Für Emily und Lilli

Ohne die es dieses Buch nicht gegeben hätte. Und die in diesem Buch weiterleben.

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Václav Havel

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

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Haftungsausschluss

Die persönliche Betreuung in Gesundheitsfragen, während einer Schwangerschaft oder Geburt und im Umfeld eines Verlusts sollte immer durch entsprechendes Fachpersonal geleistet werden. Die Hinweise und Vorschläge in diesem Buch sind kein Ersatz für medizinischen Rat. Im Zweifelsfall befragen Sie bitte Hebamme, Gynäkologe, Arzt oder Apotheker. Teile des vorliegenden Buches basieren (unter anderem) auf zahlreichen persönlichen Angaben, die zur Wahrung der authentischen Wiedergabe inhaltlich nicht modifiziert wurden. Einige dieser Aussagen entsprechen weder der persönlichen Ansicht der Autorinnen noch können sie aus medizinischer Sicht empfohlen werden. Weder Autorinnen, Lektoren noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, eine Haftung übernehmen. Eine Haftung der Autorinnen bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ebenfalls ausgeschlossen. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Sollten sich trotz sorgfältiger Korrektur Fehler eingeschlichen haben, erbitten wir weiterführende Hinweise darauf. Wenden Sie sich in diesem Fall bitte schriftlich an den Verlag.

Markenschutz

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1. Auflage, März 2018

© 2018 edition riedenburg

Anschrift edition riedenburg, Anton-Hochmuth-Straße 8, 5020 Salzburg, Österreich

E-Mail verlag@editionriedenburg.at

Internet editionriedenburg.at

Autorenkontakt www.weitertragen-buch.de, E-Mail: kontakt@weitertragen-buch.de

Lektorat Dr. Heike Wolter, Regensburg

Buchumschlag: Coverfoto © Carolin Erhardt-Seidl; Portrait Kathrin Fezer Schadt © Alex Rademakers

Umschlaggestaltung, Satz und Layout: edition riedenburg

Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-902943-14-9

INHALT

VORWORT

Eine einfach zugängliche und hochtechnisierte Schwangerenvorsorge hat dazu geführt, dass Eltern immer häufiger bereits vor der Geburt mit schwerwiegenden Erkrankungen bei ihrem Kind konfrontiert werden. In dieser Situation stellen sich Betroffene dann Fragen wie „Was bedeutet das für unser Kind?“, „Wer kann uns jetzt helfen?“, „Was sollen wir jetzt tun?“

Um Antworten auf diese Fragen finden zu können, brauchen werdende Eltern in erster Linie Menschen an ihrer Seite, die sie umfassend informieren und ihnen einfühlsam und ohne Zeitdruck alle nun möglichen Wege aufzeigen. Die ergänzende Lektüre dieses Buches wird in bedeutendem Maße dabei helfen können, Ordnung in das immer vorhandene Informations- und Gefühlschaos zu bringen.

Die Autorinnen Carolin Erhardt-Seidl und Kathrin Fezer Schadt haben nicht nur sorgfältig recherchiertes medizinisches Fachwissen in verständlicher Form zusammengestellt, sondern sie beleuchten auch systematisch die in dieser schwierigen Situation wichtigen psychologischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekte. Dabei hüten sie sich, gut gemeinte Ratschläge zu geben. Vielmehr ermutigen sie die Betroffenen, Fragen zu stellen. Fragen, die dazu beitragen können, einen individuellen Weg zu finden.

Und nicht zuletzt lädt dieses Buch Fachpersonen und Angehörige ein, die Situation nach auffälliger Pränataldiagnostik aus der elterlichen Perspektive zu betrachten. Dieser Perspektivwechsel kann wertvolle Denkanstöße geben und dabei helfen, einen achtsamen Umgang mit den betroffenen Eltern zu finden.

Denn eine gute Begleitung kann in dieser Ausnahmesituation nur dann gelingen, wenn sie in Kenntnis der Hoffnungen und Sorgen der Eltern, sowie mit dem notwendigen Respekt vor ihrem Werteverständnis und ihren Entscheidungen erfolgt.

Dr. med. Lars Garten

Leiter Palliativteam Neonatologie

Oberarzt Neonatologie an der Charité,

Universitätsmedizin Berlin

EINFÜHRUNG

Was will dieses Buch?

Während der Begleitung von Eltern in und nach Schwangerschaften mit pränataldiagnostischem Befund haben wir festgestellt, dass mehrheitlich ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen wird. Das entspricht auch der gesellschaftlichen Erwartungshaltung. Nur selten wird konstruktiv über die Alternativen diskutiert: Austragen und Leben mit einem behinderten Kind, palliative Entbindung, Möglichkeit zur Adoptionsfreigabe – Weitertragen.

Diese Lücke möchten wir mit unserem Buch schließen. Nicht als Anti-Abtreibungsbuch: Ganz im Gegenteil vertreten wir die Meinung, dass diese Entscheidung nur jede Familie für sich selbst treffen kann, von außen unbeeinflusst und dabei möglichst wertfrei begleitet. Diese lebensverändernden Entscheidungen können von werdenden Eltern aber nur durch profunde Aufklärung und intensive Betreuung kompetent getroffen werden. Unser Buch ist also vor allem ein Plädoyer für eine solche Aufklärung, die alle Alternativen miteinschließt.

