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MALTE DETJE

IM
ZWEIFEL
FÜR
GOTT

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Wie wir an Gott dranbleiben,
wenn der Glaube nicht trägt

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SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

Aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen wurden einige Namen anonymisiert.

ISBN 978-3-417-22988-2 (E-Book)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© 2020 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Lektorat: Christina Bachmann

Inhalt

Über den Autor

Vorwort von Michael Herbst

Einleitung

Wenn Gott nicht hält, was er verspricht

Gefühl – Wenn ich Gottes Gegenwart nicht spüre

Am Ende zählt, was in Gottes Herzen ist

Wie Gott dir begegnet

Glaube ohne Gefühl?

Lobpreis – Wenn mein Singen leer wird

Was ist Gottesdienst?

Wie Gott im Gottesdienst mit uns spricht

Wahre Anbeter werden

Bibel – Wenn Gottes Wort mir Angst macht

Gesetz und Evangelium

Was ist Gesetzlichkeit?

Die Bibel von Jesus her lesen

Veränderung – Wenn Sünde Teil meines Lebens bleibt

Die große Ehrlichkeit

H-E-R-R

Von zweiten Chancen und echter Gnade

Gemeinde – Wenn Kirche nicht mehr mein Zuhause ist

Gemeinde ist Gottes Projekt

Gemeinde als Krankenhaus für Sünder

Kirche unter dem Kreuz

Berufung – Wenn ich Gottes Plan nicht erkenne

Gott ist im Alltag am Werk

Die Berufung kommt von außen

Wir sind im Hier und Jetzt berufen

Gott braucht unsere guten Werke nicht

Berufungen stehen unter dem Kreuz Christi

Nachwort

Anmerkungen

Über den Autor

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MALTE DETJE (Jg. 1987) ist Pastor einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Hamburg. Sein Herz schlägt für die befreiende Botschaft der Reformation, weshalb er zu diesem Thema regelmäßig Vorträge hält.

WENN GOTT NICHT HÄLT, WAS ER VERSPRICHT …

... muss dein Glaube nicht am Ende sein! Vielleicht zweifelst du, ob Gott überhaupt noch da ist. Du versuchst, Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber der Himmel bleibt stumm. Egal, wohin du blickst, du findest keinen Halt. Dann wirft dieses Buch einen Anker für dich aus. Gott hält an dir fest, auch wenn du seine Gegenwart nicht spürst. Sein Herz schlägt voller Liebe für deines. Gerade jetzt, mitten in deinen Zweifeln, kann er dir aufs Neue begegnen.

»Malte Detje packt die Glaubensthemen an, die keine leichte Kost sind, und zeigt einen wertvollen und tröstlichen, im gutem Sinne aufbauenden Weg hindurch. Eine Lektüre, die sich lohnt!«
Prof. Dr. Michael Herbst, Theologe, Dozent und Autor

»Malte Detje vollbringt in diesem Buch ein kleines Wunder. Er spricht von Gott, ohne die Möglichkeit des Zweifels kleinzureden – und vom Zweifel so, dass Gott darin groß wird.«
Prof. Dr. Thorsten Dietz, Theologe, Dozent und Autor

»Ein herrlich entlastendes Buch für jeden Christen in unserer Erlebnisgesellschaft.«
Hanna Jacobs, ev. Pfarrerin, Pionierin und Kolumnistin

VORWORT

von Michael Herbst

Ein bisschen mehrdeutig kommt der Titel dieses Buches schon daher: »Im Zweifel für Gott« – das klingt doch nach dem alten Rechtsgrundsatz »Im Zweifel für den Angeklagten«. Sitzt Gott hier auf der Anklagebank und ein großzügiger Richter urteilt, nachdem die Plädoyers gehalten sind, trotz unklarer Lage zugunsten des angeklagten Schöpfers?

Ganz so ist es wohl nicht. Aber das neue Buch des Hamburger Pastors Malte Detje traktiert schon Probleme, bei denen sich ernsthaft die Frage stellt, ob der Glaube trägt. Offensichtlich trägt eine bestimmte Art von Glauben nicht, wenn es ernst wird und wenn wir durch »das finstere Tal« wandern. Wann ist das denn der Fall?

• Wenn unsere Gefühle kalt sind und unser Herz von einer dicken Fettschicht umgeben zu sein scheint.

• Wenn alle anderen beim Lobpreis Gottes Nähe und Güte erleben, ich selbst aber die Worte kaum noch über die Lippen bringe.

• Wenn mich die Bibel nicht tröstet, sondern – ganz im Gegenteil – mir Angst macht.

• Wenn ich tausendmal gehört habe, dass doch mit dem Heiligen Geist in meinem Leben die Sünde endlich der Vergangenheit angehört, ich aber wieder und wieder an Gottes Geboten scheitere.

