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Philipp Meran
Winterfuchs und Schnepfenstrich

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Philipp Meran

Winterfuchs

und

Schnepfenstrich

… meine Heimat ist die Jagd!

Leopold Stocker Verlag

Graz – Stuttgart

Umschlaggestaltung: Werbeagentur Rypka GmbH, A-8143-Dobl/Graz

Titelbild: Erich Marek, Schwenningen

Bildnachweis: Die Bilder im Innenteil wurden uns freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt.

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ISBN 978-3-7020-1546-6

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INHALTSVERZEICHNIS

Widmung

Vorwort

Unsere Abstammung und über Familienjagden

Rückblick auf unsere Familie

Frühlingsgedanken

Ein verkürzter Aufenthalt zur Rehbrunft 2014

Mein großer Bruder Feri

Ich jage noch immer

So vieles ist anders geworden in meinem Leben

Wahrheit und Desinformation

Es gibt viel Gutes, bleiben wir guten Mutes

Blatten in der Vorbrunft in Ungarn

Schnepfenerinnerungen und Reflexionen

Ein Septemberbock

Plauderei über einige meiner Hirsche

Auf großen Jagden im Spätherbst 2013

Sorgenvolle Gedanken, auch über die Europäische Union

Fuchsriegler bei Schnee im Hochwinter 2013

Über das Orbán-Regime in Ungarn

Gedanken zur Rehbrunft

Erfreuliches über die Waldschnepfe – vom Rekordjahr 2013 in Ungarn

Nicht geladen oder gesichert

Und wieder Winterfüchse

Der verpasste Septemberbock

Kurzes Nachwort

Lebenslauf

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WIDMUNG

Ich widme dieses Buch meinem Bruder Feri, der am 29. Juli 2014 diese Welt für immer verlassen hat. Ich habe meine ganze Kindheit und einen großen Teil meiner Jugend mit ihm verbracht. Ich kann ihn also am besten beschreiben.

Ein Leben ohne unseren Feri ist ein anderes Leben geworden. Seine letzten Worte an mich waren: „Mach’s gut, bis zum nächsten Mal.“ Er fehlt mir wirklich sehr.

VORWORT

Das Bücherschreiben ist heute nicht mehr das, was es einmal war. Die elektronische Konkurrenz ist zwar nicht so entscheidend, als man ursprünglich annahm, auch wenn die Jugend sich natürlich verstärkt ihrer bedient. Für mich sind und bleiben die Leser ausschlaggebend. Es ist nicht so wichtig, wie viele Bücher man verkauft. Wie in so vielen Sparten des Lebens bleibt die Qualität auf Dauer immer der Quantität überlegen. Und wenn die Zahl der in meinen Augen guten Bücher, jene der „jetztbezogenen“ Werke vielleicht in vielen Fällen nicht auf Dauer erreicht, bleibt mein Prinzip: Die Wahrheit wird sich durchsetzen. Ähnlich habe ich es in „meinem“ Jagdmuseum gehalten. Ein alter Autor und die Vergangenheit kennender Mensch kann abseits von Mode, Technik und Zeitgeist über das berichten, was er selbst erlebt oder in der Jugend gehört hat. Vierzigjährige Historiker können zwar wissenschaftlich hervorragend sein, mit dem völlig unbeeinflussten Zeitzeugen können sie es aber niemals aufnehmen. Ihr Wissen stammt aus der Feder anderer, aus Medien und Werken, die dem jeweiligen Zeitgeist entsprechen. Man darf sich aber niemals täuschen lassen. Auch im Lager der anderen gibt es große Könner.

Was mich anbelangt, wollte ich eigentlich immer Feuilletonist oder Kolumnist werden. Seit meinem zehnten Lebensjahr habe ich täglich Zeitung gelesen und die Welt mit kritischen Augen betrachtet. Die Trends kommen und gehen, sie haben mich nie interessiert und beeinflusst. Nehmen Sie, meine lieben Leser, die Texte eines nie beeinflussten Zeitzeugen mit dem gleichen Interesse entgegen, mit dem sie meine vielen – vielleicht zu vielen – Bücher gelesen haben. Mit der Vergangenheit wird heutzutage oft Schindluder getrieben. Bitte nehmen Sie mein – vielleicht letztes – Buch mit der gleichen Sympathie entgegen wie seine Vorgänger. So wie ich in der Jugend war, so blieb ich ein überzeugter, wahrheitsliebender und wertkonservativer Mensch. Und konservativ heißt bewahrend. Darin ist auch das Wort enthalten, dem ich mich immer verpflichtend fühlte: Wahrheit.

