Umschlagbild: Ankunft einer Maischefuhre. Gemälde von A. Stolz.

BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar: www.dnb.de

2017 · Zweite Auflage

Alle Rechte vorbehalten

© by Athesia AG, Bozen (2013)

Umschlaggestaltung: Athesia-Tappeiner Verlag

Texte und Textgestaltung: Bruno Mahlknecht

Layout: Bruno Mahlknecht

Grafische Gestaltung: Carla Goller, Ferrari-Auer, Bozen

ISBN 978-88-6839-275-8

www.athesiabuch.it

buchverlag@athesia.it

Ein heiteres heimatliches Lesebuch

Dieses Buch enthält eine bunte Mischung ganz unterschiedlicher historisch-heimatlicher Texte und Geschichten von gestern und vorgestern, die mehr oder weniger zum Schmunzeln anregen. Der Verfasser hat sie im Lauf der Jahre da und dort gefunden – in amtlichen Akten und Gerichtsprotokollen, in Zeitungen, Büchern und Kalendern –, herausgeschrieben und gestaltet. Das eine und andere hat er auch selber erzählen gehört und aufgeschrieben.

In Teil 1 werden einige Landsleute aus älterer und jüngerer Zeit kurz vorgestellt, deren Biographie heitere Züge aufweist. Es handelt sich dabei um Personen ganz unterschiedlicher Natur, vom adeligen Herrn bis zum Sonderling, vom armen Schlucker zum Millionär. In keinem Fall aber sollte da jemand lächerlich gemacht werden, worauf ausdrücklich hingewiesen sei.

In den Teilen 2, 3 und 4 finden sich längere und kürzere Texte, die historisch belegt sind. Deshalb wird auch meistens die Quelle angegeben. (Von Fußnoten aber wurde abgesehen, weil es sich hier ja nicht um ein betont wissenschaftliches Werk, sondern um eine leicht lesbar sein sollende »populärwissenschaftliche« Darstellung handelt.)

Auch die Texte der Teile 5–8 sind heimatlich oder heimatgebunden, wenn auch nicht direkt »historisch«. Es sind Erzählungen, humorige Kurztexte, Anekdoten, Münchhausiaden und Schildbürgerstücklein aus unserem kleinen Land an Eisack, Etsch und Rienz.

In diesem Buch finden sich keine anstößigen Texte, weder Grausam-Grobes noch sonst etwas, was etwa für Jugendliche ungeeignet wäre. Man muss es also nicht in den »Giftschrank« sperren, wenn man es aus der Hand legt.

Um das Buch lesen zu können, braucht es keine besonderen Voraussetzungen, geschichtliche etwa. Auch Nicht-Einheimische kann es ansprechen. Der Verfasser ist überzeugt, dass (fast) jeder, der dieses Buch in die Hand nimmt und darin blättert, unter den rund hundert Texten bestimmt etwas findet, was ihn mehr oder weniger interessiert, und wünscht deshalb viel Freude damit und eine vergnügliche Lektüre!

Bruno Mahlknecht

Inhalt

  1. Allerhand Leut’
  2. Ein paar Geschichten zum Schmunzeln
  3. Bunte Farbtupfer
  4. Was sagt man dazu?
  5. Frisch und frei erzählt
  6. Anekdoten
  7. Beinahe unglaubliche Geschichten
  8. Und zum fröhlichen Ausklang noch ein kleines buntes Potpourri

Meran um 1800. Stich.

Allerhand Leut’

Der ewig junge Herr von Paravicini

Er wurde sehr alt – und hat noch als Hundertjähriger Kinder gezeugt

Dieser bemerkenswerte Mann, Bernhard von Paravicini mit Namen, war kein Tiroler, sondern stammte aus Graubünden, wo er 1666 geboren wurde. Er zog dann in das Veltlin [Valtellina] und verheiratete sich dort um 1688 ganz jung mit Maria von Pelosi aus Sondrio. Aus dieser Ehe hatte er drei Kinder, wovon aber zwei im Kindesalter starben. Nur eine 1690 geborene Tochter wuchs auf und wurde dann sehr alt.

Die Frau starb nach 26-jähriger Ehe 1714. Danach verehelichte er sich 1716 mit Veronika Freifrau von Planta. Sie war eine Enkelin des ehemaligen Veltliner Gouverneurs Rudolf Freiherrn von Planta und eine sehr schöne Frau. Paravicini war sehr eifersüchtig auf seine Frau, und als sich ihr ein Offizier einer französischen Freischar zu nähern versuchte, tötete er diesen.

Aus Furcht vor der Rache der Verwandten des Getöteten floh Paravicini und kam nach Meran, wo er 1714 das Schloss Rundegg in Obermais erworben hatte. Seine Besitzungen im Veltlin überließ er seinem Bruder, und zwar gegen eine bis zu seinem Tod zu bezahlende jährliche hohe Leibrente. Diese zweite Frau starb 1725.

