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Philipp Reclam jun. Stuttgart

Filmgenres

Film noir

Herausgegeben von
Norbert Grob

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten
© 2008, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Made in Germany 2012
RECLAM und UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart
ISBN 978-3-15-960128-1
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-018552-0

www.reclam.de

Inhalt

Einleitung

Kino der Verdammnis

Abkürzungen

Die Hündin

Voruntersuchung

Gehetzt

Der Tag bricht an

Die Narbenhand

Ossessione … von Liebe besessen

Der Rabe

Frau ohne Gewissen

Laura

Mord, mein Liebling

Zeuge gesucht

Im Netz der Leidenschaften

Rächer der Unterwelt

Umleitung

Goldenes Gift

Flucht ohne Ausweg

Gefangen

Im Schatten der Nacht

Die Lady von Shanghai

Die Schenke zum Vollmond

Akt der Gewalt

Maschinenpistolen

Opfer der Unterwelt

Faustrecht der Großstadt

On Dangerous Ground

Der Verlorene

Engelsgesicht

Heißes Eisen

Wenn es Nacht wird in Paris

Geheimring 99

Rattennest

Tödliches Alibi / In letzter Stunde

Im Zeichen des Bösen

Der Panther wird gehetzt

Schießen Sie auf den Pianisten

Alles auf eine Karte

Explosion des Schweigens

Point Blank – Keiner darf überleben

Das Mädchen und der Kommissar

Der Chef

Chinatown

Die heiße Spur

Police Python 357

Mord an einem chinesischen Buchmacher

Taxi Driver

Driver

Der Einzelgänger

Heißblütig – Kaltblütig

Hammett

Der Mond in der Gosse

Der Verrat

Am Rande der Nacht

Das Auge

Blue Velvet

Trouble in Mind

Stormy Monday

Miller’s Crossing

Bad Lieutenant

Die letzte Verführung

Bunte Hunde

Se7en

Die üblichen Verdächtigen

Diebe der Nacht

Der Skorpion

Solo für Klarinette

Memento

Tattoo

36 – Tödliche Rivalen

History of Violence

Black Dahlia

Tödliche Entscheidung

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Register der Filmtitel

Einleitung

Kino der Verdammnis

Shadows are falling and I’ve been here all day / It’s too hot to sleep, time is running away […] There’s not even room enough to be anywhere / It’s not dark yet, but it’s getting there.

Bob Dylan

Film noir – das impliziert unabwendbar Stil und Stimmung, aber zuallererst eine besondere Sichtweise auf die Welt, eine pessimistische, zynische oder nihilistische Sichtweise. Die Filme entwerfen ein Universum der Verdammnis, das durchdrungen ist von einer Aura der Vergeblichkeit. Alles Tun – wie auch das Fühlen und Denken – mündet in Katastrophen, in Fehltritten oder Niederlagen. Das Vertrauteste wird fremd, das Lichte düster und schwarz. Die schönsten Träume verwandeln sich in Albträume. Und nirgends ein Ausweg. Wobei, das ist als zentrales Moment festzuhalten, im Film noir unausweichlich der Punkt kommt, an dem das Handeln hineingleitet in kriminelle Zusammenhänge. Das zweite wichtige Moment: Die Noir-Perspektive ist nur im Ansatz der Realität verpflichtet (und von daher auch nicht gebunden an ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Zeit), sondern einzig und allein der Fantasie, die das Konkret-Politische/Soziale eines Landes zu einer bestimmten Zeit in existentielle Befindlichkeiten generalisiert. Das heißt, die Filme sind stets sozial verankert, gleichzeitig aber schicksalhaft verdichtet. Von daher kann man sie, wenn auch zunächst häufiger in Deutschland und Frankreich, dann in den USA, überall in Europa finden, auch in Asien, auch in Südamerika.

In den Geschichten, die Films noirs erzählen, geht es, wieder und wieder, um Männer am Rande des Zusammenbruchs. Da gibt es Schurkereien, die sich häufen, und Schikanen, die schmerzen, Pläne, die fehlschlagen, und Intrigen, die undurchschaubar sind. Bosheiten, Hinterhalte, Täuschungen. Die Folgen sind: Angst vor dem Tagtäglichen. Flucht aus dem Realen. Irren durch die Nacht, die nicht zu Ende geht. Diese Geschichten bilden die eine, die tragische Seite des Film noir, bei Jean Renoir, Marcel Carné und Yves Allégret, bei Fritz Lang, Robert Siodmak und Otto Preminger, bei Samuel Fuller und John Cassavetes, Claude Sautet und Alain Corneau, Peter Lorre und Nico Hofmann.

Die andere, die onirische Seite, liegt im übergroßen Traum vom ganz Anderen – vom besseren Leben, von einer neuen Frau, von einer Menge Geld. Bis zum Äußersten wird ausgereizt, was plötzlich möglich zu sein scheint, das eine große Ziel, das dann aber als Schimäre sich entpuppt. Die Reise ins ferne Glück bei Edgar Ulmer, die paradiesische Verlockung bei Jacques Tourneur, die obsessive Rache bei Fred Zinnemann. Auch der Traum von der Perfektion bei Jean-Pierre Melville. Oder die kathartische Tat bei Martin Scorsese. Oder der trotzige Kampf gegen Windmühlen bei Brian De Palma. Aber dann werden die Gefahren übersehen, die Warnungen ignoriert. Und so bleiben am Ende nur Fehlschläge und Enttäuschung, Kümmernis und Leid. Der Philosoph Josef Rauscher dazu (in einer Anmerkung zu Truffauts Tirez sur le pianiste / Schießen Sie auf den Pianisten): Im Film noir scheine, »in eigentümlicher Weise, die Zukunft nicht vorauszuliegen, sondern bereits in der Vergangenheit begraben zu sein. Der Noir verhandelt immer über die Seele, die durch die Außenwelt in ihrem Pessimismus, in ihren Verstrickungen, in ihrer Verlorenheit bestätigt wird.«1

Das, was die Filme verbindet, wirkt auf mehreren Ebenen: atmosphärisch und stilistisch, motivisch und thematisch. Eine besondere Klangfarbe dominiert – durch Handlung und Bild, durch Inhalt und Form hindurch, ein gewisser Ton, ein gewisses Timbre, und dies wird polyphonisch durchgespielt und so in der Essenz erweitert.