UNSERE ABSTAMMUNG UND ÜBER FAMILIENJAGDEN

In allen meinen großformatigen Büchern habe ich Reproduktionen jener Bilder veröffentlicht, die der bedeutende Jagdmaler Franz Lamberg für das Schloss Csákberény geschaffen hatte. Meine aufmerksamen Leser haben sich sicher gefragt, wie Hirschbilder eines Lamberg in mehrere Meran-Bücher kommen. Einfügen möchte ich hier, dass durch meine Veröffentlichungen dieser bescheidene Maler erst wirklich bekannt wurde und in Ungarn jetzt zu den bedeutenden Jagdmalern zählt.

Aber die Antwort ist folgende: Franz Emmerich Graf Lamberg (1832–1901) war der Erbe seines Onkels Rudolf Graf Lamberg (1802–1880), dem jüngeren Bruder des Feldmarschall-Leutnants Franz Philipp Graf Lamberg (1790–1848), der von Rebellen im September 1848 auf der Schiffsbrücke aus dem Wagen gezerrt und bestialisch ermordet wurde.

Rudolf Graf Lamberg war der Erbauer des Schlosses Csákberény (1832–1834). Seine Besitztümer Csákberény, Csóka, Gánt und Kápolna hätte ein Sohn erben sollen. Er hatte drei Söhne, aber alle starben im Kleinkindesalter.

Nun wurde der Sohn seines Neffen (meines Urgroßvaters) Philipp zum Erben bestellt. Dieser starb aber 1879 ebenso wie eine seiner Schwestern an der damals unheilbaren Diphtherie.

Es verblieb nur eine Tochter, Ladislaja Gräfin Lamberg, die dann die Erbin ihres Großonkels wurde und meine Großmutter war. Ladislaja ist vom männlichen Namen Ladislaus, ungarisch László, abgeleitet. Sie heiratete den ältesten Sohn von Franz Meran, Doktor Johann Meran, dessen Vater infolge der morganatischen Ehe seines Vaters, Erzherzog Johann, der „erste“ Meran wurde. Meine Großeltern hatten neun Kinder und 45 Enkel. Von da an „explodierte“ die Großfamilie, heute gibt es mehr als 1.000 Nachkommen Erzherzog Johanns.

Großmutter erbte (neben den ungarischen Lamberg-Gütern) von ihrer Mutter (einer geborenen Wenckheim) große Güter in Ostungarn, Komitat Békés, unter anderem Korösladány.

Meinen Vater, der schon die zweite Staatsprüfung in Jus mit Auszeichnung abgelegt hatte, beorderte man – wenig verständlich – ausgerechnet 1919 nach Csákberény, wo zu jener Zeit das blutbefleckte Béla-Kun-Regime herrschte. Man verhaftete ihn auch sofort und die kommunistische ungarische Geheimpolizei, die „Lenin-Gardisten“, steckte ihn in Mór ins Gefängnis. Er war für die Hinrichtung vorgesehen, man wartete nur auf den berüchtigten „Todeszug“ des Massenmörders Szamueli. Doch ein Wunder geschah. Der Csákberényer Parteisekretär der KP, namens Rácz, befreite ihn und den Pfarrer. Mit den Töchtern dieses Mannes habe ich noch heute Kontakt. Mein Vater blieb dann unbehelligt, bis das kurzlebige Regime durch Admiral Horthy hinweggefegt wurde. Dann wurde er Güterdirektor mit allen Vollmachten des künftigen Erben. Das Gut erhielt er dann am 1. Januar 1938 durch Schenkung. 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus.

Zu erwähnen ist noch, dass die Brüder Lamberg, Franz Philipp und Rudolf, die zwei Töchter des Johann Ernst Graf Hoyos heirateten. Die Frau von Franz hieß Caroline und Rudolfs Frau Therese. Die dritte Tochter heiratete den Chef des (freiherrlichen) Hauses Gudenus in Thannhausen. Von hier stammt mütterlicherseits meine Großmutter Christine (1870–1958). So haben wir, die Nachkommen, von zwei Seiten Hoyos-Blut, sind sozusagen mehr Hoyos als die Hoyos selbst.

Mein Vater war als Güterdirektor und kommender Erbe Leiter der Waldreviere und Felder Csákberény, Csókako, Gánt und Kápolna. Er leitete auch die der Großmutter verbliebenen Güter Zámoly, Borbála, Forrás und Ikrény, Letztere im Komitat Gyor. Sogar um einen Eltz’schen Weingarten in Sankt Peter bei Marburg an der Drau kümmerte er sich und weil der Weingarten Pickern des Erzherzogs Johann auch nicht weit war, gelegentlich auch um diesen.