1727 verehelichte er sich dann mit Maria Freifrau von Flugi zu Aspermont, geboren 1698. Die Flugi stammten wie die Planta aus Graubünden und mussten ihre Heimat dann wegen ihres katholischen Glaubens verlassen. Die Ehe mit dieser Frau dauerte zwanzig Jahre und blieb kinderlos. Maria von Flugi starb 1747 auf Schloss Rundegg.

Ein Jahr später – am 23. Juli 1748 – verehelichte sich Bernhard von Paravicini nochmals, und zwar mit der blutjungen Freiin Maria von Zinnenberg aus Eppan-Berg. Der Bräutigam war bei dieser Hochzeit 82 Jahre alt (schaute aber viel jünger aus), die Braut war 16 (geboren 1732, also 66 Jahre jünger).

Aus dieser Ehe hatte Herr Paravicini dann noch neun Kinder, geboren zwischen 1751 und 1770. Das jüngste Kind war die Tochter Katharina, geboren am 29. Mai 1770 – einen Monat nach dem Tod des Vaters, der am 29. April 1770 gestorben war, 104 Jahre alt. Er hatte diese Tochter also als 103-Jähriger gezeugt.

Wie schon angeführt schaute Herr Paravicini viel jünger aus als er war. Und dass er auch sonst noch bis ins hohe Alter recht jugendlich war, beweisen die Geburten seiner Kinder (natürlich bezweifelten manche seine Vaterschaft, aber dafür gibt es gar keine Gründe).

Herr von Paravicini wird beschrieben als »ein schöner, großer Mann mit hoher Stirn, von sehr verständigem [intelligentem] Ausdruck«. Über seine Lebensgewohnten interessierten sich schon seine Zeitgenossen, weil sie davon zu erfahren hofften, wie er so alt werden und dabei auch noch so jugendlich bleiben konnte.

In Bezug auf seine Essgewohnheiten wird berichtet: »Er aß zwar oft, aber nie viel auf einmal, am liebsten frisch gelegte Eier, die er sich dadurch beschaffte, dass er den legenden Hennen nachschlich und die Eier in natürlicher Mutterwärme sofort austrank. Alle Speisen genoss er gepfeffert, zu welchem Zweck er stets Pfeffer bei sich trug. Fische aß er nur gebraten, Suppen verschmähte er.«

Er machte täglich einen zweistündigen Spaziergang. Bis zu seinem Tod brauchte er keine Brille. Der gelehrte Arzt Christof Wilhelm von Hufeland (1762–1836), der ein Buch über Makrobiotik (die Kunst, lang zu leben) verfasste (erschienen 1796), erwähnt in diesem Buch auch Herrn von Paravicini.

Von den neun Kindern aus vierter Ehe starben vier als Kleinkinder, fünf wuchsen auf (drei Söhne und zwei Töchter). Die beiden älteren Söhne starben als junge Offiziere, ledig und kinderlos, der dritte Sohn aber, Johann Nepomuk, geboren 1766 auf Schloss Rundegg, verehelichte sich 1792 und hatte auch Kinder.

Die ältere (erwachsen gewordene) Tochter des alten Herrn Paravicini, Maria Sidonie, wurde Klosterfrau (sie trat bei den Ursulinen in Bruneck ein und starb 1824). Die jüngere (erst nach seinem Tod geborene) Tochter starb 1815, 45 Jahre alt. Sie war zweimal verheiratet, hatte aber keine Kinder. Ihre Mutter, Maria verwitwete Baronesse von Paravicini geborene Baronesse von Zinnenberg, starb 1805 in Meran.

Der genannte dritte Sohn des Herrn von Paravicini, Johann Nepomuk, hatte aus der Ehe mit Maria Theresia von Battaglia neun Kinder. Aber sieben davon starben als Kinder, erwachsen wurden nur zwei Töchter (eine gestorben 1827, die andere, Josefa, 1878). Josefa war die Letzte dieses Namens. Mit ihr bzw. eigentlich schon mit ihrem Vater (gestorben 1813) starb die Familie von Paravicini in Meran aus.

Granichstaedten-Czerva, Rudolf von: Meran, Wien 1949, 192.

Der Herr von Pock

Er »schenkte« seiner Heimatstadt ein vornehmes Hotel

Bozen ist eine alte Handels- und Messestadt, und weil die Stadt auch an der viel befahrenen Durchgangsstraße von Deutschland nach Italien lag, entstanden hier bereits in alter Zeit viele Wirtshäuser und Gaststätten. Aber diese waren alle nur eher klein und wiesen auch keinen besonderen Komfort auf, und so war es kaum möglich, Durchreisenden aus höheren Kreisen, vornehmen Persönlichkeiten und wohlhabenden Besuchern hier eine ihnen entsprechende und zusagende Unterkunft und Bewirtung zu bieten. Um dieser Unzulänglichkeit abzuhelfen, beschloss um 1758 ein reicher Bürger dieser Stadt, hier ein großes und vor allem vornehmes Hotel zu erbauen – und durch diesen Bau auch zur Verschönerung seiner Heimatstadt beizutragen.

