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Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-104-3
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Nr. 581

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 582

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 583

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 584

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 585

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 586

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 587

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 588

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Nr. 589

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Nr. 590

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 591

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 592

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 593

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Nr. 594

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Nr. 595

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 596

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 597

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Nr. 598

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 599

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 600

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

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1.

Unwillkürlich hob Porfirio Nócciolo die Hände und wich zurück.

Signora Breganza holte aus und schlug voller Zorn zu. Es krachte. Die Gurke hatte die blankgescheuerte Tischplatte getroffen. Der Fisch, um den es ging, hüpfte hoch, als sei ihm das Leben neu eingehaucht worden. Mit einem schlaffen Klatschen fiel er zurück.

„Und das?“ ließ sich die große Signora dröhnend vernehmen. Anklagend hielt sie die unversehrte Gurke in die Höhe.

Porfirio Nócciolo barg den Kopf unter den Armen, weil er befürchtete, der zweite Hieb werde ihn treffen. Weiter zurückweichen konnte er nicht, denn hinter ihm stand der zweirädrige, noch halb beladene Handkarren, mit dem er seine Waren zum Markt zu bringen pflegte.

Eine harte Faust riß ihm die Arme herunter.

„Sehen Sie her, Sie Gauner! Sehen Sie sich das an!“

Der Fisch- und Gemüsehändler wagte es, den Kopf ein Stück zu heben. Und am liebsten wäre er im nächsten Moment im Erdboden versunken.

Das zürnende Drachengesicht war nahe vor ihm. Noch näher die beiden Riesenfäuste, die nicht ausschließlich bei der Küchenarbeit zuzupacken verstanden.

Diese beiden Fäuste bogen die Gurke, daß sie ein auf den Kopf gestelltes U bildete.

„Nun?“ donnerte die Baßstimme auf den Händler nieder. „Sicher werden Sie mir jetzt erzählen, daß dieses sonderbar biegsame Etwas erst heute morgen vor Sonnenaufgang von einem fleißigen Bäuerlein geerntet wurde. Und völlig selbstverständlich erwarten Sie, daß ich Ihnen diesen Humbug glaube.“ Sie ließ die Gurke fallen.

Das schon etwas schrumpelige Stück Gemüse hüpfte wie ein geräucherter Aal und blieb neben dem etwa gleich alten Seeteufel liegen.

Die schnurrbärtige Signora packte den Händler am Kragen und zog ihn zu sich heran.

„Damit Sie es nur wissen, Sie kleiner Betrüger“, sagte sie leise und drohend. „Ich bin kein dummes Ding, das gerade die ersten Ehe- und Hausfrauentage hinter sich hat. Mit mir können Sie so etwas nicht tun. Mit mir nicht!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf, daß Porfirio Nócciolo glaubte, der Boden unter seinem Verkaufsstand bebe. „Ich hole jetzt meinen Mann. Er wird Ihnen sagen, mit welchen Konsequenzen Sie zu rechnen haben.“

Sie stieß den fülligen kleinen Händler von sich, so daß er mit dem Rücken gegen die Ladeklappe des Karrens prallte. Mit energischem Griff nahm sie die Gurke und den kantenköpfigen Seeteufel an sich, wandte sich ruckartig um und stapfte los.

Der Händler schüttelte sich, richtete sich auf und schrie: „Signora Breganza! Was Sie da mitnehmen, haben Sie noch nicht bezahlt!“

Die mächtige Frau blieb in zehn Schritten Entfernung stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Mit ungläubigem Gesichtsausdruck drehte sie sich um.

„Seit wann werden Beweismittel bezahlt?“ brüllte sie im nächsten Moment. „Sie kriegen die seltenen Stücke wieder, Nócciolo, darauf können Sie sich verlassen! Und Sie werden noch Ihre helle Freude daran haben – wenn Sie damit vor Gericht antanzen dürfen!“ Nach einer abermaligen Kehrtwendung marschierte sie endgültig davon, durch die Gasse, die die grinsenden Schaulustigen eilfertig bildeten.

Porfirio Nócciolos Mund stand noch immer offen, als der Drachen schon außer Sichtweite war. Dem grauhaarigen kleinen Mann fehlten die Worte. Zugleich spürte er Unbehagen in sich heraufkriechen. Wo, zum Teufel, steckte Gigliola? Suchend sah er sich um. Seine Tochter wußte fast immer Rat in den schwierigen Situationen, in die er sich selbst brachte.

„Jetzt braucht er mich“, sagte Gigliola Nócciolo lächelnd. Sie lehnte an einem Stapel leerer Kisten, hinter dem ihr Vater sie nicht sehen konnte. „Jetzt weiß er nämlich nicht mehr weiter. Und trotzdem versucht er immer wieder, einen Dummen zu finden, dem er seinen alten Kram andreht. Dabei müßte er langsam begriffen haben, daß er sich unnötigen Verdruß bereitet.“

„Aber irgendwie muß der arme Kerl doch seine Unkosten decken“, sagte der schwarzhaarige Seefahrer, der bei der jungen Frau einen rosig-zarten Pfirsich gekauft und ein Gespräch mit ihr begonnen hatte. Erst waren es die Blicke der hübschen Signorina gewesen, die ihn davon abgehalten haben, herzhaft in die Frucht zu beißen, und dann der Auftritt des zürnenden Riesenweibs.

Gigliola lachte. Ihr gefiel dieser kräftig gebaute Fremde, der mit seinen schwarzen Haaren, seinen dunklen Augen und dem braunen Teint aussah wie ein Landsmann. Sein Italienisch war nicht gerade perfekt, aber man konnte sich gut mit ihm unterhalten.

Ein Engländer. Einer von diesen Männern, denen man nachsagte, sie seien die rauhesten und verwegensten auf den Weltmeeren. Es bereitete Vergnügen, sich mit ihm zu unterhalten. Denn er wußte eine Menge mehr als die jungen Burschen, die über Cagliari und die Umgebung nie hinausgelangt waren.

„Sicher“, sagte sie. „Er glaubt, es gäbe nur diese eine Methode, die ihm schon in jungen Jahren von seinem Vater eingebleut worden ist. Nur wenn der Warenbestand restlos geräumt ist, erzielst du einen Gewinn. Natürlich mußt du ein bißchen darauf achten, daß die Kunden zufrieden sind vor allem gilt das für Stammkunden. Aber in den seltensten Fällen werden sie merken, daß ein Fisch vor dreißig Stunden und nicht erst vor sechs gefangen wurde.“

„Im Fall der gewaltigen Signora“, sagte der schwarzhaarige Seefahrer lachend, „dürfte es sich um achtundsiebzig Stunden gehandelt haben.“

Gigliola hielt die flache Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten.

