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Ein schmerzliches
Wiedersehen

Roman von Patricia Vandenberg

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Inhalt

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Dr. Daniel Norden begrüßte seinen Patienten Alfred Jäger besonders herzlich. Viele Wochen hatte der alte Herr ihm große Sorgen bereitet, da er den plötzlichen Tod seiner Frau nicht verwinden konnte. Aber gemeinsam mit Jägers Tochter Irmi war es ihm dann doch gelungen, die schwere Krise im Leben dieses feinfühligen, gütigen Mannes zu überwinden. Sie hatten ihn überreden können, einige Wochen auf der Insel der Hoffnung zu verbringen.

Dort war er gut aufgehoben. Daniel Nordens Schwiegervater, Dr. Cornelius, der das Sanatorim leitete, war hinreichend darüber informiert, was dem alten Herrn den Lebensmut genommen hatte.

»Na, Herr Jäger, reisefertig?« fragte Dr. Norden.

»Schon startbereit. Aber ich wollte doch noch hereinschauen und mich bei Ihnen bedanken. Ja, und dann hätte ich noch was auf dem Herzen…«

»Heraus damit«, sagte Dr. Norden munter.

»Ich habe doch den Fischweiher und ein nettes Häuschen dabei. Es ist nicht weit, und ich habe gemeint, daß Sie mit Ihrer Familie vielleicht dort mal ein ruhiges Wochenende verbringen könnten. Es ist so hübsch da draußen, auch für die Kinder. Und eine nette Wirtschaft ist auch in der Nähe, wo man noch pfundig essen kann.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie davon Gebrauch machen würden. Den Schlüssel habe ich mitgebracht. Angelzeug ist draußen, auch ein Boot.«

»Das klingt ja sehr verlockend«, meinte der Arzt.

»Sie haben so viel für mich getan, daß ich Ihnen auch gern eine Freude machen würde. Es ist wunderschön da draußen. Noch ganz unberührte Natur. Nur ein kleines Haus steht am anderen Ufer des Weihers. Es gehört mir auch. Ich habe es vor Jahren an einen Eigenbrötler vermietet, der nichts mit den Menschen zu tun haben mag, er stört niemanden. Und Telefon gibt es draußen auch nicht. Das wär doch mal was für Sie.«

Das klang wirklich verlockend. Ein ruhiges Wochenende ohne Telefon, nur zum Faulenzen, mal wieder angeln, was er früher immer so gern getan hatte.

»Es wird sich hoffentlich einrichten lassen, Herr Jäger«, sagte Dr. Norden. »Lieb, daß Sie daran dachten.«

»Ich bin halt ein bißchen eigen. Sonst tät ich es niemandem antragen, das dürfen Sie mir glauben. Ja, ich werde nun mal Ihr Paradies genießen und Sie hoffentlich meines. Bis zum Wiedersehen dann, Herr Doktor.«

»Erholen Sie sich gut. Genießen Sie es wirklich, Herr Jäger.«

Sie schieden mit einem festen Händedruck. Loni im Vorzimmer atmete auf.

»Bin ich froh, daß er nicht wieder einen Rückzieher gemacht hat«, sagte sie erleichtert. »Er ist so ein netter Mensch, und seine Kinder möchten doch wenigstens ihn noch behalten. Ich kann mir schon vorstellen, daß es sehr arg ist, wenn man vierzig Jahre eine glückliche Ehe geführt hat und dann allein ist. War doch eine so gute Seele, die Frau Jäger.«

Das menschliche Mitgefühl, das Herrn Jäger hier entgegengebracht wurde, hatte ihm geholfen. Seine Kinder hatte er nicht auch noch mit seinen Sorgen belasten wollen. Sie hatten selbst welche.

Irmis Ehe war in eine Krise geraten, weil sie unbedingt ein Kind haben wollte und ihr Mann nicht. Der Sohn Helmut hatte die Stellung gewechselt, weil ihm ein glänzendes Angebot gemacht worden war, das sich schon nach kurzer Zeit als eine Seifenblase erwies. Gebaut hatten sie auch gerade und waren nun ins Schwimmen gekommen. Freilich hatte der Vater ihnen unter die Arme gegriffen, aber ein Krösus war er auch nicht gerade. Aber er wollte seine Kinder gesichert und zufrieden wissen.

Nun aber fuhr ihn Irmi zur Insel der Hoffnung, weg von der vertrauten Umgebung, die voller Erinnerungen war an glückliche Jahre, die ihn nun traurig stimmten.