• Wenn ich so enttäuscht bin von der Gemeinde, die viel von mir fordert, unersättlich meinen Einsatz zu brauchen scheint, aber weit weg ist, wenn ich selbst einfach nicht mehr kann.

• Wenn alle anderen immer genau zu wissen scheinen, was Gott in diesem Moment von ihnen will, aber mir nicht einmal klar ist, was ich mit meinem Leben insgesamt anfangen soll (will?).

Den Leser und die Leserin erwartet also nicht gerade leichte Kost, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass Malte Detje bei manchem für ein tiefes Aufatmen sorgen wird und mancher die unnötige fromme Last vom Rücken heben kann. Denn die eigentliche Pointe dieser sechs Kapitel ist die: Liebe Predigerinnen und Prediger, liebe Buchautoren und Seelsorgerinnen, liebe Worship-Song-Schreiberinnen und liebe Jugendkreisleiter, prüft bitte, ob das, was ihr lehrt, nur fromm klingt, aber vielleicht mehr verspricht, als Gott uns zusagt, oder mehr von uns Menschen verlangt, als Gott es tut. Neben viel Humor und mancher seelsorglichen Hilfe ist das, was der Autor hier bietet, vor allem eins: ein Test auf gesunde Theologie, auf gute Lehre.

Gute Lehre spricht von dem, was Gott tatsächlich zusagt: Vergebung der Schuld, eine unkaputtbare Geduld des himmlischen Vaters, eine Taufe, die Gott nicht aufkündigt, eine Zukunft, in der alles gut wird, sein Geleit, Schutz und Hilfe in allen Lebenslagen. Gute Lehre verspricht aber auch nicht mehr, als Gott für diese (!) Lebens- und Weltzeit zusagt. Darum verschweigt sie nicht, dass uns das Schwere des Daseins auch als Christenmenschen nicht erspart bleiben wird. Ja, dass uns sogar manches Schwere gerade deshalb ereilen kann, weil wir einem Gekreuzigten folgen. Insofern bietet Malte Detje tatsächlich gute Theologie für Menschen, denen es vielleicht mit manch hochfahrendem Versprechen schlecht erging, oder die tatsächlich ein größeres Paket an Schwerem zu tragen bekamen.

Eine andere Besonderheit dieses Buches ist die erkennbare Vorliebe des Autors für das Jahr 1517. Man kann es auch ohne historisches Rätselraten sagen: für die großen Wiederentdeckungen der Reformation. Allein der Glaube rettet! Allein die Gnade genügt! Allein die Schrift sagt uns, was wir wissen müssen, um getrost zu leben und zu sterben. Und in allem: allein Christus! Allein der Gekreuzigte und Auferstandene!

Unser Autor macht aus seiner Vorliebe für Martin Luther kein Hehl. Manchmal habe ich unter dem Hemd (auch beim Predigen) mein T-Shirt von der Dortmunder Borussia an. Notfalls kann ich jederzeit zeigen, wofür mein fußballerisches Herz schlägt. Bei Malte Detje wird es (da man aus Hamburger Sicht mit einem Fußball-T-Shirt gerade nicht wirklich glücklich werden könnte) eher ein T-Shirt mit der Luther-Rose oder gleich dem Konterfei des Wittenberger Reformators sein. Das ist jetzt nicht gerade Mainstream, auch in der sogenannten »frommen Szene« nicht. Aber es ist eine reizvolle und anregende andere Perspektive auf den christlichen Glauben: in vielerlei Hinsicht stocknüchtern einerseits und zugleich von strahlender Freude andererseits. Diese Kombination aber tut denen gut, die sonst drohen, an ihrem Glauben irre zu werden.

Bei den Themen dieses Buches haben wir es mit dem »angefochtenen« Glauben zu tun – und davon versteht Dr. Martinus eine Menge. Und wem es jetzt schon zu viel »Luther« ist, den kann ich trösten. Da gibt es noch andere aus den TOP 10 der christlichen Helden, u. a. (natürlich!) den reformierten Timothy Keller und (selbstverständlich) den Anglikaner C. S. Lewis.

Meine Sicht auf die »fromme« Christenheit im Land ist gerade die: Es zieht und zerrt an uns. Die einen zieht es in Richtung allergrößter, leider aber durch die Bibel kaum gedeckter Versprechungen von steter Gottesnähe und Gottesflüstern im Herzen, von Heilung und Heiligung, von Wachstum und Erweckung. Die anderen treibt es in die Gegenrichtung: Sogenannte postevangelikale Tendenzen zeigen sich, wo plötzlich auch in »unseren Kreisen« infrage steht, ob die Bibel tatsächlich unsere Richtschnur für alle Fragen des Glaubens sein kann. Oder ob der Gekreuzigte und sein Sterben an unserer Stelle und zu unseren Gunsten tatsächlich der einzige Weg ist, mit Gott wieder ins Reine zu kommen. Es ist gar nicht so einfach, Kurs zu halten und im Glauben so nüchtern wie hoffnungsvoll zu bleiben – auch an den Tagen, an denen es nicht einfach ist, Gott das Vertrauen zu schenken.