Fritz Göttler sah 2005, in seiner Miniatur zum Genre anlässlich der Retro in Wien, die Noir-Fantasien angesiedelt »am Äußersten: »Die tiefste Einsamkeit. Die schwärzesten Nächte. Die brutalsten Morde. Die verrückteste Liebe. Der gemeinste Verrat. Wenn’s um den Film noir geht, ist alles ultimativ, das Genre definiert sich heutzutage vor allem über Superlative, über Absolutheitsansprüche.« Die Noir-Stimmung sei, da folgt er einer Anregung von James Naremore2, »eine der großen Strömungen des 20. Jahrhunderts, parallel zu Surrealismus, Existentialismus, Postmoderne.«3

Das ist eine spannende These. Sie versteht den Noir, zumal er zeitlich nicht so begrenzt ist wie die anderen Strömungen, als grundlegende, als tragische Verfasstheit. Was gestattet, die Verengung üblicher Kategorisierung zu sprengen – und einen frischen, neuen Blick auf die Filme zu werfen. Nicht auf das feste Korpus der Filme, die immer wieder genannt sind, sondern auch auf die Paradigmen am Rande, auf Ergänzungen, Kontraste, Widersprüche. Wenn man heute Viscontis Ossessione sehe, so Göttler, komme einem »vor lauter Noir kaum ein Gedanke an Neorealismus«. Gilt Ähnliches auch für Renoirs La chienne (Die Hündin, 1931)? Vor lauter Noir kaum ein Gedanke an den Poetischen Realismus? Und was ist mit Scorseses Taxi Driver? Vor lauter Noir kaum ein Gedanke ans New Hollywood? Oder mit Rudolphs Trouble in Mind? Vor lauter Noir kaum ein Gedanke an die Postmoderne?

Im Folgenden soll durchgespielt werden, was bislang so nicht sein durfte, es gilt alles infrage zu stellen, also auch außer Acht zu lassen, dass eigentlich schon alles zum Thema gesagt sei – und so eine These zu unterminieren, die schon viel zu lange die Diskussion dominiert.

I. Epochalstil – Geistesströmung – Genre

Der Begriff des Film noir selbst ist zunächst mit dem Zyklus des amerikanischen Kinos ab 1941 verbunden. Dieser Zyklus wurde von französischen Kritikern Mitte der 1940er Jahre, also im Nachhinein, als »noir« definiert (und 1955 von Raymond Borde und Etienne Chaumeton erstmals katalogisiert4), auch wenn bereits in den 1930er Jahren in Frankreich einige Filme als »noir« bezeichnet (und von Borde/Chaumeton in ihre Filmliste aufgenommen) wurden. Der Begriff ist später in den USA aufgegriffen und vielfältig diskutiert worden (u. a. 1972 von Paul Schrader, der den Zyklus auf Filme zwischen 1941 und 1956 begrenzte5, oder 1978 von Alain Silver und Elisabeth Ward, die das Korpus der Filme bis in das Jahr der Edition ihres Buches erweiterten6). Aus den USA kam der Begriff wieder zurück nach Europa: »Noir« wurde wiederum als Kategorie retrospektiv auf frühere Filme angewandt, dann aber (spätestens ab 1959 mit Truffauts Tirez sur le pianiste) auch als ästhetisches Reservoir begriffen, das fürs Filmemachen abzurufen ist.

Noir nun als geistige Strömung zu verstehen, die Länder und Zeiten übergreifend erfasst (oder, wie Andrew Spicer notiert, als »an imprecise but indispensable category« und als »transnational cultural phenomenon«7), ermöglicht, gemeinsame Wurzeln (Kriegserfahrungen, politische oder soziale Krisen etc.), gemeinsame Merkmale (kritische Perspektive, pessimistische Stimmung, düstere Klangfarbe etc.), gemeinsame Stilformen (dunklere Lichtsetzung, diskontinuierliche Zeitkomposition, extreme Kamera-Winkel und -Bewegung, Off-Erzählung etc.), gemeinsame Charaktere (Femme fatale, verlorene Träumer, verträumte Verlierer etc.), gemeinsame Schauplätze (Straßen der Großstadt, Hafengegenden, Bars, verwinkelte Innenräume etc.) aufzuspüren. Die Noir-Stimmung ist – anders als Surrealismus und Existentialismus, die nur kurze Zeit wirksam waren – eine andauernde, sich immer wieder erneuernde Kulturströmung. Sie setzte nach dem Ersten Weltkrieg ein und dauert bis heute an.

Andrew Spicer und andere britische Filmwissenschaftler, die vor Kurzem ihre Thesen zum »European film noir«8 vorgelegt haben, weisen im Einzelnen nach, wie der amerikanische Film noir zunächst beeinflusst und bereichert wurde durch europäische Konzeptionen – und wie der europäische Film noir danach wieder anschloss an die klassischen Paradigmen aus Hollywood (in Frankreich bei Henri-Georges Clouzot und Yves Allégret; in Deutschland bei Peter Lorre, Rudolf Jugert und John Brahm).

Diese doppelte Bewegung in Praxis und Theorie (von Europa nach Hollywood und wieder zurück) sollte als große, kulturelle Anstrengung angenommen werden. Deshalb ist für mich Noir (von heute aus gesehen) auch als Genre zu akzeptieren, in einem Akt des aktuellen und retrospektiven Verstehens zugleich, das die Praxis seit den späten 1980er Jahren, wo sehr bewusst Films noirs gedreht und rezipiert wurden, erweiternd aufnimmt und die früheren Entwürfe nicht außer Acht lässt.

Mir ist klar, dass es in vielen Texten, die zum Film noir publiziert wurden, die Tendenz gibt, die Filme nicht im Genre-Zusammenhang zu reflektieren, sondern eher im Kontext der Epoche oder des Stils. Das war ja auch verständlich, sicherlich bis in die 1980er Jahre. Andererseits, und das sei filmhistorisch endlich konstatiert, ließ die künstlerische Lust am Spiel mit schwarzen Geschichten und schwarzen Formen nie mehr nach, bis heute nicht. Die Neigung zu expressiven Formen, düsteren Bildern, bizarren Stilisierungen hielt an. Wie auch die Neigung dazu, sie in immer anderen Geschichten weiterzuspinnen – die Vorliebe für immerwährende Gefährdung, chancenlose Pläne, alltäglichen Schrecken, für verborgene Laster und tödliche Spiele, für den ganzen Wirrwarr aus sich kreuzenden Linien, kargem Licht, dominanten Schatten.

Zudem ist zu beachten, dass es in den 1920er und 1930er Jahren – vor allem in Deutschland und Frankreich – eine Reihe von Filmen gab, die bereits viele Merkmale aufweisen, die später als typisch für den Film noir genannt werden: Langs Dr. Mabuse, der Spieler (1922), Karl Grunes Die Straße (1923) oder Joe Mays Asphalt (1927), Renoirs La chienne oder Carnés Quai des brumes (Hafen im Nebel, 1938) und Le jour se lève (Der Tag bricht an, 1939).

In seinem Aufsatz »A German Ancestry to Film Noir. Film History and Its Imaginary« spielt Thomas Elsaesser mit dem »historisch Imaginären« und entwickelt direkte Linien zwischen dem Kino der Weimarer Republik und dem amerikanischen Film noir. So entdeckt er den »Einfluss der sogenannten ›Straßenfilme‹ der zwanziger Jahre«, sieht Vorbilder für die »klassische Femme fatale« in Louise Brooks (Die Büchse der Pandora), Marlene Dietrich (Der blaue Engel) und Lya de Putti (Varieté) und behauptet »Parallelen in der Erzählstruktur zwischen deutschen Filmen aus den zwanziger Jahren und dem Film noir: die gequälten, gewundenen Geschichten, die Verwendung von Rahmenhandlungen und Mise en abyme (Das Cabinet des Dr. Caligari, Das Wachsfigurenkabinett, Der müde Tod, Varieté)« als »glaubhafte Vorläufer für die Rückblenden in den Filmen der vierziger Jahre«9.