Außerdem sind wir der Auffassung, dass eine Schwangerschaft auch nach pränataler Diagnose trotz allem immer noch und vor allem eine Schwangerschaft ist. Deshalb braucht es einen angepassten Schwangerschaftsratgeber für diese besonderen und doch ganz normalen Familien, da es werdenden Eltern oftmals schwerfällt, in handelsüblichen Ratgebern zu blättern, die begleitet werden von Fotos lachender Eltern und gesunder Kinder. In diesen Büchern können sich Familien nach einer pränatalen Diagnose ganz offensichtlich nicht wiederfinden. In unserem Buch stehen aber genau diese Familien im Mittelpunkt.

Wir hoffen, dass diese Informationen und Ideen ihren Weg in die Welt finden und von Familie zu Familie weitergetragen werden. Und auch, dass sie viele Eltern in dieser schweren Zeit in ihrem Leben ein kleines Stück Wegstrecke weitertragen können. Vor allem hoffen wir, mit diesem Buch einen offenen und in diesen Zeiten so wichtig gewordenen gesellschaftlichen Diskurs im Bereich der Pränataldiagnostik zu unterstützen.

Diese Seiten möchten somit nicht nur möglicher Leitfaden für Betroffene sein, sondern auch für Angehörige, Fachpersonal, Ausbildungsstätten, Beratungsstellen und Politik.

Kathrin Fezer Schadt

Carolin Erhardt-Seidl

Hinweise

Der erste und wichtigste Hinweis für den Umgang mit diesem Buch ist, dass jedes Krankheitsbild, jedes Kind und jede Familie einzigartig und somit die Wege schwer miteinander zu vergleichen sind. Deshalb muss jede Situation immer neu betrachtet und eingeschätzt werden. Was die Eltern, die in diesem Buch zu Wort kommen, erlebt haben, muss nicht automatisch für die jeweiligen Leser gelten, obwohl sie vielleicht die gleiche Diagnose erhalten haben. In diesem Buch beziehen wir uns auch nur auf Erkrankungen und Behinderungen, die im Rahmen der Pränataldiagnostik üblicherweise festgestellt werden.

Die Informationen zu den rechtlichen Grundlagen sowie zu den Unterstützungsmöglichkeiten beziehen sich ausschließlich auf Deutschland. Wir nehmen aber an, dass zahlreiche gesetzliche Rahmenbedingungen zum Beispiel in Österreich oder der Schweiz ähnlich sind.

Wir möchten werdende Eltern so wertfrei wie möglich an unseren Erfahrungen mit Familien teilhaben lassen und ihnen somit die Gelegenheit geben, die Informationen, die ihnen auf ihrem Weg helfen könnten, für sich herauszufiltern. Wir unternehmen hier den Versuch, so umfassend wie möglich alle relevanten Themen aufzubereiten, damit dann kompetent und gestärkt eigene Entscheidungen getroffen werden können. Wir wünschen allen an dieser Stelle den Mut, diesen individuellen Weg zu finden und auf ihre Entscheidungsprozesse zu vertrauen.

In den letzten Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass manchen werdenden Eltern die Auseinandersetzung mit ähnlichen Familiengeschichten hilft, sich in ihrer eigenen Situation besser zurechtzufinden. Deshalb werden in diesem Buch ausführlich Betroffene und auch Fachpersonal zu Wort kommen.

Andere wiederum empfinden diese Berichte als zusätzliche Belastung. Wir schlagen diesen zweiten Lesern vor, die gekennzeichneten Interviewauszüge zu überblättern, sollten sie dazu beitragen, das eigene Trauma zu vergrößern.

Die Betroffenenberichte sind mit dem Icon „Babybauch“ gekennzeichnet.
Die Fachpersonalberichte sind mit dem Icon „Lupe“ gekennzeichnet.

Abkürzungen und Begriffsverwendungen

Auf den folgenden Seiten werden wir dazu übergehen, die Begriffe „Pränataldiagnostik“ sowie „pränatale Diagnose“ mit „PND“ abzukürzen. Alle Wochenangaben sind immer ab dem ersten Tag der letzten Menstruation gerechnet, die geläufige Abkürzung „SSW“ bedeutet vollendete Schwangerschaftswoche plus x Tage. Erklärungen von Fachbegriffen finden sich darüber hinaus im Glossar und über das Stichwortverzeichnis.

Die Entwicklungsschritte des Kindes im Ratgeberteil können von Kind zu Kind verschieden sein, deshalb fügen wir stets ein „je nach PND“ (je nach pränataler Diagnose) oder „in der Regel“ ein, um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen. Uns war es dennoch wichtig, einige von diesen normalen Prozessen zu benennen, um ein gewisses Grundwissen zu schaffen, an dem sich die Leser „entlanghangeln“ können.

In diesem Buch verwenden wir außerdem Begriffe wie „krank“, „behindert“, „gesund“ und „normal“. Dies allerdings nur, um bei Begrifflichkeiten zu bleiben, die der Mehrheit der Leserschaft bekannt und verständlich sind. Und in dem Bewusstsein, dass mit ihnen komplexe Eigenschaften der menschlichen Natur nur oberflächlich beschrieben werden können und somit andere, ebenfalls wichtige Facetten und Begabungen eines Menschen, die vielleicht allgemein als „besonders“ oder „außerordentlich“ bezeichnet werden könnten, zu kurz kommen. Hierfür müssten gegebenenfalls neue Begriffe in unsere Sprache Einzug finden. Sehr gefallen hat uns Birte Müllers Beschreibung ihrer beiden Kinder: Willi, 9 (Down-Syndrom), und Olivia, 7 (Normal-Syndrom). Dieses Normal-Syndrom werden wir an der ein oder anderen Stelle aufgreifen (Müller 2015). Sowie die Idee, manche „Störungen“ vielmehr für uns als „Varianten“ der menschlichen Spezies einzuordnen.

