Dieses E-Book darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, E-Reader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das E-Book selbst, im von uns autorisierten E-Book-Shop, gekauft hat.
Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.
ISBN 978-3-417-26587-3 (lieferbare Buchausgabe)
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Bodenborn 43 · 58452 Witten
Internet: www.scmedien.de | E-Mail: info@scm-brockhaus.de
Satz: Christoph Möller, Hattingen
Vorwort
Abkürzungen
Abendmahl
Apostel
Arme
Auferstehung
Auferstehung Jesu
Bekehren
Beruf, Berufung
Beten
Bruder
Buße
Christus im Menschen
Dämonen
Danken
Dienen
Dienst, Diener
Engel
Erbauen
Erkennen
Erlösen
Erwählung
Evangelium
Ewig, Ewigkeit
Fasten
Feinde
Finsternis
Fleisch
Freiheit
Freude
Friede
Frucht
Gaben des Geistes
Gebot, Gebote
Geduld
Geist
Gemeinde
Gemeinschaft
Gerecht
Gerechtigkeit Gottes
Gericht
Gesetz
Glaube
Gnade
Gotteskinder
Gut
Hassen
Heil
Heiland
Heilig
Heilige
Heiliger Geist
Heiligung
Herr
Herrlichkeit
Heuchler
Hoffnung
Hosianna
In Christus sein
Jünger
Kreuz
Kreuz Christi
Leben
Leib
Leib Christi
Licht
Liebe
Liebe zu Gott
Liebe zum Mitmenschen
Loben
Maß
Mensch
Menschensohn
Mühselige
Nachfolge Christi
Nächster
Name
Neues Testament
Offenbaren
Predigen
Priester
Prophet
Rechte Gottes
Rechtfertigen
Reich Gottes
Richten
Schöpfung
Schuld
Schuldiger
Seele
Selbstverleugnung
Selig, Seligkeit
Sohn Gottes
Suchen
Sünde
Taufe
Taufe
Teufel
Tod
Treue
Vater im Himmel
Vergebung
Vergebung
Vermessenheit
Versöhnung
Vollkommenheit
Wahrheit
Weisheit
Weissagung
Welt
Wiedergeburt
Wiederkunft Christi
Wille Gottes
Wort Gottes
Wunder
Zeuge
Zorn Gottes
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Das Neutestamentliche Wörterbuch von Ralf Luther (1887–1931) ist ohne Zweifel ein Klassiker der Bibelauslegung. Es hat seit mehr als 75 Jahren Generationen von Bibellesern und -auslegern begleitet. Dabei hat es immer mehr geleistet, als nur eine Kenntnis von biblischen Begriffen zu vermitteln. Das Werk atmet eine lebendige Glaubens- und Christuserfahrung und kann zu einer Einweisung in den christlichen Glauben werden. Doch seine Hauptabsicht ist es, in die Sprach- und Denkwelt des Neuen Testaments hineinzuführen. »Der Zugang zum Neuen Testament kann sich uns erst wieder eröffnen mit dem Verständnis seiner grundlegenden Ausdrücke«, schrieb Ralf Luther im Vorwort. Dem Verlag erschien für diese Neuausgabe deshalb der Titel »Grundworte des Neuen Testaments« angemessen. Von diesen Grundworten sagte Ralf Luther weiter: »Unter dem Zwang fest eingewöhnter Vorstellungen lesen wir ganz fremde Gedanken in sie hinein. Uns fehlt die Fähigkeit, ihren eigenen Gehalt aus ihnen herauszulesen.« Diese Fähigkeit wiederzugewinnen, dazu leitet dieses Buch an. Die einerseits kraftvolle, andererseits fast meditative Sprache Ralf Luthers leistet dazu einen besonderen Beitrag.
Das Werk hat eine bemerkenswerte Geschichte hinter sich. Es erschien in zahlreichen Auflagen, in verschiedenen Verlagen und in mehreren Stufen der Bearbeitung. Die erste Auflage kam 1937, Jahre nach dem Tod des Autors, im Furche-Verlag heraus. Die 13. Auflage wurde 1951 von Otto Etzold bearbeitet, die 15. Auflage von Carsten Colpe. Ab der 17. Auflage erschien das Buch im Gütersloher Verlagshaus in der Bearbeitung von Gerhard Delling, unter Mitwirkung von Gerhard Wallis. 1998 brachte der Ernst-Franz-Verlag das Werk erneut heraus. Er bezog sich dabei auf die 11. Auflage von 1937 und übernahm einige Änderungen aus der 13. bis 15. Auflage, aber längst nicht alle, sondern bot einen ursprünglicheren, weithin ungekürzten Text.