Im Grunde gilt nur für die klassische Phase des amerikanischen Film noir zwischen, wie in der gängigen Literatur definiert, 1941 und 1958 – zwischen Hustons The Maltese Falcon (Die Spur des Falken) und Welles’ Touch of Evil (Im Zeichen des Bösen) –, dass die Filme sich bündeln zu einem Epochal-Stil, zunächst jedenfalls. Aber auch in den 1960er, 1970er, 1980er und 1990er Jahren gab es Filme mit Noir-Charakteristika. Die Kategorien, die dafür gefunden wurden, sind umstritten. Die Filme aber bilden inzwischen ein umfangreiches Korpus.

Im Atmosphärischen: in der Stimmung der Vergeblichkeit; in der desorientierenden Erzählperspektive; in der indirekten Erzählweise (akzentuiert durch Rückblenden und voice over-narrations); in der Kontradiktion zwischen Schein und Sein; in der Ambiguität der Situationen (und Episoden).

Im Stilistischen: in der Betonung von expressiven, oft ungewöhnlichen Bildkompositonen (von schrägen und vertikalen Linien und Mustern); im Spiel mit Hell/Dunkel-Effekten; in der Neigung zur räumlichen und zeitlichen Diskontinuität, zu desorientierenden Raum- und zerrissenen Zeit-Kompositionen; im Faible für subjektive points of view (und somit zum mindscreening des Antihelden); in kontradiktorischen Gestaltungen; in der gemächlicheren Rhythmisierung; später auch (seit Truffauts Tirez sur le pianiste) im ästhetischen Spiel mit Zitaten aus bekannten Filmen (also im Hang zur Selbstreflexivität).

Im Motivischen: in der Sympathie für desillusionierte Anti-Helden und zwielichtige Charaktere; im Reiz verführerischer Femmes fatales, die ihre ganz eigenen Pläne haben; in der Vorliebe fürs Leben in der Großstadt, das voller Verlockung und Gefahr ist; im Hang zum Geschehen bei Nacht; und in der Neigung zur Verwischung (oder sogar Auflösung) der Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn.

Im Thematischen: in der Dominanz des Schicksalhaften (oder andererseits des Traumhaften, wenn für einen Moment die Hoffnung aufkommt, man könne doch Herr seiner Möglichkeiten sein); in der Verwicklung in kriminelles Tun; in der Qual aufgrund vergangener Schuld; in der Unfähigkeit zu lieben; in der Vorherrschaft des Passiven; in der allumfassenden Wirksamkeit der Gewalt.

Ich denke, es ist an der Zeit, an Autoren anzuknüpfen, die schon seit Längerem das Noir-Kino als übergreifende Kategorie oder als eigenständiges Genre definieren: an Charles Gregory etwa, der schon 1976 den Begriff des Epochalstils als zu eng empfand10; an Jack Shadoian, der 1977 schrieb, Noir sei als Genre ein »cinema of suffering«11; an Todd Erickson, der 1990 erläuterte: »we can understand film noir not only as a movement, but also as a genre, which developed within, and emerged from, the movement itself«12; an Christine Gledhill, die 1992 Film noir als eines von sechs Genres definierte (neben Western, Melodram, Gangsterfilm/Kriminalfilm, Horrorfilm und Musical)13; oder an James Naremore, der 1998 Film noir ein »international genre«14 nannte. Genres sind ja, so Knut Hickethier, »zunächst einmal Verständigungsbegriffe. Sie dienen als Klassifikationen unterschiedlicher Filme der Kommunikation über Filme, sowohl auf der Rezipientenals auch auf der Produzentenseite sowie zwischen beiden Seiten.«15 Genres sind also durch festgelegte Konventionen definiert, die jene, die einen Film herstellen, mit allen verbinden, die sich diesen Film ansehen. Es sind Konventionen des Themas oder der Handlung, des Schauplatzes oder des Konflikts. Für den Film noir heißt dies: Zu Anfang hat es wenig Verständigung zwischen Produzenten und Rezipienten gegeben. Weder haben die ersten Autoren und Regisseure einen Noir drehen wollen, noch sind die Zuschauer ins Kino gegangen, um einen Noir zu sehen.

Andererseits ist der Begriff des Genres ja oft auch deskriptiv verwendet: als distinktive Kategorie, die nach ästhetischen Merkmalen Filme unterschiedlichen Gruppen zuordnet. Ein Genre wird dabei interpretiert als »eine Gruppe von fiktionalen Filmen mit gewissen gemeinsamen Merkmalen«.16 Diese besonderen Merkmale unterscheiden sich geographisch (wie der Western oder der Kung-Fu-Film), zeitlich (wie viele Abenteuerfilme [als Ritter- oder als Mantel- und Degenfilm]), thematisch (wie der Kriegsfilm, der Politthriller oder das Soziodram), motivisch (wie die Romanze, das Melodram, das Musical oder das Road Movie) oder auch dramaturgisch (wie der Kriminalfilm oder das Filmepos).

Eine solch vorsichtige Konkretisierung der filmischen Genres erlaubt es ohne Weiteres, sie als »Regulative« der kinematographischen Aufzeichnung zu begreifen, zu denen bekannte Regeln ebenso gehören wie Variationen und Verstöße gegen sie. Was Film noir als Genre einschließt. Genres stellen schließlich »keine statischen Regelsysteme dar, die, einmal definiert, unveränderbar bleiben würden, sondern »dynamische Konstruktionen […], die in ihrer Historizität zu erfassen und zu beschreiben sind.«17 Genres sind Verträge zwischen den ›Filmemachern‹ und ihrem Publikum, selbstverständlich. Aber sie sind auch ästhetische Reservoire von Stimmungen, Stilmitteln, Figuren, Schauplätzen. Auch in Films noirs artikuliert das Immergleiche, in bewegten Bildern inszeniert, in Umkehrung und Variation, den Rhythmus der Erwartungen – zwischen Erfüllung und Enttäuschung.

Films noirs als Genre zu verstehen impliziert nun, sie im Rahmen von Formen zu sehen, die eine Tradition aufnehmen und variieren und so ihre jeweilige Geschichte in doppelter Weise brechen. Zum einen halten sie sich an die Erwartungen ihrer Zuschauer, arbeiten mit erzählerischen Standards und visuellen Stereotypen – und setzen gleichzeitig ein Spiel damit in Gang. Der Mut zur Variation ist dabei unmittelbar abhängig von der Intelligenz und Fantasie der Autoren, Kameraleute und Regisseure. Zum anderen stellen sie sich bewusst in eine serielle Tradition für dramaturgische und narrative Formen. Was auch impliziert, dass Serialität im guten Sinne begriffen werden kann als »ein Merkmal der Fortsetzung der vorhandenen, bereits geleisteten Arbeit in jeder neuen Arbeit«18.