„Er kann es einfach nicht lassen“, sagte sie. „Diesmal hat er wirklich maßlos übertrieben. Und er könnte es so einfach haben. Cagliari ist nämlich ein guter Platz für das Marktgeschäft. Aber Papa liegt mit seinen Verkaufspreisen zu niedrig, dabei könnte er den Verlust durch verdorbene Ware leicht ausgleichen, indem er sich dem Preisniveau der anderen angleicht.“

Blacky zog anerkennend die Mundwinkel nach unten. „Das hört sich fachmännisch an.“

„Ist es auch“, antwortete die hübsche junge Sardin und lächelte stolz. „Papa hat mich in ein Handelshaus geschickt, damit ich dort das Kaufmännische von Grund auf lerne. Es hat mir nicht geschadet. Ich könnte das Geschäft von heute auf morgen übernehmen. Und weil Papa keinen Sohn hat …“

„… hofft er auf einen brauchbaren Schwiegersohn?“

Gigliolas Lächeln wurde spitzbübisch. „So ist es, Marinero. Und ich tue alles, um ihn in der Hoffnung nicht zu enttäuschen. Das bedeutet, ich bin sehr wählerisch.“

„Ich heiße Blacky.“

„Ist das ein Name?“

„Eher ein Spitzname.“ Er tippte mit den Fingerkuppen auf sein Haar. „Die Leute bei denen ich als Rustabout gefahren bin, hatten keine Mühe, sich den auszudenken.“

„Was ist das – ein Rustabout?“

„Das jüngste Crewmitglied.“

„Und wie heißt du wirklich?“

„Keine Ahnung.“ Blacky zog die Schultern hoch und grinste verlegen. „Es ist wie mit dem alten Lied: ‚I’m nobody’s child‘ – ‚Ich bin niemandes Kind‘. Ich weiß nicht, woher und von wem ich stamme; ich war einfach irgendwann da.“

„Ein Findelkind also?“ In Gigliolas Miene zeigte sich das Mitgefühl einer Frau, die ihre Mutterinstinkte nicht verbergen konnte.

„Ich nehme es an“, brummte Blacky.

„Ach, kümmere dich nicht darum“, sagte Gigliola. „Namen sind Schall und Rauch. Und was meine und meines Vaters Hoffnung betrifft, spielen sie sowieso keine Rolle.“

Blacky zog überrascht die Brauen hoch. „Ist man hierzulande schon verlobt, wenn man ein Mädchen anspricht? Eins, dessen Namen man noch nicht einmal kennt?“

„Gigliola!“ ertönte eine laute Stimme, die einen Hauch Verzweiflung verriet. „Gigliola, wo steckst du denn?“

Blacky und die junge Sardin lächelten.

„Siehst du“, sagte sie, „so erspart man sich überflüssige Worte.“

„Lauf zu deinem Vater“, entgegnete Blacky. „Ich denke, er braucht wirklich Unterstützung.“

Sie nickte. „Geh nicht fort, Straniero.“

„Hör auf, mich Fremder zu nennen.“

„Oh, Verzeihung, Blacky. Also bleib noch ein bißchen. Du brauchst keine Angst zu haben. Ein Eheversprechen hast du mir nicht gegeben, ohne es zu wissen. Und sei beruhigt: Ungeprüft würde ich dich sowieso nicht nehmen. Wo gibt es ein Gesetz, das besagt, eine Frau müsse die Katze im Sack kaufen?“

Blacky hob beeindruckt die Augenbrauen und blickte ihr nach. Sie trug ein einfaches Leinenkleid, und doch war ihr Gang atemberaubend. Ihr Vater lugte um die Ecke des Kistenstapels. Seinem bestürzten Gesicht war anzusehen, daß er zur Zeit weniger an einen Schwiegersohn dachte als an einen Weg, sich aus dem Schlamassel herauszuwinden, in den er sich selbst hineingeritten hatte.

Blacky schlenderte ein Stück nach vorn, so daß er sehen konnte, was sich beim Fisch- und Gemüsestand von Vater und Tochter Nócciolo abspielte.

Die Mutter, Porfirios Frau, war nach Gigliolas Geburt, ihres einzigen Kindes gestorben. Eine Amme hatte das kleine Mädchen großgezogen, das seinen Vater jetzt so tatkräftig unterstützte.

Blacky biß in den Pfirsich. Das Fruchtfleisch war fest und zuckersüß, ein Genuß, den jeder Seemann nach den Entbehrungen einer monatelangen Seereise zu schätzen wußte.

Für Gigliola blieb keine Zeit, ihrem Vater zu raten, welche Verhandlungstaktik er tunlichst anwenden sollte.

Ein vielstimmiges Raunen entstand in der Umgebung. Überwiegend Frauen waren es, die ihr Feilschen mit gewitzten Handelsleuten abbrachen und in die Richtung spähten, der sich nach und nach alle Aufmerksamkeit zuwandte.

Der Drachen stürmte aus einer Seitengasse, die auf den Marktplatz mündete. Das Steinpflaster schien zu erbeben. Der Mann, den die riesenhafte Signora mitbrachte, war durchaus normalwüchsig. Schlank und einen Kopf kleiner, wirkte er an ihrer Seite jedoch wie ein Zwerg.

Sie zog ihn am linken Unterarm, und er hatte Mühe, Schritt zu halten. Immer wieder stolperte er. In der rechten Hand hielt er den Seeteufel und die Schlangengurke. Fisch und Gemüse schlenkerten wie eine gallertartige Masse, die in längliche Beutel gefüllt worden war.

Der Ehemann der wutentbrannten Riesin – um niemand anders konnte es sich handeln – sah unglücklich und verzweifelt aus.

Porfirio Nócciolo duckte sich hinter seinem Verkaufsstand wie jemand, der einem angreifenden Stier nun nicht mehr ausweichen konnte.

Gigliola Nócciolo hatte sich verteidigungsbereit neben ihrem Vater aufgebaut und verschränkte die Arme, wodurch ihr kecker Busen betont wurde.

Blacky grinste sich eins – wie die meisten anderen Leute auf dem Marktplatz.

Einen halben Schritt vor dem Verkaufsstand blieb das ungleiche Gespann stehen.

Der rundliche kleine Händler erinnerte jetzt an einen krummbeinigen Mischlingshund, der den Zorn eines kampferprobten Bullenbeißers erweckt hat und sich zum ungleichen Kampf stellen muß.

„Fabrizio!“ sagte die Signora mit schneidender, weit hallender Befehlsstimme. „Leg die Beweisstücke auf den Tisch! Vor die Füße werfen sollte man sie ihm, diesem Halsabschneider!“

Fabrizio gehorchte. Vorsichtig, nachdem seine bessere und größere Hälfte seinen Unterarm losgelassen hatte, schob er den schwammigen Seeteufel und die noch schwammigere Gurke auf die Holzplatte.

„Die Beweisstücke für Ihren Betrugsversuch, Signor Nócciolo“, sagte er lahm.