Da finde ich es ausgesprochen spannend, genau diese Spur ernsthaft zu erkunden, die die Reformatoren gelegt haben, und die bedrängenden Fragen noch einmal neu anzuschauen: Nein, es ist nicht entscheidend, was du gerade fühlst, aber du kannst dir sagen lassen, was Gott für dich empfindet. Nein, Gottesdienst ist nicht vor allem das, was wir tun, es ist der hingebungsvolle Dienst dessen, der seinen Jüngern die Füße wusch. Nein, es bedarf nicht eines besonderen Plans für dein Leben; in jeder »Berufung« sollst du einfach Gott und deinen Nächsten lieben und dienen. Und so weiter – mehr verrate ich hier noch nicht, denn der geneigte Leser soll das alles ja noch selbst entdecken (und vielleicht auch mit dem eigenen Hauskreis mal Kapitel für Kapitel durcharbeiten). Es lohnt sich!

Also, liebe Leserin und lieber Leser, keine leichte Kost, aber eine wertvolle und tröstliche, im guten Sinne aufbauende Lektüre liegt vor Ihnen. Packen wir es an!

Prof. Dr. Michael Herbst
Weitenhagen, den 25. Februar 2020

EINLEITUNG

Wenn Gott nicht hält, was er verspricht

Ich gehe einkaufen und treffe unerwartet einen alten Bekannten. Beide schieben wir unsere Einkaufswagen zwischen den hochaufragenden Regalreihen des Supermarktes hindurch und gehen in diesen kleinen Gassen in Deckung wie in einem Schützengraben.

Wir haben uns seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Doch nachdem ich das dritte Mal aus der Ferne hingeschaut habe, bin ich mir ganz sicher, dass er es ist, selbst wenn sein Gesicht heute in mancherlei Hinsicht anders aussieht. Der Bart war damals noch nicht da. Meistens freue ich mich auf ein solches Wiedersehen mit einem Weggefährten aus längst vergangenen Tagen. Ich mag diese kurzen, herzlichen Gespräche und das angenehm nostalgische Gefühl, das hinterher zurückbleibt, während ich die Einkäufe im Auto verstaue und nach Hause fahre.

Doch mit ihm ist es anders. Ich flüchte mich mit dem Einkaufswagen hinter das nächste Regal, verschwinde so aus seinem Sichtfeld und überlege, was ich nun machen soll. Ich entscheide mich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gesehen, und gleichzeitig zwischen meinem und seinem Wagen den nötigen gesprächsverhindernden Sicherheitsabstand zu wahren. Die Strategie ist erfolgreich.

Ein paar Augenblicke später dämmert mir jedoch, dass er es wahrscheinlich genauso handhabt wie ich. Er hätte genug Gelegenheiten gehabt, mich wiederzuerkennen. Wahrscheinlich weiß er sogar, dass ich ihn erkannt habe und genauso wie er dieses peinlich berührte Wiedersehen vermeiden möchte. So wird dieser Supermarkt zum Spielfeld für unseren kleinen Ausweich-Wettkampf, den wir am Ende beide auf unsere Weise gewinnen.

Ich führe diesen etwas unrühmlichen Tanz besonders häufig dann auf, wenn es sich bei dem Gegenüber um jemanden aus der zahlreichen Riege der Ex-Christen handelt. Es sind Leute, die inzwischen zu den Alumni1 unserer Gemeinden gehören und ihre aktive Zeit mit Gott längst hinter sich haben. Sie gehören zu den Ehemaligen. Sie haben sich vom Glauben Stück um Stück verabschiedet. Jesus ist heute nur noch ein Teil ihrer Vergangenheit, eine Reminiszenz an einen anderen Lebensabschnitt.

Ich habe das Gefühl, dass sie jemandem wie mir besonders häufig ausweichen. Intuitiv. Denn als Pastor stehe ich für das Glaubensthema, mit dem sie bewusst oder unbewusst gebrochen haben. Wenn man sich mit mir unterhält, steht die Glaubensfrage irgendwie mit im Raum, und das ist für einen Ehemaligen verständlicherweise selten angenehm. Auch für mich sind diese Begegnungen auf ihre eigene Art schmerzhaft. Denn sie führen mir vor Augen, was mir oft auszublenden gelingt: Es gibt so viele Menschen, deren Lebensgeschichten fröhliche und begeisterte Kapitel mit Jesus enthalten. Doch nun können sie mit meinem Herrn und Heiland nichts mehr anfangen.