So wird es möglich, die atmosphärischen und stilistischen, motivischen und thematischen Merkmale über die kurze Periode in den 1940er und 1950er Jahren hinaus zu verfolgen –

• zunächst in den 1960er und 1970er Jahren als Hommage an den Classical Noir (bei Samuel Fuller und John Boorman, Robert Altman, Roman Polanski und Dick Richards);

• später in den 1980er Jahren als Variation und Zitat (bei Michael Mann, Brian De Palma und Martin Scorsese, James Fowley und Taylor Hackford);

• schließlich in den 1990er Jahren als Neubelebung und Erneuerung: in Abel Ferraras King of New York (1990) und Bad Lieutenant (1992), Peter Medaks Romeo Is Bleeding (1993), John Dahls The Last Seduction (1994), Quentin Tarantinos Pulp Fiction (1994), Jon Amiels Copycat (1995), David Finchers Se7en (1995) und David Lynchs Blue Velvet (1986) oder Lost Highway19 (1997).

Gleichzeitig ist zu erkunden, was zuvor da war, in den 1920er und 1930er Jahren, bei Marcel Carné und Jean Renoir, bei Karl Grune, Fritz Lang und Robert Siodmak.

II. Definitionen

Paul Schrader hat Anfang der siebziger Jahre, an Raymond Durgnat anknüpfend, sehr resolut festgelegt: Film noir werde »nicht, wie die Genres Western oder Gangsterfilm, durch die Konventionen des Schauplatzes und des Konflikts definiert, sondern eher durch die subtileren Qualitäten des Tons und der Atmosphäre.«20 Nur – das hat er nicht weiter ausgeführt – wieso sind Ton und Atmosphäre keine Konventionen des filmischen Erzählens? Und wieso ist der Film noir (Anfang der 1970er Jahre, als doch längst zurückzublicken war bis in die 1920er, 1930er Jahre) nicht definiert durch Konventionen des Schauplatzes (etwa der Großstadt bei Nacht; der abgedunkelten Räume; der verwinkelten Treppen usw.) und des Konflikts (etwa der Verführung durch eine Frau; der Neigung zu kriminellen Plänen; der übergroßen Hoffnung, ohne jegliches Fundament; der falschen Träume, die allesamt schief gehen)?

Liest man Schraders »Notes« ein wenig gegen ihre provokanten Festlegungen, finden sich Genre-Definitionen wie von selbst, stilistische wie thematische: Im Film noir schaffe, so Schrader, »eine komplexe chronologische Ordnung […] das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und der verlorenen Zeit«, es dominierten »schräge und vertikale Linien und Muster«, die »in unmittelbarer Opposition zu der horizontalen amerikanischen Tradition eines Griffith oder Ford« stünden21. Dabei seien »die ansteigend mobilen Kräfte […] zum Stillstand gekommen […]; der alte Pioniergeist ist zu Paranoia und Platzangst geworden. Der kleine, unbedeutende Gangster ist etwas geworden und er sitzt im Stuhl des Bürgermeisters, der Privatdetektiv hat den Polizeidienst mit Ekel quittiert und die junge Heldin, die es satt hat, mitgenommen zu werden, nimmt nun andere in ihrem Auto mit.«22

Diese Definitionen werden in einzelnen Texten unserer Autoren aufgenommen und weitergesponnen. Zentral, ohne Zweifel: das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, die Dimension der Vergeblichkeit. Eine schöne Notiz dazu von Elisabeth Bronfen (zu Tourneurs Out of the Past / Goldenes Gift): Es sei »die Wette« des Genres, »aus dem labyrinthischen Kerker der Welt gibt es kein Entkommen.«23 Ein anderer Hinweis dazu von Peter Körte (zu Polanskis Chinatown): »genuin noir« sei es, »mit einem fatalistischen Unterton von der Vergeblichkeit« zu erzählen, »sich aus den Verstrickungen befreien zu wollen«, in die der Held hineingezogen worden sei.24

Wichtig auch: die düstere Perspektive als Hinweis auf soziale oder existentielle Krisen. Films noirs bieten stets auch kritische Skizzen über eine Welt, die aus den Fugen ist: in Deutschland in den 1920er, in Frankreich in den 1930er und in den USA in den späten 1940er, frühen 1950er und 1970er Jahren. Schon Carnés Le jour se lève zeigt Frankreich in der Zeit, als die Volksfront, die viele Hoffnungen bündelte, vor dem Zusammenbruch stand. Es gibt keine Zukunft, nur den melancholisch-schönen Schein des Scheiterns, künstlerischer Ausdruck für Protest und Widerstand. Auch im Amerika der Nachkriegsjahre kam, Paul Schrader betonte es immer wieder, ein Interesse auf an einer »weniger optimistisch[en]«, an »einer ehrlicheren und härteren Sicht«: »Die Desillusionierung, die viele Soldaten, kleine Geschäftsleute, Hausfrauen und Fabrikangestellte bei der Rückkehr zu einer Friedens-Wirtschaft empfanden, wurde auf direkte Weise in der Gemeinheit des urbanen Kriminalfilms gespiegelt.«25 Dies wiederholte sich gegen Ende des US-Engagements in Vietnam. Dazu die definitive Bemerkung von Georg Seeßlen (zu Penns Night Moves / Die heiße Spur von 1975, aus einer Zeit, in der die Folgen des Vietnamkrieges die amerikanische Gesellschaft erschütterte): Der Film noir biete »auch ein Bild für ein Amerika, das seine Wurzeln verliert und im Neuen nicht heimisch wird. [… Er] beschreibt eine Gesellschaft im Übergang, und er tut dies ohne Hoffnung auf Fortschritt oder Klärung.26«

Eine weitere Facette des Film noir: die Kontradiktion zwischen Sein und Schein. Es sei, so Sabine Horst (zu Lynchs Blue Velvet), das »grundlegende Prinzip« des Noir, dass »nichts ist, was es zu sein scheint«27. Unausweichlich geht es in dem Genre darum, dass alle Figuren ihren großen Träumen nachhängen, dabei aber den Boden unten ihren Füßen verlieren. Das Onirische, das in einigen Filmen dominiert, lässt anklingen, für einen kurzen Moment, dass dem Tragischen zu entgehen ist, dass der Mensch den Göttern trotzen kann. Für einen kurzen Moment, wie gesagt. Aber dann wird doch schnell klar: Es geht nicht, keinerlei Chance, an keinem Ort, zu keiner Zeit. Film noir, das heißt: Winner takes nothing, es heißt: Anrennen gegen die Welt, das sich am Ende als vergeblich erweist. Eine Definition in diesem Sinne, von Helmut Merker (zu The Postman Always Rings Twice / Im Netz der Leidenschaften, 1946): »Lust, Betrug, Täuschung, Begehren, Verdacht, Erpressung, Geld, Liebe, Sex, Macht, Mord, das sind die klassischen Noir-Elemente zwischen der Femme fatale und dem Mann, der ihr verfällt, zwischen den beiden, die nicht mehr voneinander lassen können, und wenn sie schließlich erkennen, dass sie einander – auch – lieben, ist es zu spät.«28