Ein reicher Handelsherr baut ein großes und vornehmes Hotel

Am Eckhaus Musterplatz-Mustergasse ist an der Mauer gegen den Musterplatz hin ein kleines Denkmal aus Marmor angebracht. Es stammt, wie der Kunstverständige aus der Art der Ausführung schon gleich erkennen kann, aus dem späteren 18. Jahrhundert und zeigt oben ein ovales Reliefmedaillon mit dem Bildnis eines vornehm gekleideten Mannes aus jener Zeit, unten aber eine achtzeilige Inschrift in lateinischer Sprache, von einer großen Kartusche [barockes Ornament mit Laubwerk] umgeben.

Der dargestellte Mann ist modisch gekleidet und trägt auch die für jene Zeit unvermeidliche Lockenperücke, die ihm ein vornehm-zierliches Aussehen verleiht, und um den Hals hat er eine große, offenbar goldene Kette, an der eine ebensolche Medaille hängt. Der Dargestellte ist offensichtlich sehr stolz auf diese Kette mit Medaille, das ersieht man aus der Art, wie er die Medaille mit der Hand umfasst und zum Betrachter hinhält.

Den Namen des Dargestellten und auch den Grund für die Anbringung dieses gefälligen Denkmals hier verrät die schön in den Marmor gemeißelte Inschrift unter dem Medaillon. Sie lautet: Domum hanc privilegiatam / errexit / Pro gloria Dei, Amore Proximi et Decore / Civitatis / D: Franciscus Antonius Pock, Mercator / Bulsanensis, / Anno / 1759. (Übersetzt heißt das: Dieses mit verschiedenen Privilegien ausgestattete Haus hier erbaute zur Ehre Gottes, aus Liebe zum Nächsten und zur Verschönerung der Stadt Herr Franz Anton Pock, Kaufmann in Bozen, im Jahre 1759.) Der Dargestellte ist also der Erbauer der »Kaiserkrone« und hat sich deshalb auch an dem von ihm errichteten stolzen Gebäude »verewigen« wollen.

Der Gedenkstein für den Erbauer der »Kaiserkrone«, den Herrn von Pock, mit kaiserlicher Ehrenkette und Ehrenmedaille (um 1770). Halbrelief am Musterplatz.

»Pro decore civitatis ...«

An der Stelle des heute dastehenden Gebäudekomplexes »Kaiserkrone« stand bis zum Jahr 1759 das alte Lichtensteinische Amtshaus. Ein Stich aus der Zeit um 1750 zeigt, wie der Platz damals ausgesehen hat: In der Mitte des Bildes steht das besagte Lichtensteinische Amtshaus, oben am Mauerkranz mit niederen Zinnen versehen, und rechts daneben das sogenannte Binderhaus, dessen Eingang bis zur Mustergasse herausreichte. Links hinter dem Amtshaus erhebt sich ein zinnenbewehrter mittelalterlicher Wohnturm, nach dem die später hier entstandene, der Stadt Bozen gehörige Kaserne die »Turmkaserne« genannt wurde. Noch weiter hinten, links von dem genannten Wohnturm, sind das städtische Gymnasium und die Stadtpfarrkirche zu sehen.

Dieser Komplex Amtshaus (mit zugehörigen Lagerräumen) und Binderhaus am Musterplatz war bestimmt kein schöner Anblick für den damaligen Besucher der Stadt, besonders das Binderhaus war offenbar schon sehr erneuerungsbedürftig und in seinem Aussehen geradezu hässlich. Nicht schade also um diese alten Baulichkeiten, die da 1759 abgerissen und sodann durch ein großes, schönes Hotel ersetzt wurden – das war wirklich ein Beitrag »pro decore civitatis«, zur Verschönerung des Stadtbildes.

Die »Kaiserkrone« entsteht

1758 kaufte der genannte Handelsherr Franz Anton Pock – er war zwar als einfacher »Pock« geboren worden, nannte sich dann aber »von Pock«, da er vom Kaiser geadelt wurde – das Lichtensteinische Amtshaus »auf der Muster« und auch das daneben stehende Binderhaus mit der Absicht, beide Gebäude niederzureißen und an deren Stelle ein vornehmes großes Hotel zu erbauen. Eigentlich hätte er auch noch gern die der Stadt Bozen gehörige Turmkaserne hinter dem Amtshaus gekauft, doch diese bekam er nicht, und so musste er sich nur mit Amtshaus und Binderhaus begnügen.

Das Amtshaus und das Binderhaus wurden also im Frühjahr 1759 abgebrochen, und dann wurde schon gleich mit den Bauarbeiten für das geplante Hotel begonnen. Diese dauerten sechs Jahre. Im Sommer 1765 war das Hotel fertig gestellt – und wurde gleich schon von einer hohen Persönlichkeit mit ihrer Anwesenheit beehrt.