In den verschiedenen Bearbeitungen bis zur 17. Auflage kamen unterschiedliche Blickwinkel zur Geltung. Zum einen ging es darum, das Werk sprachlich zu aktualisieren und behutsam mit dem jeweils aktuellen Stand der Forschung abzugleichen, ohne daraus ein akademisches Werk zu machen. Zum anderen waren den Bearbeitern ab der 13. Auflage gewisse Einseitigkeiten aufgefallen. Otto Etzold wird 1951 in einem Nachwort von Otto Schmitz zitiert: Nachdem Ralf Luther eine geistlich-theologische Neuausrichtung erlebte, »war seine Verkündigung ganz anders: praktisch, lebendig, werbend, auch ganz bewusst einseitig und im Gegensatz zur hergebrachten Predigt zugespitzt«. Das Nachwort fährt dann fort: »Manchmal ging diese Einseitigkeit allerdings zu weit. Das Pendel hatte gewissermaßen noch nicht Zeit, aus dem einen und dann aus dem anderen Extrem in die Mittellage zurückzuschwingen; der Tod nahm ihn zu schnell fort.« Die Bearbeitungen wussten sich dem Ansatz Ralf Luthers weiterhin verpflichtet, glätteten aber manche extreme Aussage. Dabei ist – mehr noch in der 17. Auflage – eine gewisse Einpassung in die Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften zu bemerken, gerade was die Themen Taufe und Wiedergeburt betrifft. Ursprünglich las man bei Ralf Luther durchaus institutionskritische, aufrüttelnde, gelegentlich geradezu radikale Sätze – zweifellos darauf abzielend, seiner Kirche aus der Bibel kräftige Anstöße zur Erneuerung zu geben. »Man spürt es ihm [dem Werk] unmittelbar ab, dass es aus dem innersten Impuls eines in letzter Bedeutung ›Mobilgemachten‹ stammt« (Otto Schmitz). Demgegenüber wirkt manche Passage aus späteren Auflagen allzu abgemildert, und es fragt sich, ob man Ralf Luther hier nicht kirchlich domestiziert hat. Immerhin bescheinigt Otto Etzold dem Autor, dass er »durch ein intensives und freudiges Lutherstudium hindurchgegangen war«. Auch in seinen zugespitzten Aussagen beruft sich Ralf Luther gelegentlich auf den Reformator. Ob man diesen Ansatz durch Verweis auf die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche ein Stück weit abfangen sollte, kann man unterschiedlich beurteilen.
Die hier vorliegende Neuveröffentlichung geht von den vorhergehenden Neuauflagen aus. Gelegentlich – gerade in den Artikel zur Taufe und zur Wiedergeburt – wurden ältere Formulierungen von Ralf Luther einbezogen. Dennoch sind neuere ausdeutende Textzusätze nicht komplett weggefallen, sondern wurden zu den teilweise »radikaleren« Gedanken Ralf Luthers in Bezug gesetzt. Die von früheren Bearbeitern für wünschenswert gehaltene »Mittellage« wird hier also von Fall zu Fall weniger durch Beschneidung auf der einen Seite als durch Ergänzung auf der anderen erreicht. Betont werden muss dabei, dass diese Neuausgabe keine durchgängige theologische Neubearbeitung darstellt, sondern auf den vorherigen Editionen fußt und auch deren Straffungen teilweise übernommen hat.
Durchgängig wurde allerdings die Sprache vorsichtig angepasst, sodass veraltete Ausdrucksweisen neu formuliert wurden, ohne dass der Eindruck von der urtümlichen Sprache Ralf Luthers dabei verloren ginge. Nach wie vor ist der Text der Lutherbibel, hier in der Revision von 1984, Ausgangspunkt der Auslegungen.
Der Verlag ist davon überzeugt, dass die Zeit dieser »Einführung in Sprache und Sinn der urchristlichen Schriften« noch längst nicht vorbei ist. Leserinnen und Leser dieses Buches werden zum einen mit der Denkwelt des Neuen Testaments vertraut. Zum anderen erhalten sie eine Gelegenheit zu geistlicher Ausrichtung und begegnen der Herausforderung, die beschriebenen Wirklichkeiten als Realität im eigenen Leben zu erfahren.
Verlag SCM R.Brockhaus
Ulrich Wendel
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
1Joh | 1. Johannes |
1Kor | 1. Korinther |
1Mo | 1. Mose |
1Petr | 1. Petrus |
1Thess | 1. Thessalonicher |
1Tim | 1. Timotheus |
2Kor | 2. Korinther |
2Petr | 2. Petrus |
2Sam | 2. Samuel |
2Thess | 2. Thessalonicher |
2Tim | 2. Timotheus |
5Mo | 5. Mose |
Apg | Apostelgeschichte |
d.h. | das heißt |
Dan | Daniel |
Eph | Epheser |
f | der folgende Vers |
ff | die folgenden Verse |
Gal | Galater |
Hebr | Hebräer |
Hos | Hosea |
Jak | Jakobus |
Jer | Jeremia |
Jes | Jesaja |
Joh | Johannes |
Kol | Kolosser |
Lk | Lukas |
Mk | Markus |
Mt | Matthäus |
Offb | Offenbarung |
Phil | Philipper |
Ps | Psalm |
Röm | Römer |
s.u. | siehe unten |
Tit | Titus |
vgl. | vergleiche |
WA | Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers |
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Mit der Einsetzung des Abendmahls gab Christus seinen Jüngern nicht ein Problem zum Grübeln, sondern eine Hilfe für Leben und Dienst. Das Abendmahl will vom Leben her verstanden werden, so einfach, wie es gemeint ist. Im Orient verband das Mahl zu besonders intensiver Gemeinschaft. Der Grundton bei einem Gastmahl war ein froher. Die Hauptmahlzeit fand wegen der zu großen Hitze am Tage immer am Abend statt. »Abendmahl« lautet übersetzt in unsere Sprache: »festliches Gastmahl«. – In der Abschiedsstunde nimmt Jesus Brot, bricht jedem Jünger ein Stück ab und lässt den Kelch kreisen: »Nehmet, esset! Das ist mein Leib. Nehmet, trinket! Das ist mein Blut.« Er sagt den Seinen, sie sollen dieses Mahl in der kommenden Gemeinde wiederholen (Mt 26,26ff; Mk 14,22ff; Lk 22,15ff; 1Kor 12,23ff).