Film noir sei (Georg Seeßlen schreibt, man könne es von Siodmaks The Killers / Rächer der Unterwelt lernen): »die hoffnungslose Dialektik von Liebe und Geld, der Held, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist, das Schwarz und Weiß, das einander berührt wie eine Welt die andere, der Schatten, der mächtiger ist als der, der ihn wirft, die Trostlosigkeit der Nacht, in der jedes Licht nur an einen Ort des Verderbens führen kann«.29 Film noir ist eine bestimmte Art und Weise zu erzählen. Das Genre ist definiert durch Stil: durch Choreographie, Atmosphäre, Blick. Das Wie ist so wichtig wie das Was. Es gilt, zwischen Renoirs La chienne und Sidney Lumets Before the Devil Knows You’re Dead (Tödliche Entscheidung). Film noir ist mehr Ausdruck als Inhalt. Noir sei, so Hans Helmut Prinzler (zu Zinnemanns Act of Violence / Akt der Gewalt), »die Atmosphäre, die Töne, die Bilder, […] die Verstrickung im ausweglosen Netz der Vergangenheit.« Die Wahrheit im Film noir geht von den Bildern aus, weniger von der Bedeutung, die sich über die Figuren in ihren Konflikten herstellt. Film noir ist visionärer Entwurf von der tragischen Verfasstheit des Menschen: Die Welt wird zum Dschungel für Gedanken und Gefühle und zum Tummelplatz für Schicksal und Gewalt und Tod.

»Im Noir-Genre« seien, um noch einmal auf Fritz Göttler zurückzukommen, »die Welt, ihre Phänomene und Phantasmen ein Spiegelkabinett geworden«, in diesem Genre finde »die Meisterschaft des […] Kinos ihre Vollendung: den Intellekt und die Emotion zusammenzubringen.«30 Auf diese Meisterschaft des Film noir verweist auch Dominik Graf, wenn er (zu Aldrichs Kiss Me Deadly / Rattennest) von ihm »als Film pur« spricht, »ganz dem Detail, dem jeweiligen Moment hingegeben. […] In der Erinnerung bleiben vor allem tolle Dialoge, Musik, Licht und Schatten, Choreographie, Traum, Albtraum, Gewalt, sarkastischer Humor, Schönheit, Sex, Sehnsucht und Melancholie. So soll es sein.«31 Eine letzter Hinweis dazu, sehr bestimmt, von Sabine Horst (zu Lynchs Blue Velvet): »Noir ist keine Farbe. Noir ist eine Struktur.«32

III. Geschichte des Film noir

Im Gegensatz zum Western, der eine Dramaturgie des Horizontalen entfaltet, ein Handeln nach vorne, das stets aufs Neue alles verändern kann, ist der Film noir (nimmt man ihn tatsächlich als Struktur) ein Genre des Vertikalen – wie sonst allein noch das Melodram. Es ist geprägt von der Unfähigkeit, etwas zu verändern durch Streben und Tun, geprägt von plötzlichen, schicksalhaften Rissen, die alle Wege nach vorne abschneiden und jeden in die Tiefe ziehen. Es ist geprägt von Angst, Konfusion und Düsternis – von der Vorherrschaft des Schicksals. Es entwickelt seine besondere Wirkung durch die Faszination für abgründige Fantasien und mysteriöse Schattenwelten. Film noir meint auch, dass einer für einen Augenblick Licht am Ende des Tunnels sieht, dem mit Kraft und Wollust entgegen rennt – und einfach nicht ankommt. Der Tunnel findet kein Ende, und das Licht ist bloß eine Schimäre.

Das Genre lässt sich in fünf Phasen unterteilen: in eine frühe, eher naive Zeit, die bis zum Beginn der Tonfilme geht, letztlich also bis zu Jean Renoirs La chienne, bis 1931. In dieser Frühzeit werden schon die ersten Erzählungen vorgelegt, die später immer wieder variiert und so zentral werden für das Genre: etwa die um den monströsen Bösen, der manipuliert und fasziniert (wie Rudolf Klein-Rogge in Langs Dr. Mabuse, der Spieler). Oder, im ersten blind alley-Noir, die um den Allerweltskerl, der den Verheißungen der Welt draußen folgt und sich darin verliert – und so zum Opfer seines Schicksals wird (wie Eugen Klöpfer in Grunes Die Straße). Oder die um den unschuldigen Bürger, der ins Netz einer begehrenswerten Frau gerät und nicht mehr von ihr lassen kann (wie Emil Jannings in Josef von Sternbergs Der blaue Engel oder Michel Simon in Renoirs La chienne).

Die zweite (eher kurze) Phase, die bis zu Siodmaks Phantom Lady (Zeugin gesucht, 1944) und Premingers Laura (1944) reicht, ist charakterisiert durch lässige Spielereien und romantische Irritationen, aber auch durch auswegloses Mühen, wie in Langs sehr frühem You Only Live Once (Gehetzt, 1936), in dessen Mittelpunkt ein vom Schicksal geschlagener Joe Doe steht. Es geht um einsame Privatdetektive, die ihre Aufträge und die kriminellen Machenschaften dahinter mehr durchstehen denn durchschauen, wie Humphrey Bogart in John Hustons The Maltese Falcon oder Dick Powell in Dmytryks Murder, My Sweet (Mord, mein Liebling, 1944); um charmante Killer und Gangster, wie Alan Ladd in Frank Tuttles This Gun for Hire (Die Narbenhand, 1942) oder Stuart Heislers The Glass Key (Der Gläserne Schlüssel, 1942); auch um verliebte Sekretärinnen und Polizisten, denen ihre Gefühle so wichtig sind wie ihre Jobs, wie Ella Rains in Phantom Lady und Dana Andrews in Laura.

Die dritte Phase, die die zentrale Epoche des klassischen Film noir umfasst, von Billy Wilders Double Indemnity (Frau ohne Gewissen, 1944) bis zu Orson Welles’ Touch of Evil (1958), ist gekennzeichnet durch passive Helden im Räderwerk fremder Interessen, krimineller Energien und geheimnisvoller Femmes fatales, durch »selbstmörderische Impulse« und »Psychopathie«, für die es keinerlei Entschuldigung gibt.33 Im Mittelpunkt stehen berechnende Kavaliere, deren Rechnung noch aufgeht (wie Dana Andrews in Premingers Fallen Angel / Mord in der Hochzeitsnacht [1945]); mürrische Spieler, die insgeheim auf den großen Gewinn hoffen (wie Glenn Ford in Charles Vidors Gilda [1946]); desillusionierte Veteranen (wie Alan Ladd in George Marshalls Blue Dahlia [1946] oder Robert Ryan in Zinnemanns Act of Violence [1949]); müde Gangster, denen nichts mehr gelingt (wie Burt Lancaster in Siodmaks The Killers / Rächer der Unterwelt [1946] und Criss Cross / Gewagtes Alibi [1949] oder Victor Mature in Henry Hathaways Kiss of Death / Der Todeskuss [1947]); Millionäre, die Spaß am Quälen haben (wie Robert Ryan in Max Ophüls Caught / Gefangen [1949]); biedere Typen, die plötzlich entdecken, dass nichts Sinn hat, und darüber durchdrehen (wie Edmond O’Brien in Matés D. O. A. / Opfer der Unterwelt [1949]); gewalttätige Schriftsteller (wie Humphrey Bogart in Rays In a Lonely Place / Ein einsamer Ort [1950]); karrieresüchtige Journalisten, denen das Leben anderer gleichgültig ist (wie Kirk Douglas in Wilders Ace in the Hole / Reporter des Satans [1951]); überharte Polizisten, die weder vor Gewalttaten noch vor getürkten Beweisen zurückscheuen (wie Dana Andrews in Premingers Where the Sidewalk Ends / Faustrecht [1950], Robert Ryan in Rays On Dangerous Ground [1952], Cornel Wilde in Lewis’ The Big Combo / Geheimring 99 [1955] oder Orson Welles in seinem Touch of Evil).