„Weiter!“ bellte Signora Breganza.

„Wir werden den Fall bei einem Gerichtsschreiber zu Protokoll geben“, erklärte Ehemann Fabrizio folgsam.

„Es sei denn …“ Die Signora sagte es mit erhobener Stimme wie ein diktierender Schulmeister.

„Es sei denn, Sie entschuldigen sich meiner Frau gegenüber ordnungsgemäß und ersetzen den entstandenen Schaden“, sagte Fabrizio seinen auswendig gelernten Satz auf.

Porfirio Nócciolo erstarrte. Er gab sich einen Ruck und wollte seine Gegenrede nun nicht mehr zurückhalten.

Aber seine Tochter kam ihm zuvor.

„Welchen Schaden?“ sagte sie energisch. „Durch was soll Ihnen ein Schaden entstanden sein, Signor Breganza? Ihre geschätzte Gemahlin hat weder den Seeteufel noch die Gurke bereits gekauft. Selbst wenn es sich um verdorbene Ware handeln sollte, ist damit der Tatbestand des Betrugs noch lange nicht erfüllt. Als mein Vater diesen Seeteufel und diese Gurke anbot, hat er sie nur als Musterstücke verwendet. Natürlich hätte er im Falle des Verkaufs frische Exemplare herausgegeben.“

Blacky beobachtete etwas Erstaunliches.

Der gehorsame Ehemann Fabrizio schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen. Ein verklärter Ausdruck trat in sein Gesicht. Er strahlte Gigliola geradezu an.

Blacky trat einen Schritt vor und sah, was sich abspielte. Diese kaufmännisch vorgebildete Händlerstochter war ein verteufeltes kleines Luder. Mit tiefem Augenaufschlag, und indem sie ihren Busen noch ein wenig deutlicher in Szene setzte, brachte sie den armen Kerl völlig in Verwirrung.

Fabrizio rang nach Atem und bemühte sich krampfhaft, seinen angetrauten weiblichen Koloß nichts von seinem Blickkontakt bemerken zu lassen. Wäre eine freundliche Hexe erschienen, um Signora Breganza wegzuhexen – ihr bedauernswerter, unterdrückter Ehemann hätte vermutlich einen Freudenschrei ausgestoßen.

Ein tiefes Grollen entrann sich der Kehle der Signora. „Musterstücke?“ brüllte sie. „Ich höre wohl nicht richtig! Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Sie freche kleine Kröte?“

Gigliola wandte den tiefen Blick nicht von dem bemitleidenswerten Fabrizio.

„Das würde ich bei Ihrem Gewicht wohl kaum schaffen“, sagte sie laut und vernehmlich.

Ringsherum auf dem Marktplatz ertönte Gelächter.

Signora Breganza versetzte ihrem träumerischen Mann einen Hieb in die Seite, daß er kopfüber auf die Beweisstücke zustolperte. Mit knapper Not konnte er sich abstützen und sich selbst davor bewahren, daß er den Seeteufel küßte.

„Laß dir das nicht bieten!“ fauchte sie. „Laß es dir nicht bieten, daß deine Frau so beleidigt wird! Unternimm gefälligst etwas! Und sag dem alten Gauner, daß er uns zum Gericht begleiten wird! Jetzt und auf der Stelle!“

„Ich lasse es mir nicht bieten“, sagte Fabrizio mit schwärmerischen Gesichtsausdruck, ohne den Blick von der Glut der dunklen Augen Gigliolas losreißen zu können, „daß meine Frau so belei…“ Seine Stimme versiegte in einem schmachtenden Klang.

„Signora Breganza“, sagte Porfirio Nócciolo, indem er seinen ganzen Mut zusammenraffte, „ich möchte Ihnen etwas vorschlagen. Ich meine, wir könnten die Angelegenheit bereinigen, indem ich Ihnen kostenlos …“

Die Signora hatte ihn nicht beachtet, nicht einmal zugehört. Ihre Aufmerksamkeit hatte sich jäh auf den Blickwechsel zwischen ihrem Ehesklaven und der Händlerstochter konzentriert. Mit einem röhrenden Wutschrei stürzte die Kolossale auf den Verkaufstisch los und packte zu.

Gigliola konnte nicht mehr ausweichen. Die Signora war zu schnell, erwischte sie am Kragen ihrer Bluse und zog sie nach vorn. Gigliola schrie und wand sich verzweifelt – vergeblich. Ihr Vater versuchte, sie festzuhalten. Fabrizio hängte sich von rechts an sein massiges Eheweib.

Aber der Drachen war mit seiner Kraft allen dreien überlegen.

Blacky konnte es nicht mit ansehen, wie die zauberhafte Gigliola leiden mußte. Kurz entschlossen setzte er sich in Bewegung. Im Vorbeigehen ergriff er eine Scholle, die wahrhaftig fangfrisch zu sein schien. Mit einem weiteren schnellen Schritt näherte er sich der Signora von links und klatschte ihr die Scholle beidseits ins Gesicht.

Sie erstarrte, ließ Gigliola los und schüttelte die lästige Klette an ihrer rechten Körperhälfte ab.

Sie wandte sich zur Seite und war wieder der große, grimmige Bullenbeißer, der von einem vorwitzigen Pinscher angekläfft wurde.

Auf dem Marktplatz kehrte Stille ein.

Die Riesin blickte auf den Mann aus der Crew des Seewolfs hinunter. Einen Moment schien es, als würde sie vor Fassungslosigkeit nicht reagieren können.

Doch jäh packte sie zu, ergriff beide Schultern des schwarzhaarigen Mannes und ließ ihr rechtes Knie ruckartig hochfahren.

Blacky schaffte es mit Mühe, unter ihrem Griff wegzutauchen und auszuweichen. Sie stieß einen enttäuschten Knurrlaut aus und war in der nächsten Sekunde damit beschäftigt, ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren. Blacky entfernte sich mit einem federnden Satz vom Verkaufsstand. Er entging damit der drohenden Gefahr, vom mörderischen Lebendgewicht der Signora erdrückt zu werden.

Doch es gelang ihr noch, sich am Rand des Verkaufsstandes festzuhalten. Sie wollte ihre Körpermasse herumwirbeln, um sich auf den vorwitzigen Fremden zu stürzen.

Eine Stimme hielt sie davon ab.

Der Befehl klang fast höflich.

2.

„Seien Sie so nett und stiften Sie keinen Unfrieden, Signora.“

Die Zwei-bis-drei-Zentner-Frau erstarrte.

„Aber – ich …“ Ihr Mund klappte auf und zu wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Sie brachte kein Wort mehr hervor.

Blacky hatte sich ebenso erstaunt umgewandt wie Fabrizio. Gigliola und ihr Vater wirkten hinter dem Verkaufstisch wie versteinert. Sie starrten an der mächtigen Signora vorbei, die plötzlich wie umgewandelt war. Tatsächlich, sie schien um ein paar Zoll geschrumpft zu sein, so respektvoll war sie geworden.