Das alles hatte im Jahre 1939 ein jähes Ende. Das nationalsozialistische Regime registrierte nämlich eine Reise des Vaters zu Erzherzog Otto und Kaiserin Zita, die über Deutschland nach Belgien nach Zeenogerzell führte. Er bekam bis 1945 das strikte Verbot ins Deutsche Reich zu reisen, zu dem auch unser Österreich, damals Ostmark genannt, sieben Jahre lang gehörte. Denn mein Vater war glühender Monarchist und in West-Ungarn auch stellvertretender Vorsitzender der „Legitimisten“. Dadurch entfielen für ihn in dieser Zeit die seit seiner Kindheit geliebten Gamstreibjagden in Brandhof, die alljährlich im September zwei Wochen dauerten. Später organisierte mein Vater sowohl die Zámolyer Fasanenjagd als auch den großen Streif von Csákberény nach Zámoly über die Bauernfelder, aber vor allem die zwei Wochen dauernden Winterjagden im gesamten Csákberényer Revier. Der Sonntag war immer frei mit Rücksicht auf die Treiber und wegen des Gottesdienstes. Das war in Brandhof nicht anders.

Bei diesen Jagden waren immer die Söhne und Schwiegersöhne eingeladen, aber auch drei bis vier Altersgenossen von Großvater, zum Beispiel Moritz Vetter von der Lilie und Paul Blankenstein.

Vater konnte erst nach Übernahme der Güter in den Jahren 1938 bis 1943 seine Freunde einladen, zum Beispiel Laci Esterházy, die Nachbarn Miki Szécsen, János Zichy und seinen besonderen Freund Moritz Esterházy, mit dessen Familie wir eifrig voisinierten. Es kamen unter Vater auch jüngere Generationen dazu: Die Brüder Stubenberg, Josef und Erni, die drei Söhne von Moritz Esterházy, Mathias, Marcel und Menyhért, sowie die zwei Zichys, Anti und Gyuri.

Die Jagden fanden immer Anfang Januar, aber erst nach dem Dreikönigstag, statt. Für uns, die wir sofort nach Weihnachten wieder ins Pensionat nach Pécs mussten, gab es einige von Vater rührend organisierte Weihnachtsjagden. Aber auch an den Fasanenjagden konnten wir nur als Kinder und daher nur als Zuschauer vor der Pécser Zeit teilnehmen.

Meine Mutter, die 1900 geboren wurde, hatte die Organisation im Haus inne. Und es war ihr und den jungen Frauen von Vaters Brüdern unter den alten, für sie „greisenhaften“ Männern (die damals alle viel jünger waren als ihr Berichterstatter) öfter so langweilig, dass sie dann und wann einen harmlosen, aber nicht gerne gesehenen Ulk versuchten. So wurden die Köchinnen Frau Öhlmann und die Zsófi néni dazu gebracht, einen am Vortag erlegten Fuchs als Hasen auf den herrschaftlichen Tisch zu zaubern. Er war so gekonnt hergerichtet und gewürzt, dass die älteren Herrschaften zunächst nichts merkten. Nur das Naserümpfen der servierenden Diener fiel auf und dann gestanden die jungen Damen die „Untat“, noch bevor die alten Stammgäste gekostet hatten. Damals ahnte noch niemand, dass zehn Jahre später in unserer Gegend, wo die Front drei Monate Halt machte, solch ein Fuchsbraten eine Delikatesse gewesen wäre. Wildschweine gab es weit weniger als heutzutage, dafür aber sehr viele Hasen und zwar im ganzen Wald, der in seiner größten Ausdehnung 4.000 Hektar ausmachte und in dem tiefe Gräben und steile Leiten den Treibern viel Schweiß abverlangten. Bei den Waldjagden wurde der ganze Bestand in zwölf Tagen bejagt und Strecken von 100 Hasen am Tag waren keine Seltenheit. Andere Zeiten eben. Da man unbedingt sowohl eine Kugelbüchse als auch eine Schrotflinte mithaben musste, wurde jedem Schützen ein Lader mitgegeben. Das waren immer dieselben und wurden im Laufe der Jahre wahre Freunde, die der Schütze kannte und die „ihren Herrn“ kannten.

Es ist kein Wunder, dass diese „Posten“ eifersüchtig verteidigt wurden und nicht nur einer der bewährten Lader wurde im Laufe der Jahre altersbedingt langsamer, was dann beim Schießen auf Füchse oft ein Problem war. Auf 50 bis 60 Meter konnte man sie eventuell noch mit den groben Schroten erreichen, wenn sie weiter weg waren, musste das Kugelgewehr dem Schützen in die Hand gedrückt werden, was immer sehr schnell gehen musste, weil Füchse jede Bewegung sofort sehen.

Dazu eine Bemerkung: Heute traue ich mich als alter Jagdfotograf kaum mehr zu fotografieren, weil die grell leuchtenden roten Jacken oder Hutbänder so absolut unpassend in der Natur sind. Ich gebe zu, dass bei den vielen neureichen, spät berufenen, durch Kurse im Eilgang zu Jägern gemachten Jägern dies vielleicht heute notwendig ist. Bei den Treibern ist es aber absolut Pflicht. Trotzdem wage ich die ketzerische Behauptung, dass bei uns, wo 80 bis 100 Treiber waren und acht bis höchstens zehn Schützen, niemals etwas geschah. Waren doch alle Teilnehmer von Kindheit an bestens geschult. Das stark kupierte Gelände bot reichlich Kugelfang und mehr als zehn bis zwölf Sauen und etwas mehr Kahlwild schoss man selten am Tag. Im Krieg hat Onkel Hansi aus Korösladány einmal neun Sauen auf einem Stand geschossen. Aber so etwas war im alten Ungarn absolute Ausnahme.