Die vierte Phase umfasst die Zeit der großen Hommages an den Classical Noir: von François Truffauts Tirez sur le pianiste (1959) und Jean-Pierre Melvilles Le Samouraï (Der eiskalte Engel, 1967) über John Boormans Point Blank (1967) bis zu Roman Polanskis Chinatown (1974) und Martin Scorseses Taxi Driver (1976).

Die fünfte Phase schließlich, die 1978 mit Walter Hills Driver einsetzte und bis heute nicht abgeschlossen ist, ist geprägt von postmodernem Stilwillen (etwa Jean-Jacques Beineix’ La lune dans la caniveau / Der Mond in der Gosse in Frankreich [1983], Alan Rudolphs Trouble in Mind [1985] oder David Lynchs Blue Velvet [1986] und Lost Highway [1996] in den USA) und neoklassischer Erneuerung (etwa Mike Figgis’ Stormy Monday in England [1987], Nico Hofmanns Solo für Klarinette in Deutschland [1998], André Téchinés Les voleurs / Diebe der Nacht [1996] und Olivier Marchals 36 Quai des Orfèvres [2004] in Frankreich, Ethan Coens Miller’s Crossing [1990] und Brian De Palmas The Black Dahlia [2006] in Hollywood).

IV. Die vier zentralen Charakteristika

1. Die Stadt

Motivisch wie thematisch von zentraler Bedeutung für den Film noir sind die großen Städte mit ihren düsteren, verwinkelten Gegenden, ihrem massenhaften Gemisch, ihrem hektischen Treiben. Sie wirken als Ort der Verheißung und des Chaos zugleich. Alles scheint möglich, wenn man bereit ist, auf Sieg zu setzen. Die Bars, die Tanzhallen, die Straßen, die Vergnügungsparks als Raum, der den Alltag transzendiert, der etwas Großes und Wunderbares verspricht – und am Ende doch nur einlöst, was andere in Gang gebracht haben. Dazu eine Notiz von Ivo Ritzer (über Premingers Where the Sidewalk Ends): »Durch die urbanen mean streets selbst scheint […] eine frontier zwischen Zivilisation und Barbarei zu laufen. Den Krieg an dieser uramerikanischen Grenze droht die Polizei zu verlieren, wenn sie nicht zu den gleichen ungesetzlichen Methoden greift wie die Gangster.«34

Die Noir-Stadt mit ihren harten Licht/Schatten-Kontrasten unterstreicht unentwegt, wie sehr der Protagonist in Zusammenhänge verstrickt ist, die er weder beherrscht noch durchschaut. Sie betont das Konfuse, Verlorene, Deformierte der Situation und weist zugleich auf das Doppelbödige der Erzählung. Die große Stadt, so Michael Sellmann, »ist nicht dazu da, um ihre Schönheit zu zeigen; sie ist nur vorhanden, um die Menschen in ihr zu bedrohen. In vielen Filmen ist sie als ein klaustrophobisches Universum aus Perversionen, Obsessionen und Gewalt charakterisiert.«35

Paul Schrader hat darauf verwiesen, dass im klassischen Noir den Darstellern und den Schauplätzen »oft gleicher Lichtwert und -betonung« zukomme. Dadurch werde »eine fatalistische, hoffnungslose Stimmung geschaffen. Der Protagonist kann nichts tun; die Großstadt wird sogar seine größten Anstrengungen überdauern, negieren und aufheben.«36 Die große Stadt, the dark city, ist im Film noir zum Albtraum geworden, nur überfüllte Straßen und nasser Asphalt, heruntergekommene Häuser und übermöblierte Wohnungen. Die Menschen gehen in die Nacht – und sind geblendet, wenn sie mehr sehen als Schatten und Schemen. »The tangle of bodies, the blare of honky-tonk music, the swell of car horns, the nervously flashing signs create a dazzling visual and aural cacophony: the city as moral and sexual cesspool.«37 Später dann, vor allem in Finchers Se7en, ist die Großstadt zum »Inferno« geworden, zum »Moloch aus Beton und Asphalt […], in dem Nebelschwaden die Straßenschluchten wie ein Pesthauch des Bösen durchziehen.«38

Die Noir-Stadt als »criminalized Wasteland«39 ist dabei konkreter Schauplatz und allgemeine Metapher gleichermaßen. Architektonischer Raum also, der zu betreten und zu durchschreiten ist, und gleichzeitig Ort der Fantasie, in den hineingeträumt ist, was als Lockung für Gefahr und Abenteuer, für Unerlaubtes und Verdammtes vorstellbar ist. Eine Wiege des Verbrechens, ein Kessel negativer Energie.

2. Die Nacht

Motivisch gesehen, ist das Noir-Universum eine Welt der Nacht. Deshalb entfalten auch Filme, die in der Nacht spielen, eine ganz eigene Magie. Gerade weil sie in diesem Medium, das ansonsten seine Kraft eher aus dem Sichtbaren schöpft, ihre Spannung ziehen aus der Nähe zum Dunklen, Schemenhaften, Unsichtbaren. Da trifft ein älterer Mann auf einer Straße bei Nacht ein Paar, das sich streitet, steht der Frau bei und verfällt ihr sofort (in Renoirs La chienne). Da kommt ein Mann mitten in der Nacht nach Hause, und noch bevor er das Licht anschalten kann, wird er von Polizisten beschuldigt, seine Frau getötet zu haben (in Siodmaks Phantom Lady). Da wird eine Frau nachts erschossen, und drei Tage später kehrt sie aus dem Reich der Toten zurück, in der Nacht selbstverständlich (in Premingers Laura). Und da lässt sich einer ohne Gegenwehr töten, spät in der Nacht (in Siodmaks The Killers). Da kommen drei auf der Flucht nachts an eine heruntergekommene Tankstelle, und einer von ihnen, der verwundet ist, findet nicht nur eine, die ihn pflegt, sondern auch zu lieben lernt (in Rays They Live by Night / Im Schatten der Nacht [1947]). Da erzählt einer der Frau, die er liebt, auf der nächtlichen Fahrt von Bridgeport, Kalifornien, zum Lake Tahoe sein vergangenes Leben, in dem er schuldig wurde wegen einer anderen Frau (in Jacques Tourneurs Out of the Past [1946]). Und da steht ein Seemann einer schönen Blondine nachts gegen Diebe bei, mitten im Central Park, und glaubt danach, ihr auch weiterhin helfen zu müssen (in Orson Welles’ The Lady from Shanghai / Die Lady von Shanghai [1948]): »Wenn ich einmal ein Narr bin, dann kann mich nichts mehr aufhalten.«

Es ist ein Moment des Onirischen, diese halluzinatorische Welt, die so gezeichnet wird, halb Albtraum, halb Phantasmagorie. Eine Welt voller Regen, Nebel und Schmutz, voller Irrwege, Konfusion und Fatalität. Eine düstere, mal eher nihilistische, mal eher surreale Welt, in der Bedrohung und Verwirrung dominieren – und die Ohnmacht vor der Gewalt, die in allen zu stecken scheint.