Die beiden elegant gekleideten Männer fielen nicht einmal besonders auf. Viel auffälliger war nach Blackys Eindruck die rege Geschäftigkeit, die auf dem Marktplatz wieder eingesetzt hatte. Von einer Sekunde zur anderen gab es auf der gesamten Piazza keinen einzigen Neugierigen mehr.

Niemand interessierte sich mehr für das Geschehen beim Stand der Nócciolos. Der Auftritt des Drachens war zur Nebensache geworden. Das Feilschen um Fisch, Fleisch, Obst und Gemüse stand wieder im Mittelpunkt.

„Komm, Fabrizio“, sagte die Signora tonlos. Sie nahm ihren Ehemann bei der Hand. „Ich glaube, es ist besser, wir gehen nach Hause.“ Sie sah die Eleganten mit ehrfürchtigem Blick an, um festzustellen, wie deren Reaktion war.

„Wir danken für Ihre Einsicht, Signora“, sagte der Ältere der beiden Männer, lächelte und deutete eine Verbeugung an.

Der Drachen trabte davon, den willigen Fabrizio im Schlepp.

Die beiden elegant gekleideten Männer traten näher an den Verkaufsstand Porfirio Nócciolos und seiner Tochter heran. Dabei bedachten sie Blacky mit einem ausgiebigen, forschenden Seitenblick.

Der ältere der Signori war schlank und hatte ein Vogelgesicht. Mit dem glatt zurückgekämmten schwarzen Haar, der spitzen Nase und den dunklen Knopfaugen hatte er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Raben.

Der jüngere Mann, bartlos, mittelblond und kräftig gebaut, schien eine Art Leibwächter zu sein. Im Gegensatz zu dem Rabengesichtigen, der nur einen Dolch mit prunkvoll ziseliertem Griff trug, war der junge Begleiter zusätzlich mit einer Pistole bewaffnet. Auch bei dieser Waffe handelte es sich um ein kostbares Stück.

Der Kolben, seitlich mit silbernen und goldenen Rankenmustern ausgelegt, hatte eine Bodenplatte aus reinem Gold. Zum Zuschlagen war dieser Kolben sicherlich weniger geeignet. Doch daran, daß aus dem Lauf der Waffe Kugeln aus reinem Blei verfeuert werden konnten, bestand nicht der geringste Zweifel.

„Ich würde gern erfahren, was vorgefallen ist“, sagte der Rabengesichtige in seiner höflichen und beinahe zurückhaltenden Art.

Blacky spürte indessen, daß dieses Gehabe so falsch war wie das Schnurren einer Katze angesichts einer in die Enge getriebenen Maus.

„Selbstverständlich, Signor Cóstola“, erwiderte Porfirio Nócciolo mit einer tiefen Verbeugung, wobei er sich dem übelriechenden Seeteufel bis auf wenige Zoll näherte.

„Zuvor“, sagte Cóstola gedehnt, „sorgen Sie bitte dafür, daß wir unter uns sind.“ Mit einer ruckartigen Handbewegung wies er zur Seite, und abermals spürte Blacky, wie ihn die Raben-Knopfaugen prüfend abtasteten. Ebenso die schmalen Augen des Leibwächters.

„Mit Verlaub“, sagte Gigliola. Sie hörte sich jetzt lammfromm an. „Der Signore ist ein guter Freund von mir. Er hat alles miterlebt und wird nötigenfalls zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können.“

Blacky unterdrückte ein Grinsen. Es war wirklich beeindruckend, wie gekonnt Gigliola mit dem kaufmännisch-juristischen Jargon umging, den sie sich während ihrer Lehrjahre angeeignet hatte.

Die beiden Eleganten wandten sich ihm zu. Sie trugen blitzblanke Schnallenschuhe, weiße Strümpfe und Beinkleider aus weichem, schwarzem Leder, das bei nur flüchtigem Hinsehen wie Samt wirkte. Das Wams des Mannes namens Cóstola war aus Streifen von schwarzem Samt und roter Seide zusammengefügt und mit kunstvollen Stickereien aus Silberfäden verziert.

Das große Barett, das er sonst auf dem Rabenkopf zu tragen pflegte, hing in einer Schlaufe an der linken Hüftseite seines Wamses. Die Oberbekleidung des jüngeren Mannes war aus einfachem schwarzem Stoff gefertigt und hatte etwas Uniformhaftes. Über eine Kopfbedeckung schien er nicht zu verfügen.

Blacky rang sich zu einem Gruß durch, der noch halbwegs freundlich klang. Der öligen Höflichkeit dieser sardischen Gentlemen konnte er beim besten Willen nicht nacheifern.

„Oh, Sie stammen nicht aus Sardinien?“ rief Cóstola, als hätte er ein sorgsam gehütetes Geheimnis aufgedeckt. „Wenn ich Ihren Akzent richtig deute, sind Sie auch kein Italiener und ein Spanier schon gar nicht.“

„Sie deuten richtig“, entgegnete Blacky und nickte. „Ich bin Engländer.“

„Ah, wie interessant!“ Cóstola faltete die Hände über der Magengegend. „Ein Engländer in diesen von Spanien beherrschten Gewässern! Sehr mutig, Signor, wirklich sehr mutig.“

„Meine Freunde und ich sind Seefahrer. Wir führen keinen Privatkrieg.“

„Also Handelsfahrer?“

„So kann man es nennen.“

„Haben Sie auch einen Namen?“

Der breitschultrige Mann aus der Crew des Seewolfs grinste. „Ich werde Blacky genannt. Aber es wurde schon mehrfach angezweifelt, ob man das als einen Namen bezeichnen kann.“

„Oh, ich kann mir gut vorstellen, wie so etwas entsteht“, erwiderte der Rabengesichtige mit hochgezogenen Brauen. „In Seefahrerkreisen gelten besondere Gesetze, nicht wahr? Mit der Namensgebung, wie mit vielen anderen Dingen, nimmt man es da nicht übermäßig genau. Habe ich recht?“

„Sie kennen sich aus“, antwortete Blacky und wunderte sich insgeheim, daß der andere seinen Spott nicht zu bemerken schien.

Cóstola lächelte, sah Blacky noch einen Moment schweigend an und wandte sich dann dem Händler und seiner Tochter zu. Der Leibwächter folgte dem Beispiel des Rabengesichtigen. Mit einer knappen Handbewegung forderte er Porfirio Nócciolo auf, zu berichten.

Der Händler schilderte das Geschehen und übernahm dabei die Version, die sich Gigliola ausgedacht hatte. Cóstola nickte und rümpfte die Nase, als er den Seeteufel einer kurzen Prüfung unterzog. Der Leibwächter tat es ihm auch diesmal nach. Er hatte etwas Papageienhaftes.