Es gab im Januar immer Schnee, sodass man das Wild zwar weniger gut hörte, aber umso besser sah. Der Fuchs war schon damals ein sehr gerne bejagtes Wild und es gab Stammschützen, wie etwa Fritz Mayr-Melnhof, den Schwager meines Vaters, der laut gerettetem Gästebuch 1937 am Csókaberg drei Füchse auf einem Stand schoss. Csókaberg und Nyáriállás waren die Revierteile, in denen öfters über 100 Hasen erlegt wurden. In den Dreißigerjahren, besonders 1933 und 1934 schoss man in Ungarn jährlich bis zu zwei Millionen Hasen.

Onkel Moritz Vetter schoss im Januar 1926 den besten ungarischen Keiler. Er gab dem Lader 80 Pengo. Zum Vergleich: Ein Auto zum Beispiel kostete circa 2.000 Pengo. Ja, das waren die Zeiten der harten Währung und der reich machenden Zinsen.

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RÜCKBLICK AUF UNSERE FAMILIE

Die Familie Meran war und ist sehr kinderreich. Mein Großvater Johann Meran heiratete ja Ladislaja Lamberg, wie schon beschrieben wurde. Dieser Ehe entstammten neun Kinder, eines davon war mein Vater Philipp. Mütterlicherseits ehelichte Großvater Karl Eltz Christine Gudenus. Meine Mutter Marianne war eines von fünf Kindern aus dieser Verbindung. Wir waren sechs Kinder: neben mir Anna, Christl, Feri, Max und Lori.

In unserer Familie war die Erziehung völlig anders als heute üblich. Sie fiel nämlich in eine Zeit, als der natürliche „Kult“ der Alten herrschte. Die Kinder hatten den Erwachsenen zu folgen, auch wenn diese Angestellte des Hauses waren. Wir waren als echte Landkinder zu jedem Schabernack aufgelegt und oft auch richtig schlimm. Dafür wurden wir nicht selten von Dienern geohrfeigt oder sonst wie gemaßregelt, was für diese niemals – für uns feststellbare – Folgen hatte. Als Kinder mussten wir den Großeltern die Hand küssen, auch dem Großvater, der uns, falls in Csákberény anwesend, jeden Tag beim Frühstück zum Morgengruß empfing. Er frühstückte etwa um neun Uhr, also eine Stunde später als wir, und konsumierte jeden Tag zwei weiche Eier. Die Zeremonie des „Eierkapperls“ war absolut Tradition. Er klopfte die spitze Seite des Eies auf, nahm die Kappe mit dem Eierlöffel und gab uns deren Inhalt, von der Schale entblößt, direkt mit dem Löffel in den Mund. Beim Mittagessen, das bei Anwesenheit der Großeltern mindestens anderthalb Stunden dauerte, mussten wir schweigen, wenn wir nicht gefragt wurden. Unsere Erzieher Antatelle, Walter oder der nach ihm kommende „Tanár ur“ (Herr Lehrer) wachten über unsere Haltung und Tischmanieren. Die Konversation zwischen den Erwachsenen war sicher sehr interessant, doch nicht für uns Kinder geeignet. Aufstehen vor der Beendigung des Essens war damals völlig undenkbar. Ebenso war es strengstens verboten, vor den Mahlzeiten zu essen. Das war damals für uns nur ein Minuspunkt. Wenn es heute geschieht, so ist es ein Affront gegen die Hausfrau, wenn sich die Kinder um halb zwölf Uhr, nur weil sie Hunger haben, vollessen und die mit viel Liebe gekochten Speisen der Mutter, mangels Hunger, stehen bleiben. Das Aufstehen der Kinder, wenn es ihnen passt, ist seit dem Jugendkult, der seit den Sechzigerjahren herrscht, heute gang und gäbe, damals war es undenkbar und hätte viele Strafen eingebracht. Apropos Strafen. Für Delikte in der Kindheit gab es die Strafe „keine Mehlspeise“ oder nach Antatelle „pas d’ plat doux“. Später, als wir schon Kleinkalibergewehre hatten, war die Strafe: „Ein, zwei oder drei Wochen kein Gewehr in die Hand nehmen.“ Die Waffen wurden einfach weggesperrt. Bei der „Mehlspeis-Strafe“ war nicht so sehr der Entzug, als vielmehr die Schande die wirkliche Strafe, denn die Diener waren vorher angewiesen, uns nichts zu servieren und das sahen alle Anwesenden inklusive der immer zahlreichen Gäste.

