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Sarah Banks

Liebt mich... WHEREVER YOU ARE

Band 1-5 / Liebesromane





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Inhalt

 

Liebt mich - wherever you are

 

Dieses Buch ist der Sammelband der „Lieb mich in - Hongkong, New York, Miami, Sydney und Aitutaki”-Bücher.

 

Mila arbeitet als Schreibkraft in der angesehenen Kanzlei Blackpole und ist hoffnungslos in ihren Chef verliebt. Nick Blackpole ist ein Jäger, sieht atemberaubend gut aus und kann sich vor schönen Frauen kaum retten. Eines Tages bittet er sie völlig unerwartet zu sich ins Büro, doch statt der erhofften Einladung zu einem Rendezvous schickt er sie nach Hongkong, wo sie sich mit dem Geschäftsmann Chin Ho treffen soll.

Mit zwiespältigen Gefühlen gibt sie seinem Wunsch nach und trifft den ungemein attraktiven und sehr geheimnisvollen Chinesen. Als dann plötzlich auch noch Nick in Hongkong auftaucht, gerät Mila in einen Sog aus Gefühlen und Lust. Die beiden Männer führen sie in eine neue und aufregend erotische Welt. 

Und das lustvolle Abenteuer geht weiter. Von New York über Miami und Sydney, bis hin zu einer kleinen Insel in der Südsee, verlieren sich Mila, Nick und Chin in einem Rausch aus Leidenschaft und Begierde.

Doch ist es möglich, zwei Menschen auf die gleiche Art zu lieben?

Liebt man nicht immer einen mehr als den anderen? 

Aus der erotischen Reise zu dritt wird eine wahre Achterbahn der Gefühle. 

 

1

 

 

Mila

 
Ich stand jetzt schon seit zehn Minuten unschlüssig vor meiner Unterwäscheschublade. Verruchte schwarze Spitzenwäsche oder eher das braun-rosafarbene Ensemble? Was war die bessere Wahl? Ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Beim Gedanken an Nick zogen sich meine Brustwarzen noch mehr zusammen, als sie es ohnehin schon taten. Es war eiskalt im Schlafzimmer meiner kleinen Wohnung, und ich stand schon viel zu lange nackt, mit nassen Haaren vor meinen sorgfältig zusammengelegten Schätzen. Was machte ihn mehr an? Schwarze Wäsche oder war er mehr der verspielte Typ, der auf dezente Erotik stand?

Gestern war er plötzlich an meinen Schreibtisch herangetreten, hatte mir lange in die Augen geschaut und mich dann gebeten, am nächsten Morgen in seinem Büro zu erscheinen. Ich hatte vor lauter Herzklopfen nur nicken können und sicher ein sehr dämliches Gesicht gemacht.

Nick Blackpole war Chef der Anwaltskanzlei, in der ich arbeitete. Seit dem ersten Tag, an dem ich ihn gesehen hatte, schwärmte ich heimlich für ihn. Meine Kolleginnen hatten mir viele Geschichten, hinter vorgehaltener Hand, über den Chef erzählt. Er galt als unnahbar und man sah ihn nur auf großen Events mit einer Frau an seiner Seite. Er war nicht verheiratet, und es kursierte das Gerücht, dass er sich nicht besonders für Frauen interessierte.

Das hatte mich aber nicht davon abgebracht, für ihn zu schwärmen. Schon bei meiner ersten Begegnung hatte ich mich ein bisschen in ihn verliebt. Er war groß, sehr schlank, fast schlaksig. Er hatte blonde, kurz geschnittene Haare, die sich, sobald sie etwas zu lang waren, zu wellen begannen. Er trug eng geschnittene Anzüge, ich vermutete, dass sie nicht von der Stange waren, und seine Hemden hatten meistens die gleiche Farbe wie seine Augen. Blau in allen Schattierungen. Seine Krawatten waren schmal, und ich hatte noch nie gesehen, dass er sie gelockert hatte.

Ich arbeitete erst seit sieben Monaten in der Kanzlei. Eigentlich war Nicks Vater, Blackpole Senior, der Chef, aber ich hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Und auch Nick hatte mich bis gestern nicht ein Mal beachtet. Sein Blick war noch nie auf mir hängen geblieben. Ich sah ihn oft, wie er Geschäftskunden begrüßte oder verabschiedete, wobei er öfter seine Augen durch das Großraumbüro schweifen ließ, aber ich hatte bisher noch nie seine Aufmerksamkeit erregen können.

Bis gestern.

Da war er plötzlich an meinem Schreibtisch stehen geblieben, hatte sich versichert, dass ich ihn auch anschaute, und hatte dann trocken gesagt: „Ich brauche Sie morgen früh in meinem Büro. Um 10 Uhr, seien Sie bitte pünktlich.“

Ehe ich etwas antworten konnte, hatte er sich umgedreht und war in seinem Büro verschwunden. Ich hatte ihm mit großen Augen nachgeschaut, und auch die anderen Mädels aus dem Schreibpool hatten mit offenem Mund dem Gespräch gelauscht.

Ich strich mir leicht mit dem Daumen über meine harte Brustwarze und erschauerte. Was hatte das wohl zu bedeuten? Ich hatte die halbe Nacht wach gelegen und mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf gehen lassen.

Vielleicht wollte er mir auch nur einen besonderen Auftrag geben? Aber warum gerade mir? Ich war nur eine Schreibkraft, hatte ansonsten keinerlei Kompetenzen. Für seine Schreibarbeiten hatte Nick seine persönliche Sekretärin, Frau Wolters, eine gemütliche Fünfzigjährige, die schon seit Ewigkeiten in der Firma arbeitete.

Das Ziehen zwischen meinen Schenkeln wurde immer stärker. Ich ließ meinen Finger zwischen meine Schamlippen gleiten und spürte, dass ich ganz feucht war. Zart berührte ich meinen Kitzler, zog aber sogleich meine Hand zurück.

Nein, ich musste mich jetzt anziehen. Und wie kam ich überhaupt auf die Idee, dass Nick heute meine Unterwäsche zu sehen bekommen würde? Wenn er sich mit mir hätte verabreden wollen, dann hätte er dafür ja keinen Termin in seinem Büro vereinbaren müssen.

Ich griff neben meine Luxusunterwäsche und zog ein einfaches schwarzes Höschen und einen dazugehörigen schlichten BH aus der Schublade und versuchte mich von meinen Tagträumen zu verabschieden, indem ich schnell in die Wäsche schlüpfte, die Schublade mit einem Knall schloss und zum Schrank eilte.

