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Anna Saldadze & David Gigauri

GEORGIEN

Eine kulinarische Liebeserklärung
Anekdoten & Rezepte

Chefkoch – Keti Bakradze
Fotos – Mariam Janashia
Übersetzerin – Maia Panjikidze

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„Jedes georgische
Gericht ist ein Gedicht”

Alexander Puschkin

Inhalt

Vorwort

Jedes Rezept ist eine Signatur

Von Keti Bakradze

„Ehe Sie nicht Georgien gesehen haben, haben Sie nichts gesehen …”

Von John Steinbeck

Salome Andronikowa

Prinz und Prinzessin Peter Bagration

George Balanchine

„Gogi ist die Seele von Larue”

Von Murray Robinson

Die Mdivanis

George Papashvily

Tamara Toumanova

Prinz Nicholas Toumanoff

„Wie ich den Tamadismus entdeckte”

Von Michel Eltchaninoff

Vorwort

Von Anna Saldadze und David Gigauri

Von den Zeiten des Goldenen Vlieses bis zum digitalen Zeitalter war Georgien schon immer als führende Größe in der Kunst der Gastfreundschaft, des Essens und des Weins bekannt. In der Tat ist die „georgische Gastfreundschaft” mit ihrer hoch ritualisierten „Supra” (ein Fest, bei dem die ganze Tafel mit Speisen voll bedeckt ist) die Achse und das innere Sanctum der Nation, mit der sie ihre Gäste und Eindringlinge, von denen es viele gab, immer wieder bezauberte. Tatsächlich behaupten viele, dies sei das Geheimnis, dass es diese Nation heute überhaupt noch gäbe – Essen als Mittel des kulturellen Überlebens, das den Feind stets in einen Freund verwandelt hat.

Es kann kein Zufall sein, dass dieses Volk vor achttausend Jahren auch den Weinbau hervorbrachte und eine ähnlich reiche und vielfältige einheimische Küche entwickelte, um die sich entfaltende Kunst des Feierns zu begleiten.

Aufgrund des turbulenten Schicksals des Landes (Georgien ist historisch eine der am häufigsten besetzten Nationen der Welt) haben viele Georgier oft außerhalb ihrer Heimat gelebt. Aber bei den meisten von ihnen hat es weder zur Schwächung ihrer gastronomischen DNS geführt noch hat es die Fortsetzung der Tradition der Gastfreundschaft in ihrer jeweiligen Wahlheimat beeinträchtigt. Es hat sich nicht nur als ausgezeichnetes Mittel erwiesen, um sich der neuen Umgebung anzupassen und Freundschaften zu pflegen, es half auch dabei, die eigene Identität zu bewahren. Daher überrascht es nicht, dass viele von ihnen ihr Glück in der Gastronomie versucht haben, so wie der prominente Gastronom Gogi Tchitchinadze oder Nicholas Eristoff (Eristavi), der Mann hinter dem Eristoff-Wodka; oder auch Alexander Tarsaidze, der den kaukasischen Schaschlik in die Hotelgruppe Waldorf-Astoria in New York einführte. Für sie ist Essen eine universelle Sprache, die, begleitet von ein paar Gläsern vom Rotwein „Saperavi” oder einem exklusiven Cocktail, die Barrieren fallen lässt. Ein guter georgischer Tamada (Tischmeister) muss ein talentierter Geschichtenerzähler und dazu in der Lage sein, durch ehrliche Schmeichelei und Charme, seine Gäste ihre persönlichen Differenzen vergessen zu lassen, so dass sie sich der Erinnerung öffnen, welche Lebensqualität ein Festmahl in dessen Essenz bietet.

Siehe dazu auch den semi-fiktiven Essay „Wie ich den Tamadismus entdeckte” von Michel Eltchaninoff auf Seite 116.

Dieses Buch präsentiert die Lieblingsrezepte der im Ausland lebenden außergewöhnlichen Georgier, ihre Geschichten und gibt diese in ihrer Sprache wieder. Sie haben auf verschiedenen Gebieten Ruhm und Erfolg erlangt, aber nicht minder wichtig ist, dass ihr Können in der häuslichen Küche und an der Tafel genauso hervorragend war und sie auch deshalb in Erinnerung ihrer Gäste geblieben sind. Wie zum Beispiel Prinz Bagration, der illustre General der napoleonischen Kriege, berühmt dafür, seinen Truppen üppige Abendessen zu spendieren, egal ob die Schlacht gewonnen oder verloren worden war. Oder George Balanchine, der Gründer des New York City Ballet, er kam mit der Mission nach Amerika, dass sich das ganze Land in ihn und Koriander verlieben sollte. Zweifelsfrei hatte er mit Ersterem Erfolg und mit dem Letzteren wahrscheinlich auch.