„Nun“, sagte der Rabengesichtige mit der Gewichtigkeit eines über alle Alltäglichkeiten erhabenen weisen Mannes. „Wir wollen den Vorfall nicht aufbauschen, mein lieber Nócciolo. Aber über eins müssen wir uns doch wohl im klaren sein: Es geht beim besten Willen nicht, daß auf dieser Piazza, in dieser Stadt, mit verdorbener Ware gehandelt wird. Und die Geschichte mit den Musterexemplaren wollen Sie mir doch wohl nicht ernsthaft unterjubeln, nicht wahr?“

Porfirio preßte die Lippen aufeinander und blickte betreten auf den Tisch mit den „Beweisstücken“.

Gigliola holte tief Luft und wollte zu einer energischen Erwiderung ansetzen.

Doch Cóstola sorgte mit einer dämpfenden Handbewegung dafür, daß sie nicht erst den Mund auftat.

„Ziehen wir einen Schlußstrich“, sagte er mit unvermittelter Schärfe. „Ich werde Don Marcello vorerst nichts über den Vorfall berichten. Sie wissen, daß er es nicht schätzt, wenn die von ihm protegierten Händler einen schlechten Ruf erlangen. Sollte ich oder ein anderer aus unserem Freundeskreis aber noch einmal etwas Derartiges hören, werde ich gezwungen sein, Don Marcello die ungeschminkte Wahrheit offenzulegen. Sie wissen, was das bedeutet, Nócciolo.“

Der Händler senkte den Kopf wie ein kleiner Junge, der von seinem Vater bei einem bösen Streich ertappt worden ist. Auch Gigliola, vor wenigen Minuten noch voller Kampfeswillen, wagte kein Widerwort mehr.

Die beiden Eleganten wandten sich ab, bedachten Blacky noch mit einem letzten prüfenden Seitenblick und stolzierten über die Piazza davon. Überall zwischen den Marktständen wurden sie ehrerbietig gegrüßt.

Blacky trat auf den Verkaufsstand zu.

„Ich will mich nicht einmischen“, sagte er. „Da ich aber schon als Zeuge benannt wurde, würde ich doch gern erfahren, was es bedeutet, wenn dieser Don Marcello die ungeschminkte Wahrheit erfährt.“

„Um Himmels willen!“ flüsterte Porfirio Nócciolo erschrocken. „Hüten Sie Ihre Zunge, junger Freund!“

„Das ist Blacky, Papa“, erklärte Gigliola rasch. „Wir haben uns vorhin kennengelernt, als du mit der Signora …“

Nócciolo richtete flehentlich die Augen nach oben. „Der Himmel bewahre mich vor weiteren Begegnungen dieser Art! Mein Gott, was habe ich nur verbrochen, daß mir so ein Unglück widerfahren muß!“

„Das weißt du genau“, sagte Gigliola mit neu erwachender Energie. „Hättest du nicht versucht, der Signora den stinkenden Seeteufel aufzuschwatzen, wäre überhaupt nichts passiert.“

„Wer, zum Teufel, ist Don Marcello?“ fragte Blacky hartnäckig. „Und wer ist dieser Cóstola, daß ihr vor ihm kuscht?“

Porfirio Nócciolo sah ihn mit geweiteten Augen an, als hätte er einen schlimmen Frevel begangen.

Gigliola war realistischer. „Du kannst es natürlich nicht wissen“, sagte sie. „Don Marcello Struzzo ist der mächtigste Mann in der Stadt. Wer auf seiner Seite steht, ist seiner Schutzorganisation angeschlossen, das heißt, es kann ihm nie etwas passieren. Man muß allerdings gewisse Bedingungen erfüllen.“

„Zum Beispiel eine Schutzgebühr zahlen“, sagte Blacky grimmig.

„Woher weißt du das?“ entgegnete Gigliola erstaunt.

„Wir waren in Sizilien. Da haben sie ähnlich merkwürdige Gepflogenheiten.“

„Für uns ist das absolut nicht merkwürdig, Blacky. Wir müssen uns nach den geltenden Machtverhältnissen richten. Don Marcello ist daran interessiert, daß unsere Geschäfte gut laufen. Denn die Schutzgebühr wird nach der Höhe des Umsatzes berechnet. Deshalb hat Signor Cóstola natürlich sofort eingegriffen, als er sah, daß es hier einen Streit gab. Signor Cóstola ist Don Marcellos engster Vertrauter und sein Stellvertreter.“

„Interessant“, sagte Blacky grinsend. „Und vor wem oder was schützen sie euch, die sehr Ehrenwerten?“

„Vor allem möglichen Gesindel. Dieben, Betrügern, Plünderern.“

„So etwas gibt es auf diesem Markt nicht mehr, seit Don Marcello den Schutz übernommen hat“, fügte Porfirio Nócciolo hinzu.

Blacky nickte. Er grinste immer noch. „Aber es kann passieren, daß einem, der die Schutzgebühr nicht rechtzeitig zahlt, der ganze Stand in Stücke geschlagen wird.“

„Mach dich nur darüber lustig“, erwiderte Gigliola vorwurfsvoll. „Für uns ist es bitter.“

„Fangt nicht auch noch an, euch zu streiten“, sagte Porfirio. Er sah sich um, ließ seinen Blick über das traurig welke Gemüse gleiten und gab sich einen Ruck. „Mit dem heutigen Tag ist sowieso nicht mehr viel anzufangen. Wir packen ein und gehen nach Hause. Sie sind eingeladen, Signor Blacky. Wir haben einen guten Tropfen im Keller, und Gigliola wird Ihnen eine Pasta bereiten, von der Sie in allen folgenden Nächten träumen.“

Blacky bedankte sich für die Einladung und sah Gigliola an, ohne daß ihr Vater es merkte. Sie lächelte verschmitzt, denn sie wußte, daß Blacky spürte, wie groß die Hoffnung ihres Vaters auf einen Schwiegersohn war.

Aus dem Abzugsrohr quoll der Rauch des Kochfeuers und vermischte sich mit den mittäglichen Dünsten im Hafen von Cagliari auf Sardinien. Zusätzlich wehte Wasserdampf in dicken Schwaden aus dem offenen Kombüsenschott.

Eben das war das Ungewohnte für die Arwenacks.

Was ihr Mißtrauen weckte, war überdies die Wartezeit. Auf den Handelsschiffen ringsum hatte das Backen und Banken längst begonnen, ja, war teilweise schon beendet worden. Von einigen Schiffen wehten die Schnarchtöne seliger Mittagsschläfer herüber. Die Mittelmeersonne wärmte sie in ihrem Schlummer an Deck, und nicht einmal im Traum konnten sie sich vermutlich vorstellen, daß es ganz in ihrer Nähe ein paar arme, ausgehungerte Seelen gab.

Einzig Hasard, Ben Brighton und die anderen auf dem Achterdeck übten sich in Geduld.