Der glockige blaue Rock betonte meine schmale Hüfte. Der cremefarbene, sündhaft teure Kaschmirpulli erschien mir die richtige Aufmachung. Als ich den Pulli übergestreift hatte, stellte ich fest, dass der schwarze BH durchzeichnete. So ein Mist. Ich riss die Schublade wieder auf und wählte ein fleischfarbenes Teil, in dem ich mich immer wie meine eigene Mutter fühlte. Seit der Nude-Look in war, konnte man ja angeblich auch solche Teile bedenkenlos tragen, aber ich fand ihn einfach furchtbar. Ich kontrollierte meine Aufmachung vor dem Spiegel, der an der Innenwand der Schranktür befestigt war. Ja, jetzt war nichts mehr zu sehen. Eines musste man dem fleischfarbenen Teil lassen, es formte meine Brüste wirklich großartig. Nicht, dass ich einen BH gebraucht hätte, aber er hob die schweren Brüste doch ein bisschen und formte sie zu zwei runden Kugeln, die sich eng an das dünne Kaschmir anschmiegten. Der Pullover war mein ganzer Stolz. Ich hatte ihn von meinem ersten Gehalt in der neuen Firma gekauft und bisher nur wenige Male angezogen.

Ich streifte mir vorsichtig dünne Seidenstrümpfe über die Beine und schlüpfte eilig in die flachen Pumps, die im Flur ordentlich neben meinen anderen Schuhen aufgereiht standen. Nachdem ich mir die Haare trocken geföhnt hatte, schaute ich noch mal prüfend in den Spiegel über dem Waschbecken. Ja, keine Schminke. Ich ging schließlich zur Arbeit.

In der Bahn versuchte ich vergeblich, mich in meinen Liebesroman zu versenken. Nachdem aber immer wieder das Gesicht von Nick vor mir auftauchte und ich die ersten Zeilen der Seite schon zum zehnten Mal gelesen hatte, ohne ihren Inhalt zu verstehen, klappte ich das Buch wieder zu und starrte aus dem Fenster.

Alex kam mir in den Sinn. Wie lange das jetzt schon her war? Kurz bevor ich den Job bei der Anwaltskanzlei Blackpole ergattert hatte, war er bei mir aufgetaucht und hatte mir eröffnet, dass er nach Kanada auswandern wolle. Und zwar ohne mich. Ich hatte ihn angefleht, mir einen Grund für seine plötzliche Entscheidung zu nennen, aber er hatte sich einfach wortlos umgedreht und war aus meinem Leben verschwunden. Drei Jahre waren wir zusammen gewesen. Okay, in den letzten Monaten hatten wir mehr wie Bruder und Schwester nebeneinanderher gelebt. Ich hatte es immer darauf geschoben, dass wir beide keinen Job hatten und dass das einfach an unseren Nerven gezerrt hatte. Ein paar Tage zuvor hatte mir eine gemeinsame Bekannte berichtet, dass er schon länger eine Beziehung zu einer verheirateten Frau hatte, bei der er Aushilfsjobs im Garten erledigt hatte. Und jetzt war er in Kanada. Wann hatte er das alles geplant?

Der Sex mit Alex war immer gut gewesen. Und nicht nur der Sex. Ich hatte es geliebt, mich an ihn zu kuscheln und mich beschützt zu fühlen. In seinen Armen hatte ich die Sorgen des Alltags vergessen können. Jetzt fehlte mir das sehr. Anscheinend hatte ich ihm diese Gefühle nicht bieten können. Ich seufzte laut auf, sah mich sogleich erschrocken in der Bahn um. Niemand hob den Kopf. Die meisten Leute starrten wie gebannt auf ihre Handys. Komisch, fast niemand las mehr eine Zeitung.

Seit einiger Zeit tauchte in meinen erotischen Fantasien nicht mehr Alex auf, sondern nur noch Nick. Ich versuchte mir vorzustellen, wie er wohl im Bett wäre, aber es gelang mir nie. Er war einfach zu weit entfernt. Bisher hatte ich auch nie eine Chance gesehen, ihm näherzukommen. Aber seit der gestrigen Begegnung schöpfte ich wieder ein bisschen Hoffnung. Was wollte er wohl von mir? Warum hatte er sich nicht an Maren gewandt? Sie war die Chefin im Schreibpool, sah unglaublich gut aus und hatte, wie ich vermutete, auch ein Auge auf Blackpole Junior geworfen. Nach Nicks Auftritt an meinem Schreibtisch hatte sie gestern ein paar bissige Bemerkungen in meine Richtung abgeschossen. Ich war bisher mit keiner der Frauen auf der Arbeit richtig warm geworden, aber bei Maren hatte ich von Anfang an eine große Abneigung gespürt.

„Na, Mrs. Superwichtig. Schon aufgeregt vor deinem Termin?“

Oh nein, ausgerechnet Maren ließ sich auf den freien Platz mir gegenüber fallen.

„Guten Morgen, danke der Nachfrage.“

Ich stopfte den Liebesroman, der mit seinem rosafarbenen Cover förmlich schrie: „Ich bin eine Schnulze“, schnell in meine Umhängetasche. Maren beobachtete mich mit einem süffisanten Grinsen.

„Ich habe Angst, was ich bei ihm soll. Vielleicht will er mich ja entlassen.“

Der Gedanke war mir auch gestern Nacht gekommen, und ich hatte vergeblich versucht, ihn zu verdrängen.

„Warum sollte er? Deine Probezeit ist doch vorbei.“ Maren schaute mich nachdenklich an und fuhr dann in einem etwas versöhnlicheren Tonfall fort: „Ich habe bisher nur Gutes von deiner Arbeit gehört. Ich bin mir sicher, es ist etwas anderes.“

Ich antwortete nicht, sondern starrte weiter betrübt vor mich hin. Das sagte Maren sicher nur, um sie … ja wieso eigentlich? Ich hob den Kopf und betrachtete meine Chefin. Sie war wie immer sorgfältig geschminkt, aber unter ihrem Make-up konnte ich dunkle Schatten unter den Augen erkennen. Ich hatte mich noch nie weiter mit Maren beschäftigt, aber anscheinend ging es ihr auch nicht so gut, wie sie es in der Kanzlei immer allen vorspielte.

„Hast du gestern gesehen, wie die Delegation aus Asien zu uns rübergeschaut hat?“

Nein, ich schüttelte den Kopf. Ich erinnerte mich an viele Asiaten in dunklen Anzügen, die Nick durch die Kanzlei geführt hatte. Aber ein sehr kompliziertes Protokoll und dessen Abschrift hatten mir den letzten Nerv geraubt. Vielleicht hatte ich einen Fehler gemacht und er wollte darüber mit mir reden? Ich wünschte mir wieder diese positive und erwartungsvolle Stimmung zurück, die mich heute Morgen unter der Dusche erfasst hatte.

Maren holte mich aus meinen Träumen, indem sie aufstand. Ich beeilte mich, ihr hinterherzueilen, denn die Bahn hatte schon gehalten. Wir mussten uns durch die einsteigenden Menschen kämpfen, um noch heraus zu gelangen. Maren blieb an der Rolltreppe, die nach oben führte, kurz stehen.