Um auf die Gäste in unserem Schloss zurückzukommen. Bei uns waren solche immer vorhanden, einige sogar etliche Wochen lang. Das war damals, als das ganze Haus voll Angestellter war, leicht zu verkraften. Heute gibt es wohl Schlösser, aber kaum mehr Angestellte. Ein längerer Aufenthalt am Land, wie ich ihn mit einigen Ausnahmen so schmerzlich vermisse, ist heute den Hausbesitzern kaum zuzumuten.

Noch von der Lamberg-Zeit her gab es in Csákberény uralte gebundene Zeitschriften, wie zum Beispiel die „Fliegenden Blätter“ oder für Kinder im Speziellen die „Münchner Bilderbögen“. Wie es bei Kindern eben ist, blieben davon etliche Ausdrücke in unserem Gedächtnis haften. So zum Beispiel der „Staatshämorrhoidarius“ für die immer sitzenden Beamten, die davon Hämorrhoiden bekamen. Dass ich in meinem Leben 40 Jahre lang Staatsbeamter werden würde, das war damals nicht voraussehbar.

Schon mit fünf Jahren begleiteten wir Vater und die beiden Großväter auf ihren Pirschfahrten. Ich hatte einen Horror vor dem Knall, aber auch dem Donner bei Gewitter, und hielt mir die Ohren zu. Wahrscheinlich von der Erzieherin Antatelle „geerbt“, die jeden Knall verabscheute. Konnte ich damals ahnen, dass ich 80 Jahre lang Jäger und 30 Jahre lang Wurftauben-Spitzenschütze werden würde?

Mein Vater war bis Ende 1937 Verwalter oder Gutsdirektor für die der Großmutter Ladislaja Lamberg zugefallenen westungarischen Güter. Diese waren Csákberény, wie schon erwähnt, Csókako, Gánt und Kápolna sowie Ikrény, Zámoly, Borbála, Forrás und die dazugehörigen Meierhöfe wie Orond und Lajapuszta. Er übernahm erst mit 1. Januar 1938 die Besitzungen Csákberény, Gánt, Kápolna, Csóka und Orond. Wie ich es aus den übrig gebliebenen Verträgen ersehe, verdiente er 400 Pengo im Monat. Das scheint nicht sehr viel zu sein, aber ein „Fiat Topolino“ kostete damals 2.000 Pengo. Zum Gehalt des Vaters ist noch zu sagen, dass ihm alles Übrige offiziell zur Verfügung stand, wie Gemüse- und Obstgärten, Vieh aus den Meierhöfen, Wildfleisch und alles, was die beiden Glashäuser zu bieten hatten. Genügend Wein aus den etwa 40 Hektar großen Weingärten Hub, Csóka und Sabanti standen ebenfalls zur Verfügung. Der Obergärtner Seppi Moder, ein Schwabe, schmückte das Schloss mit frischen Blumen und war für die Pflege des großen Schlossparks mit drei Brunnen und zwei Bassins zuständig. Wir hatten zwei Hunde: Pajtás, ein Komondor, und Lumpi, ein Foxterrier, beide nur dem Vater zugetan. Pajtás war bissig, Foxl Lumpi knurrte gerne und oft.

Ab 1938 ging Feri, mein Bruder, ins Pensionat in Pécs und ich ab 6. September 1939. Doch befassen wir uns vorher mit unserer Kinderzeit zu Hause. Wir durften schon als Kinder des Öfteren mit zum Jagen fahren. Großvater Meran hatte 1905 die damals ultramodernen Mannlicher Schönauer Repetierer auf einer Ausstellung gesehen und sie sofort gekauft. Vorher schoss er mit Express-Büchsen mit dem Kaliber 11 und die Kugel dieser Waffen war aus Blei und sonst nichts. Nach dem Ersten Weltkrieg etwa wurden dann Expansivgeschosse fabriziert. Großvater hatte sie selten verwendet. Er schoss auf Rehe die Mannlicher Schönauer 6.5 x 54 mit Bleispitze, auf Hirsche damals 8 x 57 Mannlicher Schönauer, die er auch bei den Saujagden verwendete. Für meinen Vater stand eine Kirner Kipplaufbüchse 8 x 57 R zur Verfügung sowie zwei alte Express von Großvater. Eine davon verwendete mein Großvater Eltz, den ich oft auf Pirschen begleitete. Bis auf 120 Meter schoss sie sehr präzise.

Eine Fahrt in der Kalesche mit Großvater war immer ein Erlebnis für uns Kinder. Da er am linken Ohr taub war, mussten wir rechts neben ihm sitzen. Auf der Jagd hatte er immer eine kurze, aber gebogene Pfeife mit. In unserer Halle gab es ein Gestell mit mindestens einem Dutzend verschieden langen Pfeifen. Die längste Pfeife benützte er nach dem Essen.