Außerdem halten wir uns häufig im Text an den Begriff „Betroffene“, wissentlich, dass dieser von manchen nicht sonderlich gemocht wird, da er meist in einem negativen Kontext gelesen wird und Betroffene sich selbst oft gar nicht in eine solche „Trauerkloßecke“ stellen wollen. Für diese neutrale Bezeichnung haben wir uns deshalb entschieden, um alle Leser mit einschließen zu können: werdende Eltern, Familienmitglieder und auch Fachpersonal, die alle gleichermaßen von so einer Situation „betroffen“ sind. Wir denken hierbei vielmehr an ein „dies betrifft auch mich“.

Gerne würden wir diesen Begriff an dieser Stelle also etwas aus seiner allzu negativen Ecke herausholen: In erster Linie verwenden wir ihn im Sinne von „die Auswirkungen von etwas an sich selbst erfahren“, ohne dabei diesem Wort einen unangenehmen Beigeschmack oder das Bedauern darüber, betroffen zu sein, mitzuliefern.

Da sich dieses Buch an (werdende) Eltern, Angehörige und Fachpersonal gleichermaßen richtet, sind die Formulierungen und die Sprache insgesamt bewusst allgemeinverständlich gewählt und Fachbegriffe grundsätzlich erklärt.

Er, Sie, Es

Statt der geschlechterspezifischen Bezeichnung „Vater“ werden wir den geschlechtsneutraleren Begriff „Partner“ verwenden, um somit alle möglichen Familienmodelle mitzudenken. Wir möchten uns vorab dafür entschuldigen, nicht allen Aspekten der Genderdebatte sprachlich gerecht zu werden. Zugegebenermaßen haben wir diesem Punkt weniger Aufmerksamkeit geschenkt, als er es verdient hätte.

Darüber hinaus haben wir uns in den meisten Fällen für den Begriff „Kind“ statt „Fötus“ entschieden, aus Respekt vor den Betroffenen, die im Kreise ihrer Familien in der Regel ebenfalls von ihrem Kind, und nicht vom medizinisch geprägten (und damit für sie entfremdenden) Begriff Fötus oder Embryo, sprechen. Wir versuchen damit unseren eigenen Erfahrungen und denen vieler Familien gerecht zu werden.

Gesprächspartner

Alle Gesprächspartner sind im folgenden Personenverzeichnis mit vollständiger Beschreibung aufgelistet. Im Verlauf des Buches sind diese Bezeichnungen im Sinne eines angenehmen Leseflusses und einheitlichen Schriftbildes abgekürzt dargestellt.

Aus diesem Grund verzichten wir darauf, immer alle Kinder einer Familie innerhalb des Buches vor den Interviews zu nennen. Sie sind nur einmal im Personenverzeichnis aufgelistet, dazu weitere Details zu Diagnose, Zeitpunkten und Entscheidung.

Bei der Auswahl der Gesprächspartner haben wir bewusst darauf geachtet, mit möglichst unterschiedlichen und auch besonderen Fällen und Erzählperspektiven die wichtigsten Themen im Buch abzudecken. Durch eine etwas kleinere, aber sorgsam ausgewählte Zahl der Interviewpartner wollten wir außerdem den einzelnen Gesprächen viel Raum geben, um in die Tiefe gehen zu können und nicht an der Oberfläche bleiben zu müssen. So bekommt der Leser die Möglichkeit, die einzelnen Gesprächspartner wiederzuerkennen, immer besser kennenzulernen und sich mit ihnen zu identifizieren.

Unsere Auswahl beinhaltet deshalb keinen statistischen Wert, vielmehr sollen dadurch möglichst viele Aspekte durch unterschiedliche Szenarien thematisiert und den Betroffenen damit eine breite Basis an Information gegeben werden. Wir denken, dass dies für den individuellen Weg der Betroffenen von Vorteil ist, um sich innerhalb der Thematik und in Bezug auf die eigene Situation zu positionieren und bestmöglich gemeinsam mit dem Fachteam vorzubereiten.

Dabei haben wir bewusst auch unangenehme Themen nicht ausgeklammert, weil wir denken, dass es notwendig ist, sich mit manchen Fragen vorab zu beschäftigen (auch wenn es schwerfällt), um nicht überraschend mit schwer lösbaren Überlegungen und Situationen konfrontiert zu werden.

Personenverzeichnis

Betroffene Familien

Biggy, Oma der Zwillinge *Ben 5 und †Finn (2012), Anenzephalie, PND und infauste Prognose in der 15. SSW. Die Zwillingsschwangerschaft wurde bis zur 36. SSW ausgetragen, beide Kinder dann per Kaiserschnitt geboren und Finn daraufhin palliativ begleitet. Er verstarb einige Stunden nach der Geburt. Ben ist gesund. Sowie *Laura 0 (alle Namen anonymisiert).

Elke, Mutter von *Manuel 21 (damals 11), †Marie (2007), Trisomie 13, PND und infauste Prognose in der 22. SSW, wurde zum Abbruch durch Einleitung (kein Fetozid) auf Anraten des Fachpersonals am selben Tag gedrängt, ohne Aufklärung sowie ohne Hinweis auf Alternativen. Sowie *Leo 8, *Lola 6.