„Warst du schon in der Mall of Berlin?“

„Nein, ich stehe nicht so auf Shoppingcenter.“

„Ich eigentlich auch nicht. Wollen wir es uns in der Mittagspause mal ansehen?“

Überrascht schaute ich zu ihr hinüber. Sie wollte mich sicher nur über Nick aushorchen.

„Ich will dich nicht aushorchen, ich dachte nur einfach, es würde Spaß machen, sich das zusammen anzuschauen.“

Gemeinsam stiegen wir von der Rolltreppe und blinzelten in die Herbstsonne. Ein kräftiger Wind erfasste mich und meine langen Haare wurden durcheinandergewirbelt. Ich verfluchte mich. Warum hatte ich mir nicht den üblichen Zopf gebunden? Weil ich an völliger Selbstüberschätzung litt. Wie hatte ich nur denken können, dass ich Nick mit meinen offenen Haaren beeindrucken könnte. Jetzt sah ich aus wie ein Mop. Ich versuchte mit beiden Händen die Haare wieder in Form zu bringen, aber ein erneuter Windstoß machte mein Vorhaben zunichte.

„Der Potsdamer Platz ist der windigste Ort in ganz Berlin. Schlimmer ist es eigentlich nur auf dem Funkturm.“

„Da war ich noch nie.“

Plötzlich fingen wir an zu lachen. Gemeinsam versuchten wir meine flatternde Mähne zu bändigen, gaben aber schließlich auf.

„Wir müssen komplett verrückt aussehen“, japste ich.

„Zwei durchgeknallte Vogelscheuchen“, gab Maren dazu, während sie versuchte, Strähnen, die sich aus ihrem hochgesteckten Haar gelöst hatten, wieder zurückzustecken.

Wir eilten, immer noch lachend, über den weiten Platz und betraten den imposanten Eingang des Hochhauses, in dem sich die Kanzlei befand.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich genau in dem Augenblick, als ich auf den Rufknopf drückte.

„Das ist mir noch nie passiert.“

Ich unterdrückte einen Schrei, als ich mich im Spiegel der Kabine sah. Oh Gott, ich musste dringend etwas unternehmen. Hektisch wühlte ich in meiner Handtasche. Ich war kurz davor, den kompletten Inhalt auf den Boden zu kippen, als Maren mir eine kleine Bürste hinhielt.

„Hier, nimm meine.“

Dankbar nahm ich die Bürste und kämmte die wilde Mähne.

„Ich komm nachher mit. Wann wollen wir uns treffen? Wann machst du deine Pause?“

Ich war selbst überrascht, dass ich das gesagt hatte, aber auch Maren machte ein leicht erstauntes Gesicht. Dann verzog es sich zu einem Lächeln.

„Um halb zwei?“

„Gut, ich hole dich ab.“

Die Türen öffneten sich mit einem leisen Pling.

„Danke.“ Ich reichte Maren die Bürste und wandte mich ab.

„Warte.“ Sie berührte mich am Arm. „Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinem Gespräch.“

Wie hatte Maren das nur gemeint? Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ keinen Schluss zu.

„Noch mal: Danke“, sagte ich und rannte fast davon. An meinem Schreibtisch angekommen, versuchte ich mich auf meine Schreibarbeiten zu konzentrieren, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Noch fast eine Stunde bis zu meinem Termin. Ob er wohl schon da war? Normalerweise kam er erst um zehn Uhr. Die Tür seines Vorzimmers war geöffnet, und ich konnte von meinem Platz aus Frau Wolters sehen, die eifrig in ihren Computer schaute, während sie ein Telefonat führte.

Ich versuchte einen Blick von Maren zu erhaschen, aber sie saß ganz am anderen Ende des Großraumbüros. Komisch, wir hatten uns noch nie in der Bahn getroffen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass Maren mit ihrem Auto zur Arbeit fahren würde. Wo war sie heute zugestiegen? Wohnte sie nicht in Zehlendorf in einem kleinen Häuschen? Merkwürdig, das lag doch sehr weit weg von der S-Bahn-Strecke.

 

„Gut, dass Sie kommen. Setzen Sie sich bitte, Mrs. Danner.“

Ich registrierte, dass er noch nicht mal aufgeschaut hatte. Er hatte eine dicke Mappe vor sich und unterschrieb die einzelnen Seiten. Mir fiel wieder sein amerikanischer Akzent auf. Er war in Amerika, genauer gesagt in Boston, aufgewachsen und lebte erst seit zehn Jahren in Berlin. Er blätterte mit seinen schlanken Fingern durch die Unterlagen, und ich ertappte mich dabei, dass ich mir schon wieder überlegte, wie sich diese Finger wohl auf meiner Haut anfühlen würden.

„Reiß dich zusammen“, sagte ich zu mir selbst.

„Wie bitte?“

Nick blickte mich aus seinen blauen Augen forschend an. Heute waren sie türkisfarben.

Oh nein, hatte ich etwa laut mit mir selbst gesprochen?

„Ich habe nichts gesagt.“

„So, so“, sagte er, warf mir einen spöttischen Blick zu, bevor er sich wieder seinen Akten widmete.

Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Ich rutschte auf dem Ledersessel hin und her und wünschte mich an einen anderen Ort. Wie peinlich war das denn? Warum verfiel ich immer in diese Schockstarre, sobald er in meiner Nähe war?

„Waren Sie schon mal in Hongkong? Sprechen Sie chinesisch?“

Was waren das denn für Fragen? Er sah wieder auf, und ich konnte es fast nicht ertragen, seinem Blick standzuhalten.

„Nein.“

„Gut, Mrs. Wolters hat Ihnen einen Flug für morgen gebucht.“

„Aber, ich …“

Er hob seine Hand und ich verstummte. Er musterte mich lange. „Erinnern Sie sich an die Delegation aus Hongkong, die gestern bei uns zu Besuch war?“

Ich nickte und versuchte verzweifelt, andere Bilder als schwarze Anzüge heraufzubeschwören. Aber mir fiel einfach nicht mehr dazu ein.

„Ho Immobilien ist einer unserer wichtigsten Kunden. Chin Ho, einer der Chefs, bat mich, die ausgehandelten Verträge nicht einfach per Mail an ihn zu schicken, er verlangte nach Ihnen.“

Verdattert versuchte ich zu verstehen, was er gerade gesagt hatte. „Aber ich kenne ihn doch gar nicht“, platzte es aus mir heraus.

„Das möchte er ändern. Er würde Sie gerne näher kennenlernen.“

Als mir dämmerte, was das bedeutete, stieg eine große Wut in mir auf. Ich stand auf.

„Ich bin doch keine Nutte. Was denken Sie von mir?“

Ich war schon an der Tür, als er mich aufhielt. Er war von seinem Schreibtisch aufgesprungen und legte mir jetzt zart eine Hand auf die Schulter.