Die Nacht ist die Zeit der Entwurzelten, der Getriebenen und Ruhelosen, der Schlafwandler und Schattenwesen. Geplagt vom Ärger ihres Alltags, ziehen sie hinaus in die Dunkelheit, um doch noch zu erreichen, was die Verhältnisse im Hellen ihnen verweigern. Sie meiden das Licht und verschanzen sich in den Schatten, während sie gegen die Phantomgestalten ihrer verlorenen Vergangenheit kämpfen oder den geheimen Gelüsten ihres Innersten folgen oder die Gespenster ihrer oft trostlosen Gegenwart jagen.

In Phantom Lady verfolgt eine junge Frau einen Barkeeper, um Informationen von ihm zu bekommen, die helfen sollen, einen Mordfall zu klären. Was Siodmak und sein Kameramann Woody Bredell zu einem Nocturno der Großstadt verdichten. Die Atmosphäre ist suggestiv und bedrohlich, düstere Häuser und regennasse Straßen, schummriges Licht und lange Schatten, knallige Geräusche von Schritten auf dem Asphalt. Eine Bahn rauscht vorbei. Keine Musik. Dann die Treppe hoch zur Stadtbahn. Ein leerer Bahnsteig, auf den kaum Licht fällt. Plötzlich verschieben sich die Verhältnisse. Die Verfolgerin wird zum möglichen Opfer. Woraus sie erst das Licht der ankommenden Bahn befreit.

Die nächtlichen Bilder sind überdeutlich gezeichnet, also betont künstlich belassen, als pure Fantasien, sie entwickeln durch das Zusammenwirken zueinander erst ihren albtraumartigen Sog. Das Urbane als Komposition dunkelster Impressionen. Die nächtliche Stadt ist dabei nicht länger nur Hintergrund, sie ist integraler Bestandteil des Dramas vorne, sie spielt in den Bildern die Hauptrolle, vor der alles andere zum supporting acting verkümmert.

Ein anderes Beispiel: Edgar G. Ulmers Detour (1945), wo sich ein mittelloser Musiker eines Nachts entschließt, von New York quer durch die USA nach Los Angeles zu trampen. Er will dort seine ehemalige Freundin überreden, zu ihm zurückzukehren. Entscheidungen bei Nacht aber sind trügerisch, sie führen allzu oft zu Konsequenzen, die tiefer wirken als geplant. Während des hitchhiking fällt dann ein Mann, der ihn in seinem Cabriolet mitgenommen hat, unglücklich mit dem Kopf auf einen Stein und stirbt. Der Musiker, der nicht glaubt, dass ihm irgendeiner diese Geschichte abnimmt, versteckt die Leiche, übernimmt Kleider und Geld und fährt mit dem Auto davon. Diese Reise wird zum Albtraum. Weiteres Chaos, weitere Tote. Eine Tramperin, die weiß, was passiert sein muss, da sie schon vorher mit dem Cabriolet gefahren ist, beginnt ihn zu erpressen, und so tötet er sie im Streit – aus Versehen. Ein Telefonkabel erdrosselt sie, so zufällig wie schicksalhaft. Mehr als in anderen Filmen von Ulmer, so der Filmhistoriker John Belton, ziehe es seinen Helden in eine nebelverhüllte Welt, aus der es keinerlei Fluchtmöglichkeit gebe. Er strande auf seiner Reise. Und das zerstöre seine Identität und seinen Willen und könne nur mit seinem Tod enden.

Ähnliches in George Cukors A Double Life (Mord in Ekstase, 1947): Da zieht ein Schauspieler hinaus in die Nacht, in seinem Kopf nichts als seine Texte für Othello. Von seiner Frau abgewiesen, auf den dunklen Straßen völlig alleine, verfällt er schließlich seiner Theaterrolle – und verwechselt eine alte Freundin in ihrem verwinkelten, verschachtelten Apartment mit Desdemona. Sein Fazit (und zugleich eine grundlegende These des Genres insgesamt), am Morgen danach: »In der Nacht, da ist man hilflos!«

3. Off-Erzählungen/Rückblenden

Zu den wichtigsten Topoi des Film noir gehört, dass eigentlich alles, was passiert, längst entschieden ist. Dass, wenn wir Zuschauer in die Geschichte hineinkommen, die Würfel längst gefallen sind.

Signifikant dafür die Rückblenden, besonders die mit deutlichen Auf- und Abblenden, die, wie Béla Balázs ganz generell schrieb: »von poetischer Bedeutung« sind – weil durch sie »die Welt [versinkt], als hätte sich das Schicksal verdunkelt. Gestaltlos spüren wir den Schatten des Todes«40. Rückblenden (in Verbindung mit voice over-narrations) verstärken die Stimmung der Ohnmacht, die der Einzelne gegenüber seinem Schicksal empfindet – die Stimmung der verlorenen Zeit, die Stimmung der allumfassenden Hoffnungslosigkeit.

Die Bilder verändern sich im Modus, wenn sie, durch subjektives voice over ausgewiesen, ihren eingeschränkten Blick auf die Ereignisse ganz offen vorführen: »Die Stimme des voice over«, so Thomas Brandlmeier, wirke oft »wie aus einer anderen Welt, dies gelte »auch dort, wo die Erzählstruktur traditioneller ist, wo das mysteriöse Handlungsmotiv an den Anfang einer (scheinbar) linearen Erzählstruktur gesetzt ist.«41

Premingers Laura ist dafür ein gutes Beispiel, der Film lebt von dieser Wirkung, das Mysteriöse geht von Anfang an nicht von der Frage aus, wer die Tat begangen hat, sondern vor allem von den brüchigen Verschachtelungen zwischen vergangenen und gegenwärtigen Episoden. Immer bleibt eine Lücke zwischen den (in Rückblenden gezeigten) Erinnerungen der Beteiligten und ihren späteren Äußerungen gegenüber dem Polizisten. Das schafft eine ganz eigene Spannung, die die Skepsis gegenüber ihren Erzählungen wie ihren Bekenntnissen wachsen lässt. Preminger, schon hier nachdenklich den Gebrauch seiner Mittel thematisierend, lässt spürbar werden, dass Rückblenden für ihn keine Hilfsmittel sind, die ihm das Erzählen erleichtern (wie das Billy Wilder zur gleichen Zeit für Double Indemnity reklamierte). Seine Rückblenden sind eigenständige Erzählungen für sich, mit eigenen points of view und eigener Dramaturgie. Sie entwickeln ihr eigenes Verhältnis zur Gesamtstory, wie die Fragmente im Diskurs, die ihren Sinn erst durch die Komposition erhalten, durch die Art und Weise, mit der sie »wie Steine auf dem Rand des Kreises« um eine leere Mitte liegen, wie Roland Barthes dies einst definierte.