Die Rezepte sind an sich entweder authentisch georgisch, das heißt improvisierte Versionen der Originale, oder persönliche Widmungen an die Georgier selbst – wie Hummer à la Bagration vom „König der Köche und Chefkoch der Könige”, Marie-Antoine (Antonin) Carême.

Aber in Wirklichkeit entspringt dieser nationale Epikureismus einer einfachen Tatsache, der instinktiven Liebe zu den Menschen und zu den Dramen, die sie selbst entwerfen. Die georgische Tafel diente schon immer als hervorragende häusliche Bühne für Darstellungen von großem Heldenmut, Romantik, aber auch von Torheit, erzählt in der Gegenwart lachender Gesichter und umgeben von den köstlichen Aromen des Essens.

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„In diesen Georgiern hatten wir unseren Meister gefunden. Sie schlugen uns beim Essen, beim Trinken, beim Tanzen, beim Singen. Sie besaßen die wilde Fröhlichkeit der Italiener und die körperliche Energie der Burgunder. Alles, was sie taten, taten sie stilvoll.”

John Steinbeck

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Jedes Rezept ist eine Signatur

Keti Bakradze
Inhaberin und Chefköchin von „The Dining Room”
Tiflis, Georgien

George Balanchine, Prinz Bagration, Salome Andronikowa … jeder Georgier hat diese Namen ganz bestimmt schon einmal gehört, ihre Leistungen bewundert und Stolz empfunden, weil sie aus seinem Land stammen. Shooting-Stars, die hoch über dem Regenbogen funkeln. Ich habe mich oft gefragt, was waren sie für Menschen, was haben sie begehrt? Wovor hatten sie Angst? Als ich ihre Rezepte entdeckte, war das für mich eine einzigartige Möglichkeit, in ihre Persönlichkeiten hineinzublicken, weil das Kochen letztendlich ein sehr individuelles und persönliches Unterfangen ist. Es sagt vieles über einen selbst und über sein eigenes Verhältnis zu anderen Menschen aus, über seinen Geschmack, aber auch über seine Vorlieben für die Dinge, die einen umgeben. Wie die Körpersprache so ist auch die Art des Kochens einzigartig. Es ist die persönliche Signatur eines Menschen.

Es war für mich ein großes Privileg und eine Freude, an ihren Rezepten zu arbeiten. Auch wenn Sie nicht wissen, dass Tamara Toumanova eine der größten Ballerinas ihrer Zeit war, wenn Sie ihre Rezepte lesen, spüren Sie, was für eine rigorose und anspruchsvolle Persönlichkeit sich dahinter verbirgt, für welche die physische Darstellung, das Wohlbefinden und die Effizienz über alles gehen. Bei Balanchine dreht sich alles um Generosität, Leidenschaft und Freundschaft. Ob er während der Proben für sich oder für sein Corps de Ballet auf die Schnelle eine Suppe zubereitete oder Paska oder Kulitschi zu Ostern backte, er wollte Menschen immer um ein gemeinsames Ziel zusammenbringen. Wie ein pointillistischer Maler platzierte er Flecken verschiedener Farben – einen neben dem anderen –, um ein Gemälde zu erschaffen; Balanchine mischt seine georgischen Einflüsse mit allen Erfahrungen, die er während seiner Abenteuer in Russland, Frankreich, Monaco oder den Vereinigten Staaten gesammelt hat.

Es war sehr berührend, an der Seite dieser Perfektionisten George Papashvily zu erleben, wie er über sehr traditionelle georgische Gerichte schrieb, die er direkt von seiner Familie überliefert bekommen hatte und für die er lokale Variationen suchte. Alsdann habe ich begriffen, was es für ihn bedeuten sollte, in der Emigration, tausende von Kilometern entfernt von seiner Heimat, exakt die Rezepte zu kochen, die seine Verwandten in ihrem kleinen Dorf täglich essen. Es ist weit mehr als ein einfacher Akt des Kochens – es ist ein Akt des Nichtvergessens.

Als professionelle Köchin habe ich versucht, diese Intentionen zu interpretieren und sie visuell zu gestalten – allerdings mit einer Ausnahme: Hummer à la Bagration von Antonin Carême. Von Beginn der Kreation an war er als mehr als nur ein Gericht geplant, sondern vielmehr als die hohe Kunst der Kulinarik. Deshalb habe ich mir erlaubt, dieses Rezept so zu belassen, wie es war – als Darstellung, als Teil der Phantasie, als Legende oder Märchen dessen, was tief in der georgischen Seele verflochten ist …

„Ehe Sie nicht Georgien gesehen haben, haben Sie nichts gesehen …“

John Steinbeck
A Russian Journal, 1948
(Russische Reise, 2010)

„Russische Reise”