„Das verstehen Sie völlig falsch. Bitte denken Sie so etwas nicht.“

Seine Augen waren jetzt viel dunkler geworden, und er schaute mich so intensiv an, dass ich meinen Blick senkte.

„Mila, bitte, ich wollte Sie nicht kränken.“

Er hatte mich Mila genannt. Woher wusste er meinen Vornamen? Seine Stimme war ganz sanft geworden und ich spürte schon wieder ein Prickeln in meinem Bauch. Aber dieses Angebot war doch einfach nicht diskussionswürdig. Wie konnte er mir nur diesen Auftrag geben?

„Ich kann so etwas nicht machen.“

Ich wollte gehen, aber er hielt mich fest. Wieder spürte ich seine Berührung unter dem dünnen Kaschmirpulli wie eine brennende Wunde.

„Es ist alles ganz einfach. Chin möchte nur mit Ihnen essen gehen. Mehr ist es nicht. Sie fliegen in der Businessclass und wir haben Ihnen auch ein wirklich schönes Zimmer gebucht.“

„Aber das ist doch …“

„Mila, vertrauen Sie mir. Ich habe mit Chin zusammen studiert, er ist ein Freund. Ich würde Sie niemals zu jemandem schicken, den ich nicht kenne. Ich bin mir sicher, er will mit Ihnen einfach einen schönen Abend verbringen.“

Was sollte ich dazu sagen? In meinem Kopf rasten die Gedanken. „Ich weiß nicht …“

„Mila …“ Er nahm meine Hände in seine. „Vertrauen Sie mir.“

Seine Augen schimmerten jetzt wieder in diesem unglaublichen Türkis; ich kam mir vor wie Mogli vor der Schlange Kah. Oh mein Gott und er roch so gut. Warum wollte er nicht mit mir ausgehen? Wir standen uns so nah gegenüber, dass ich seine Wärme spüren konnte. Sein dezentes Rasierwasser mischte sich mit seinem männlichen Duft. Am liebsten hätte ich mich an ihn gedrückt, an seine Brust und die Augen geschlossen und mich einfach gehen lassen.

Abrupt entzog ich ihm meine Hände.

„Ich sage Ihnen heute Nachmittag Bescheid. Jetzt muss ich wieder …“

Ich öffnete die Tür und floh vor ihm.

An meinem Schreibtisch schlug ich die Hände vor mein Gesicht und war kurz davor, in Tränen auszubrechen.

„Alles okay?“

Frau Wolters stand vor mir und schaute mich so interessiert an wie eine Schnecke auf dem Waldboden.

„Ich habe hier Ihre Tickets und die Hotelreservierung.“

Sie ließ eine Mappe auf den Tisch gleiten. Ich blickte auf den Plastikumschlag und dann zu Frau Wolters. Sie hatte heute wieder eines ihrer Tweedkostüme an. Ich kannte das von meiner Mutter, die hatte die früher auch immer getragen. Jetzt lebte sie in einem Pflegeheim und erkannte mich nicht mehr. Immer wenn ich sie besuchte, dachte Mama, dass ich meine große Schwester wäre. Aber Elin lebte in Australien und war schon seit zehn Jahren nicht mehr in Deutschland gewesen.

„Soll ich Ihnen morgen früh ein Taxi buchen?“

Ich schreckte hoch.

„Ich … ich bestelle mir selbst ein Taxi.“

„Gut.“ Frau Wolters schaute mich noch einmal etwas mitleidig an und verließ dann kopfschüttelnd den Platz vor meinem Schreibtisch.

Eine Träne tropfte auf die Mappe, die immer noch vor mir lag. Ich schlug sie auf und starrte mit verschwommenem Blick auf die Unterlagen. Es war alles schon gebucht. Warum war Nick davon ausgegangen, dass ich es tun würde?

Mein Flug ging morgen um 8.30 Uhr nach London und von dort aus ging es dann weiter um 12.00 Uhr mit British Airways nach Hongkong. Mein Hotel war das Oriental. Das Zimmer war für drei Nächte reserviert.

 

2

 

 

Mila

 

„Das ist gar nicht so hässlich, wie ich dachte.“

„Mhm.“

„Hey, was ist los mit dir? Sieht doch eigentlich ganz toll aus?“

Ich lief neben Maren durch die neue Shoppingmall und hatte gar keinen Blick für die Architektur.

„Wie war dein Gespräch mit dem Junior?“

„Komisch“, murmelte ich.

„Der steht doch auf dich.“

Ich blieb inmitten des Menschenstroms stehen.

„Wie meinst du das?“

„Na ja, das sieht man doch. Und was war jetzt heute?“

Ich betrachtete Maren. Sie trug einen karamelfarbenen Mantel. Ihre Füße steckten in schokoladenbraunen Pumps und an ihren schlanken Beinen schimmerte eine hauchdünne Strumpfhose. Das lange, dunkelblonde Haar war zu einem strengen Knoten zusammengesteckt und um ihren Hals hatte sie ein modisches Tuch geschlungen. Sie war sorgfältig geschminkt und selbst die Schatten unter ihren Augen waren jetzt nicht mehr zu sehen. Warum war Maren plötzlich so nett zu mir?

„Maren, warum bist du plötzlich so nett zu mir?“

„Wahrscheinlich, weil ich in dir mich selbst sehe. Ich war auch mal so, und manchmal vermisse ich es.“

Ich klappte erstaunt den Mund auf.

„Aber du bist doch viel …“, fast hätte ich gesagt „viel schöner“. Maren war ein paar Jahre älter als ich, aber ich hatte bisher nie darüber nachgedacht, wie ihr Leben eigentlich war.

„Komm.“ Maren hakte sich bei mir unter und zog mich aus dem Strom der Menschen. „Da vorne gibt es ein kleines Café, dort können wir uns hinsetzen und reden.“

Ich ließ mich von ihr in das wirklich niedliche Café ziehen. Nachdem wir beide einen Caffè Latte und einen Muffin bestellt hatten, setzten wir uns an ein kleines Tischchen.

„Wahrscheinlich denkst du, dass ich ein tolles Leben führe, aber so ist es nicht.“

Maren biss genüsslich in ihren Blaubeermuffin.

„Im Moment ist es sogar besonders scheiße“, nuschelte sie mit vollem Mund.

Ich krümelte meinen Schokomuffin auf dem Teller und steckte mir dann eine kleine Ecke in den Mund. Köstlich! Schokolade war doch immer wieder eine Wohltat.

„Ich soll als Nutte nach Hongkong“, platzte ich mit der Neuigkeit heraus.

„Wie bitte?“ Maren starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.

„Da ist so ein Typ und der will sich mit mir treffen.“

Ich spürte, wie mir schon wieder die Tränen hochkamen. Aber das war jetzt eigentlich auch egal.