Ildikó von Ketteler-Boeselager, Mutter von *Amelie 12 (damals 2 und 6), *Alice 8 (damals 2), *Miriam 4, *Anton 2 (Namen anonymisiert). Sowie *Béla 10, Trisomie 21, dessen Diagnose erst nachgeburtlich gestellt wurde. Sowie †Valentina (2011), Anenzephalie, PND und infauste Prognose in der 14. SSW, palliative Geburt in der 42. SSW, Valentina verstarb einige Stunden nach der Geburt. Ildikó setzt sich seit Jahren für bessere Aufklärung zum Thema Down-Syndrom und Pränataldiagnostik ein. Sie hat Valentinas Geschichte in einem Tagebuch festgehalten, das in Auszügen veröffentlicht ist (Verreet und Schall-Riaucour 2015).

Karin, Mutter von *Eleonore 20 (damals 12), *Claudia 16 (damals 8) und †Viola (2009), Trisomie 21, PND in der 20. SSW, kurz darauf Abbruch durch Einleitung (kein Fetozid).

Nadine, Mutter von *Lea 9 (damals 5), *Luisa 7 (damals 3). Sowie *Esther 4, PND und infauste Prognose in der 24. SSW, palliative Geburt in der 34. SSW (Einleitung u.a. aufgrund Kopfumfang, später Kaiserschnitt). Die diagnostizierte Holoprosenzephalie konnte nachgeburtlich nicht festgestellt werden, ein Hydrozephalus konnte mit einer Shunt-Operation behandelt werden. Esther wurde zwar zu früh geboren, entwickelt sich aber altersgerecht.

Petra, Mutter von *Theresa 14 (damals 3 und 7, s.u.). Sowie †Malte (2007) und †Harriet (2010), beide Nierenfehlbildungen, PND und infauste Prognose für Malte in der 34. SSW, für Harriet in der 22. SSW. Petra entschied sich beide Male für das Weitertragen. Malte: palliative Geburt in der 37. SSW. Harriet: palliative Geburt in der 36. SSW (Einleitung aufgrund psychischer Belastung). Theresa, 14 Jahre (damals 3 und 7), große Schwester von †Malte (2007) und †Harriet (2010).

Sabrina, Mutter von *Sophia 4, Zwerchfellhernie, PND in der 30. SSW, Kaiserschnitt in der 36. SSW. Sophia wurde postnatal im Kompetenzzentrum für Zwerchfellhernie erfolgreich operiert und behandelt und entwickelt sich gut. Sabrina hat eine Elterngruppe auf Facebook für Eltern mit einem Kind mit Zwerchfellhernie ins Leben gerufen.

Sandra und Kristian, Eltern von *Elena 4, Spina Bifida und Trisomie 18, PND und infauste Prognose in der 16. bzw. 23. SSW, palliative Geburt in der 41. SSW. Elena lebt zu Hause mit ihrer Familie sowie mit Geschwisterkind *Julijana 2. Die Eltern haben eine Elterngruppe auf Facebook und eine Informationsseite ins Leben gerufen.

Sonja (Namen anonymisiert), Mutter von *Paul 12 (damals 2) und †Leon (2008), hypoplastisches Linksherzsyndrom, PND in der 24. SSW, Schwangerschaftsabbruch in der 25. SSW durch Einleitung (kein Fetozid).

Fachpersonal

Dr. med. Lars Garten, ärztlicher Leiter des Palliativteams Neonatologie und Oberarzt der Klinik für Neonatologie an der Charité Universitätsmedizin in Berlin. http://palliativteam-neonatologie.charite.de

Dr. med. Adam Gasiorek-Wiens, M.mel., Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie, Master of Medicine, Ethics and Law, Gastwissenschaftler der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité. Ehemals Gründungspartner des „Zentrum für Pränataldiagnostik und Humangenetik“ in Berlin.

Uller Gscheidel, Diplom-Pädagoge, Bestattungsunternehmer in Berlin, Geschäftsführer von Portadora Abschiedskultur in Berlin. www.charon.de

Prof. Dr. med. Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie & minimal-invasive Therapie (DZFT) in Mannheim. www.dzft.de

Dipl. Soz. Päd. Claudia Langanki, Trauerbegleiterin/Therapeutin (Systemische Therapie, HP für Psychotherapie), Leitung Kinderhospiz Bärenherz in Wiesbaden. www.kinderhospizwiesbaden.de

Birgit Scharnowski-Huda, Medizinerin, Gründerin des Regenbogen-Gesprächskreises Göttingen, ehremamtliche Elternbegleitung nach PND seit vielen Jahren. Mitglied des Klinischen Ethikkomitees der Universitätsmedizin in Göttingen.

Gerhard Schindler, Öffentlichkeitsarbeit Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. in Papenburg. Vermittlungshilfe chronisch kranker und behinderter Kinder in Pflegefamilien sowie Beratung und Netzwerk für Pflegeeltern. www.bbpflegekinder.de

Sabine Schlotz, Diplom-Psychologin, ehem. Krankenschwester, Autorin von „Bauchgeflüster“, begleitet seit 2004 Schwangere mit der Bindungsanalyse in eigener Praxis. Gründerin von LEONA e.V., Mutter von *Sebastian 32 (damals 7), *Tine 28 (damals 2) und *Franziska 22. Sowie †Leona (1992), Trisomie 18, PND und infauste Prognose in der 34. SSW, IUFT und stille Geburt in der 43. SSW.
www.babybauchgefluester.de

Dr. Clarissa Schwarz, Hebamme, Bestatterin, Achtsamkeitslehrerin, Gesundheitswissenschaftlerin in Berlin. www.clarissa-schwarz.de