Der Römische König und nachmalige Kaiser Joseph II. als Gast im Haus

An die Anwesenheit dieses hohen Gastes hier erinnern sowohl eine heute noch beim Eingang zur »Kaiserkrone« vorhandene Marmortafel als auch ein Gemälde im Städtischen Museum. Die besagte Erinnerungstafel, links vom Eingang angebracht, ist in lateinischer Sprache abgefasst. Der Text beginnt mit »Haec Domvs placebat Avgvsto« und tut dem des Lateinischen Kundigen zu wissen, dass »der erste Gast« dieses Hauses der »Römische König« Joseph war und dass ihm das Haus gefallen hat. Dieser Besuch des eben fertiggestellten Hauses durch den »Römischen König« geschah am 22. Juli 1765, und zum Andenken an diesen hohen Besuch ließ dann der Besitzer diese Tafel anbringen.

Der Musterplatz um 1750, noch vor dem Bau der »Kaiserkrone«. In der Mitte das Liechtensteinische Amtshaus, rechts das alte Binderhaus.

Der Empfang des deutschen Königs und nachmaligen Kaisers Josephs II. auf der Muster am 22. Juli 1765. Die »Kaiserkrone« war da erst seit Kurzem eröffnet und hieß noch »zum blauen Bock«. Gemälde im Bozner Stadtmuseum.

Das erwähnte Gemälde aber zeigt den Empfang des »Römischen Königs« Joseph an eben dem genannten 22. Juli 1765 vor dem Hotel des Herrn Pock auf dem Musterplatz. Joseph war der älteste Sohn der Kaiserin Maria Theresia und damals seit einem Jahr »Römischer König«.

Wenige Wochen nach diesem Besuch des Kronprinzen in Bozen, am 18. August 1765, starb ganz plötzlich sein Vater, Kaiser Franz I., und wurde daraufhin Joseph als Nachfolger seines Vaters auch römischdeutscher Kaiser. Das veranlasste nun offenbar den stolzen Besitzer des Hauses hier, dieses in »Kaiserkrone« umzubenennen. Ursprünglich hatte er das Haus nämlich »zum blauen Bock« genannt – als feine Anspielung auf seinen Namen und wohl auch darauf, dass er infolge kaiserlichen Gnadenerweises jetzt auch adelig war, also sozusagen ein »blauer« Pock ...

Der Erbauer der »Kaiserkrone«

Franz Anton Pock (1704–1779) wurde nicht auf einem Geldsack geboren – soll heißen: kam nicht als Kind reicher Eltern auf die Welt –, sondern hat im Gegenteil sehr bescheiden begonnen. Sein Vater Georg Pock war ein einfacher Schwertfegermeister in der Stadt Bozen und musste sich jeden Kreuzer hart verdienen. Der junge Franz erlernte dann aber weder das Handwerk seines Vaters noch sonst ein Handwerk, sondern widmete sich dem Kaufmannsberuf. Durch außergewöhnliche Tüchtigkeit und auch durch glückliche Zeitumstände kam er in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem großen Vermögen und konnte es sich also sehr wohl leisten, dieses riesige Hotel zu erbauen. Für welche besondere Leistung er allerdings vom Kaiser geadelt wurde und die prächtige goldene »Gnadenkette« mit ebensolcher Medaille erhielt, ist nicht bekannt, sicher aber ist, dass er darauf mächtig stolz war.

Herr Franz Anton Pock oder von Pock – seit mindestens 1765 war er ja adelig und nannte er sich darum auch meist »Herr von Pock« – starb am 31. August 1779 in Bozen, 75 Jahre alt. Er war zweimal verheiratet gewesen, hatte aber keine Kinder, und weil er auch keine Geschwister oder Neffen hatte, fiel sein großes Vermögen an entferntere Verwandte. Das Handelshaus in Bozen aber, am Kornplatz gelegen, vermachte er dem Franz Silbernagl, die »Kaiserkrone« dem Joseph Leopold Sterzl. Beide hatte er »von Jugend auf erzogen« und dienten ihm dann als »Handlungsbediente«. Silbernagl war zuletzt sogar Buchhalter des Handelshauses Pock gewesen.

Die dem Herrn von Pock vom Kaiser verliehene »goldene Gnadenkette mit angehängter goldener Medalia, worauf das Porträt Ihrer Kaiserlichen Majestät Josephs II.« abgebildet war, vermachte er dem genannten Franz Silbernagl als eigentlichem Geschäftsnachfolger. Er verlangte aber, dass dieser die besagte Kette auch zu bestimmten Anlässen öffentlich tragen müsse – »an hohen Festtagen, absonderlich [vor allem] am Josephstage«, dem 19. März, dem Namenstag des Kaisers.

Viele Jahre lang das »erste Haus« in Bozen

Die »Kaiserkrone« war mehr als ein Jahrhundert lang das erste Haus in Bozen und wurde in dieser Zeit von sehr vielen ansehnlichen und wohlhabenden Gästen aufgesucht (auch ein Papst kehrte hier einmal ein, wie eine weitere Erinnerungstafel beim Eingang zu wissen tut, nämlich Pius VI. 1782).