„Ich dachte, er wollte mich zu einem Date einladen, aber nein, er schickt mich als Callgirl nach Asien.“

„Das hat er doch sicher nicht so gemeint.“

Maren nahm meine Hände und drückte sie.

„Hey, fang jetzt nicht an zu heulen. Hongkong ist doch toll. Ach, da wollte ich immer schon mal hin.“

„Ich nicht“, sagte ich und blickte sie störrisch an.

„Und ich sage dir, der steht auf dich. Ich bin mir sicher, dass Nick dich interessant findet.“

Meinte sie das wirklich ernst? Ich spürte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen.

„Nein, Maren. Er schickt mich einfach zu einem Studienkumpel, weil der Lust darauf hat, mit einer deutschen Frau auszugehen. Das ist doch auch nicht viel besser, als in einem Bordell zu arbeiten.“

„Das glaube ich einfach nicht. Ich bin schon seit fünf Jahren in dieser Kanzlei. Ich kenne Nick ein bisschen. Der hat bisher noch nie so etwas abgezogen.“

„Meinst du das wirklich?“

Maren nickte bestimmt und schaute mich aufmunternd an.

„Hattest du mal etwas mit ihm?“, fragte ich mit unsicherer Stimme. Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen.

„Wie kommst du darauf?“

„Ich weiß auch nicht, ich dachte …“

Maren fing an zu kichern und beugte sich vor.

„Hast du das denn nicht bemerkt?“

Ich zuckte mit den Schultern und sah sie an. Neugierig wischte ich mir die Tränen von der Wange und versuchte herauszufinden, was Maren da andeutete.

„Hey, ich stehe auf Frauen. Ich lebe schon seit Jahren mit einer Frau zusammen, aber seit einiger Zeit ist bei uns der Wurm drin.“

Sie lächelte.

Maren stand auf Frauen? Sie war lesbisch? Das hätte ich nie gedacht. Ich spürte, wie eine peinliche Röte in meinem Gesicht aufstieg.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Maren fing laut an zu lachen.

„Du bist jetzt aber nicht so spießig und findest das alles uncool?“

„Nein.“ Ich schüttelte erschrocken den Kopf. „Ich hätte das einfach nicht von dir gedacht.“

Ich betrachtete Maren. Komisch, warum hatte ich das nie vermutet? Warum hatte ich sie als Konkurrentin bei Nick gesehen?

„Und was willst du jetzt machen?“, fragte Maren.

Wollte sie das Thema wechseln? Nein, Maren blickte mich interessiert an, und ich spürte, dass ihr wirklich etwas an meiner Antwort lag.

„Ich weiß es nicht. Ich war noch nie in Hongkong. Vielleicht sollte ich es einfach machen und Nick vergessen.“

Maren nickte.

„Genau, genieße einfach das Leben. Das wird sicher toll.“

Sie sah mich mit funkelnden Augen an, und ich wunderte mich plötzlich, warum ich so schlechte Gedanken gehabt hatte. Ja, ich sollte es machen. Raus aus dem Alltagstrott und rein ins Abenteuer. Ein kribbeliges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.

„Kennst du Mr. Ho?“

„Ja, ich habe ihn schon öfters bei uns in der Firma gesehen. Er ist anscheinend ein Freund von Nick.“

„Ja, sie haben zusammen studiert“, unterbrach ich.

„Ist er dir noch nie aufgefallen?“ Maren beugte sich vor und grinste mich an.

„Der ist wirklich sexy, wenn man denn auf Männer, also auf asiatische Männer steht.“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nee, ich habe bisher nie auf die Leute geachtet, die da so an uns vorbeiziehen.“

„Mach es.“ Maren beugte sich vor und drückte mir aufmunternd die Schultern. „Du bist doch ungebunden? Oder hast du einen Freund?“

„Nein, aber … es fühlt sich so falsch an. Ich will nicht mit einem fremden Mann in Hongkong sein. Ich hatte die Hoffnung, dass Nick sich ein bisschen für mich interessiert. Das scheint ja nicht der Fall zu sein.“

„Ich glaube, da liegst du falsch. Er hat bisher noch nie eine Frau aus dem Schreibpool um so etwas gebeten.“ Maren machte eine Pause und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. „Wenn ich es mir recht überlege, dann ist er noch nie an eine der Frauen herangetreten. Bisher hat er immer mich gefragt, wenn er ein besonderes Anliegen hatte.“

Als sie meinen Blick sah, fing sie an zu kichern.

„Natürlich hatte er noch nie solch einen Wunsch. Ich meinte spezielle Schreibarbeiten oder Sachen, die besonders schnell erledigt werden mussten.“

Nun fing ich auch an zu lachen.

„Was weißt du eigentlich über ihn, du bist doch schon so lange in der Firma?“, bohrte ich nach, nachdem unsere Lachsalve abgeebbt war.

Begierig, etwas mehr über Nick zu erfahren, blickte ich sie aufmunternd an.

„Nick ist fünfunddreißig Jahre, hat in Amerika und England studiert. Vor zwei Jahren hat er diese Zweigstelle hier in Berlin übernommen. Aber das weißt du ja schon. Aufgewachsen ist er in Boston bei seiner Mutter. Sie ist Deutsche und sie lebt schon seit vielen Jahren getrennt von Nicks Vater. Das hat hier ziemlich hohe Wellen geschlagen, als plötzlich Nick an die Spitze der Firma gesetzt wurde. Aber jetzt hat sich das eingependelt und die meisten haben ihn als Chef akzeptiert.“

„Stopp, Maren. Ich wollte wissen, ob du irgendetwas Privates über ihn weißt.“

Ungeduldig schaute ich auf meine Uhr. In fünfzehn Minuten mussten wir wieder zurück.

„Ich weiß eigentlich nichts über ihn, was dir weiterhelfen könnte. So wie dich behandelt er keine der anderen Frauen. Mila, der will was von dir. Okay, ich kenne mich mit heterosexuellen Beziehungen nicht so aus, aber ich bin mir sicher, dass er auf dich steht.“

Wir schlenderten durch die große Halle zurück, und ich fragte mich, warum in allen diesen Einkaufszentren in Berlin immer die gleichen Geschäfte auftauchten. Außerdem fühlte ich mich unter der gläsernen Kuppel ein bisschen wie am Berliner Hauptbahnhof. Wir bogen in einen der Gänge der Mall, die in Richtung Potsdamer Platz führten. Klinkersteine und dunkles Holz vermittelten ein wohnliches Gefühl. Ein seltsames Shopping-Erlebnis, schoss es mir durch den Kopf.

„Soll ich versuchen, ein bisschen mehr über Chin Ho herauszufinden?“, riss Maren mich aus meinen Gedanken.

„Würdest du das tun?“ Ich war erleichtert, dass sie mir helfen wollte, dass ich mit ihr reden konnte.

„Klar.“ Maren hakte sich bei mir unter und zog mich mit sich. Ein frischer, blumiger Duft stieg mir in die Nase.