Autorinnen

Carolin Erhardt-Seidl, Dipl. Ing. (FH) Architektur. Gemeinsam mit ihrem Mann betrieb sie ab 2009 das Betonatelier, in dem Gedenksteine für Sternenkinder gefertigt wurden, bevor sie sich 2013 beruflich der Fotografie zuwandte und heute nur noch als Neugeborenen- und Kinderfotografin tätig ist. Eingetragene ehrenamtliche Sternenkindfotografin bei „Dein Sternenkind“ ist sie seit 2014. Im Jahr 2011 gründete sie das Elternforum Krankes Baby austragen und begleitete dort jahrelang Eltern nach pränataler Diagnose. Im Jahr 2014 rief sie den Verein Weitertragen e.V. ins Leben, ist dort aber nicht mehr aktiv. Anfang 2018 gründete sie ein Fotografennetzwerk für ehrenamtliche Schwangerschaftsfotografie für Eltern nach PND. Mutter von †Emily (2008), Ullrich-Turner-Syndrom, PND und infauste Prognose in der 13. SSW, IUFT und stille Geburt in der 22. SSW. Sowie *Hanna 8, *Julian 4, *Mia 1 (Namen anonymisiert). Lebt mit ihrer Familie in der bayerischen Oberpfalz.

www.weitertragen.info

Kathrin Fezer Schadt, Journalistin und Autorin. Von ihr erschienen sind unter anderem Lilium Rubellum, Roman, Horlemann-Verlag; Tim lebt, Sachbuch, adeo Verlag; Der verlorene Stern, Schaltzeit Verlag. Veröffentlicht hat sie außerdem in DIE ZEIT und FAZ. Als Journalistin nähert sie sich seit Jahren immer wieder den Themen „Pränataldiagnostik“ und „Palliativversorgung in der Neonatologie“. 2009 gründete sie die Initiative Erste Hilfe Köfferchen Berlin, hier werden Eltern von kranken und verstorbenen Kindern ehrenamtlich während und nach der Schwangerschaft begleitet (sie ist dort nur noch als Gründerin im Hintergrund aktiv). Mutter von †Lilli (2009), Ullrich-Turner-Syndrom, PND und infauste Prognose in der 16. SSW, palliative Geburt in der 37. SSW, einen Tag nach der Geburt verstorben (fehlende Nierenfunktion). Sowie *Ella 5 (Name anonymisiert). Lebt mit ihrer Familie, zu der auch ein Hund und ein Papagei gehören, in Barcelona (und Berlin), wo sie sich dem Schreiben von journalistischen und literarischen Texten widmet.

www.erste-hilfe-koefferchen.com

Umfeld, Eltern und Mehrlingskinder

In den jeweils einführenden „Familie und Umfeld“-Kapiteln schließen wir immer auch das Fachpersonal als Teil des Umfelds der Betroffenen gedanklich mit ein.

Bei Müttern und ihren Partnern scheint es Verhaltensweisen zu geben, die sich trotz aller Unterschiede regelmäßig wiederholen: Während der Begleitung von betroffenen Paaren konnten wir immer wieder beobachten, wie unterschiedlich sie auf eine PND reagieren. Allerdings sind uns, in geringerer Häufigkeit, alle beschriebenen Verhaltensweisen auch schon spiegelverkehrt oder vermischt untergekommen.

Wir haben in dem wiederkehrenden Mehrlingskinder-Unterkapitel immer konsequent alles zur Mehrlingsthematik versammelt und es dem Familie-und-Umfeld-Kapitel zugeordnet, da unserer Auffassung nach Mehrlinge ein weiteres Familienkonzept (wie auch Alleinstehende) darstellen und darüber hinaus eine besondere Geschwisterkonstellation. So finden diese Familien „ihre“ Informationen immer auf einen Blick. In diesen Kapiteln verwenden wir den Begriff „Mehrlingsschwangerschaften“ und „Mehrlingskinder“, um alle möglichen Mehrlingsschwangerschaften mit einzuschließen, nicht nur die der Zwillinge, um die es aber in den meisten Fällen hier gehen wird, da höhergradige Mehrlingsschwangerschaften sehr selten sind.

Wir sind trotz allem schwanger

Obwohl es in diesem Buch vordergründig um die besonderen Aspekte einer Schwangerschaft nach einer PND geht, möchten wir betonen, dass auch diese Schwangerschaft immer noch eine Schwangerschaft mit all ihren Begleiterscheinungen und „Zipperlein“ ist, weshalb auch diese Themen bei uns ganz bewusst nicht zu kurz kommen dürfen.

Es geht in diesem Buch also auch um ganz normale kleinere Beschwerden und Sorgen sowie, von uns immer wieder in den Fokus gerückt, die positiven Aspekte einer Schwangerschaft. Uns ist es wichtig, werdenden Eltern mit diesem Buch und im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein kleines Stück Normalität zurückzuschenken.

Dieses Bedürfnis nach Normalität sowie nach einem Buch, das endlich beide Aspekte in sich vereint, nämlich die problematische sowie die normale Schwangerschaft, wurde uns in den letzten Jahren immer wieder von den Betroffenen gespiegelt. Nach ihrer Diagnose konnten sie mit den normalen Schwangerschaftsratgebern nichts mehr anfangen. Auch ihnen widmen wir dieses Buch.

Betroffene sind auch nach einer PND immer noch werdende Eltern, erwarten immer noch ein Kind und dürfen dementsprechend auch diese Schwangerschaft erleben: Freude und Glück eingeschlossen. So absurd das auf den ersten Blick erscheinen mag, diese Gefühle finden trotz allen Schmerzes nämlich weiterhin statt. Hinter dieser Erkenntnis verbirgt sich die Chance, auch in solch einer Schwangerschaft positive Erinnerungen bewusst zu schaffen und zu sammeln, Momente, auf die auch in Zukunft als Kraftquelle zurückgegriffen werden kann.