Warum tut er das? – Er öffnet und gibt ihnen den Glauben an seinen Erlösungstod. Sie glauben ja schon an ihn, aber sein Kreuz ist ihnen noch verschlossen und anstößig. Darum sagt er ihnen durch die Gabe von Brot und Wein: Ich sterbe für euch. Ich gebe meinen Leib in den Tod und lasse mein Blut vergießen – für euch, zu eurer Erlösung. Er spricht zu ihnen, wie man zu Tauben und Schwerhörigen spricht, bei denen man das gesprochene Wort mit einer Handlung bekräftigen muss – denn wir alle (nicht nur die zwölf Jünger) sind ja Taube und Schwerhörige für Gottes Gnade.
Und wie er mit seinen Jüngern – mit denen in Emmaus und mit den anderen – nach seiner Auferstehung durch ein Mahl die Gemeinschaft wiederherstellt (Lk 24,13ff; 36ff; Joh 21,1ff; vgl. Mk 16,14), so tut er es mit allen seinen Christen immer wieder in der Feier des Abendmahles. Hier bleibt er als der Herr inmitten seines erlösten Volkes.
Die Frage, wozu denn noch eine besondere Feier nötig sei zur Gemeinschaft mit dem erhöhten Christus, da die Gemeinde ihm doch auch sonst nahe sei, ist eine Verstandesfrage und greift am Leben vorbei. Wie geht es uns denn mit unseren Nächsten? Wir haben uns jeden Tag und teilen täglich so vieles und sind uns nahe. Aber es ist doch noch etwas Besonderes bei einer Familienfeier. Da ist einer dem anderen doppelt nahe, es ist alles so vertraut und unmittelbar und feierlich, wie es im Alltag kaum der Fall ist; es bedeutet mehr als sonst, wenn man heute einander die Hand reicht. In solchen Momenten muss alles, was sich im täglichen Leben als Eintrübung und Trennung zwischen so nah verbundene Menschen drängte, ganz ausscheiden; man fühlt nur, dass man zueinander gehört. Und dann: Von solchen Augenblicken strahlt es hell auch ins ganze sonstige Zusammenleben; die Verbindung ist wieder ein Stück stärker geworden.
So hat Christus seiner Gemeinde eine Feier gegeben, in der er ihr noch über das hinaus, was sie sonst an ihm hat, nahe sein will. Hier will er sie berühren und beleben bis in ihr körperliches Dasein hinein. Hier soll auch alles das, was sonst manchmal eine wirkliche Nähe verhinderte, gänzlich ausgeschaltet sein und die, die bei Christus zu Gast sind, sollen nur das eine wissen: Sie gehören zu ihm und er zu ihnen. So sollen diese Feierstunden Leuchtkraft haben fürs ganze Leben, für die ganze Gemeinschaft mit Christus und für den Dienst an seiner Sache.
Das Abendmahl ist eine Feier; es ist ein frohes, festliches Mahl. In der Alten Kirche hieß diese Feier Eucharistie, das heißt Lobpreis, weil das ganze Mahl unter dem Zeichen des Lobes und der Freude stand. Wie das Volk Israel im jährlichen Passahfest an die Erlösung aus Ägypten denken und Gott darüber preisen sollte, so soll die Christenheit im Abendmahl Gott für die vollbrachte Erlösung von aller Sünde danken und preisen. Es ist unbegreiflich, wie die Gemeinde dahin kommen konnte, diese Feier in einer Art Begräbnisstimmung zu begehen.
Das Abendmahl ist die Familienfeier der Gemeinde. Ist es so, wie es sein soll, so geht es auch zwischen den Abendmahlsgenossen nah und vertraut zu. »Ein Brot ist’s, so sind wir viele ein Leib« (1Kor 10,17). – In den ersten Jahrhunderten hatte die feiernde Gemeinde immer den Ausblick auf den kommenden Christus (Lk 22,16.18). Abendmahl ist beides: tiefe Ruhe und stürmisches Verlangen, beglückende Freude am nahen Herrn und brennende Sehnsucht nach dem kommenden.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
(lateinisch Missionar), bedeutet Gesandter
Ein Gesandter hat die Aufgabe, Beziehungen von Land zu Land herzustellen. Dazu muss er von höchster Stelle ermächtigt sein, er muss eben die Sendung (Mission, Apostolat) haben. Man kann nicht aus eigenem Auftrag Botschafter sein. Das Gegenteil des Gesandten ist der Engagierte, der etwas unternimmt, weil er es will. Er mag noch so eifrig, er mag ein Genie sein, das macht ihn keineswegs schon zum Gesandten. Beziehungen von oben nach unten, von der Gottheit zur Menschheit, entstehen noch nicht dadurch, dass sie hier unten gewollt werden. Ein ganzes Heer religiöser Helden, die mit unerhörtem Ernst Christen sein wollen, oder religiöser Genies wiegt noch nicht einen Apostel auf. Aber wo auch nur einer eine göttliche Sendung hat, da sind die Beziehungen zwischen Himmel und Erde hergestellt.