Die Männer jedoch, die sich mittschiffs aufhielten, konnten sich kaum noch beherrschen.

„Mir wird schlecht vor Hunger!“ rief Ferris Tucker und krümmte sich stöhnend auf seiner Taurolle.

„Mir ist längst schlecht“, sagte Batuti augenrollend. „Richtig speiübel ist mir. Ich glaube, ich brauche den Feldscher!“

Old Donegal Daniel O’Flynn musterte den muskelbepackten schwarzen Herkules von Kopf bis Fuß. „Du siehst in der Tat schlecht aus. Gambiamann. Wahrscheinlich leidest du an Unterernährung.“

„Das ist es, Old Man!“ rief Batuti und entblößte das perlweiße Gebiß. „Haargenau das ist es. Ich tauge nicht mehr für die Decksarbeit. Das merke ich schon seit Tagen. Wenn ich ein Tau anfasse, ist es, als ob es ein paar Zentner wiegt.“

„Habe ich auch festgestellt“, sagte Al Conroy, der mit dem Rücken am Beiboot lehnte und sich ebenfalls für äußerst entkräftet hielt. „Sachen, die man sonst mit links erledigt, fallen einem jetzt unheimlich schwer. Ich glaube, ich könnte nicht einmal mehr einen Weinkrug mit einer Hand halten.“

„Das ist ein wirklich ernst zu nehmendes Anzeichen“, erklärte Edwin Carberry in seinem gewohnten Grollton. „Scheint so, als ob uns diese triefäugigen Kombüsenaffen den Landgang vermiesen wollen. Ich denke, es ist Zeit, mal nach dem Rechten zu sehen. Wahrscheinlich brauchen sie bloß ein bißchen Wind von vorn, die Zwiebelfische.“ Er erhob sich von seinem Platz an der Steuerbordverschanzung.

Beifälliges Gemurmel einer Crew, die sich für restlos ausgezehrt hielt, begleitete ihn auf dem kurzen Weg zur Kombüse.

Carberry, der hünenhafte Mann mit dem Narbengesicht, schob sein Rammkinn vor und beugte sich entschlossen in den wabernden Wasserdampf, der ihm entgegenwehte. Er kniff die Augen zusammen, um in der halbdunklen Hölle rings um das Kochfeuer überhaupt etwas erkennen zu können. Drinnen war der Dunst noch schlimmer. Ein seltsam teigiger Geruch, ähnlich wie in einer Bäckerei und doch anders, vermischte sich mit den Düften verschiedenster scharfer Gewürze.

Nur nach und nach tauchten für Carberry erkennbare Konturen aus dem milchigen Weiß in der Kombüse auf. Der Kutscher und Mac Pellew rührten in großen Kochtöpfen über dem Feuer und füllten eine undefinierbare Masse mit Schöpfkellen in Tonschüsseln, die die Wärme gut hielten.

Weiter vorn schufteten die Söhne des Seewolfs im Schweiße ihres Angesichts. Hasard junior betätigte die Kurbel eines Apparats, der ähnlich aussah wie eine Wäschepresse. Philip junior schob Klumpen dieser sonderbaren Breimasse zwischen die von Hasard junior gedrehten Walzen.

Carberry sperrte jetzt die Augen weit auf, da sie sich an das dampfende Halbdunkel gewöhnt hatten. Die Kombüsenratten hatten ihn noch nicht einmal bemerkt. Auf der anderen Seite der Walze fiel das zusammengequetschte Ergebnis in einen Topf mit kochendem Wasser.

Von Zeit zu Zeit schöpfte der Kutscher etwas von der Masse heraus und ließ es in einen weiteren Topf gleiten.

Carberry räusperte sich mit einem Ton, der sich anhörte, als ob jemand mit einem Geschützladestock über eine Grätingsluke streicht.

Er wurde kaum beachtet.

„Bitte keine unnötige Störung!“ rief der Kutscher, ohne von seiner Rührerei und Schöpferei aufzublicken. „Wir sind sehr beschäftigt. Die Pasta erfordert höchste Konzentration.“

„Die was?“ fragte der Profos verdutzt.

„Die Pasta!“ rief Hasard junior und hielt dabei mit seiner Kurbelei nicht inne.

„Die Pampe?“ Carberry wedelte den Wasserdampf vor seinen Augen weg und deutete blinzelnd auf den Brei, den Philip junior in Mengen von jeweils einer Handvoll aus einem Bottich holte und vor die Walzen klatschte.

„Himmel noch mal!“ brüllte Mac Pellew aus der Tiefe des Kombüsendunsts. „Da krebsen wir nun schon seit Wochen in Italien herum, und dieser Mister Profos hat noch nicht mal mitgekriegt, was Pasta ist!“

„Sieht so aus, als ob es was zu essen sei“, knurrte der Profos mit gefurchter Stirn. „Verdammt soll ich sein, wenn mir das geheuer ist.“

„Pasta ist Nudelteig“, erklärte Philip, der dem Narbenmann am nächsten stand. „Jeder italienische Koch hat dafür sein besonderes Rezept. Wir haben eins in Palermo aufgegabelt. Und jetzt probieren wir’s aus.“

Carberrys kantige Kinnlade klappte nach unten. Eine halbe Sekunde lang war er sprachlos.

„Ja, wollt ihr denn italienische Köche werden?“ polterte er dann los.

„Italienische Kochkunst gehört zur Weltspitze“, sagte der Kutscher pikiert. „Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten, Mister Carberry. Wir reden dir auch nicht hinein, wenn es um die Borddisziplin geht.“

„Das sind zwei verschiedene Paar Seestiefel“, entgegnete der Profos dröhnend. „Von eurer Kombüsenpfuscherei sind alle betroffen. Wenn einem schlecht wird, wird allen schlecht. Oder wollt ihr das abstreiten?“

„Die Borddisziplin gilt auch für alle“, widersprach der Kutscher. „Und wenn du uns noch lange von der Arbeit abhältst, knurrt euch der Magen noch eine halbe Stunde länger.“

„Wenn ich das Zeug sehe“, sagte der Profos und blickte kopfschüttelnd auf die Kurbelei der Zwillinge, „dann bin ich ziemlich sicher, daß uns der Magen auch noch heute nachmittag knurrt. Wir werden in die Stadt gehen und ein Schwein kaufen müssen, das wir am Spieß braten können.“

Er erhielt keine Antwort mehr. Achselzuckend zog er sich zurück.

Die Arwenacks blickten mit fragenden Mienen zu ihm.

„Pasta“, sagte er kurz angebunden. „Was sie uns vorsetzen werden, ist verdammte Pasta.“

„Also Nudeln“, sagte Bill.

Carberry starrte ihn an, als hätte er es mit einem Fremdling zu tun. Dann aber schluckte er trocken hinunter, nickte nur und ließ sich wieder auf seinen Plankenplatz an der Verschanzung nieder. Ausgerechnet der Jüngste in der Crew – außer den Zwillingen – mußte auf Anhieb wissen, was Pasta war!