Dann aber ging es allmählich abwärts mit der »Kaiserkrone«. Der Besitz wurde geteilt, der ganze westliche Flügel des Gebäudes kam weg. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Hotelbetrieb aufgelassen (1921), und seither ist es ein großer Bürokomplex, mit Kanzleien usw. Nur ein erst in neuerer Zeit eröffneter Restaurantbetrieb zu ebener Erde hält noch irgendwie die Erinnerung an das ehemals hier bestandene vornehme Hotel wach (das besagte Restaurant führt nämlich den alten Namen des Hauses, allerdings – unbekannt warum – ohne das abschließende e, also nur »Kaiserkron’«).

Erwähnenswert vielleicht noch, dass um 1805 in einem rückwärtigen Teil des »Kaiserkrone«-Gebäudes ein großer Theatersaal errichtet wurde – dieses Theater bestand dann hundert Jahre lang –, und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurde hier ein Kino eingerichtet, das bis ungefähr 1960 herauf bestand (es hieß zuletzt »Zentral«).

F. S. Weber: Die Abstammung und Verwandtschaft des Bozner Handelsherrn Franz Anton von Pock, Schlern 1923, 359–362, und 1924, 119–121; derselbe: Die Freiung der Bozner »Kaiserkrone«, Schlern 1934, 510–514; A. Mages: Erinnerungen an Altbozen, Schlern 1935, 359; Simeoner 454 f., 480 f.; F. Laitempergher: Kaiserkrone, Calliano 1978.

Hansel Cazzúla

Eine Sagenfigur, die aber wirklich gelebt hat

Als ich vor Jahren mein Sagenbuch (»Südtiroler Sagen«, Athesia, mittlerweile in 5. Auflage vorliegend) ausarbeitete und dabei sehr viele Quellen auswertete, stieß ich auch auf eine lustige Sage oder Geschichte aus dem Gadertal. Sie handelte von einem gewissen Hansel Cazzúla aus St. Martin in Thurn, der einmal eine Reise nach Rom gemacht haben und dort einen »heiligen Leib« (eine Reliquie) für seine Heimatkirche im Gadertal erbeten haben soll und diesen dann auch tatsächlich nach Hause brachte.

Die Geschichte fand ich in einem 1881 in Innsbruck erschienenen Buch, Verfasser war Giovanni Alton. Woher dieser die Geschichte hatte, gibt er nicht an, er stellte das Ganze aber als lustige Geschichte dar. Vermutlich hatte er sie von Leuten aus jener Gegend erzählen gehört. Ich verwendete diese humorvolle Geschichte dann für mein Sagenbuch, sie findet sich auf Seite 378 f. (der letzten Seite des Buches) und hat folgenden Wortlaut:

Hansel Cazzúla aus Sankt Martin machte einmal eine Pilgerreise nach Rom. Nachdem er in den Kirchen seine verschiedenen Pilgerandachten verrichtet und dabei gesehen hatte, wie viele heilige Leiber da in Rom vorhanden waren, dachte er, doch einen solchen heiligen Leib mit nach Hause zu bringen, und zwar für seine Heimatkirche zu Sankt Martin, die über keinen solchen heiligen Leib verfügte.

So begab er sich denn – wie er später erzählte – zum »Office deles sacres Reliquies« und bat dort in einem schrecklichen Kauderwelsch, aber mit der frömmsten und biedersten Miene der Welt um einen solchen heiligen Leib. Die Kardinäle wussten zuerst nicht, was sie von diesem Mann und seiner ungewöhnlichen Bitte halten sollten, und konnten kaum das Lachen verhalten. »Ich gebe nicht nach«, dachte Hansel Cazzúla bei sich und machte eine wenn möglich noch frömmere Miene. Die einen waren dafür, dem Mann einen heiligen Leib für seine Heimatkirche zu verehren, andere dagegen. Endlich sprach der »Capo del Office« zu den anderen Würdenträgern: »Seht ihr nicht, dass dieser Mann ein Heiliger sein muss? Wir wollen ihm deshalb einen heiligen Leib geben.«

Eh, eh, dachte Hansel Cazzúla bei sich und konnte schier das Lachen nicht verbeißen, als ihn der »Capo del Office« als einen »Heiligen« bezeichnete. »Fragt einmal den Wirt von Sankt Martin, was ich für ein Heiliger bin«, dachte Hansel weiter, verbiss aber standhaft das Lachen. Endlich gab man ihm den gewünschten heiligen Leib – und so sind die von Sankt Martin in Thurn zum Leib des heiligen Germanus gekommen.

Soweit der von mir nach Giovanni Alton gestaltete Text. Hansel Cazzúla wird da als wenig seriöser Mensch dargestellt, der sich nicht selten in den Wirtshäusern herumtrieb und jetzt den Kardinälen (?) in Rom etwas vorgaukelte.

So oder ähnlich mögen die Leute derlei Geschichten und erzählen sie, ausgeschmückt mit immer neuen Details, auch gern weiter. Dabei kann es aber geschehen, dass die besagte Figur im Lauf der Zeit sehr verändert wird, sodass sie mit der wirklichen Figur kaum noch etwas zu tun hat.