In den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt werden keine göttlichen Boten gesandt. Die unmittelbare Verbindung ist aufgehoben. Das wird ganz anders, sobald Jesus kommt. Er hat eine Sendung mit unbeschränkter Vollmacht. Darum heißt er »der« Apostel (Hebr 3,1), das heißt: der, durch den überhaupt erst der volle Kontakt zwischen Gott und der Menschheit zustande kommt. Christus hat eine so umfassende Vollmacht, dass er seinerseits Menschen zu Beauftragten der Gotteswelt hier unten ernennen kann. Das sind seine Apostel. Er stellt ihren Auftrag dem seinen gleich: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Joh 20,21).
Die Bezeichnung »Apostel« wird im Neuen Testament auch in einem allgemeineren Sinne von Abgesandten und Sendboten der Gemeinden gebraucht (2Kor 8,23; Phil 2,25; vielleicht auch Röm 16,7). Ja, schließlich muss jeder, der predigen will, von Christus gesendet sein (Röm 10,15). – Gerade weil das Apostelamt so wichtig ist, ist in der Christenheit darum gestritten worden (»Welche sagen, sie seien Apostel, und sind’s nicht«, Offb 2,2; 2Kor 11,13). Darum muss ein Apostel auch, wie jeder Gesandte, Zeichen und Beglaubigung seines Apostolats vorweisen können (1Kor 9,1f; 2Kor 12,12; Gal 2,8).
Christus hatte nicht nur zwölf Apostel. Menschen, die ermächtigt sind, die vorhandenen Beziehungen zwischen ihm und den Gemeinden aufrechtzuerhalten oder an neuen Stellen solche anzuknüpfen, hat die Christenheit immer nötig. In diesem Sinne ist das Apostolat nicht eine außerordentliche Einrichtung, die zu einer bestimmten Zeit nötig war, sondern ein ordentlicher Dienst, der immer nötig ist (wenn auch die zwölf Apostel einzigartige Bedeutung haben). Gibt es keine Apostel, keine bevollmächtigten Gesandten mehr, so sind die Beziehungen zwischen Himmel und Erde abgebrochen.
Wenn es heißt, dass die Gemeinde Jesu erbaut ist »auf den Grund der Apostel und Propheten« (Eph 2,20), so sind damit die Apostel gemeint, die die Gemeinde durch ihre Verkündigung gegründet haben, und die Propheten, die in ihr das Evangelium predigen, auch noch in der Zeit, in der der Epheserbrief geschrieben ist. Statt um Aposteltitel zu streiten und sich darüber zu spalten, sollten die Christen lieber danach streben, zuerst das Zeugnis und den Dienst der Apostel Jesu im Neuen Testament völlig anzunehmen – dann wird es auch wieder mehr vollmächtige Diener und Gesandte in der Christenheit geben.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Unter den Armen werden in der Seligpreisung (Lk 6,20) die an Besitz, gesellschaftlicher Geltung und Bildung Geringen verstanden. Sie standen unter dem Druck der führenden Kreise und waren nicht nur von den Wohltaten der Kultur, sondern oft auch von der tieferen religiösen Erkenntnis abgeschnitten. Zu dieser Kultur hatten oft nur die studierten Leute und ihr geistiger Anhang Zugang; sie war dadurch so verknöchert, dass sie dem schlichten, ursprünglichen Verstand unzugänglich war. Diesen Elenden, Unterdrückten wird die Botschaft zugerufen, dass die Gottesherrschaft ihnen den völligen Wandel ihrer Lage bringt. »Armen wird das Evangelium gepredigt« (Mt 11,5). Ihnen, denn sie sind die Empfänglichen, Dankbaren, während die an Vermögen, Ansehen, Bildung, frommer Erkenntnis Reichen in der Versuchung stehen, satt, selbstzufrieden und unempfänglich zu sein. Natürlich sind das große Linien, die Jesus zieht. Ausnahmen gab es, wie wir wissen, auf beiden Seiten.
Mit den geistlich Armen (Mt 5,3) sind nicht Minderbegabte gemeint, sondern Leute, die in göttlichen Dingen sich arm, leer und unwissend fühlen, weil sie erkennen, dass sie es tatsächlich auch sind. Solchen können die großen Geheimnisse von oben offenbart werden (Mt 11,25). Den »Unmündigen« (Menschen, die nicht zu jeder Sache eine Meinung haben müssen) wird das Verborgene enthüllt; sie sind gewürdigt, Träger der göttlichen Weisheit zu sein, weil sie nicht etwas Eigenes hinzufügen.
Die geistlich Armen sind wie die Orgel, die keine einzige Melodie in sich hat, sondern ganz darauf angelegt ist, sich die Töne vom Meister geben zu lassen. Die Weisen und Klugen gleichen der Drehorgel, die alle Melodien schon fertig in sich trägt und darum eine neue Musik weder aufnehmen noch wiedergeben kann. Sie können keine tauglichen Instrumente abgeben für das göttliche Spiel (vgl. 1Kor 1,26f; Joh 9,39).