Wahrscheinlich gehörst du nicht zu diesem Alumni-Klub des Christentums. Ansonsten hieltest du dieses Buch wohl nicht in deinen Händen. Aber vielleicht brauchst du nicht viel Fantasie, um dich in einigen Monaten oder Jahren ebenfalls im Kreise dieser Ehemaligen zu sehen. Möglicherweise stehst du kurz davor, den Glauben zu verlassen, und spielst mit dem Gedanken, Jesus Lebewohl zu sagen. Oder es ist bei dir weit weniger dramatisch, aber du kannst dich hin und wieder des Eindrucks nicht erwehren, dass dein Glaube ins Wanken geraten ist. Vielleicht fragst du dich: »Was ist, wenn ich nicht fühle, dass Gott da ist? Was ist, wenn ich nicht spüren kann, dass seine Versprechen wahr sind?«

Dein Glaube trägt nicht mehr – das kann ganz verschiedene Gründe haben. So wie ich es sehe, sind es vor allem sechs Bereiche, in denen der Frust besonders tief sitzen kann. Über sie schreibe ich auf den kommenden Seiten. Vielleicht spricht dich eines dieser Themen besonders an.

Möglicherweise fragst du dich, ob es sich noch lohnt, an Gott dranzubleiben. Manchmal kommt man im Glaubensleben an den Punkt, wo man einfach keine Kraft mehr hat, den nächsten Schritt zu gehen. Es gibt Momente, in denen keine Energie mehr da ist, um an Jesus dranzubleiben.

Ich denke, dass es sich dennoch lohnt. Aber es sieht womöglich anders aus als gedacht und kostet hoffentlich weit weniger Kraft als befürchtet. Vielleicht magst du dem eine Chance geben.

Lass uns gemeinsam auf die Reise gehen.

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1 GEFÜHL

Wenn ich Gottes Gegenwart nicht spüre

Lang ist es her.

Dabei hat Christina bis heute alle Einzelheiten vor Augen. Sie erinnert sich genau, wie es damals mit ihr und Gott angefangen hat.

Es war wenige Wochen nach ihrem 16. Geburtstag, als sie den Flyer für eine christliche Sommerfreizeit ungläubig in ihren Händen hielt, unaufhörlich auf diesen starrte und tatsächlich überlegte, ob das etwas für sie sein könnte. Sonderlich religiös war sie nie gewesen. Allerdings würde ihr halber Freundeskreis mit dabei sein. Und da die Stimmung in ihrem Elternhaus täglich angespannter wurde, ertappte sie sich dabei, wie sie ernsthaft in Betracht zog, zwei Wochen ihrer kostbaren Sommerferien in dieses große Unbekannte zu investieren.

Sie tat es. Christina fuhr mit.

Zu ihrer Überraschung wurden diese Tage von einer besonderen Atmosphäre begleitet. Ein warmes Gefühl lag in der Luft, das sich kaum beschreiben, aber allezeit spüren ließ. Es gab eine Gemeinschaft, die so anders war als alles, was sie aus der Schule kannte. Intensive Gespräche, von Seele zu Seele, bis tief in die Nacht. Zeit für lange gemeinsame Waldspaziergänge mit jungen Frauen, die Christina bis heute gute Freundinnen nennen darf. Dort, umgeben von einem Duft nach Regen und Nadelholz, merkte sie zum ersten Mal in ihrem Leben: Ich werde wirklich verstanden.

Als ausgesprochen kostbar entpuppten sich die Abendstunden am Lagerfeuer. Besonders vom gemeinsamen Singen wurde sie berührt. Die Lieder sprachen die Sprache ihres Herzens. Noch heute könnte Christina viele dieser christlichen Ohrwürmer auswendig vor sich hin trällern, wenn sie es denn nur wollte. Über diesen Abenden lag eine außergewöhnliche Stimmung, die sie nur schwer in Worte fassen konnte. Christina hatte den Eindruck: Ich kann fühlen, dass Gott da ist.

Schließlich kam dieser besondere Moment, in dem sie zu glauben anfing. Alles, was sie bisher theoretisch über Gott wusste, wurde plötzlich real. Ihr Glaube rutschte aus dem Kopf in ihr Herz. Es war schwer zu beschreiben, aber es machte irgendwie »klick«. Es gab eine besondere Predigt, in der es nur um sie zu gehen schien. Die Lieder, die an diesem Abend gespielt wurden, sprachen ihr aus der Seele. Es war, als ob Jesus in ihr Leben eintrat und mit seiner Liebe in ihr Herz einzog. Jesu Liebe war real spürbar. Das fühlte sich damals wie das Beste an, was ihr je passiert war. Es war, als ob ihr Herz brennen würde, und der Grund dafür war Jesus. Sie hatte vor Freude sogar ein wenig weinen müssen. Es war ihr kurz peinlich gewesen, aber in dieser ungewöhnlich anderen Gemeinschaft musste sie sich dafür nicht schämen.