„Du meinst also, ich soll einfach nach Hongkong fliegen?“

„Du bist doch jung und ungebunden. Was soll schon passieren? Entweder lernst du einen interessanten Mann in einer spannenden Stadt kennen, oder du siehst einfach nur eine großartige Stadt. Du musst nichts, du kannst schließlich immer Nein sagen. Hey, du bist unabhängig. Genieße es.“

„Du hast recht.“ Ich straffte mich. „Ich werde es tun.“

Gleich als ich es ausgesprochen hatte, breitete sich wieder dieses kribbelige Gefühl in meinem Magen aus.

 

„Haben Sie einen gültigen Reisepass?“

Frau Wolters schaute mich über ihre Brille wieder etwas mitleidig an.

Ich nickte.

„Kann ich jetzt bitte mit Herrn Blackpole sprechen?“

Die Sekretärin räusperte sich.

„Er ist nicht mehr im Büro. Er hat Ihnen einen Umschlag hinterlegt mit den Papieren für die Geschäftspartner in Hongkong. Die Reiseunterlagen haben Sie ja schon von mir bekommen.“

Ich überlegte, was ich davon halten sollte. Er war einfach davon ausgegangen, dass ich den Job machen würde. Was für ein arrogantes Arschloch. Aber auch ein wirklich erotischer Mann. Ich schnappte mir den Umschlag, den Frau Wolters mir hinhielt, und drehte mich auf dem Absatz um, ohne der Frau noch einmal in die Augen zu schauen. Was mochte sie nur von mir denken? Aber das konnte mir egal sein.

An meinem Schreibtisch angekommen, nahm ich die Mappe mit den Reiseunterlagen und steckte alles, zusammen mit dem Umschlag, in meine große Wildledertasche. Ich suchte Maren mit meinem Blick, und als hätte sie es gespürt, hob sie ihren Kopf und nickte mir zu. Ich fuhr meinen Computer herunter und lächelte über die Zeichen, die Maren mir machte. Ich deutete es als: „Ich schicke dir eine Mail, lass den Kopf nicht hängen.“

In der S-Bahn war es erstaunlich leer. Ich grinste bei dem Gedanken, dass ich eigentlich noch weitere Stunden hätte arbeiten sollen. Aber da mein Flug morgen schon sehr früh ging und ich sowieso viel zu aufgeregt und abgelenkt war, hatte ich beschlossen, schon nach Hause zu fahren.

Als ich meine Wohnungstür aufschloss, klappte die gegenüberliegende Tür auf. Ich drehte mich um und sah in die Augen eines fremden Mannes.

„Hallo, ich bin Tom. Ich wohne schon seit einer Woche hier, aber du warst nie da, wenn ich mich vorstellen wollte.“

Er war groß, hatte eine weite Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt an. Barfuß, dachte ich kurz und blickte ihm dann in seine braunen Augen. Ein interessanter Typ. Strubbelige, etwas zu lange Haare und eine braungebrannte Haut. Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen, als er auf mich zukam.

„Hallo, Nachbarin“, sagte er und streckte eine riesige Hand aus. „Wie ich schon sagte, ich heiße Tom.“

Ich ergriff sie und räusperte mich.

„Hallo, ich bin Mila.“

„Schön, dich kennenzulernen. Ich habe gekocht. Willst du etwas mitessen?“ Er fing an zu lachen, als er meinen Gesichtsausdruck sah. „Keine Angst, ich bin Koch, bei mir gibt es keinen Scheiß.“

„Äh, ja gerne. Ich muss nur noch kurz … ich komme gleich rüber.“

„Klar, kein Problem, lass dir Zeit, ich habe einen Eintopf gekocht, der wird mit der Zeit immer besser.“

Ich schloss mit bebenden Fingern meine Wohnungstür auf. Wow, was war denn heute los? Erst meine Träume von Nick, dann diese Sache mit Hongkong und jetzt auch noch dieser neue attraktive Nachbar.

In meiner Wohnung lief ich wie ein aufgescheuchtes Huhn umher. Sollte ich jetzt wirklich zu meinem Nachbarn gehen? Die Worte von Maren kamen mir in den Sinn. „Du bist jung, du bist unabhängig.“ Ja. Ich atmete tief durch, schmiss meine Tasche in die Ecke, schnappte mir meinen Schlüssel und trat auf den Hausflur.

Die Klingel meines Nachbarn war viel schriller als meine. Ich schreckte zurück, denn Tom öffnete schon nach gefühlten zwei Sekunden die Tür.

„Komm rein.“

Er ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten, und ich hatte das Gefühl, dass er zufrieden war mit dem, was er da sah. Ich musterte ihn auch von oben bis unten, und es gefiel mir, was ich sah. Er war gut gebaut, hatte ein breites Kreuz und überhaupt nicht die Figur, die ich bei einem Koch vermutet hätte.

„Komm, setz dich.“ Er zeigte auf einen Plastikstuhl von Ikea. Der Küchentisch war rund und vier Plastikstühle standen um den Tisch herum. Es roch betörend nach Kräutern und Gemüse. Die ganze Küche sah noch sehr improvisiert aus. Der Herd war eines dieser Teile, die ich bisher nur aus amerikanischen Spielfilmen kannte, aber der Rest stammte von dem schwedischen Möbelhaus.

„Toller Herd.“

„Ja, das ist ein Aga. Ich liebe es, damit zu kochen. Ich hoffe, du isst Fleisch?“

„Ja.“

„Das ist ein französischer Eintopf mit Rindfleisch, ganz viel Gemüse und meiner geheimen Kräutermischung.“

Ich musste schmunzeln. Er beschrieb mir das Gericht mit so viel Begeisterung und Liebe. Ich beobachtete, wie er konzentriert zwei große Teller füllte und dann zum Tisch brachte. Er lief wieder zur Anrichte und kam mit einem gefüllten Brotkorb zurück. „Das ist leider nicht selbst gebacken, aber ich hoffe, es schmeckt dir trotzdem.“

Ich musste an mich halten, um ihn nicht mit weit geöffnetem Mund anzustarren. Nachdem ich probiert hatte, verstand ich auch, wovon er geredet hatte. Das Essen war wirklich köstlich.

„Es schmeckt großartig. Wie lange arbeitest du schon als Koch?“

„Ich habe die letzten Jahre in Frankreich gelebt. Ich bin erst seit einer Woche wieder in Deutschland.“

Ich schaute ihn grübelnd an und überlegte, ob ich ihn fragen sollte, warum er jetzt wieder hier war.

„Frag nicht. Ich und die Frauen. Jetzt bin ich hier und ich habe sogar schon einen Job. Ich koche im Le Grill.“

Er strahlte mich an, und ich spürte schon wieder, dass sich in meinem Bauch etwas regte. Dieser Mann war einfach sympathisch und gleichzeitig auch ziemlich attraktiv.