Aber zurück zu uns Kindern als Pirschbegleiter. Wir wurden gerne mitgenommen, weil wir Augen wie Luchse hatten und fast immer das Wild als Erste sahen. Wir zeigten aufgeregt mit dem Arm. Das war falsch. Schon hatte uns der gestrenge Großvater mit dem Pfeifenstiel auf die Hand geklopft. Er sagte: „Niemals mit der Hand zeigen, sondern ungefähr die Entfernung ansagen und das Gelände, wo das Wild steht, genau beschreiben.“ Er nannte uns Kindern ein Beispiel: „Rechts, etwa zehn Meter von der dicken Eiche ist ein schräg stehender Baumstamm. Daneben ein runder Busch. Links von diesem Busch steht das Wild.“ Wir haben diese, in sehr frühen Jahren beigebrachte Lehre niemals vergessen und noch heute kann ich mich blau und grün ärgern, wenn ein Begleitjäger mit den Armen fuchtelt. Das kommt in Österreich, besonders im Gebirge, sehr selten vor, aber in Ungarn kann ich es den Begleitern nicht abgewöhnen. Dabei benötige ich jetzt eine genauere Einweisung, weil ich ja schon lange nicht mehr so gut sehe wie im Kindesalter.

Jedes Jahr etwa um den 20. Juli fuhren wir zur Sommerfrische nach Brandhof. Großmutter hatte 45 Enkel und die wurden alle im Sommer nach Brandhof eingeladen. Mit kamen auch die Erzieher, die Kindermädchen, die Chauffeure und Anfang der Dreißigerjahre auch unser Tischler Bruno Tollas, der hier das Kindermädchen der Harnoncourts, Anna, kennenlernte und 1934 in Graz heiratete. Brandhof hatte sehr viele Zimmer, in denen die Enkel mit ihren Erziehern untergebracht wurden. Die anderen wohnten in Nebengebäuden, in denen ebenfalls sehr viele Zimmer zur Verfügung standen. Großmutter Laja (geb. Lamberg) hatte das oberste Kommando inne. Der erste Eindruck im Brandhof war der scharfe und unnachahmliche Zirbengeruch. Die Hauptstiege und alle Türen waren aus diesem Holz. Der Geruch ist auch heute noch so unverändert wie in meiner Jugend.

Die ersten Jahre meiner „Erinnerungszeit“ fuhren wir mit dem Personenzug von Stuhlweissenburg nach Graz. Hier wurde in den Zug nach Kapfenberg umgestiegen und von dort ging es mit dem Zug oder besser dem Züglein (Schmalspurbahn) nach Seewiesen. Gut in Erinnerung ist mir der 25. Juli 1934. Da fuhren wir – wie immer in der dritten Klasse, auf Holzbänken sitzend – nach Brandhof. An diesem Tag wurde Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ermordet. Wir erfuhren die Nachricht in Graz und bewunderten mit großen Kinderaugen den Aufmarsch der Heimwehr. Meine Mutter hatte alle Bücher über Dollfuß von ihrem Vater bekommen, ich las schon ganz gut und war im Bilde, wen da die Nationalsozialisten im Bundeskanzleramt hatten elend verbluten lassen. Er hatte einen Halsschuss und die Hauptschlagader war verletzt. Er wäre leicht zu retten gewesen, da er normal atmen und sprechen konnte. Wiederholt bat er die SS-Leute, ihm einen Arzt oder Priester zu schicken, seine Bitte blieb aber ungehört.

In späteren Jahren fuhren wir mit dem Auto nach Brandhof. Das war ein deutscher Ford, der interessanterweise mit Petroleum fuhr. Man fuhr mit Benzin an und nach 500 Metern schaltete unser Chauffeur Jóska Kléber auf Petroleum (Kerosin) um. Daraus ist auch, neben der dritten Klasse in der Bahn, zu ersehen, wie sehr mein Vater mit dem Geld sparen musste. Einmal, 1936, fuhren die drei älteren Kinder im Zug mit der Mutter. Uns „Kleinen“ begleitete Antatelle und die etwas korpulente Maca Örkényi, das Kindermädl. Es gab in den damaligen Autos immer aufklappbare Reservesitze, wobei man nicht in Fahrtrichtung, sondern nach hinten blickend sah. Durch das ständige Nach-hinten-Schauen wurde uns bei Autofahrten oft schlecht. Doch Antatelle hatte vorgesorgt und „Nautisan-Zäpfchen“ besorgt, die ursprünglich gegen die Seekrankheit verwendet wurden. Sie hieß uns die Hosen runterlassen, sagte auf Französisch: „Fais gros dos“ („Mach großen Rücken“). Dann steckte sie uns die Zäpfchen gekonnt tief in den After. Und wir hatten auf dieser Reise im Jahr 1936 keinerlei Beschwerden und keine Übelkeit. Wir fuhren über Gyor, Csorna, Sopron, Klingenbach, Wiener Neustadt, Neunkirchen, Mürzsteg, das Niederalpl und Wegscheid nach Brandhof. Da der Chauffeur damals noch ein Angestellter meiner Großmutter war, blieb er die ganze Zeit in Brandhof und war auch im großen Schützenkonvoi bei den großen, damals zwei Wochen dauernden, Gamstreibjagden in Seewiesen und Weichselboden.

