könnt das doch alles spielen!“

2014

Ein BEAT CLUB-Programm würde natürlich super zu den Flower Power Men passen. Doch wie sollten wir das angehen? Einen solchen Abend konnten wir nicht ernsthaft selbst moderieren. Ich sagte: „Warum fragen wir nicht Uschi Nerke?“ Natürlich hatten wir starke Zweifel. Diese Ikone des BEAT CLUB, dieses Sexsymbol der Sechziger hatte doch bestimmt keine Zeit. Ich mailte ihr von unserem Anliegen. Nach einer guten Weile kam die Antwort: „Moin Jungs! Gute Idee, wir sollten mal telefonieren!“ Das taten wir mehrfach: Sie war voller Tatendrang und sehr aufgeschlossen uns gegenüber – ihre Stimme klang immer noch jung, frech und rau. Also machten sich Rainer, Bernd und ich auf den langen Weg zu Uschi ins mondäne Hamburg. Wir waren sehr gespannt…