»Jesus ist für mich gestorben.« Diese gute Botschaft war der Auslöser für ihre Freude. Es ist ein Satz, der sich mit ein paar Jahren Abstand irgendwie banal anhört. Aber damals war er die beste Botschaft der Welt gewesen. Für Christina begann ein neues Leben, das Leben im Glauben. Vor ihr stand ein Abenteuer. Die ersten Schritte in dieser unbekannten Welt fühlten sich aufregend neu an. Doch all das ist inzwischen viele Jahre her.

Es war irgendwie anders gekommen. Schleichend, Stück um Stück, verblasste dieses Gefühl. Das geschah nicht von heute auf morgen, doch mit einer langsamen Stetigkeit, bis kaum noch etwas davon übrig war. Es gab nie diesen einen Moment, in dem Christina bewusst aufgehört hätte zu glauben. Aber mit ihr und Gott war es schließlich wie mit einem dieser alten Ehepaare geworden: Langsam hatten sie sich entfremdet und auseinandergelebt. Christina kann sich das allerdings nur schwer eingestehen. Aus Gewohnheit geht sie noch hin und wieder in die Kirche. Doch wenn sie ehrlich ist, dann ist sie mit ihrem Glauben am Ende. Aus dem Feuer von damals ist über die Zeit Asche geworden. Gott ist weit weg. Christina kann seine Nähe nicht mehr spüren.

Dieser Prozess war im Wesentlichen ganz unbewusst vonstattengegangen. Aber manchmal liegt sie nachts wach und fragt sich, was nur mit der Zeit passiert ist. »Was ist los mit mir?« Die Gedanken fangen an zu kreisen: »Liebt Gott mich noch? Wenn er mich lieben würde, dann würde er mir das doch zeigen, oder? Ich würde es spüren! Aber ich tue es nicht.« Christina nimmt in sich einen unguten Mix an Gefühlen wahr. Da sind Enttäuschung und Verzweiflung. In manchen Momenten kommt eine gehörige Portion Wut dazu. Sie ruft an die Decke: »Gott, tu doch etwas! Rede mit mir! Ich gebe dir noch eine letzte Chance.«

Gott schweigt.

Das ist Christinas Geschichte.

Medizin, die nicht wirkt

Christina ist erfunden. Ihre Geschichte nicht. Ich habe zahlreiche Menschen vor Augen, deren geistliche Biografien sich auf diese Weise erzählen lassen. Vielen von uns sind diese Muster nur allzu vertraut. Vielleicht kennst du Freunde, denen es ähnlich ergangen ist wie Christina. Womöglich ist dir all das aus persönlicher Erfahrung vertrauter, als es dir lieb ist. Das Christentum unserer Zeit ist angefüllt mit Erzählungen dieser Art. Man muss schon beide Augen verschließen, um in christlichen Kreisen nicht auf Menschen wie Christina zu stoßen.

Warum ist das so, dass viele von uns in ihrem Glaubensleben aus der Bahn geworfen werden, wie es Christina passiert ist?

Es könnte damit zu tun haben, dass dieses Gefühl, von Gott geliebt zu sein, für uns das Christsein ausmacht. Christentum ist Emotionalität. Fehlt dieses Gefühl, fehlt alles. Darum haben wir so viel Freude am Lobpreis, weil hier das Herz neu auftanken kann und Gott spürbar da ist. Oder am Gebet, wenn unser Herz dabei brennt. Denn dann wissen wir: Da ist einer, der uns zuhört, jetzt mit uns redet und etwas von seiner Liebe in unserem Herzen zeigt. Wenn wir in der Bibel lesen, dann warten wir, dass sich dieses besondere Gefühl einstellt, wo der Heilige Geist direkt in unserem Herzen zu sprechen beginnt.

Gott ist da. Dieses Gefühl ist das Fundament unseres Glaubens. Im Kern geht es – so meinen wir – beim Christsein darum, dass wir in unseren Herzen spüren, wie Gott uns liebt. Deshalb ist es umso schmerzlicher, wenn dieses Gefühl verblasst oder überhaupt nicht mehr da ist. Denn dann beginnt das Fundament gehörig zu bröckeln und am Ende stehen wir sprachlos neben den Ruinen unseres Glaubenshauses.

Sicherlich hat hier jeder seine eigene, persönliche Geschichte zu erzählen. Die Details mögen sich unterscheiden. Dennoch haben diese Geschichten eines gemeinsam: Gott ist nicht mehr gegenwärtig.

Vielleicht findest du dich in Christinas Geschichte wieder und fragst dich, ob es in so einer verfahrenen Situation überhaupt Hoffnung gibt?

So beginnt unsere Suche. Es ist die Suche nach einem Ausweg aus dieser Misere. Es ist Suche nach einem kleinen Funken Hoffnung.