Als ich vor einiger Zeit anlässlich einer genealogischen Nachforschung die Kirchenbücher des Gadertales durchsuchte, stieß ich ganz zufällig auf eine Eintragung, die mich sogleich an den Hansel Cazzúla erinnerte, den ich vor Jahren in meinem Sagenbuch erwähnt hatte. Allerdings wurde dieser in der besagten Kirchenbucheintragung ganz anders dargestellt als dies seinerzeit Giovanni Alton in seinem Buch getan hatte. Der Pfarrer von St. Kassian lobt den Verstorbenen nämlich als einen sehr ordentlichen und braven Mann und vergisst auch nicht zu erwähnen, dass der nunmehr Verstorbene in seinen früheren Jahren [um 1740– 1750?] sehr gern lange Wallfahrten da und dorthin unternommen hat.

Die betreffende Eintragung findet sich im Sterbebuch von St. Kassian zum Jahr 1796. Vor etwa 1800 wurden die Eintragungen in den Kirchenbüchern meist in lateinischer Sprache vorgenommen. Das war auch der Fall bei der folgenden Eintragung im Sterbebuch von St. Kassian vom 14. August 1796: »Joannes Bapta [Baptista] Tasser, Sorega, /: dictus Titta Cazola :/, vigesies Romam, quattuor et vigesies Patavium, saepius Loretum, Genazanum etc. peregrinatus. Vir bonus et rectus, plenus dierum, omnibus Eccliae [Ecclesiae] Sacramentis munitus, obiit Ao. [Anno] aetatis suae 93, n(on) omnino completo, et in coemeterio nostro sepultus fuit.«

Das heißt zu Deutsch: Johannes Baptist Tasser vom Soregahof, genannt Titta [Hansl] Cazola (ist gestorben). Er wallfahrtete zwanzigmal nach Rom, 24-mal nach Padua, mehrmals nach Loreto, Genazano usw. Er war ein guter und charakterstarker Mann und lebte eine sehr lange Zeit. Er starb, versehen mit allen Sakramenten der Kirche [den Sterbesakramenten], im Alter von 93 Jahren, die er aber noch nicht ganz erreicht hatte, und wurde auf unserem Friedhof begraben.«

Nur selten hat man Gelegenheit, eine Sagenfigur auch als wirkliche Person kennenzulernen – wobei es nicht überrascht, dass Sagenfigur und wirkliche Figur oft nur wenig gemeinsam haben.

Der »alte Pana«

Vom armen Schnitzerbuben zum Millionär

Eine der merkwürdigsten Persönlichkeiten aus dem alten Gröden ist zweifelsohne der im Volk heute noch bekannte »vedl Pana«, der »alte Pana« von St. Ulrich – zuerst Hirtenknabe und Schnitzerlehrling, dann Hausierer, dann Kaufmann, Großkaufmann und schließlich Millionär.

Mit bürgerlichem Namen hieß er Johann Dominikus Mahlknecht und wurde am 23. Juni 1724 auf dem Höflein Oberfalsena bei St. Ulrich als ältester Sohn der Kleinbauers- und späteren Krämersleute Dominikus Mahlknecht und Christina Ortiseiter, beide aus St. Ulrich, geboren. Das Ehepaar hatte elf Kinder, von denen aber nur fünf, drei Söhne, Johann Dominikus, Christian und Josef, und zwei Töchter, aufwuchsen. Einer der Söhne wurde später Priester.

Johann Dominikus wurde als Fünfzehnjähriger von seinem Vater bei dem St. Ulricher Bildhauer und Schnitzer Christian Insam in die Lehre gegeben. Der Meister hatte sich eine vierzehntägige Probezeit ausbedungen – »auf ein Zeitl probieren zu lassen, ob selbiger fähig wäre, die Bildhauerei zu erlernen« –, ehe er ihn in die wirkliche Lehre nehmen wollte. Nach Ablauf der zwei Wochen erklärte Meister Insam, der Knabe sei wohl begabt, aber er weise nur sehr geringe Schulbildung auf und könne vor allem nicht zeichnen.

So gab ihn der Vater zu einem anderen Schnitzer, dem jungen Peter Vinatzer, ebenfalls in St. Ulrich, in die Arbeit, doch auch dieser Meister war mit den Fortschritten und vor allem mit den Vorkenntnissen des Buben nicht zufrieden. So beschloss man, ihn neuerdings bei dem Bildhauer Christian Insam anzudingen, und dieser nahm ihn – wie einer Eintragung unterm 29. Mai 1740 im Gufidauner Verfachbuch zu entnehmen ist – jetzt auch wirklich an.

Wie lange freilich der nunmehr schon fast 16-Jährige bei der Bildschnitzerei geblieben ist, lässt sich nicht mehr feststellen – vielleicht nicht allzu lang. Denn wie man aus seiner 1820 zu Innsbruck erschienenen Lebensgeschichte entnehmen kann, beschloss er schon sehr früh, von ihm selbst hergestellte Schnitzereien – wohl Bilderrahmen, Kruzifixe und dergleichen – und dazu auch das eine und andere von anderen Schnitzern erworbene Material als Hausierer an den Mann zu bringen.