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Das Neue Testament spricht nicht von der Unsterblichkeit der Seele; es verkündet die Auferstehung der Toten. Im Griechischen lautet der Ausdruck eigentlich: das Aufstehen. Das Neue Testament weiß nichts von einem zukünftigen Aufgehen der menschlichen Person in einer »Allseele«; so denkt man sich ja oft die »Unsterblichkeit der Seele«. Christus und die Apostel sprechen überall vom Wiederaufleben der menschlichen Person in ihrer gottgeschaffenen Eigenart. Wiederaufleben soll nicht ein Teil des Menschen (seine Seele, sein Geist), sondern der ganze Mensch einschließlich des Körpers. Das Neue Testament kennt nicht die spätgriechische Geringschätzung des Körpers. Sie ehrt ihn als Gottes Schöpfung. Der Körper, wie ihn der Schöpfer anfänglich dem Menschen gab, war nicht ein Gefängnis des Geistes, sondern in untrennbarer Einheit mit dem Geist ein Gleichnis der göttlichen Herrlichkeit (dies ist der Sinn von 1Mo 1,26). Der Körper ist ein angemessenes Werkzeug und Ausdrucksmittel des inneren Menschen; er ist gewürdigt, ein Tempel Gottes und eine Wohnung seines Heiligen Geistes zu werden (1Kor 6,19). Der jetzige Körper ist zwar dem Tode verfallen; deswegen wird der Mensch aber in der Vollendung nicht ohne Körper sein. Er wird vom Tode auferstehen mit einem neuen, verherrlichten Körper (Phil 3,21).
Nicht das, was der Mensch auf Erden aus sich selbst gemacht hatte, nicht das, was in diesen Weltverhältnissen aus ihm geworden war, soll weiterleben. Sondern so, wie Gott anfänglich ihn schuf, soll er wieder aufleben, ja, dieser göttliche Anfang soll in der Auferstehung vollendet sein, viel herrlicher noch als »am ersten Tag«. Der auferstandene Mensch wird im göttlichen Lichtglanz erstrahlen (1Kor 15,35ff). Das göttliche Original, das jeder Mensch darstellt, wird hier erst zur vollen Entfaltung kommen. Darum wird jeder kenntlich sein als der, der er ist. Im Vergleich zum jetzigen Zustand des Menschen bedeutet die Auferstehung eine völlige Verwandlung oder Neuschöpfung (1Kor 15,51). Das sagt der Apostel mit den Worten: »Es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib, und wird auferstehen ein geistlicher Leib« (1Kor 15,43f).
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Die Auferstehung Jesu ist bahnbrechend als die erste endgültige Auferstehung innerhalb der Menschheit (1Kor 15,23). Aber weit mehr: Sie ist ein Weltereignis. Die Finsternismächte, die ihre äußerste Macht aufgeboten hatten beim Tode Jesu, sind durch seine Auferstehung an der entscheidenden Stelle entmächtigt. Eine völlige Umwälzung in den gesamten Weltzuständen ist damit angebahnt. Indem Jesus in die neue göttliche Seinsweise einging, ist ein Durchbruch zur oberen Lichtwelt erfolgt. Das ist von unabsehbarer Bedeutung für alle, die in Zusammenhang mit Christus stehen. Als Kolumbus zur Neuen Welt vordrang, war sie nicht nur für ihn, sondern für die ganze Alte Welt erschlossen. Wenn aus einer Gruppe eingeschlossener Bergleute einer den Weg ins Freie fand, so sind auch seine Gefährten frei. – Darum können die Apostel nicht genug davon sprechen, welche unermesslichen Folgen die Auferstehung Jesu hat. Gott hat uns mit Christus auferweckt und in die Himmelswelt versetzt (Eph 2,6).
Die Auferweckung Jesu ist nicht sozusagen ein mehr oder weniger unwichtiges Siegel auf das Erlösungswerk am Kreuz, sondern gibt ihm erst seine Fülle. Gott hat im Kreuz Jesu die Vergebung der Sünden, die Erlösung, die Versöhnung und die Rechtfertigung der Menschheit vollbracht (Eph 1,7; Mt 20,28; 2Kor 5,19; Röm 3,24; 5,9.18) und der erlösten, versöhnten und gerecht gesprochenen Menschheit in der Auferweckung Christi das ihr zukommende Leben verliehen. Denn zur Sünde gehört notwendig der Tod, aber zur Gerechtigkeit gehört – ebenso notwendig – das Leben: Das ist Gottes ewige Regel. Darum bedeutet die Gnadengabe der Gerechtigkeit immer auch die Gnadengabe des Lebens, und dieses Leben hat uns Gott in dem auferstandenen Herrn Jesus geschenkt. So ist unser Herr Jesus wegen unserer Gerechtsprechung auferweckt (Röm 4,25), um uns das Leben zu bringen, ja, um selbst unser Leben zu sein. Denn die Auferweckung des Hauptes (des Kopfes) bringt auch dem Leib (dem Körper) und den Gliedern das Leben. Wie Christus auferweckt ist durch die Siegesgewalt des Vaters, so sollen auch wir in einem neuen Lebenszustand wandeln (Röm 6,4). Er ist auferstanden, um »der Herr« zu sein (Röm 14,9), und das heißt: um inmitten einer erlösten Menschheit seine Gnadenherrschaft aufzurichten und die Frucht und Beute seines Sieges auszuteilen. – Die Auferstehung Jesu wird von den Aposteln stets zugleich mit seinem Kreuz verkündigt, jedoch als das Größere, als das »Vielmehr« (Röm 8,34), von woher das Kreuz erst verstanden werden kann. Heilsglaube ist Auferstehungsglaube!
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
(siehe auch Buße)
Im Hebräischen und Aramäischen steht für »sich bekehren« derselbe Ausdruck wie für »Buße tun«: schuw bzw. thuw (siehe »Buße«; das dort Gesagte ist die Voraussetzung zum Verständnis dieses Abschnittes). Die Grundbedeutung ist: umkehren, zurückkehren zu Gott, sich ganz ihm zuwenden. Jesus sagt dem Petrus: »Wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.« Das heißt eigentlich: »… wenn du einst zurückgekehrt sein wirst« (Lk 22,32). Der griechische Ausdruck für sich bekehren – epistréphein – bedeutet: sich umwenden.