Fee Norden, die Frau des Arztes, aber erlebte an diesem Tag die Überraschung, daß sie das nächste Wochenende am Fischweiher von Herrn Jäger im Vorgebirge verbringen würden.

»Wenn es nur sicher ist«, sagte sie skeptisch. Aber auch sie sehnte sich danach, einmal nicht durch das Läuten des Telefons aus einer gemütlichen Stunde gerissen zu werden. Selten genug waren solche in letzter Zeit ohnehin gewesen.

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Das Wunder geschah, es kam nichts dazwischen, und das Wetter war verlockend schön. Nur Danny war vorerst nicht ganz einverstanden, weil er lieber zu Omi und Opi fahren wollte.

»Die haben jetzt so viel zu tun, daß sie gar keine Zeit für euch hätten«, sagte Fee tröstend. Und als sie dann am Weiher angelangt waren, hellte sich auch Dannys Miene auf.

Ein schmuckes Häuschen erwartete sie, außen und innen, wie sie feststellen konnten. Holzverschalte Decken und Wände und rustikale Bauernmöbel machten es recht heimelig. Und es war mehr Platz, als man ahnen konnte. Auch für Haushälterin Lenni war Platz, denn selbstverständlich kam sie mit den Nordens.

Ganz romantisch lag der Weiher, ein Dorado des Friedens, an dessen Ufern man noch seltene Blumen und Pflanzen finden konnte. Schmetterlinge schwirrten herum, wie die Kinder sie noch nie gesehen hatten, und Vögel zwitscherten hell und fröhlich.

Lenni war zufrieden, daß es auch elektrischen Strom gab, denn sie hatten schon befürchtet, daß ein Propangasherd auf sie warten würde. Davor hatte sie nämlich höllische Angst, schon der Kinder wegen.

Essen wollten sie in der Wirtschaft, die Herr Jäger empfohlen hatte, aber für die Kinder mußte die Milch erwärmt werden, und den Morgenkaffee wollte man auch gemütlich daheim trinken. Ein guter Kaffee wurde von dem Arzt-Ehepaar überaus geschätzt.

Das Dorf war drei Kilometer entfernt, aber da auch Felix schon gut zu Fuß war und Anneka in ihren Sportwagen gesetzt werden konnte, blieb das Auto stehen, als sie sich aufmachten, die Gegend zu erkunden.

Da sie wußten, daß man auf dem Land alles viel besser und frischer bekam als in der Stadt, hatten sie keinen Proviant mitgenommen.

Es wurde ein fröhlicher Spaziergang. Der Vater sang aus voller Kehle, daß die Kinder nur so staunten, und seine Frau stellte wieder einmal fest, welch schöne Stimme er hatte.

»Du hättest auch Opernsänger werden können«, scherzte sie.

»Liebe Güte, da bin ich schon lieber Arzt. Mir immer ein anderes Gesicht aufzuschminken, würde mir nicht gefallen, Feelein«, sagte er.

»So ist es mir auch lieber.« Aber sie wunderte sich doch, welche Talente in ihm steckten.

Sie kauften ein. Eier, Butter, Brot und Honig, alles frisch vom Erzeuger, auch das Obst. Aber sie wurden auch bestaunt, denn Fremde schienen hier wirklich kaum herzufinden.

Freundlich waren die Leute, und die Wirtschaft erwies sich als ein wahres Schmuckstück.

Der Kuglerwirt, so war auch der Name des Gasthofs, war ein stämmiger Mann. Mit einem breiten Lächeln wurden sie begrüßt.

»Ah, dös werden die Freund’ vom Jäger-Fred sein«, sagte er. »Er hat mich schon angerufen, daß es Ihnen an nichts fehlen sollt’, wann’s komme tät.«

Sogar daran hatte Herr Jäger gedacht. Fee fand es rührend. Und sie wurden geradezu fürstlich bewirtet. Da konnte sich so manches Feinschmeckerlokal eine Scheibe abschneiden.

Frische Pfifferlinge in Rahmsauce gab es. Reherl hießen sie hier freilich. Die Semmelknödel waren köstlich, die Kalbsmedaillons butterweich.

Für Anneka wurde ein Grießbrei bereitet, der so lecker ausschaute, daß Danny und Felix auch noch eine Portion davon haben wollten.

Sie wurden auch gefragt, ob sie am nächsten Tag wiederkommen wollten und was sie dann zu essen wünschten. Da wurde beratschlagt, ohne daß Fee an ihre Linie dachte.

Alles sprach dafür, daß es ein in jeder Beziehung herrliches Wochenende werden würde, eines, an dem auch Lenni mal nicht stundenlang in der Küche stehen mußte.