Freilich mit entmutigendem Ergebnis – denn der des Deutschen kaum Mächtige und auch in der Hausiererei noch nicht »Eingeweihte« kehrte, wie es heißt, nicht nur ohne Waren, sondern auch ohne Geld in sein heimatliches Grödental zurück.

»Ein seltener Mann«

Hochw. Josef Vian, der noch Leute gekannt hat, die den »alten Pana« persönlich gekannt haben, gibt in seinem Buch (1864) eine kurze Biographie dieses merkwürdigen Mannes, »die Biographie eines seltenen Mannes«, wie er schreibt, »dem die Gemeinde St. Ulrich sehr vieles zu verdanken hat, eines Mannes, welcher karg und sparsam sein ganzes Leben hindurch mit sich selbst war, aber desto freigebiger und wohltätiger gegen andere wurde, nachdem er sich zu einem großen Vermögen erschwungen hatte« [sehr reich geworden war].

Seine Eltern waren arm

»Johann Dominic war der Sohn armer Krämersleute«, so Hochwürden Vian, »und wurde schon in frühester Jugend zur Arbeit angehalten, weswegen er die Dorfschule nur wenig besuchen konnte. Erst in seinen älteren Jahren lernte er seinen Namen unterschreiben.

Erwachsen geworden wandelte ihn die Lust an, die Fußstapfen mehrerer, vor ihm reich gewordener Grödner zu verfolgen. Er schnitzte Tag und Nacht und kaufte, unterstützt von anderen, von seinen Eltern mehrere Stücke, bis er eine mit Schnitzwaren volle Kraxe (‚Bude’) beisammen hatte. Mit dieser auf dem Rücken verließ er nun seinen heimatlichen Boden, um sein Glück zu versuchen.

Nach etlichen Wochen aber kehrte er ganz niedergeschlagen zu seinen Eltern zurück, denn zu deren Schrecken hatte er eine leere Kraxe und einen ebenso leeren Beutel zurückgebracht, weswegen er sich einige Vorwürfe gefallen lassen musste. Beschämt setzte er sich an den Arbeitstisch und strengte seinen Fleiß doppelt an.

Neuerlicher Versuch

Er verkaufte heimlich vor seinen Eltern, von denen er keine Unterstützung mehr zu hoffen hatte, den besten Teil seiner Kleider, um andere Schnitzstücke ankaufen zu können. Er schnürte sich zum zweiten Mal die Kraxe auf den Rücken und ging fort. Nun war ihm das Glück günstiger, er kam mit einem bedeutenden Gewinn nach Hause.

Dies eiferte ihn zu öfteren und weiteren Reisen an, deren er mehrere sogar bis Salzburg, Linz, Böhmen und auch Bayern unternahm und bei welchen er immer größere Einkäufe machen konnte.

Der »Holzbub« hat Glück

Durch diese wiederholten Reisen wurde er in jenen Gegenden als ›Holzbube‹ bekannt, dem man gerne etwas abkaufte, weil er ein stiller und sittsamer Jüngling war und den Leuten mit seiner drollig artikulierten deutschen Sprache eine Unterhaltung verschaffte.«

So war der Anfang des später so reichen »alten Pana« – und so oder ähnlich werden damals auch noch andere Grödner in die Fremde gezogen sein: arm, doch voller Hoffnungen auf die Zukunft – die aber nicht immer nur Erfolge, sondern wohl auch gar schmerzhafte Misserfolge bringen konnte.

Neben Schnitzwaren dann auch noch anderes

Und so wie die anderen hatte Johann Dominikus Mahlknecht zuerst mit den heimischen Schnitzereiprodukten begonnen, ging aber alsbald auch auf andere Waren über, die er herumhausierend absetzen konnte. Er war fleißig und sparsam, tüchtig und darum erfolgreich – und schon bald wurde aus dem kraxentragenden Grödner Hausierer ein Kaufmann, der sich seine Waren von Fahrzeugen transportieren lassen musste. Welcher Art diese Waren gewesen sind, darüber unterrichtet uns Hochw. Vian:

Was er so alles handelte

»Endlich brachte es der ›Holzbube‹ so weit, dass er die Ware verfrachten und die Messen auch mit anderen Waren besuchen konnte. Er hatte sich bereits ein nicht unbedeutendes Vermögen erspart, ging bis zum Gardasee und kaufte dort Limoni [Zitronen] und Palmzweige [eigentlich Olivenzweige], die er zur Fastenzeit hausierend bis hinaus nach Wien absetzte und die ihm nach seiner eigenen Aussage mehr als die Reisekosten abwarfen. Von diesen ging er zu Stroh- und Holzhüten (?) über, die er in Wien mit großem Erfolg absetzte. Von dort brachte er auf die Messen nach Bozen, wo er nun bereits eine eigene Handlung eingerichtet hatte, Schuh- und Sohlleder mit, auch Felle, Wintersocken, Handschuhe, Leinwand und weißen Zwirn für die Spitzenklöpplerinnen in Gröden.«