Der Unterschied zwischen Buße und Bekehrung, sofern von einem solchen die Rede sein kann, ist der: Buße bedeutet in erster Linie die Tat der Abkehr von gottfernen Zuständen. Bekehrung bedeutet die Tat der Zuwendung zu dem neuen göttlichen Lebensbereich. Abwendung und Zuwendung zusammen ergeben dann die Rückkehr.
Die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen sich Gott zuwenden, ist, dass Gott nahe ist, dass seine Gegenwart unmittelbar hereinragt in die Zeit (Mk 1,15). Dann ist mit allem Nachdruck zur Bekehrung aufzurufen. Die Nähe Gottes ist so entscheidend für die Möglichkeit der Buße und Bekehrung, dass das Neue Testament deutlich lehrt: Die Buße ist Gottes Tat (Apg 5,31; 11,18; Hebr 12,17). Er gibt und verweigert den Raum zur Umkehr. »Bekehre du mich, so will ich mich bekehren« (Jer 31,18). Aber die Buße ist in unlösbarer Spannung ebenso des Menschen Ja zu Gottes Tat. Darum der Befehl Gottes, Buße zu tun. Der Indikativ ist die Voraussetzung des Imperativs. Aber dieser Indikativ ist mit dem Evangelium gegeben. Darum ist es Schuld des Menschen, wenn er den Ruf zur Umkehr nicht ernst nimmt.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Mit diesem Wort ist im Neuen Testament das gemeint, was es besagt: dass jemand von einem anderen zu etwas gerufen ist; zu einer Arbeit, zu einem Stand, zu einem Fest. Die Jünger beschließen nicht bei sich, das Reich Gottes auszurufen, Jesus beruft sie dazu (Mk 6,7). Jesus selbst wartet im Verborgenen und geht dem Handwerk seines irdischen Vaters nach, bis er berufen wird zum Werk Gottes (Mk 1,9ff). Paulus ist zum Apostel berufen; ganz entgegen seiner bisherigen Grundrichtung ergeht an ihn von oben die Weisung, das Evangelium unter die Völker zu tragen. Der Ruf kommt vom Himmel her (Hebr 3,1). – Die Gemeinde ist berufen zum Reich Gottes (1Thess 2,12), von der Finsternis zum göttlichen Licht. Die Gemeinde ist berufen zur Gemeinschaft seines lieben Sohnes, zu seinem Eigentum.
Überall hier ist die Rede von einem ausdrücklichen persönlichen Rufen, welches zur Folge hatte, dass Menschen aus einem Zustand in einen anderen, aus einer bisherigen Richtung in eine neue versetzt wurden.
Im Neuen Testament ist die Sprache noch nicht so von ihrem ursprünglichen Sinn entfernt, dass dort eine Arbeit, die jemand sich selbst aussucht, ein Beruf genannt würde. Wir sprechen von »Berufswahl«. Das wäre im Sinne des Neuen Testaments ein hölzernes Eisen. Was man sich wählt, ist eben kein Beruf. Einen Beruf kann man nur haben infolge einer Berufung, eines Rufs, der von außen kam. Nachträglich kann man sich dann entscheiden, den Ruf anzunehmen oder abzulehnen, aber vor dem Ruf oder ohne ihn kommt man nicht in die Position, zu dem man eben nur berufen werden kann. Ein Glied der Gemeinde, ein Diener Christi, ein Träger des Reiches Gottes kann man nicht werden, weil man in sich einen Trieb dazu fühlt oder sich dazu entschlossen hat, ebenso wenig wie man heute Professor an einer Universität werden kann, weil man sich dazu gedrungen fühlt: Es gehört ein Ruf dazu. – Bekehrung ist nicht ein Vorgang innerhalb der menschlichen Person, sondern ein Überwältigtwerden von einer höheren Person. Berufung ist nicht ein bloßes »Erlebnis«, sondern ein Ereignis. Das Ereignis der Berufung ist umso gewaltiger, je größer das Werk ist, zu dem einer berufen wird (Berufung Jesu, des Paulus, der ersten dreitausend zu Pfingsten). Wer wird berufen? Zuerst das Volk Israel, dann die Heiden; nicht viele Kluge, wohl aber Mühselige und Beladene.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Beten ist nicht eine Kunst; man bedarf dazu nicht einer inneren Steigerung oder besonderer Übungen. Beten kann man erst, wenn man alle Künste abgelegt hat und zum Vater im Himmel spricht. »Wenn ihr betet, so sprecht« (Lk 11,2). Welcher menschliche Vater würde es dulden, dass sein Sohn, wenn er ein Anliegen an ihn hat, sich hinstellte und eine wohlgesetzte, klangvolle Rede hielte, statt einfach und natürlich mitzuteilen, was er nötig hat? Wie soll der Allmächtige es anhören, wenn Menschen mit aufgesetzten Gesten, mit gewählten Worten vor ihn treten? Alles religiöse Pathos, alle wohlgesetzten Wendungen beim Beten sind vom Übel, ein heidnischer Unfug (Mt 6,7). Um beten zu können, muss man nicht aufsteigen zu irgendeiner religiösen Höhenlage, sondern es gilt, herabzusteigen von den Stelzen und da zu stehen, wo das kleinste Kind steht (Mt 18,3). Beten heißt: so, wie man ist und wie einem zumute ist, vor Gott stehen und zu ihm sprechen.