Die Vorliebe für Off-Erzählungen und Rückblenden (als Ausdruck der starken Bindung an Vergangenes), für indirekte Erzählweisen zielte seit je darauf, die Zuschauer das Sichtbare weiterspinnen und vollenden zu lassen. Preminger z. B. treibt in Laura mit dieser rhetorischen Figur des Erzählkinos ein doppelbödiges Spiel. Zum einen inszeniert er Erinnerungen des Journalisten auch als Ausdruck einer Männerfantasie, die durch seine wohltönende Stimme, geübt in unzähligen Radiosendungen, eine besondere, faszinierende Überzeugungskraft entwickelt. Zum anderen nutzt er das indirekte Erzählen, um diese Tragödie eines lächerlichen Alten brüchiger zu machen (und verstärkt so die Atmosphäre des Offenen, Fragmentarischen, Imperfekten).

Inzwischen wissen wir, Preminger wollte Laura eigentlich beenden mit der Verhaftung des Journalisten. Erst Darryl F. Zanucks Einwand, er müsse die Figur der Laura (und damit auch seinen neuen Star Gene Tierney) stärker herausstellen, ließ ihn die Szenen nachdrehen, die schließlich die Konflikte zwischen den Protagonisten zum Kochen bringen: Lauras erneute Bedrohung, während sie ruhig ihr Apartment durchquert, die Diele, den Salon, das Schlafzimmer, der melancholische Rachezug des Alten und die energische Rettungstat des Polizisten. Es ist ein Showdown der Tristesse, in dem verletzt werden soll, was zuvor verletzt hatte, ein Ende doppelter Vergeblichkeit. »Love is stronger than life, it reaches beyond the shadow of death.«

In dem Jahr, in dem Laura entstand, drehten Edward Dmytryk Murder, My Sweet, Fritz Lang The Woman in the Window (Gefährliche Begegnung), Jean Negulesco The Mask of Dimitrios (Die Maske des Dimitrios), Robert Siodmak Phantom Lady, Billy Wilder Double Indemnity: Auch in diesen Filmen ging es nicht mehr nur um Verbrechen und Strafe, um Schuld und Sühne, sondern vor allem um die Ohnmacht vor Gewalt und Verrat, um rätselhafte Situationen und tödliche Machenschaften, um falsche Freunde, kaltherzige Frauen und die Frage nach dem einfachsten Weg zum Überleben. »Besorgnis wird angestaut; bedrohliche Andeutungen und schreckliche Möglichkeiten zeigen eine Welt auf, in der jeder jeden fürchtet und keiner weiß, wann und wo der letzte und unvermeidliche Schrecken eintreffen wird.«42

4. Licht/Schatten

Von den deutschen Filmen der zwanziger Jahre an ist es das zentrale Prinzip, Spannung visuell aufzubauen durch Hell-Dunkel-Kontraste, durch, wie Lotte H. Eisner schon früh notierte, den »Zusammenprall von Licht und Schatten«, den »Schock des Lichts mit den Schatten«43.

In Robert Siodmaks The Killers z. B. sind anfangs zwei Profikiller auf der Suche nach einem Mann, den sie töten wollen. Wie zwei Racheengel kommen sie aus der Nacht – und provozieren, witzeln, drohen. Der, den sie suchen, wird schließlich gewarnt, auf seinem Bett in einem düsteren Zimmer, doch diese Warnung berührt ihn nicht. Es ist, als sehne er seinen Tod herbei. »I did something wrong, once«, bekennt er schließlich. Das grelle Licht, gesetzt als Flecken, die vom Treppenhaus einfallen, erhellt nur wenig, es überstrahlt eher den Warnenden – und kontrapunktiert so dessen Gegenüber auf dem Bett, von dem zunächst nur das helle Unterhemd zu erkennen ist und der so leise und gedehnt antwortet, als spräche er schon aus einer anderen Welt. »Wie ein Toter« sei er aufgebahrt, erklärt Karl Prümm in seinem großen Siodmak-Essay, er liege »im Dunkeln«, sei »schon eingegangen in das Reich der Schatten.«44 Einige Augenblicke später wird er erschossen, und er rührt keinen Finger, um dies zu verhindern.

The Killers geht sicherlich weiter als die meisten Filme seiner Zeit. Nicht nur, dass der Anfang mit dem Ende beginnt, dass alles vorüber ist, bevor es begonnen hat, das haben auch andere Filme versucht, Double Indemnity etwa, aber dass zu Beginn nicht nur ein Eingangs-Enigma steht, ein Rätsel um existentielle Verlorenheit, sondern die Präsentation einer völligen Selbstaufgabe, die den gesamten Film überdauert, der danach die Vorgeschichte in elf Rückblenden zeigt, ist ungewöhnlich. Unkonventionell ist zudem, wie lange es hinausgezögert wird, bis der Protagonist zu sehen ist. Der Bildstil suggeriert die Dominanz des Dunklen, so, als müsse das, was eigentlich im Zentrum steht, erst mühsam dem Schwarz entrissen und ins Licht gezerrt werden.

Eine andere Strategie gibt es bei Preminger, der in Fallen Angel seine Figuren oft in dunkle Ecken stellt, wo sie neugierig ins Helle blicken, um zu erfahren, was vor ihnen verborgen wird. Dabei spielt im Hellen nur das Offensichtliche; das, was zu entdecken wäre, bleibt im Dunklen, das nicht bloß Finsternis bedeutet, sondern Kontrast zum Licht und bergender Schummer, in dem alles Trennende verschwindet.

Ein anderer Trick, das Dunkle gegen das Helle zu stellen (und immer wieder zu entdecken): die heruntergelassenen Jalousien. Etwa in John Hustons The Asphalt Jungle (Raubmord, 1950), wo die Räume des Kommissars dadurch stets verdunkelt sind. Auch ein äußeres Zeichen für die Mentalität des Polizisten, der zu ungesetzlichen Maßnahmen rät, um dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen (er will alle Verdächtigen so lange einsperren, bis sie kalte Füße vor der Polizei bekommen).

Hin und wieder wird auch mit diffusem Licht, das die Grauwerte intensiviert, eine Geschichte poetisiert (etwa in La chienne oder Voruntersuchung, in Phantom Lady oder White Heat). Dieses Licht formt die Bilder, als könne es den Ereignissen eine zusätzliche Klarheit verleihen. Durch die Intensität der Graunuancen, also durch die Spannung zwischen hellerem und dunklerem Grau, kommt ein Timbre in die Filme, das die Situation der Helden akzentuiert: ihre Fremdheit in schäbigen Motels, ihre Verlorenheit auf den Straßen, ihre psychische Deformation, ihre Verstricktheit in Mächte, die sie nicht begreifen.

V. Die Meister des Noir-Lichts: Schüfftan, Bredell, Alton, LaShelle, Krasner, Shamroy, Lathrop

Ohne Zweifel begann alles mit Eugen Schüfftan, der schon in Siodmaks Menschen am Sonntag45Quai des brumes46