Wir hatten zum Essen viel Wein getrunken, und als mir Tom auch noch einen Calvados anbot, spürte ich, dass ich schon ziemlich betrunken war. Wir hatten uns gut unterhalten während des Essens, und ich spürte die ganze Zeit, dass da eine unterschwellige Lust war.

„Willst du heute hierbleiben?“

Tom strich mir über die Hand und blickte mir tief in die Augen.

„Ich muss morgen schon ganz früh raus. Ich fliege nach Hongkong.“ Ich spürte, wie dämlich das klang.

„Dann müssen wir jetzt einfach schon ins Bett gehen“, sagte Tom und nahm meine Hand. Er zog mich hoch und führte mich durch den Flur in sein Schlafzimmer. Auch dieses Zimmer war nur spärlich eingerichtet. Ein großes Bett thronte in der Mitte des Raums, ein kleines Tischchen stand daneben. Das Bett war ordentlich gemacht, die weiße Bettwäsche machte einen frischen Eindruck.

Tom zog mich an sich und streichelte mir durch die Haare. Ich drückte mich an seine breite Brust und ließ mich fallen. Ich spürte seine Hände überall und ich genoss es. Seine Erektion drückte gegen meinen Bauch. Ich berührte mit meinen Händen seinen muskulösen Rücken. Dann strich ich über seine Hose. Ich spürte, wie hart er war, und sein leises Seufzen machte mich noch mehr an. Fast schmerzend pochte es zwischen meinen Beinen.

Ich hob meinen Kopf und unsere Lippen trafen sich. Seine waren erstaunlich weich und er küsste wirklich gut. Seine Zunge erforschte meinen Mund und ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken.

Wir ließen uns auf das Bett fallen und ich kämpfte mich aus meinen Kleidern.

Tom streifte sich das T-Shirt über den Kopf und danach öffnete er seine Jeans. Ich sah überrascht auf seinen Penis. Wow, so groß. Das Brennen zwischen meinen Beinen wurde immer intensiver.

Rasch zog ich mein Unterhöschen aus und öffnete meine Beine.

Anstatt sofort in mich einzudringen, kostete er mit seinen Lippen von mir. Ich spürte seine Zunge auf meinem Kitzler und stöhnte laut auf. Dann hörte ich, wie er ein Kondom öffnete und es sich überzog. Er hockte zwischen meinen geöffneten Beinen.

„Ich will dich in mir spüren.“

Ich versuchte ihn zu mir zu ziehen, aber Tom grinste mich an und stieß plötzlich mit seinem Finger in mich. Ich keuchte und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn dieser wundervolle Schwanz mich endlich ausfüllte.

„Bitte.“

Er nickte, nahm seinen Penis in die Hand und führte ihn quälend langsam in mich ein. Ich schnappte nach Luft und stöhnte lauter. Das drängende Gefühl zwischen meinen Beinen schwoll an. Langsam ließ Tom seinen Schwanz in mich hinein und aus mir heraus gleiten. Ganz langsam und immer wieder. Ich spürte, dass ich fast tropfte vor Erregung.

„Tiefer und fester! Bitte!“

Toms Oberkörper begrub mich und ich krallte meine Hände in seinen festen Hintern. Der riesige Penis füllte mich wirklich vollständig aus, und ich spürte, dass ich einem Orgasmus immer näher kam. Er rieb gleichzeitig an meinem Kitzler, seine andere Hand massierte meine Brustwarzen. Ich keuchte und konnte nicht mehr denken. Nur dieses unglaubliche Gefühl zählte. Tom zog seinen Schwanz fast ganz aus mir heraus, und ich wollte schon protestieren, als er plötzlich wieder mit einem großen Druck zustieß. Sein Kopf war nah an meinem Ohr und ich hörte sein tiefes Stöhnen. Wie eine Maschine stieß er in mich, immer fester, und ich spürte, wie ich meinem Höhepunkt entgegentrieb. Es pulsierte zwischen meinen Beinen und ich warf meinen Kopf herum.

Ich schrie laut auf. Gleichzeitig spürte ich, dass auch Toms Schwanz pumpte. Mein Höhepunkt wollte gar nicht mehr aufhören. Dann zuckte auch Tom und fiel in mein Schreien ein.

Ermattet ließ er sich auf mich fallen und es war nur noch unser schweres Atmen zu hören. Plötzlich fühlte ich mich schlecht.

„Das war gut.“ Tom grinste mich an und zog sich langsam aus mir zurück.

„Ich muss jetzt ins Bett gehen.“ Ich stand auf. „Ich muss morgen sehr früh raus.“

Ich schnappte mir meine Sachen und lief zur Tür.

„Du gehst jetzt einfach?“ Tom lehnte sich an den Türrahmen des Schlafzimmers.

„Ja, danke.“

Sein Penis war noch immer geschwollen und er hielt ihn locker in seiner Hand. Er bewegte seine Hand leicht und ich musste wieder darauf schauen. Einfach unglaublich, dass dieser große Schwanz gerade in mir Platz gefunden hatte.

Was war nur passiert? Ich hatte mich einem mir völlig fremden Mann hingegeben. Das hatte ich noch nie getan.

Nackt rannte ich durch den dunklen Flur. An der Wohnungstür schaute ich kurz ins Treppenhaus, bevor ich langsam auf den Hausflur trat. Mit zitternden Fingern schloss ich meine Tür auf.

Aufatmend ließ ich sie hinter mir zuschlagen und lehnte mich an die Wand. Meine Klamotten fielen auf den Boden und ich begann zu frösteln. Zu meinen Füßen lag ein großer brauner Umschlag. Meine Wohnungstür hatte noch einen von diesen altmodischen Briefschlitzen. Normalerweise bekam ich meine Post in den Briefkasten im Erdgeschoss gesteckt. Es hatte also jemand vor meiner Wohnungstür gestanden. Ich bemerkte einen Post-it auf der Unterseite.

„Hier sind die noch mal geänderten Unterlagen für unseren Kunden. Nick.“

Oh mein Gott, er hatte vor meiner Tür gestanden, als ich gerade Sex mit meinem neuen Nachbarn gehabt hatte. Hatte er mein Stöhnen gehört? Ich erinnerte mich an meine lauten Schreie, als mich der Orgasmus durchflutet hatte. Das Blut stieg mir in den Kopf und meine Wangen wurden ganz heiß. Meine Gänsehaut wurde noch stärker, aber ich war mir nicht sicher ob vor Erregung oder vor der Kälte im Flur.

Schnell huschte ich in mein Badezimmer und griff nach meinem kuscheligen Bademantel. Nachdem ich mich darin eingehüllt hatte, lief ich ziellos durch die Wohnung.

Ich musste packen, duschen und eigentlich sollte ich schon längst schlafen. Was hatte es zu bedeuten, dass Nick persönlich bei mir aufgetaucht war?