Das Recht zum Beten gründet in der Bereitschaft Gottes, zu hören. »Sprecht: Unser Vater.« Das heißt nicht, dass wir es so ansehen sollen, dass Gott für uns sorgt, als ob er unser Vater wäre. Jesus lehrt uns kein Als-ob. Er erlaubt seinen Jüngern, Gott Vater zu nennen. Nun wird es das Natürlichste von der Welt, dass wir uns an den wenden, der durch Jesus auch unser Vater ist.
Es geht im Gebet zuletzt nicht um Gaben, sondern darum, dass wir dem Geber selbst nahekommen. Die Gegenwart Gottes, das Hereinbrechen seines Lebens in unseres, das ist Sinn und Ziel alles Betens. Darum sagt Jesus: Beten sei so viel wie Suchen (Lk 11,9f). Das klingt an das alte Wort an: »Ihr sollt mein Antlitz suchen« (Ps 27,8). Antlitz, d.h. Angesicht, steht in der Bibel oft für Person. Wer ernsthaft die Verbindung mit dem Vater im Himmel sucht, der soll sie finden. Ein Kind sein und mit seinem Vater keine persönliche Berührung haben ist ein unhaltbarer Zustand, mit dem niemand sich abfinden sollte.
Sucht man einen Ausweg aus diesem Zustand, so kann man freilich auf verschlossene Türen stoßen. Die Jünger sollten sich dadurch nicht abschrecken lassen, dass die Türen, die sie und ihre Zeitgenossen von der oberen Welt absperrten, seit Jahrhunderten verriegelt und eingerostet waren; sie sollten dennoch getrost und nachdrücklich an diese Türen pochen und nicht aufhören, bis sie einmal geöffnet würden. Das wird und muss geschehen, sagt Jesus, wenn nur die Ausdauer unbeirrbar bleibt, wenn die Betenden nur immer daran festhalten, dass das Öffnen dieser Türen schlichtweg notwendig ist (Lk 11,5-13). Denn mit Jesus ist die Tür geöffnet. Durch ihn haben wir den Zugang. Wir dürfen erhörungsgewiss beten in seinem Namen (Joh 10,9; Eph 2,18; Joh 14,13; 16,23).
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Es ist ernst zu nehmen, wenn Jesus im Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25) sagt: Was jemand einem seiner Brüder getan habe, sei ihm getan. Er stellt sich damit auch zu dem geringsten und unbedeutendsten Menschen, tritt auf seine Seite. Darum ist jeder dieser Geringsten unserer Hochachtung wert, und es soll uns eine Ehre und Freude sein, ihm zu dienen. Eine unverantwortliche Geringschätzung ist es, an einem hilfsbedürftigen Menschen achtlos vorüberzugehen. Wer das tut, hat einen nahen Blutsverwandten Christi im Elend gelassen. Jesus nimmt den Begriff Bruder ganz weit, aber auch ganz eng. Mt 12,50: Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein Bruder. Hananias nennt Saulus »lieber Bruder«, als er ihn zu Jesus beten hört. Christen werden geradezu die genannt, die den Namen Jesu anrufen (Apg 9,14.17.21).
Weil wir alle von der Schöpfung her denselben Ursprung haben, sind wir auch untereinander Brüder und Schwestern. In diesem Sinne, von der Schöpfung her, ist jeder Mensch mein Bruder. In dieser allgemeinen Bedeutung ist vom Bruder an Stellen wie Mt 5,22f; Jak 2,15 die Rede. – Im besonderen Sinne heißen Brüder die, die durch die neue Geburt zu der gleichen unmittelbaren Verbindung mit der ewigen Heimat gekommen sind. Was in der Schöpfung schon da war, aber später verschüttet wurde, wird wiederhergestellt durch die neue Schöpfung: Der Mensch ist wieder eins mit seinem himmlischen Vater. Dadurch ist er auch in lebendigen Kontakt gekommen mit allen, die gleich ihm zurückgekehrt sind ins Vaterhaus. Menschen, die ihm bisher ganz fernstanden, sind jetzt in seine nächste Nähe gerückt. Freudig erschrocken sieht er, dass die, die ihm bisher als völlig wesensfremd erschienen (denn ihre Religion, ihre Bildung, ihre Nationalität, ihr Stand hatten ihnen einen so verschiedenen Stempel aufgedrückt), seine nächsten Verwandten sind: Sie sind ja auch aus Gott geboren; sie sind in ihrem Kern gotterleuchtet, gotterfüllt, gottdurchwirkt. Wer das erkennt, braucht nicht erst den Beschluss zu fassen, zu lieben: Die Liebe ist ganz von selbst da, weil eben Brüder und Schwestern da sind. Daran, dass es einem Menschen so geht, ist zu erkennen, ob er aus Gott geboren ist (1Joh 3,14; 5,1).
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
(siehe auch Bekehren)
Für »Tut Buße« steht im Aramäischen der Ausdruck thuwu; das bedeutet: »Kehrt zurück zu Gott.« Die Aufforderung zur Buße hat also den Sinn: Wir Menschen sollen dahin zurückkehren, wo wir herkommen – in die nächste Nähe Gottes. Alles, was in langen Zeiträumen sich trennend zwischen Gott und Mensch geschoben hatte, soll jetzt wieder so unmittelbar, so ungetrübt und ursprünglich sein wie am ersten Tag.