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So, wie sie sich freuten, freute sich aber auch der gute Herr Jäger, dem ein besonders herzlicher Empfang auf der Insel der Hoffnung bereitet wurde, denn hier boten sich andere Schönheiten dar, die es an seinem Weiher wiederum nicht gab.

Die Rosen standen in voller Blüte und verbreiteten ihren Duft. Die Häuschen, die über die Insel verteilt waren, um die Patienten zu beherbergen, ließen gar nicht erst den Gedanken aufkommen, daß es sich um ein Sanatorium handelte.

»Am liebsten möchte ich auch gleich hierbleiben«, sagte Irmi.

»Dann bleiben Sie doch«, schlug Anne Cornelius, die Frau des Arztes, vor. »Herr Jäger hat doch ein Zwei-Zimmer-Appartement, da ist Platz.«

»Und vielleicht merkt Harald dann mal wieder, was er an dir hat«, brummte Alfred Jäger.

Irmi sah ihren Vater ganz erstaunt an. Nie hatte er sich zu ihrer Ehe geäußert, und nun merkte sie erstmals, daß er doch um ihre Probleme wußte.

»Ja, ich würde schon gern ein paar Tage bleiben, wenn es möglich ist«, sagte sie kurz entschlossen. »Ich rufe ihn dann an.«

Aber sie erreichte ihn gar nicht zu Hause, auch nicht im Geschäft. Dort erklärte man ihr allerdings, daß er plötzlich verreisen mußte.

»Na schön«, sagte Irmi, »dann bin ich halt auch mal verreist.« Und sie ließ sich nicht anmerken, daß sie sich Gedanken machte, ob nicht doch eine andere Frau im Spiele sei, wenn er es auch immer bestritt.

»Dir tut ein Tapetenwechsel auch mal gut, Irmi«, meinte ihr Vater. »Und es wird Zeit, daß wir mal über deine Probleme sprechen.«

»Du bist hier, um dich zu erholen«, entgegnete sie.

»Richtig erholen kann ich mich erst, wenn bei meinen Kindern alles in Ordnung ist, bei Helmut wie bei dir«, erwiderte er. »Aber wenn du bleibst, haben wir ja noch Zeit.«

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Daniel Norden erwachte ganz früh am Morgen, früher sogar als zu Hause, aber er hatte auch nicht bis in die Nacht hinein Krankenbesuche machen müssen. Es gelang ihm tatsächlich, so leise aufzustehen, daß Fee nicht geweckt wurde, die noch genauso im Bett lag, wie sie eingeschlafen war. Kein Wecker tickte, kein Telefon stand in der Nähe, das allein schon mochte seine Wirkung auf ihren Schlaf haben.

Daniel zog sich im Wohnraum an, Jeans und einen Pullover. Die Hosenbeine krempelte er vor der Tür hoch. Er wollte barfuß durch die taufrischen Wiesen laufen. Ihn trieb es hinaus ins Freie, in diese unberührte Natur.

Die Sonne stieg gerade am Horizont empor, tauchte ihn in ein Farbenspiel, das berauschend schön war, und die Vögel begrüßten jubilierend den neuen Tag.

Im Weiher freuten sich muntere Fischlein ihres Lebens, und Daniel hätte es nicht fertiggebracht, sie mit dem Angelhaken einzufangen.

Aber als er ein ganzes Stück weitergegangen war, sah er einen Mann, der seine Angelrute ins Wasser hängen ließ. Er war gekleidet wie Dr. Norden, er trug verwaschene Jeans und einen weiten Pullover.

Der Mann hatte braunes Haar und einen dichten braunen Bart, der nicht viel von seinem Gesicht freigab, nur eine leicht gebogene Nase und eine hohe Stirn.

War es der Einsiedler, von dem Herr Jäger gesprochen hatte? Daniel wunderte sich, daß er sich magisch angezogen fühlte von dieser reglosen Gestalt. War es deshalb, weil dieses Profil eine ferne Erinnerung in ihm weckte?

Er verhielt den Schritt und betrachtete den Mann, der sich überhaupt nicht bewegte, dann aber plötzlich vornübersank und sich krümmte.

Daniel Norden reagierte ganz automatisch, als er sah, wie die Angelrute den Händen des Mannes entglitt. Er lief auf ihn zu, kniete neben ihm nieder, faßte mechanisch nach dem Puls.

»Lassen Sie mich«, stieß der Mann hervor, und dann blickte er auf, starrte den Arzt abweisend an.