Als eine halbe Stunde später das Ergebnis der Kombüsenschufterei an Deck gebracht wurde, gingen den Arwenacks denn doch die Augen über.

Der Kutscher und seine Helfer hatten die Nudeln in verschiedene Schüsseln gefüllt, die sie auf Tragebrettern an Deck schafften. Die Zwillinge hatten Bandnudeln geformt, Blattnudeln, Röhrennudeln und Stabnudeln. Der Pfiff an der Sache bestand jedoch in den Zutaten in Form von unterschiedlichsten Soßen.

Da gab es eine Tomaten-Fleisch-Soße, die mit viel Estragon gewürzt war. Außerdem eine Pilzsoße, eine Käsesoße und eine Kräutersoße. Besonders viel Mühe hatten sich die Kombüsenmänner mit den Frutti di Mare gegeben, den Meeresfrüchten, die in einer flacheren Schüssel angerichtet waren.

Die Arwenacks langten zu.

„Der Hunger treibt’s rein“, sagte Carberry, schaufelte sich Blattnudeln und Tomaten-Fleisch-Soße auf den Teller und schnupperte mißtrauisch. Naserümpfend begann er, weiterzuschaufeln, diesmal vom Teller in die mächtige Futterluke.

Die anderen folgten seinem Beispiel und sahen dabei nicht weniger skeptisch aus.

Der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge harrten vor der Kombüse aus und beobachteten das Geschehen an Deck.

„Ich bitte zu bedenken“, sagte der Kutscher mit erhobener Stimme, „daß wir ausnahmslos frische Zutaten verwendet haben, wie es in der italienischen Küche üblich ist. Ein außergewöhnlicher Genuß also, denn etwas Derartiges werden die Gentlemen auf See wohl kaum jemals vorgesetzt erhalten.“

Niemand aus der Crew antwortete.

„Hoffentlich bleiben wir möglichst lange auf See“, sagte Ferris Tucker und erntete dafür zustimmendes Brummen. Er stocherte unwillig in Röhrennudeln mit Meeresfrüchten. Die meisten anderen verhielten sich ebenso.

„Anderenfalls“, ließ sich Carberry vernehmen, „werden uns die Zähne ausfallen. Ein paar Tage Pastapampe, und die Beißer fallen uns aus, weil sie nichts mehr zu tun haben.“

„Was für ein Unsinn!“ rief Mac Pellew empört. „Dann müßten ja alle Italiener zahnlos herumlaufen!“

„Hab nicht so genau hingesehen“, entgegnete der Profos mit einem Grinsen und einem beifallheischenden Rundum-Blick. Er las Zustimmung in den Gesichtern der Arwenacks. „Im übrigen“, fuhr er volltönend fort, „werden die Muskeln und sonst noch so einiges erschlaffen, wenn wir uns weiter von diesem Zeug ernähren müssen. Gar nicht auszudenken, wie wir dann dastehen, wenn wir erstmal Old England erreichen!“

„Ziemlich schlapp“, sagte Smoky düster.

Röhrendes Gelächter folgte.

Der Kutscher wurde weiß im Gesicht. Er schickte einen flehentlichen Blick in Richtung Achterdeck, dem einzigen Ort an Bord der Schebecke, wo seine Pastakünste offenbar Anerkennung fanden.

„Richtig.“ Carberry nickte und schaufelte sich mit demonstrativem Widerwillen zum zweitenmal den Teller voll. „Unsereins braucht was Handfestes, Männer. Höchste Zeit, daß wir mal wieder in nördliche Gefilde segeln und einen Bären schießen! Das ist es, was man nötig hat. Hierfür!“ Er stellte den Teller beiseite, winkelte den linken Arm an und tippte auf den Bizeps.

Der Kutscher legte den Zeigefinger an seine Stirn. „Daran denkst du natürlich nicht, Mister Carberry. Warum solltest du auch! Da ist ja sowieso kaum etwas vorhanden, das man mit Nahrung versorgen müßte.“

Der Profos sperrte den Mund auf. Im nächsten Moment zeigte er Anstalten, aufzuspringen.

Die Stimme des. Seewolfs hielt ihn zurück: „Es heißt zwar, daß sich über Geschmack streiten läßt. Aber das sollte niemand an Bord wörtlich nehmen! Was heute in der Kombüse zurechtgezaubert wurde, ist eine beachtliche Leistung. Das sollte man auch dann anerkennen, wenn es einem wirklich nicht schmeckt. So viel vorweg.“

Der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge strahlten.

„Die Art der Ernährung hat gerade für unsereinen ihre besondere Bedeutung“, fuhr Hasard fort. „Ausfallende Zähne sind vor allem bei Seeleuten zu beobachten, Mister Carberry. Und das hat bekanntlich nicht das geringste mit Nudeln zu tun. Stimmt’s?“

„Aye, aye, Sir.“ Der Profos zog den Kopf ein Stück tiefer zwischen die Schultern.

„Es ist der Mangel an bestimmter Nahrung, der zum Beispiel die Zähne ausfallen läßt“, sagte der Seewolf. „Im Grunde sollte das jeder hier an Bord wissen und allein deswegen die Arbeit des Kutschers und seiner Helfer schätzen. Abwechslung in der Küche ist auf jeden Fall das Beste, was uns passieren kann. Eine Woche lang Nudeln wäre sicherlich genauso vom Übel wie eine Woche Pökelfleisch mit Hartbrot. Eine Kost ist dann gut, wenn sie vielfältig ist, viel frische Bestandteile enthält und nicht zuletzt gut schmeckt. Ich finde, wir sollten dem Kutscher dankbar sein für die Anstrengungen, die er in der Hinsicht unternimmt.“

Einige Männer klatschten zaghaft Beifall. Es wurden mehr.

Gleich darauf fühlte sich der Profos mutterseelenallein.

Er zögerte nur noch einen Augenblick, dann hob er die Riesenpranken und schlug sie gegeneinander, daß es wie ein Schmettern klang.

Der Seewolf verkniff sich ein Grinsen. „Noch etwas“, sagte er abschließend, „zur Borddisziplin gehört auch, daß ein Profos mit gutem Beispiel vorangeht. In jeder Beziehung!“

Carberry starrte seinen Kapitän an.

Der Kutscher und seine Mitstreiter in der Kombüse wechselten Blicke voller Stolz und Freude.

Carberry gab sich einen Ruck, nahm seinen Teller und setzte die Schaufelei fort, diesmal allerdings mit überzeugend gespieltem Wohlbehagen. Innerhalb weniger Minuten war er soweit, sich mit dem nächsten Nachschlag zu versorgen.

„Ist eine Zusatzbemerkung erlaubt, Sir?“ wandte er sich an den Seewolf.