Doch es ist nicht leicht, Hoffnung zu finden. Es gibt vermeintliche Auswege, die nur in weitere Sackgassen führen. So manche Medizin gegen ein kaltes Herz schenkt nicht die versprochene Heilung.

Ich bin mir inzwischen recht sicher, was man in so einer vertrackten Situation wie der von Christina nicht braucht. In der Regel braucht man keinen weiteren Vortrag über »hörendes Gebet«, ein gut gemeintes Seminar, »wie man Jesus im Alltag erleben kann«, oder den nächsten Sieben-Schritte-Plan zum Gestalten einer gelingenden Gottesbeziehung. Und erst recht braucht man keine weiteren Durchhalteparolen mehr, die stets die gleiche Leier singen: »Im Glauben gibt es Wüstenzeiten.« »Du musst hier nur treu durchhalten, dann wird Gott bald wieder auf den Plan treten und in deinem Inneren fängt es wieder an zu funken.«

Ehrlich gesagt gibt es von all diesen Ratschlägen bereits mehr als genug. All diese Tipps sind gut gemeint, lösen dein Problem aber in der Regel nicht, sondern verstärken den Schmerz. Diese Medizin wirkt nicht.

Du brauchst etwas anderes, besser: jemand anderes. Du brauchst Jesus. Schlicht und einfach Jesus. Und du brauchst Pastoren und Mitchristen, die dir Jesus vor Augen malen. So klar und deutlich, dass du nichts anderes mehr sehen kannst als Jesus und sein Kreuz. Du brauchst die Botschaft, dass Jesus vor allem der Heiland von Menschen mit kalten Herzen ist.

Stattdessen bekommst du Tipps, gut gemeinte Tipps. Das Problem damit ist nur, dass sie immer davon handeln, was du tun sollst. Dabei brauchst du eine andere Medizin. Du brauchst das Evangelium, die frohe Botschaft von dem, was Gott bereits getan hat. Du brauchst keine Tipps mehr, was du geistlich besser machen könntest, sondern die Botschaft, dass Jesus alles, wirklich alles, schon für dich getan hat. Dann fängst du womöglich an, von dir wegzuschauen und auf Jesus zu blicken. Und du wirst wissen: Er ist genug.

Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Darum noch einmal: Wir brauchen keine Tipps, keine Anleitung, wie wir denn auf Jesus schauen können. Wir brauchen keine Mitchristen, die uns deutlich machen, dass wir zu wenig auf Jesus schauen. Das wissen wir bereits. Wir brauchen Mitchristen, die uns Jesu Worte in den Gehörgang legen. Wieder und wieder. Dass wir nur noch Jesus hören können und dabei unser eigenes Herz und das Fehlen von Gefühlen in den Hintergrund tritt.

Dieses Buch ist für alle Christinas. Es geht um die gute Botschaft, dass Jesus wirklich genug ist. Im Christentum geht es um ihn, nicht um dich. Darum zählt allein das volle Versprechen aus seinem Mund, nicht das fehlende Gefühl in deinem Herzen. Entscheidend ist, was Jesus für dich getan hat, weniger das, was Jesus in dir tut, in deinem Herzen, mit deinen Gefühlen.

Aber solche Sätze, so theologisch korrekt sie auch sein mögen, werden für die Christinas dieser Welt nur wie hohle Formeln klingeln. Darum gehen wir nun weiter in die Tiefe und hoffen, dass dieser schlichte Sachverhalt dabei etwas lebendiger wird.

Dabei werden wir dreierlei tun. In einem ersten Schritt schauen wir uns an, welche Bedeutung der Gefühlswelt im Glaubensleben zukommt. Danach stellen wir uns zweitens der Frage, wie Gott mit uns Menschen kommuniziert. Wir vergleichen unsere Bilder mit dem, was die Bibel dazu erzählt. Zuletzt schauen wir, was den Glauben ausmacht. Stimmt Christinas Eindruck, dass der Glaube tot ist, wenn das Gefühl weg ist? Doch eins nach dem anderen.

Am Ende zählt, was in Gottes Herzen ist

In Christinas Geschichte verbirgt sich so manche unbewusste Annahme darüber, wie ein »normales Leben« als Christ aussieht. Eine davon ist, dass Glaube sich in Emotionen zeigt. Mit Christina denken wir, es sei als Jünger Jesu der Normalzustand, Gottes Gegenwart regelmäßig zu spüren. Christen fühlen doch Gottes Liebe in ihren Herzen!

Ich befürchte, dass wir an dieser Stelle mit einer falschen Erwartung auf unserer geistlichen Reise unterwegs sind. Denn mit solchen Vorstellungen werden wir unsere Herzen und das, was sie vermögen, überschätzen. Etwas ungewohnt spricht die Bibel nämlich in großer Ehrlichkeit von unseren Herzen und benennt die Spannung, die du vielleicht aus eigener Erfahrung kennst.