Diese Aufforderung zur Rückkehr wäre eine unmögliche Zumutung, wenn sie nicht Hand in Hand ginge mit der Nachricht, dass die Gottesherrschaft im Kommen ist (Mt 3,2; 4,17; Mk 1,15). »Das Reich Gottes ist herbeigekommen«, das bedeutet: Jetzt beginnt von oben her ein Eingriff in diese Weltzustände. Die Mächte des Himmels sind hereingebrochen, um die göttliche Ordnung der Dinge hier unten wiederherzustellen. Gott selbst ist nahe: Aus seiner Fülle sollen wieder schöpferische Kräfte quellen zur Erneuerung und Gesundung der Menschheit. – Weil das so ist an dem Zeitpunkt, wo der Ruf Johannes des Täufers und Jesu ergeht, weil der Himmel der Erde wieder nahe ist, darum hat diese Aufforderung einen Sinn.
Der griechische Ausdruck für »Tut Buße« lautet: metanoeîte. Das bedeutet: Denkt um, oder: Lasst euer Denken weit hinausgehen über das, was ihr bisher gedacht habt. In der Metaphysik handelt es sich um ein Denken, das den Rahmen der Physik durchbricht. Im metanoeîn des Täufers und Jesu geht es um ein Denken, das den Rahmen der überlieferten Anschauungen sprengt. Nun ist es nicht mehr damit getan, was in der bisherigen Ordnung galt: mit der Erfüllung bestimmter Pflichten des Gesetzes. Buße tun heißt nicht: strenger sein als bisher in der Einhaltung gesetzlicher Forderungen; es bedeutet auch nicht: zu den vorgeschriebenen Leistungen freiwillig andere hinzufügen. Buße tun heißt umdenken, sich umstellen in seinem ganzen Verhalten, sodass man sich ganz zur Verfügung stellt und sein Leben überhaupt von einem anderen gestalten lässt. Solch ein Sich-Umstellen ist ja auch Rückkehr zum ursprünglichen Verhältnis zu Gott.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Jesus spricht vor seinem Abschied wiederholt davon, dass er in den Seinen gegenwärtig und wirksam sein werde als treibende Kraft, als schaffende und gestaltende Macht in ihrem Leben (Joh 15,1 8; 17,23). Was Jesus im Bild vom Weinstock und den Reben ausspricht, bringt Paulus zur Anschauung, indem er Christus das Haupt (den Kopf), die Gemeinde den Leib (den Körper), die einzelnen Christen Organe dieses Leibes nennt. Das normale Verhältnis zwischen Christus und den Menschen ist die intensive organische Verbindung, die darin besteht, dass der einzelne Mensch der weltüberragenden Person des Menschensohnes »einverleibt« wird und nun ein Träger seines Lebens ist. »Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir« (Gal 2,20).
Das hat eine unerhörte Umwandlung im Leben des Menschen zur Folge. Eine Hand kann nichts von Bedeutung schaffen, wenn der Kopf, dessen Organ sie ist, keine schöpferische Kraft in sich hat. Aber welche Wunder kann Michelangelos oder Beethovens Hand vollbringen! Ist Das Haupt genial, so ist die Hand und sind ihre Werke auch genial: das Haupt lebt ja in der Hand. – So ist es mit Christus und den Seinen. Haben sie den Kontakt mit ihm, so sind sie beseelt von seiner Kraft, und das macht ihr Leben gottgemäß. Dadurch können sie nun anderen »zu Christussen werden«. Zustande kommt der Kontakt zwischen Christus und dem Menschen nicht durch religiöse Übungen oder mystische Versenkung, sondern dadurch, dass Christus sich mit dem Menschen verbindet und der Mensch ihm gehorsam wird (Joh 14,20ff; 1Joh 3,24). Christen glauben nicht nur an den »Christus für uns«, sondern auch an den »Christus in uns«, und darum sogar auch an den »Christus durch uns« (vgl. Röm 15,18).
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Dämonen heißen im Neuen Testament gottwidrige Geister. Sie treiben ihr Wesen in den unsichtbaren Hintergründen des Menschenlebens. Sie stecken irgendwie hinter vielerlei Bösem im Menschenleben. Sie bilden ein Reich, dessen Fäden in der Hand des obersten Dämons zusammenlaufen (Lk 11,15; Eph 2,2; 6,12). In Mt 17,15.18; Lk 8,27ff und an anderen Stellen wird als Wirken der Dämonen beschrieben: Sie dringen in Körper von Menschen ein und verursachen diesen Menschen furchtbare Qualen und Krankheitserscheinungen. Ein Mensch, in dem ein Dämon wohnt, verliert zuzeiten vollständig seine persönliche Eigenart und es spricht eine ganz andere Art aus ihm. Von Dämonen befallene Menschen haben eine ganz besondere Feinfühligkeit für die Nähe eines Gottesboten.
Wenn die Gottesherrschaft kommt, räumt sie mit dem Treiben der Dämonen auf (Lk 11,20). Andererseits ist es, als ob beim Kommen Jesu das Reich der Dämonen alle seine Kräfte zusammenfasst. Die Zahl der von Dämonen Befallenen ist zur Zeit Jesu offenbar besonders groß gewesen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Danken hängt im Deutschen zusammen mit Denken; es bedeutet: nachdem man etwas empfing, denken an den, von dem es kam. Danken heißt: von der Gabe aufsehen zum Geber und sich seiner Güte freuen.