Hasard bejahte mit einem Handzeichen.

„Wie wichtig die Abwechslung beim Essen ist, hat jetzt wohl jeder begriffen“, sagte der Profos. „Und Borddisziplin, die auch verdammt wichtig ist, heißt ja auch: gleiches Recht für alle! Deshalb sollte diese Pastageschichte für diejenigen wiederholt werden, die zur Zeit nicht an Bord sind.“

„Einverstanden“, erwiderte Hasard lächelnd. „Wobei es für alle jetzt Anwesenden natürlich keine Extrawurst gibt.“

Der Profos verschluckte sich fast an einer Blattnudel.

In den nächsten Minuten war ihm anzusehen, wie er sich ehrlich anstrengte, an dem teigigen Gericht Gefallen zu finden.

Das Essen im Hause Nócciolo hatte gut zwei Stunden gedauert. Gigliola hatte mehrere Vorspeisen und einen Hauptgang mit köstlich gesottenem Fisch zubereitet. Zum Abschluß gab es würzigen Käse und frisches Brot, das erst am Morgen dieses Februartages 1598 gebacken worden war.

Gigliola brachte eine neue Flasche Rotwein und zog sich in die Küche zurück, um das Geschirr zu spülen.

Blacky hatte die ganze Zeit über keine Chance gehabt, auch nur ein paar Sekunden mit der hübschen Händlerstochter allein zu sein.

Auch jetzt, während draußen das Zwielicht der beginnenden Abenddämmerung einsetzte, war er gezwungen, seine Aufmerksamkeit dem Hausherrn zu widmen.

Wie Porfirio Nócciolo die Flasche entkorkte, war es ein geradezu weihevolles Zeremoniell. Im Licht der beiden Öllampen, die über dem blankgescheuerten Tisch blakten, funkelten kleine Reflexe auf dem rubinroten Wein, als Porfirio ihn in die kristallenen Gläser schenkte.

Blacky hatte die samtene Weiche dieses Tropfens zu schätzen gelernt. Ein einfacher, aber dennoch edler Vino, den der Händler Jahr für Jahr von einem Weinbauern aus den Bergen bezog – nur für den privaten Gebrauch, wie Porfirio versichert hatte.

Längst waren die beiden Männer per Du. Da Gigliolas Vater der eindeutig redseligere war, kannte Blacky fast die gesamte Lebensgeschichte des fülligen kleinen Mannes.

Das Wohnzimmer des schlichten Hauses am nordöstlichen Stadtrand von Cagliari strahlte nach Blackys Eindruck unvergleichliche Behaglichkeit aus. Für die späteren, kühleren Stunden des Abends befanden sich sauber aufgeschichtete Holzscheite im Kamin. Die Möbel waren aus dunklem Holz und bildeten einen wirkungsvollen Kontrast zu den weißgetünchten Wänden. Gerahmte Kupferstiche zeigten eine Hafenszene in Cagliari, Fischerboote auf dem Meer und Frauen bei der Weinlese in den Bergen.

Porfirio hob sein Glas. Blacky tat es ihm nach, und sie ließen das Kristall aneinanderklingen.

Nachdem sie einen Schluck getrunken hatten, sah sich der Händler verstohlen zur Küche hin um. Aber da war nur das Geschirrklappern zu hören, das von Gigliolas Geschäftigkeit zeugte.

Porfirio beugte sich über den Tisch und flüsterte mit Verschwörermiene: „Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen, Blacky. Du bist ein weitgereister Mann, und du weißt vermutlich Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Außerdem bist du Engländer. Den Engländern gehört die Zukunft.“

„Woher willst du das wissen?“ entgegnete Blacky grinsend. „Zumal du doch von bestimmten Dingen keine Ahnung hast, wie du selbst zugibst.“

„Mit den Spaniern geht es bergab. Pas ist so ein Gefühl. Ich kann es nicht begründen. Aber darüber will ich nicht mit dir reden.“

„Sondern?“

Porfirio drehte sich sichernd um. Beruhigt wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. „Gigliola will nichts davon wissen. Sie sagt, ich hätte auf meine alten Tage Flausen im Kopf. Aber es geht mir nur ums Geschäft. Das kannst du mir glauben, Blacky.“

„Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Was ist es?“

Porfirio nahm einen weiteren Schluck Wein. „Ich habe über einen berühmten Engländer gelesen, einen gewissen Sir Walter Raleigh.“

„Ist mir bekannt“, sagte Blacky.

„Persönlich?“ Der Händler sperrte die Augen weit auf.

„Natürlich nicht. Ich bin ein einfacher Decksmann, Porfirio, kein Mann von Adel. Der Kapitän unserer Crew, Sir Philip Hasard Killigrew, hat den ausreichenden Rang, um mit einem Sir Walter zu verkehren.“

„Nun, ihr Engländer seid in solchen Dingen ein bißchen zu genau.“ Porfirio winkte ab. „Aber darum geht es mir nicht. Dieser Sir Walter, heißt es, habe eine bei uns unbekannte Pflanze mitgebracht, die man Tabak nennt. Oder Tobak, Tobacco oder so. Lassen wir es bei Tabak, das klingt am einfachsten. Was weißt du darüber?“

„Nicht viel.“

„Sag es mir!“ drängte Porfirio. „Jede Kleinigkeit kann für mich wichtig sein. Sag mir alles, was du weißt.“

„Warum, zum Teufel?“ Blacky setzte sein Glas an und nahm genußvoll einen langen Schluck. „Ich bin doch völlig unmaßgeblich. Außerdem weiß ich auch nur das, was ich von anderen gehört habe.“

„Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du bist in der Welt herumgekommen, ich dagegen über die Stadtgrenzen von Cagliari nicht hinaus. Sag schon! Was hast du von Sir Walters Tabak gehört?“

„Man stopft das Zeug in tönerne Pfeifen, zündet es mit einem Kienspan an und atmet den Qualm ein.“

„Wer ist ‚man‘?“

„Die Ladys und Gentlemen in Adelskreisen. In London soll es sogar schon sogenannte Rauchsalons geben. Aber ich habe nie einen gesehen. Das kann ich also nicht bestätigen.“

„Aber es kommt in Mode, das Rauchen?“

Blacky nickte. „In den größeren Städten der Neuen Welt stolzieren die Dons qualmend herum. Daß sie damit eine Angewohnheit des roten Mannes nachahmen, stört sie kein bißchen.“

„Und ihr Engländer? Ahmt ihr Sir Walter nach?“

„Ich jedenfalls nicht. Und er hat diesen Tabakkram von einer Expedition mitgebracht. Ob die königliche Lissy davon erbaut war, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls hat sie die Qualmerei nicht verboten.“

„Daran hat sie gutgetan“, sagte Porfirio mit eifrigem Nicken. „Wie ich schon sagte: England gehört die Zukunft.“