Wir werden im weiteren Verlauf des Buches diesen für uns so wichtigen roten Faden immer wieder aufgreifen und weiterspinnen. Deshalb gehen wir auch konsequent und ausführlich auf normale Schwangerschaftsthemen ein, um diesen Schwangeren einen nicht nur besonderen, sondern auch im weitesten Sinne vollständigen Schwangerschaftsratgeber an die Hand zu geben, der eben nicht nur pränataldiagnostische Probleme wälzt, sondern sie auch bei anderen Fragen rund um ihre Schwangerschaft begleitet. Darunter auch Allgemeines zu Rechtlichem und Unterstützung während Schwangerschaft und Geburt.

Da sich Beihilfen und Förderungen immer wieder ändern, verzichten wir in den meisten Fällen darauf, genaue Beträge anzugeben, und verweisen auf entsprechende Stellen, wo diese erfragt werden können.

Angaben zu Größe und Gewicht des Kindes in der Schwangerschaftsentwicklung haben wir bewusst weggelassen, weil viele Kinder nach einer PND in genau diesen Bereichen aus der Norm fallen und sich Eltern häufig aufgrund der Ergebnisse bzw. Angaben große Sorgen machen. Zudem entwickeln sich Kinder ab einem gewissen Schwangerschaftsalter individuell. Es gibt zahlreiche Seiten im Internet, auf welchen das zusätzlich recherchiert werden kann.

Gute Begleitung bleibt essenziell

Zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass alle Inhalte dieses Buches nicht dazu gedacht sind, eine Beratung oder Begleitung durch Fachpersonal (Ärzte, Hebammen, psychosoziale Begleitung) zu umgehen, vielmehr sollen sie eine hilfreiche Ergänzung sein und einen Beitrag für mehr Verständnis füreinander in dieser schwierigen Zeit leisten. Angaben zu Medikamenten dienen nur der Vorabinformation und eine Einnahme ist zwingend immer mit dem Arzt oder Apotheker abzustimmen.

Alle Inhalte wurden gewissenhaft, auf Basis umfangreicher Recherche, vieler Stunden Interviewmaterial mit Fachpersonal und Betroffenen und eines großen Erfahrungsschatzes durch unser eigenes Erleben und die jahrelange Begleitung von betroffenen Eltern zusammengetragen. Wir erheben aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und Wissenschaftlichkeit.

Und selbstverständlich kann dieses Buch einen intensiven Austausch mit Fachpersonal und anderen Betroffenen nicht ersetzen.

RUND UM DIAGNOSE
UND ENTSCHEIDUNG

Die Ruhe vor dem Sturm

Biggy (Oma der Zwillinge *Ben 5 und †Finn, Anenzephalie): Als Karla uns erzählte, dass sie schwanger ist und kurz darauf, dass es Zwillinge werden, war das eine große Überraschung für uns. Wir freuten uns alle sehr für sie.

Eine zweite Linie erscheint im Schwangerschaftstest. Oder das kleine Plus im runden Fenster. Wie auch immer der positive Test aussehen mag: Die Frau ist schwanger. Ob ungewollt oder jahrelang ersehnt – dieser Moment bleibt unvergesslich. Für die eine große Freude, für die andere Überraschung oder Schock. So oder so werden sich die meisten im ersten Moment überfordert fühlen und nicht so recht wissen, wohin mit sich. Dann aber, nach und nach sickert die Nachricht ein, verwandelt sich von Information zu Lebensereignis. Ganz egal, ob dieses Kind gewünscht ist oder nicht, mit den Tagen und Wochen werden Frauen und Paare erkennen, dass sie längst andere geworden sind, dass schon jetzt nichts mehr ist, wie es einmal war. Sie beginnen zu begreifen, dass sie ein Kind erwarten.

Trotz aller Trivialität, die in diesen Worten zu stecken scheint – „ein Kind erwarten“ (schließlich wird das Rad auch für dieses Paar nicht neu erfunden) –, sind die meisten werdenden Eltern schwer beeindruckt. Erst wer diese Erfahrung selbst macht, erlebt ihre Größe für das eigene Leben.

Vom Ideal- zum Problemfall

Biggy (Oma der Zwillinge *Ben 5 und †Finn, Anenzephalie): Nach einer Überweisung an einen Spezialisten bestätigte sich der Verdacht. Meine Tochter war alleine in der Praxis ... es ergreift mich immer noch. Wir waren alle geschockt.

Die ideale Schwangerschaft stellen sich die meisten Menschen als idyllischen Spaziergang an einem friedlichen Ort vor. Dass die allermeisten Schwangerschaften genau das nicht sind, kann erzählen, wer schon eine oder mehrere hinter sich hat.

Es gibt fast nie optimale Zustände – irgendwas ist in jeder Schwangerschaft: ein Problem am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft, bei der werdenden Mutter, beim ungeborenen Kind.

Jede Schwangere und Familie tut also gut daran und nimmt den Stress aus der Situation, wenn sie sich von vornherein von der idealen Schwangerschaft unter Optimalbedingungen verabschiedet. Es gibt kaum eine Schwangerschaft unter ausschließlich paradiesischen Umständen.

Genau entgegengesetzt zu diesen Paradiesvorstellungen laufen Schwangerschaften in der Medizin mittlerweile längst unter „potenzielles Risiko“, welches unter permanenter Beobachtung steht. Womit dem weiblichen Körper und den natürlichen Abläufen einer Schwangerschaft jegliche Autonomie genommen wird.