Der hielt den Atem an. »Mein Gott – Ulf«, sagte er bestürzt, »du?«

»Laßt mich in Frieden. Kann man mich denn nirgendwo in Frieden lassen?« stöhnte der andere.

»Ulf Sommerfeld«, sagte Daniel, selbst noch verwundert, daß er den andern erkannt hatte. »Was fehlt dir? Du hast Schmerzen.«

»Wie kommst du hierher, Daniel?« fragte der Mann nun mühsam. »Ist man nirgendwo vor der Vergangenheit sicher? Ich will meine Ruhe haben, nichts als meine Ruhe.«

»Bist du krank, Ulf?« fragte Daniel. »Daß ich dich hier finden würde, konnte ich nicht ahnen. Kann ich dir irgendwie helfen?«

Dr. Norden hielt instinktiv die Angelrute fest, an der anscheinend ein Fisch angebissen hatte, und die ins Wasser zu gleiten drohte. Augenblicklich konnte er nichts anderes denken, als daß Ulf Sommerfeld sich über dieses Wiedersehen nach vielen Jahren keineswegs zu freuen schien und er sich sehr verändert hatte.

»Ich bin nicht krank. Ich muß wieder mal eingeschlafen sein«, murmelte Ulf. »Nachts kann ich nicht schlafen. Frage mich nichts, Daniel. Ich werde doch nichts sagen.«

Seine Stimme klang rauh, noch abweisender als vorher. Aber so schnell ließ sich Daniel nicht abschütteln, wenn er spürte, daß ein Mensch in Not war.

»Herr Jäger hat mir sein Haus überlassen. Er ist mein Patient. Er hat mir erzählt, daß er ein Häuschen an einen Einsiedler vermietet hat. Du bist das also.«

»Im Kombinieren warst du schon immer groß«, sagte Ulf Sommerfeld sarkastisch. »Ich habe Herrn Jäger lange nicht gesehen.«

»Seine Frau ist gestorben, und das hat ihn sehr mitgenommen«, sagte Daniel.

»Seine Frau ist gestorben, das tut mir leid«, wiederholte Ulf schleppend. »Du bist allein hier?«

»Nein, mit meiner Familie.«

»Ich will niemanden sehen. Wer steht denn schon so früh auf.«

»Zum Beispiel ich«, erwiderte Daniel. »Willst du mir nicht sagen, warum du dich hier vergräbst?«

»Nein.«

»Du willst dir nicht helfen lassen?« fragte Daniel, während er sich plötzlich an eine Begebenheit erinnerte, die schon einige Monate zurücklag.

»Nein«, erwiderte Ulf wieder lakonisch.

»Wir haben uns doch mal ganz gut verstanden«, sagte Daniel. »Und vor ein paar Monaten war eine junge Dame bei mir, die nach dir fragte.«

»Rede nicht solchen Unsinn!« herrschte ihn Sommerfeld an. »Wer soll nach mir fragen?«

»Im Augenblick kann ich mich nicht an ihren Namen erinnern, aber ich glaube, sie hat ihre Adresse hinterlassen. Eine Auskunft über dich konnte ich ihr ja nicht geben. Ich glaube, sie erwähnte, daß sie aus Griechenland käme.«

»Aus Griechenland?« fragte Ulf erregt. »Es war tatsächlich jemand bei dir? Du sagst das nicht nur so?«

»Nein, es ist Tatsache. Mir fiel es gerade ein.«

»Wie sah sie aus? Kannst du dich wirklich nicht an den Namen erinnern?« fragte Ulf.

»Sie war ziemlich groß, blond und schlank, soweit ich das im Gedächtnis habe. Aber wie gesagt, es liegt schon Monate zurück. Sie fragte nach dir. Ob ich wüßte, wo du dich aufhältst.«

»Woher kannte sie dich?«

»Sie kannte mich nicht. Sie mußte von irgend jemandem meine Adresse bekommen haben. Jedenfalls wußte sie, daß wir Studienkollegen waren. Warum übst du deine Praxis nicht mehr aus?«

»Das ist meine Privatangelegenheit. Aber sie kam aus Griechenland«, fuhr er fort. »Bist du sicher?«

»Ja, und bestimmt hat meine gute Loni auch die Adresse notiert, die sie hinterließ, falls ich doch etwas von dir hören sollte. Allerdings liegt die in meiner Praxis.«

»Daniel«, schallte da Fees Stimme ängstlich durch die eingetretene Stille. »Daniel, wo bist du?«

»Meine Frau«, erklärte Daniel.