Auf der einen Seite ist der Mensch mit allem, was er ist und hat, mit seinem Herz und seinen Gefühlswelten, eine wundervolle Schöpfung Gottes. Das Herz ist ein Geschenk des Himmels und Gefühle zu haben, ist ein Privileg. Darum ist völlig klar: Ein lebendiger Glaube, der vor Emotionen strotzt, ist eine feine Sache und ein guter Grund, Gott dankbar zu sein.

Aber Gottes Wort benennt mit großer Deutlichkeit ebenso die andere Seite. Schon früh heißt es im biblischen Drama: »Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf« (1. Mose 8,21).

Ein starker Satz, der beim ersten Lesen reichlich negativ klingen mag. Ist es wirklich so schlimm um mein Herz bestellt? Dieser Vers enthält einen guten Schuss biblischer Nüchternheit, der erste Zweifel daran weckt, ob unser Herz überhaupt dafür geeignet ist, Gottes Gegenwart in einem Dauerzustand zu spüren. Jeremia spitzt es poetisch weiter zu: »Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?« (Jeremia 17,9).

Kennst du das aus eigener Erfahrung? Kannst auch du wie Jeremia dein eigenes Herz nicht immer verstehen? Dann befindest du dich in guter biblischer Gesellschaft. Wenn du nicht verstehen kannst, warum dein Herz so unruhig schlägt, dann geht es dir wie Jeremia. Du bist kein hoffnungsloser Sonderfall, keine einmalige Ausnahme.

In all dem gibt es eine gute Nachricht: Emotionen sind nicht das Fundament des Christentums, mit dem alles steht und fällt. Zumindest sind es nicht deine Emotionen. Denn im Christentum geht es nicht um das, was in deinem Herzen ist, sondern um das, was in Gottes Herzen ist.2 Am Ende ist es nicht entscheidend, ob du etwas fühlst oder nicht, sondern dass Gott etwas fühlt. Darum kann dein Glaubenshaus gar nicht einstürzen, wenn dir die Gefühle wegbrechen. Denn es steht sicher gegründet auf dem Herzen Gottes.

Splanchnizomai

Von diesen wunderbaren Gefühlen Gottes berichtet uns die Heilige Schrift in aller Klarheit und Schönheit. Sie berichtet von Jesus und einem griechischen Wort, das schwer auszusprechen ist: Splanchnizomai. Im Deutschen wird es übersetzt mit »sich erbarmen« oder »Mitleid empfinden«. Luther übersetzt es oft mit: »Es jammerte ihn.« Ganz wörtlich bedeutet es, dass sich einem die Eingeweide umdrehen. Ich fühle so stark mit, dass ich es in meiner Magengegend spüre. Splanchnizomai.

Diese starken Gefühle, die sich hinter jenem altgriechischen Wort verbergen, empfindet Jesus für dich. Matthäus erzählt, wie Jesus mit seiner guten Botschaft von Dorf zu Dorf durch Galiläa zieht. Gottes Sohn begegnet unzähligen Menschen und hört ihre bewegenden Lebensgeschichten. Vielen sieht man es an den Augen an, dass es das Leben nicht immer gut mit ihnen gemeint hat. Einige kommen mit ihren Krankheiten zu Jesus als ihrer letzten Hoffnung.

Und dann schreibt Matthäus: »Als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben« (Matthäus 9,36).

Jesus blickt diese Menschen an und er fühlt. Sein Herz brennt. Es verbrennt nahezu. Man sieht es ihm an.

Dieser Jesus Christus ist »gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit« (Hebräer 13,8). Er blickt dich heute mit denselben Augen an. Wenn er dich ansieht, spürt er eine unendlich starke Liebe und es zerbricht ihm das Herz, wenn er dich leiden sieht.

Das Neue Testament kennt viele weitere Geschichten, die erzählen, wie Jesus mit dir fühlt. Diese Liebe ist sogar die Quelle seines Handelns.

Der Anblick einer hungernden Menschenmenge zerreißt Jesus das Herz und darum tut er ein Wunder und vermehrt Brot und Fisch, dass alle satt werden (vgl. Matthäus 15,32). Das Schicksal zweier Blinder jammert Jesus. Darum berührt er ihre Augen und sie können sehen (vgl. Matthäus 20,34). Den Schmerz einer Witwe, die ihren Sohn zu Grabe tragen muss, spürt Jesus an seinem eigenen Leib. Er leidet mit und weckt auf eine wundersame Art und Weise ihren toten Jungen auf (vgl. Lukas 7,13).

Überall Splanchnizomai. Im Christentum geht es um das, was in Jesu Herzen ist. Auch wenn ein Wunder in unserem Leben so oft ausbleiben mag, ändert das nichts am Herzen Jesu. All diese Geschichten, die uns erzählen, was Jesus für uns fühlt, geben uns sogar einen direkten Einblick in das Vaterherz Gottes. Denn es ist die gleiche Liebe, die Gott-Vater für uns empfindet.