Die Schwangere sitzt nun regelmäßig im Warteraum des Frauenarztes, blättert in Zeitschriften oder hält Händchen mit dem Partner. Sie öffnet die Tür zum Behandlungsraum, legt sich auf die Liege, öffnet den Knopf ihrer Hose, der Arzt schallt das Kind. Alle lächeln, die Schwangere schüttelt die Hand des Arztes und geht mit neuen Einträgen im Mutterpass nach Hause. Das wäre – aus diagnostischer Sicht – der wünschenswerte Idealfall.

Im Fall der betroffenen Leser wird es vermutlich wie folgt oder ähnlich gewesen sein: Die Schwangere öffnete die Tür zum Behandlungsraum, legte sich auf die Liege, öffnete den Knopf ihrer Hose, der Arzt schallte ihr Kind. Niemand lächelte, von einer Sekunde auf die andere veränderte sich alles. Wurden alle still im Raum, runzelte der Arzt vielleicht die Stirn, beugte sich näher an den Bildschirm und alle wussten, dass etwas nicht stimmte. Die Schwangere fragte mit klopfendem Herzen, was los sei. Vielleicht räusperte sich der Arzt, bat um einen Augenblick Zeit, vielleicht sagte er auch nichts.

Der Schwangeren brach der Schweiß aus, jetzt galoppierte ihr Herz, sie spürte, wie Übelkeit aufstieg, wie ihr kalt wurde, sie begann zu zittern: Sie war in ihrer Problemschwangerschaft angekommen.

Pränataldiagnostik (PND)

Sabine Schlotz (Diplom-Psychologin, Autorin, Gründerin LEONA e.V.): Ich betreue nun schon sehr lange Schwangere. Wenigen Frauen ist bewusst, dass Ultraschall auch PND ist. Jede erhält ihn – will sie ihn nicht, muss sie darum kämpfen. Ich sehe kaum noch eine Schwangere in der Praxis, die nicht irgendwann in ihrer Schwangerschaft mit irgendeiner Auffälligkeit beim Ultraschall konfrontiert wird.

Birgit Scharnowski-Huda (Elternbegleitung nach PND): Ich kann auf fast 40 Jahre Erfahrung mit der PND zurückblicken. Ich bleibe ambivalent. Ich halte sie in manchen Bereichen für hilfreich. Auf der anderen Seite bin ich hinsichtlich der Selektion von Kindern, die einen Makel haben, sehr kritisch. Ich finde, es ist nach wie vor ein sehr gesellschaftliches, sehr schwieriges Thema. Das Rad der Technik, den Fortschritt, können wir aber nicht zurückdrehen.

Dr. med. Lars Garten (Leiter Palliativteam Neonatologie, Oberarzt für Neonatologie): Ein Problem ist, dass pränatale Befunde oft nicht eindeutig sind – nicht Fisch, nicht Fleisch. Es könnte etwas sein, muss aber nicht. Ab diesem Zeitpunkt ist die Unbeschwertheit der Schwangerschaft dahin. Viele Frauen leben nun die folgenden Wochen und Monate in großer Angst, dass irgendetwas nicht mit ihrem Kind in Ordnung ist. Nach der Geburt lösen sich viele Verdachtsmomente oftmals in Luft auf und das Kind ist kerngesund. Diesen Aspekt der PND sehe ich durchaus kritisch.

Sonja (Mutter von †Leon, hypoplastisches Linksherzsyndrom): Tatsächlich habe ich mir keine Gedanken gemacht, PND war damals bei meinen beiden Schwangerschaften etwas, was automatisch dazugehörte. Ich bin immer davon ausgegangen, ich gehe zur Untersuchung und mir wird bestätigt, dass alles ok ist.

Mit der Möglichkeit, dass eine PND genau das Gegenteil zeigen könnte, habe ich nicht gerechnet. Für mich hat die Untersuchung bis dahin eine Sicherheit bedeutet, die mich in meinem guten Gefühl bestärken sollte. Heute bin ich klüger. Die PND kann das ganze Leben durcheinanderbringen. Es hat sich dadurch aber auch gezeigt, dass wir als Eltern mitentscheiden können. Dass wir plötzlich Möglichkeiten haben, selbst in den Verlauf einer Schwangerschaft einzugreifen, war für mich vorher nie eine Option.

Biggy (Oma der Zwillinge *Ben 5 und †Finn, Anenzephalie): Ich bin überzeugt davon, dass es gut war, alles vorher schon durch die PND zu wissen. Das hat die Auseinandersetzung und den Schmerz vielleicht etwas leichter gemacht. Ich glaube, von so etwas überrascht zu werden und diese Hilflosigkeit dann unvorbereitet zu erleben ist sehr viel schwieriger. Meine Tochter hätte keine geplante Geburt in Anspruch nehmen können und ihr gesunder Sohn Ben wäre vielleicht noch gefährdeter gewesen. So war durch die PND klar, dass es einen Kaiserschnitt brauchte, um die Risiken für alle zu minimieren. Vielleicht ist PND nicht immer sinnvoll, in unserem Fall aber war sie es.

Wer heute schwanger ist, wird an diesem Begriff nicht mehr vorbeikommen, und wer eine problematische Schwangerschaft hinter sich hat, wird ihn nicht wieder vergessen: Pränataldiagnostik: prä (lat.): vor, natal (lat.): geburtliche, diagnosis (griech.): Unterscheidung oder Entscheidung – die Maschinerie, die werdende Eltern nicht nur durch eine Auffälligkeit, sondern heutzutage in nahezu jeder Schwangerschaft durchlaufen. PND ist in unserer Gesellschaft Standard geworden.