Mitte September fuhren wir nach Hause und sehr bald nach uns kam auch Großvater zur Hirschbrunft nach Csákberény. Da musste ihn Jóska mit dem Auto in Bicske abholen. Er hatte kein Gepäck, höchstens eine Aktentasche, fuhr mit dem Wien-Budapest-Express und zwar in der zweiten Klasse. In den Dreißigerjahren hatte der Anarchist Silvester Matuschka den Viadukt von Biatorbágy gesprengt, als der Zug darüberfuhr. Großvater war Gott sei Dank einen Tag früher über diese Strecke gefahren.

Jóskas erstes Abenteuer in Brandhof war nicht ganz ungefährlich. Er stammte aus Stuhlweissenburg und hatte in seinem Leben noch nie so viele große Berge gesehen. Da er nach der langen Reise dienstfrei hatte, wollte er die im Hintergrund von Brandhof malerisch stehende Graualm im Zuge eines Nachmittag-Spazierganges besteigen. Von den Entfernungen im Gebirge, nicht zuletzt durch die dünne Luft vorgegaukelt, wusste er nichts. Er verstieg sich, wagte in der hereinbrechenden Finsternis nicht herunterzusteigen, und wurde erst – als zu Hause Alarm geschlagen wurde – von den Jägern Fluch, Breitler und Holzer am nächsten Tag gefunden und geborgen. Es war ein warmer Sommer. Trotzdem holte er sich eine gehörige Verkühlung.

Unser Vater kam alljährlich zu den Gamsjagden nach Brandhof. Dies schon seit seinem 15. Lebensjahr, mit der Zwangspause von 1938 bis 1945. Aus seinem Jagdbuch, das ich treu behüte, ist zu ersehen, dass er knapp unter 400 Gams erlegt hat. Ich glaube nicht, dass er mehr als zehn Gams außerhalb von Brandhof geschossen hat. Ich, sein Sohn, habe rund 50 Gams erlegt. Davon etliche in Hinterriss, auf der Hochalm und auch in Thannhausen, so lange Onkel Gordi Gudenus noch lebte. Dabei hatte Vater nur ganz wenige Wintergams geschossen, weil er zu dieser Zeit mit der Organisation der ungarischen Niederwildjagden beschäftigt war und zudem alle Jahre in Korösladány eingeladen war, das bis 1938 ebenfalls Großmutter gehörte. Sie erbte es nicht über die Lambergs, sondern über die Wenckheims, denn ihre Mutter stammte aus dieser Familie.

Der Alltag der Kinder in Brandhof war genau geregelt. Zum Frühstück war die Hauptspeise Polenta-Sterz und sehr dunkles Schwarzbrot, das mit Butter, die in Kugeln geformt war, bestrichen war. Zur Zehn-Uhr-Jause bekamen wir ein Brot, das mit einem eher scharfen paprizierten Topfen bestrichen war. Hauptbeschäftigung der Kinder war das Schwammerlsuchen. Es gab viele herrliche Herren- bzw. Steinpilze, Reizker, Eierschwammerl gleich am Ochsenboden östlich vom Brandhofer Schloss.

Das Schloss lag unmittelbar an der Straße, die damals natürlich noch nicht asphaltiert war. Uns faszinierten die schönen, offenen, schwarzgelben Autobusse, die direkt unter dem Schloss hielten. Nicht oft, aber doch, durften die am Brandhof haltmachenden Reisenden den Hof, manchmal auch Kapelle und Museum besichtigen und sich an dem herrlichen Hochschwab-Gebirgswasser laben. Es gab einige unter uns, die vom ersten Stock aus einem Zimmer, das genau über der Haltestelle war, auf den großen, einladenden, offenen Autobus spuckten. Dies wurde aber Gott sei Dank nie entdeckt, denn sonst wären die Strafen erheblich gewesen.

Im dritten Stock, genau gegenüber vom größten Kinderzimmer befand sich die „schwarze Kammer“. Sie hing irgendwie mit der Turmuhr zusammen, war für uns aber ein gefürchtetes Schreck- und Drohmittel. Denn wir Kinder fürchteten die Dunkelheit sehr. „Wir sperren dich in die schwarze Kammer“, war eine oft ausgesprochene Strafandrohung.

Das Frühstück wurde uns im kleinen Speisezimmer in zwei oder manchmal auch drei Etappen serviert. Zuerst kamen die größeren, später die kleineren Kinder dran. Mittagessen war für größere Kinder zusammen mit den Erwachsenen im großen Speisesaal im Parterre.