Jesus verdeutlicht das mit einer seiner wohl berühmtesten Geschichten. Es ist die Geschichte von zwei egoistischen Söhnen, von denen einer sein Erbe vorzeitig ausgezahlt haben will, um fortzugehen und sein Geld zu verprassen. Aber es ist vor allem die Geschichte von einem Vater, der in seinem Herzen nicht aufhören kann, Liebe für seine Söhne zu empfinden.

Jeden Tag steht dieser Vater vor der Tür und schaut den Weg entlang auf der Suche nach einem Lebenszeichen von seinem Sohn. Er hofft, dass er vielleicht zurückkehrt. Eines Tages ist es endlich so weit. Am Horizont sieht der Vater die vertraute Silhouette. Die unnachahmliche Gangart seines Sohnes.

»Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn« (Lukas 15,20). Wieder Splanchnizomai.

In dem Herzen dieses Vaters brennt eine stets gleichbleibende Liebe für alle seine Kinder. Dein Herz ist nicht der feste Grund für deinen Glauben, auf den du dich verlassen kannst. Es geht in den Stürmen des Lebens oftmals unter und wird von Wellen hin und her geworfen. Anders ist es mit dem Herzen Gottes. Es ist der feste Fels in der Brandung. Seine Liebe bleibt.

So fühlt Gott desto mehr

Am Ende zählt, was in Gottes Herzen ist. Es gibt viele eindrucksvolle literarische Beispiele, die diesen Gedanken eindrucksvoll entfalten. Eines, das mich nicht mehr loslässt, stammt von dem schwedischen Bischof Bo Giertz. In seinem Meisterwerk »Und etliches fiel auf den Fels« erzählt er von einer wundervollen Begebenheit. Giertz zeichnet das Bild eines kleinen schwedischen Dorfes, das durch die Jahrhunderte verschiedenste geistliche Aufbrüche und Niedergänge erlebte. In einer Episode kommt es zwischen dem Pastor Savonius und einer jungen Frau namens Christina Jonstochter zu einem Gespräch, in dem ihn die Frau fragt:

»Wie soll man sicher wissen können, ob man vom Geist Gottes berufen ist?«

Savonius überlegte einen Augenblick, dann griff er nach dem Hauskatechesenbuch, raschelte mit den Blättern und las:

»Christina Jonstochter … doch, du bist von Gott selbst berufen, denn hier stehst du als unter seinen Getauften angenommen. An der Sache kannst du gar nicht zweifeln.«

»Aber wenn man nichts fühlt?«

»So fühlt Gott desto mehr!«

Sie schwieg und wurde rot.3

Schöner kann ich mir Seelsorge nicht vorstellen. »So fühlt Gott desto mehr!« Pastor Savonius lenkt den Blick weg von Christinas Herzen, das zu keinen Gefühlen fähig zu sein scheint, hin zu dem Herzen Gottes. Wenn du nichts fühlst, dann fühlt Gott für euch beide.

Dann geschieht etwas nahezu Paradoxes, was Bo Giertz nur mit vorsichtigen Pinselstrichen andeutet. Es passiert etwas bei Christina. Auch wenn sie nicht darüber redet, so wird sie doch rot. Eine zarte Gefühlsregung. Es ist zwar kein Automatismus, aber dennoch keine Seltenheit. Im Herzen passiert etwas, und zwar in dem Moment, wo es gar nicht mehr um das Herz geht. In dem Augenblick, wo wir frei davon sind, etwas fühlen zu müssen, und uns die Gnade Gottes vor Augen gemalt wurde, geschieht etwas in uns.

Pastor Savonius tut noch etwas anderes. Er lenkt den Blick von den subjektiven Gefühlen in ihrem Herzen hin zu objektiv feststehenden Tatsachen wie ihrer Taufe. Die Frage, ob sie von Gott berufen ist, ist keine Frage, die mit Blick auf ihre Gefühlswelt beantwortet wird, sondern im Hinblick auf ein deutlich benennbares Handeln Gottes, wie das Wasser der Taufe. Am Ende gründet sich das Christentum in etwas, das außerhalb von mir feststeht. Das ist eine gute Nachricht voller Hoffnung.

Frieden finden

Wir haben jedoch die Tendenz, aus objektiv feststehenden Tatsachen unter der Hand subjektive Gefühle zu machen. Mir ist das besonders deutlich an dem Wort »Frieden« geworden. Was heißt es eigentlich, dass wir als Christen Frieden mit Gott haben oder dass Gott uns Frieden schenkt? Ich bin darauf trainiert, die Antwort sofort im Sinne von Gefühlen zu geben. Frieden meint den inneren Frieden. Frieden ist diese Ruhe, die in ein stürmisches Herz einzieht. Frieden ist Gelassenheit, ein tiefes Durchatmen.