Wovon die Wissenschaft noch vor 40, 30, 20 Jahren geträumt hat, ist heute unsere pränatalmedizinische Realität geworden. Der technische Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat viele Rätsel zur Entstehung des menschlichen Lebens entmystifiziert oder aber weitere Fragen aufgeworfen. Er schreitet dabei unaufhaltsam voran.

Gab es in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch kaum verbreitet Ultraschalluntersuchungen, können wir heute unseren ungeborenen Kindern in 4-D im Bauch beim Daumenlutschen zusehen und von den Aufnahmen Abzüge machen lassen. War es der Medizin irgendwann möglich, über Fruchtwasseruntersuchungen frühzeitig Informationen über die genetischen Dispositionen des Kindes in Erfahrung zu bringen, sind es heute Blutuntersuchungen, die den werdenden Eltern solche Ergebnisse versprechen.

Die PND vermittelt der Gesellschaft hierbei ein elementares Gefühl: Sicherheit und aus der Diagnostik heraus resultierende Handlungsspielräume. Das Gefühl der Sicherheit beruht auf der Idee, dass durch die PND Krankheiten „rechtzeitig“ erkannt werden können, woraus also die Möglichkeit erwachsen soll, darauf zu reagieren, handeln zu können. Die Frage, die hier anschließen könnte, lautet: Auf was bezieht sich dieses „rechtzeitig“? Die trügerische Sicherheit, Krankheiten rechtzeitig erkennen zu können, kann diese auch in Zukunft nicht grundsätzlich verhindern. Das Einzige, was sich also mit der Entwicklung der PND geändert hat, ist unser Informationsgemenge: Es ist das „rechtzeitige Wissen“ um eine Krankheit und es sind damit gegebenenfalls neue Handlungsspielräume, um werdender Mutter und Kind zu helfen, denn auch hier entwickelt sich die Technik stetig weiter. Durch dieses Wissen entstehen aber nicht nur diese Handlungsspielräume, sondern auch eine gewisse Handlungspflicht. Denn pränatale Untersuchungsergebnisse zwingen werdende Eltern heute dazu, Entscheidungen treffen zu müssen.

Hinter dem verschwommenen Begriff des „rechtzeitigen Wissens“, was „rechtzeitiges Handeln“ impliziert, verbergen sich also zwei geradezu gegenläufige Bedeutungen: 1.) „rechtzeitig“ dem Kind/der Mutter helfen und 2.) „rechtzeitig“ einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Diese Weggabelung wird erst sichtbar, wenn der Hammer der Diagnose niedersaust. Und dabei bezieht sich das „rechtzeitig“ in den meisten Fällen eben nicht auf therapeutische Möglichkeiten, sondern auf eine Beendigung der Schwangerschaft so früh wie möglich (Achtelik 2015, 41 ff.). „Sie müssen jetzt eine Entscheidung treffen“, ist dabei zur Standardphrase nach vorgeburtlicher Diagnose geworden. Dahinter steckt die Annahme, dass werdende Eltern nach einer Diagnose aktiv in den Verlauf ihrer Schwangerschaft eingreifen wollen. An dieser Stelle möchte dieses Buch den Prozess des Hinterfragens beginnen: Was müssen werdende Eltern? Und warum?

Der Begriff der PND wird heutzutage also weitgehend in diesem Zusammenhang verstanden, nämlich als Mittel der (genetischen) Diagnostik mit Option auf einen Schwangerschaftsabbruch. Tatsächlich ist sie aber mehr als das, denn im Prinzip ist jegliche Schwangerschaftsvorsorge pränatale Diagnostik. Jeder Ultraschall, jede Untersuchung, die den Gesundheitszustand der werdenden Mutter und des Kindes bewertet, um eine Gefährdung zu erkennen oder eine besondere Geburtsplanung zu ermöglichen (Stichworte: Klinikwahl, Erkrankungen der Mutter, Kompetenzzentren oder Pränatale Therapie).

Diese Aspekte im Hinblick auf die Schwangerenvorsorge in unserem Gesundheitssystem können unbestritten als positiv bewertet werden, sollten dabei aber keine Verpflichtung sein.

Die fortschreitende technologische Weiterentwicklung im Bereich der PND führte zur festen Etablierung verschiedener Verfahren in der Schwangerenversorgung. Während vor etwa 30 Jahren nur recht wenige Schwangere pränataldiagnostische Untersuchungen in Anspruch nahmen, sind heute fast alle Frauen während der Schwangerschaft mit zahlreichen Angeboten an vorgeburtlicher Diagnostik konfrontiert. Das Risiko einer eingriffsbedingten Fehlgeburt durch invasive Diagnoseverfahren ist zumindest bei jüngeren Schwangeren größer als die Wahrscheinlichkeit, eine Chromosomenanomalie zu „entdecken“.

Als Alternative ohne Fehlgeburtsrisiko sind deshalb nicht-invasive Untersuchungsmethoden zunehmend stärker gefragt und werden auch in den Arztpraxen offensiv angeboten. Vor allem die Ultraschalltechnik hat sich stark weiterentwickelt und erlaubt – oft in Kombination mit Blutanalysen – immer genauere Einschätzungen des „Risikos“ für gesundheitliche Beeinträchtigungen des Ungeborenen.

Ethisches Spannungsfeld

Ildikó (Mutter von *Béla 10, Trisomie 21; †Valentina, Anenzephalie):