Erzherzog Johann hatte sein Brandhofer Haus genial geplant. Unter dem großen Turm war die Kapelle, dahinter das große Speisezimmer, das mit einigen Handgriffen und mit der Entfernung des Tisches zur Vergrößerung der Kapelle beitrug. Die Küche war außerhalb des Schlosses in jenem Nebengebäude, das im Parterre „Veranda“, im ersten Stock „Trampelbude“ hieß. Seit Erzherzog Johann wurde nach den Gamsrieglern – Jäger und Treiber zusammen – in der „Moarstubn“ gefeiert, oft auch getanzt, gesungen und gejodelt. Die Steirische Harmonika konnte fast ein jeder spielen. Diese „Moarstubn“ lag über der Küche, wo die Hauptköchin Resi über zahlreiche Gehilfinnen „regierte“. Das Essen bestand aus einer Suppe, die man restlos auslöffeln musste, jeden Tag Wildfleisch, zum Beispiel Gamsbraten oder Rehrücken. Die Mehlspeise konnte Apfelstrudel, aber auch Torte sein, denn immer gab es irgendjemanden, der Geburtstag hatte. Obst gab es auch, weil jede Woche mindestens einmal das sogenannte „Obstauto“ am Brandhof haltmachte. Es brachte Frühäpfel, aber vor allem Zwetschken. Freitags gab es ohne Ausnahme Fisch, fast immer schöne Forellen aus der Salza, die der Jäger vom Weichselboden besorgen musste. Da die Kinder etwas unbeholfen im Fischessen waren, geschah es manchmal, dass sie Gräten schluckten.

Ich selbst geriet in Panik, als mir dieses Missgeschick passierte, und ich musste mit dem Auto in das Mariazeller Spital gebracht werden, wo man die Gräte fachmännisch entfernte. Seitdem habe ich Angst vor Gräten und esse eigentlich nur Fische, die keine (mehr) haben.

Gegen den Krampelgraben gab es zwei interessante Dinge für uns Kinder. Einmal die „Almhütte“, in der wir leidenschaftlich gerne spielten und weiter östlich den Tennisplatz. Dieser war aus gewalzter Erde und ich sehe noch die Onkel und Tanten, wie sie nach Laienart die Bälle über das Netz schupften. Eine Ausnahme war Onkel Fritz Mayr-Melnhof und seine älteren Kinder. Sie hatten sowohl in Glanegg wie in Kogl richtige Tennisplätze wie beim „French Open“ sowie Trainer. Die schupften nie, spielten immer richtige Partien. Da sagte der Servierer „play“, der gegenüber antwortete „ready“. Gezählt wurde ausschließlich in englischer Sprache, zum Beispiel „fifteen-all“, „forty-fifteen“, „advantage in“ etc. In den Dreißigerjahren herrschte überhaupt eine Anglomanie, die ich schon bei den Waffen und der Kleidung anlässlich unserer Niederwildjagden feststellte. Harris-Tweed, wohin man schaute.

Meine früheste Erinnerung an Brandhof stammt aus dem Jahr 1930, als ich noch nicht vierjährig war. Großmama hatte die Feier zu ihrem 60. Geburtstag vom 19. Mai auf die Sommerfrische in Brandhof verlegt. Es war ein riesiger Aufmarsch der Familienmitglieder und der zahlreichen Jäger. Onkel Karl, der jüngste Bruder meines Vaters, damals politisch rechts orientiert und wenig gläubig, auch fanatischer Nichtjäger, musste im Originalgewand den Erzherzog Johann, mit breitkrempigem Hut und umgehängter Waffe, mimen. Dafür stand er auf einem eigens aus großen Steinen errichteten „Berggipfel“. Irgendwie verlor er die Balance (an diesem Tag mussten die Erwachsenen ja viel „prosten“) und fiel mit Hut, Waffe und einigen Steinen zusammen vom künstlichen Felsen. Das und nur das ist mir, dem damals Vierjährigen, im Gedächtnis geblieben.

1930 – es wurde ein Foto des Ehepaares Laja und Johann Meran gemacht, unter dem stand: „Johann und Laja Meran unter ihren Jägern.“ Das stimmt nur bedingt, denn alle Söhne und Schwiegersöhne waren dabei, mit Ausnahme von Onkel Karl, weil der eben als Jagdfeind dazu als nicht würdig empfunden wurde, und des Schwiegersohnes Eberhard Harnoncourt, der sich als Beamter in Berlin nicht freinehmen konnte, wohl aber ein passionierter Jäger war. Vor allem die Auerhahnen liebte er und kam alljährlich zur Zeit der Balz nach Stainz. Die Jäger verbanden diesen Umstand mit seinem Namen und seitdem hieß er „Graf Hahnenkurt“, basta. Sein diesbezüglicher Namensgeber war der Revierjäger Thonhauser vom Rosenkogel, wo Onkel Eberhard etliche Hahnen im Laufe der Jahre erlegen konnte.