Ulf sprang auf. »Ich gehe«, stieß er hervor, »aber mit dir allein hätte ich doch gern gesprochen.«

»Kann ich zu dir kommen?«

Ulf nickte. »Ich bin den ganzen Tag da.«

Dann eilte er davon. Seine Angelrute hielt Daniel noch immer in der Hand, und daran zappelte ein Fisch, den er vorsichtig befreite und wieder ins Wasser warf.

»Hier bin ich, Fee!« rief Daniel, als sie sich nochmals meldete. »Ich laufe schon nicht davon.«

Sie kam zu ihm und fiel ihm um den Hals. »Ich bin es halt nicht gewohnt, wenn das Bett morgens neben mir leer ist«, sagte sie atemlos. »Ich habe dich nicht gehört.«

»Das wird gut sein«, erwiderte er doppelsinnig, aber er war nicht gleich bereit, über Ulf Sommerfeld zu sprechen.

»War da nicht noch jemand?« fragte Fee. »Mir war es so, als sei ein Mann davongelaufen.«

Daniel legte einen Arm um sie. »Sind die Kinder schon munter?« fragte er.

»Nein, sie schlafen wie die Murmeltiere.«

»Dann haben wir ja noch Muße, Fee.«

»Der Kaffee ist fertig, Liebster. Lenni ist ganz begeistert von dem Wasser, weil sich das Aroma doppelt entfalten kann.«

Seine Gedanken waren ganz woanders, und das spürte sie.

»Was war das für ein Mann?« fragte sie.

»Das erzähle ich dir später. Ich muß mich erst waschen.«

Das war schnell geschehen, aber inzwischen waren die Buben auch aufgewacht, und Anneka mußte ihr Fläschchen bekommen. Und so dauerte es doch noch geraume Zeit, bis sie Ruhe für das Gespräch hatten. Glücklicherweise hatten Danny und Felix einen großen Wassertrog entdeckt, in dem sie Schiffchen schwimmen lassen konnten, die ihnen Lenni mit ihrer Engelsgeduld aus Zeitungspapier gefaltet hatte. Und selbstverständlich hatte sie auch ein wachsames Auge auf die Kleinen.

Daniel trank noch eine Tasse Kaffee. »Er ist wirklich ausgezeichnet«, stellte er fest.

»Und das Brot ist himmlisch. Ich werde genudelt heimkommen«, sagte Fee.

»Du und genudelt«, Daniel lachte, »höchstens zwanzig Gramm schwerer.«

»Lenk nicht ab«, meinte Fee. »Was war das für ein Mann?«

»Ulf Sommerfeld.«

»Ulf Sommerfeld?« wiederholte seine Frau atemlos. »Der Ulf Sommerfeld, der Tropenarzt wurde?«

»Du hast ein blendendes Gedächtnis, Liebes.«

»Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, daß er deshalb die beste Partie, die ein Mann machen kann, ausschlug.«

»Die beste Partie, die ein Mann machen kann, ist die, eine Frau zu finden, die Verständnis für ihn hat. Außerdem hat Anke Berber die Verlobung gelöst.«

»Du hast auch ein gutes Gedächtnis«, stellte Fee fest.

»Es hat genug Wirbel verursacht, und eigentlich fand ich es toll, daß Ulf keine Zugeständnisse machte. Aber jetzt ist er nur noch ein Schatten seiner selbst.«

»Bereut er seinen Entschluß?«

»Ich weiß nicht. Er hat nichts gesagt. Zuerst war er sogar sehr abweisend. Er ist tatsächlich zum Einsiedler geworden. Er hat die Flucht ergriffen, als du kamst. Aber immerhin erinnerte ich mich an etwas, was ihn dann doch zugänglich zu stimmen schien.«

»An was?«

»Es war mal jemand in der Praxis und fragte nach ihm.«

»Anke Berber?«

»Nein. Sie ist doch längst verheiratet. Es war eine fremde junge Dame. An den Namen kann ich mich nicht erinnern, aber ich hoffe doch, daß Loni die Adresse aufgehoben hat.«

»Sie hebt alles auf«, warf Fee ein.

»Sie sagte, daß sie aus Griechenland komme, und das hat Ulf aus der Reserve gelockt. Er hat sich schrecklich verändert.«

»Und du willst dahinterkommen, was ihn verändert hat.«

»Ich möchte ihm helfen.«

Fee nickte. »Er lebt hier?«

»Ja, in dem Häuschen, von dem Herr Jäger sprach.«

»Nur so? Und sein Beruf?«

»Da scheint etwas passiert zu sein.«