Und warum zur Hölle hatte ich mich gerade einem wildfremden Mann hingegeben?

 

3

 

 

Mila

 

Als der Wecker um fünf Uhr dreißig klingelte, erhob ich mich aus meinen zerwühlten Laken. Die Nacht war schrecklich gewesen. Ich hatte sehr wenig geschlafen, war immer wieder, von schrecklichen Albträumen gequält, aufgewacht. Dabei konnte ich die Träume gar nicht richtig greifen. Immer wenn ich hochschreckte, dann waren sie verschwunden.

Unter der Dusche schloss ich die Augen und ließ das heiße Wasser auf mein Gesicht prasseln. Warum war auf einmal alles auf den Kopf gestellt? Weswegen ließ ich mich aus heiterem Himmel auf einen Mann ein, den ich überhaupt nicht kannte? Noch dazu in zweierlei Hinsicht. Erst hatte ich eingewilligt, zu einem wildfremden Mann nach Hongkong zu fliegen, und dann hatte ich auch noch Sex mit meinem neuen Nachbarn gehabt.

Okay, der Sex gestern war einfach fantastisch gewesen. Seit Alex das Weite gesucht hatte, hatte ich nur einen kleinen One-Night-Stand gehabt, und der war weder befriedigend noch unterhaltsam gewesen. Der Typ hatte mich nach einem kurzen Essen in einem armseligen Restaurant in seine Wohnung eingeladen. Dort war er nach kurzer Zeit über mich hergefallen. Ich hatte alles über mich ergehen lassen, was bedeutet hatte, dass ich sein Stöhnen und seine nasse Zunge maximal fünf Minuten ertragen hatte müssen. Dann war er über mir zusammengefallen und eingeschlafen. Kurze Zeit später hatte ich mich angezogen und war beschämt aus der Wohnung geschlichen.

Das gestern Nacht war anders gewesen. Purer Sex, schoss es mir durch den Kopf.

Das Taxi wartete schon, als ich endlich aus der Haustür trat. Ich hatte mich für eine kleine Tasche entschlossen. Das war völlig ausreichend, für die paar guten Sachen, die ich besaß.

Das Kostüm, das ich trug, hochgeschlossen und ganz in Grau, gab mir die Rüstung für den heutigen Tag. Ich hatte kurz überlegt, einen etwas bequemeren Look für den Flug zu wählen, aber ich hatte mich dann, angesichts der Businessclass, für ein halbwegs elegantes Outfit entschlossen.

Der Flughafen Tegel war noch nicht ganz erwacht. So frühmorgens gingen hier noch nicht all zu viele Flugzeuge raus. Am Check-in bemerkte ich erfreut, dass in der Reihe für die Businessclass nur ein älterer Herr vor mir anstand. Die Schlange vor der Economy war dagegen sehr lang.

„Fenster oder Gang?“

„Äh, Fenster?“

„Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass der Fensterplatz umgekehrt ist.“

Ich hob den Kopf und sah die Frau am Check-in verwirrt an. Was meinte sie damit?

„Sie fliegen auf dem langen Flug, von London nach Hongkong, gegen die Flugrichtung. Also einfach gesagt: rückwärts.“

„Gut, das ist kein Problem“, sagte ich und hoffte inständig, dass es auch wahr sei. Ich war noch nie in meinem Leben rückwärts geflogen, geschweige denn auch nur jemals in der Businessclass.

Ich hob meinen kleinen Koffer auf das Gepäckband und bekam die Bordkarten.

„Hier ist noch Ihre Einladung für die Lounge in Heathrow.“

Die Stewardess drückte mir einen Zettel in die Hand.

„Danke“, stotterte ich und stopfte die Unterlagen zusammen mit meinem Reisepass in die Handtasche.

Kaffee! Ich brauchte dringend einen Kaffee. Die Dame am Check-in hatte auch etwas von einer Lounge in Tegel gemurmelt.

Ich folgte den Schildern und stand kurze Zeit später vor einer Glastür, die sich automatisch öffnete.

Es gab einen Empfang wie in einem Hotel. Die Frau hinter dem Tresen lächelte mich freundlich an.

„Guten Morgen, ich brauche Ihre Bordkarte und Ihren Reisepass.“

Ich übergab ihr die gewünschten Dokumente. Die Frau nickte mir zu und machte eine Willkommensgeste mit ihrer Hand.

Die Lounge war fast leer, nur der ältere Herr vom Check-in saß in einem Sessel am Fenster und war vertieft in sein Laptop.

Ich steuerte direkt auf eine große, etwas kompliziert wirkende Kaffeemaschine zu. Erstaunlicherweise war es sehr einfach, sich einen Kaffee damit zu machen.

Neben der imposanten Maschine fand ich ein reichhaltiges Büfett. Dieses Businessclass-Ding war schon eine tolle Sache. Ich nahm mir ein bisschen Rührei, ein Brötchen und etwas Aufschnitt. Kopfschmerzen. Mein Hirn sandte mir seltsame Signale aus. Oh mein Gott, ich hatte in der letzten Nacht mit einem Wildfremden geschlafen und jetzt war ich auf dem Weg nach Hongkong zu einem anderen Mann.

Ich spürte, dass ich errötete, als ich an den gestrigen Abend dachte. Wie hatte mir das nur passieren können? Tom erschien vor meinen Augen. Er war wirklich ein toller Typ, und ich war ihm auch sehr dankbar, dass er mich gestern Nacht ohne weiteres Nachfragen gehen hatte lassen. Aber war er auch der Mann, in den ich mich verlieben konnte?

Nein, da war Nick, und der überstrahlte alle anderen Männer. Er war so anders als mein Ex. Ein Mann voll mit Geheimnissen, interessant und auf eine ganz komische Art erotisch.

„Flug 530 mit British Airways nach London, erster Aufruf.“

Das war mein Flug. Ich stellte das kaum angerührte Rührei zur Seite und nahm noch einen letzten Schluck von dem wirklich gut schmeckenden Kaffee und erhob mich. Auf dem Weg zum Ausgang genehmigte ich mir noch ein großes Glas Wasser, in der Hoffnung die Kopfschmerzen etwas zu besänftigen.

Es ging los. Die Frau am Empfang der Lounge nickte mir wieder zu und dann stand ich auch schon an der Sicherheitskontrolle.

In Tegel war das noch immer eine sehr intime Angelegenheit, da die Bänder so klein waren und der Hauptstadtflughafen eher wie ein Vorstadtflughafen daherkam. Etwas umständlich legte ich mein Laptop in das graue Plastikgefäß.

„Haben Sie Flüssigkeiten in Ihrer Tasche?“

Der Sicherheitsbeamte schaute mich unbeteiligt an.

„Äh, nein.“

Er winkte mich durch und widmete sich der Frau, die hinter mir stand. Durch die Fenster konnte ich schon die wartende Maschine sehen.