»Der reiche Mahlknecht«

»Nun hieß der ›Holzbube‹ von einst auf einmal ›der reiche Mahlknecht‹, der er auch wirklich war. Zu diesem Reichtum brachte ihn sein unermüdlicher Fleiß, sein günstiges Glück, seine feine Spekulation und seine unerhörte Sparsamkeit.«

Seine Einkäufe betätigte er oft auf sehr kluge Weise. Vian berichtet: »Während der Messen machte er nur wenige oder überhaupt keine Einkäufe und gebärdete sich so, als ob er keine Geschäfte mehr machen wollte. Am Ende derselben aber drangen die Kaufleute in ihn, er solle ihnen doch diesen oder jenen Rest abnehmen. So brachte er die Ware gegen bare Bezahlung oft um einen Spottpreis an sich.«

Kleidung und Lebensstil denkbar einfach

Seine Kleidung und sein Lebensstil waren zur Zeit seiner Hausiererei denkbar einfach und sparsam – und das behielt er auch noch später bei, als er schon ein reicher Mann war. »Seine Kleidung«, fährt Vian fort, »war auch in späteren Jahren, wo er Gulden nach Hunderttausenden besaß, derart, dass ihm besonders bei seinem mageren Aussehen mancher gutmütige Herr ein Almosen anbot, das er aber immer mit ernsthafter Miene zurückwies.

»Mehr Dukaten als du Kreuzer …«

So sagte er einmal in Salzburg zu einem, der ihm einen Kreuzer schenken wollte: ›Geh, ich hab’ mehr Dukaten [Goldmünzen] als du Kreuzer!‹ Die Wiener Kaufleute, die den reichen Sonderling kannten, sagten im Scherz öfters: ›Wir müssen schon dem Mahlknecht einen Rock anschaffen.‹ Das nahm er aber ganz gleichgültig hin und kümmerte sich um diese und dergleichen Reden gar nichts.

Sparsam, wo es nur ging!

Auf kürzeren Reisen kehrte er selten in einem Gasthaus ein, sondern kaufte sich nur etwas Brot und Milch und übernachtete in einer Scheune oder auf einer Bank. Auf längeren Reisen aber kehrte er immer nur in solchen Gasthäusern ein, wo er nicht bekannt war; wenn es aber die Umstände erforderten, dass er einmal in ein bekanntes Gasthaus einkehren musste, so war ihm meistens ‚unwohl’, damit er nicht mehr als nur eine billige Suppe nehmen musste!

So erzählte man von ihm, dass er die Reise (Fußwanderung) von Gröden nach Bozen – eine Entfernung von acht starken Gehstunden – mit gar keiner Auslage machte oder nur 2 bis 3 Kreuzer verausgabte. Ja er soll von Gröden bis Wien mit einem Aufwand von nur 18 Kreuzern gegangen sein, wie man erzählt! Freilich muss man da erwähnen, dass er in Hall ein Schiff bestieg und während der Reise hinab nach Wien sich zum Rudern anbot, wofür er Kost und unentgeltliche Hinfahrt erlangte (was übrigens mehrere sparsame Grödner nach ihm auch taten, die wir persönlich kannten).

Ein Abführmittel als Medizin

Wenn ihm ein Unwohlsein zustieß, was selten in seinem Leben geschah – denn Diät ist der Grund einer beständigen Gesundheit –, so schickte er in einen Laden um 3 Kreuzer Bittersalz (Abführmittel), und durch dieses stellte er gewöhnlich seine gestörte Gesundheit wieder her.

Nur einmal in seinem Leben erkrankte er ernstlich, und zwar in Linz, und ging deshalb hin zu den Barmherzigen Brüdern, um ein unentgeltliches Armenbett bittend. Zufälligerweise waren alle diese Betten besetzt, und so musste er abgewiesen werden. Nun schleppte er sich in eine elende Hütte und ließ sich dort auf einem armen Strohlager mit den heiligen Sterbesakramenten versehen und erwartete stillschweigend seinen Tod – oder die Genesung.« Er genas wieder, und später hat er diesem Hospital in Linz eine reiche Stiftung zukommen lassen für drei unentgeltliche Krankenbetten.

Immer in den gleichen Kleidern

Jahraus, jahrein, zu allen Witterungen, sah man ihn in der gleichen Tracht einhergehen. Er trug eine handgestrickte Joppe aus ungebleichter Wolle und eine alte, weiße, grob gestrickte Haube nach Art der Gugelmützen der Weiber mit einer roten Schleife an der Spitze.

Er lässt sich malen!

In seinen alten Tagen ließ er sich – wohl der einzige »Luxus« in seinem ganzen Leben – sogar porträtieren, und zwar von keinem Geringeren als dem berühmten Tiroler Maler Martin Knoller (1725–1804). Auf diesem Bild trägt er diese seine Gugelmütze allerdings nicht.

Eisernste Sparsamkeit!

In allem ein Mann der eisernsten Sparsamkeit, gönnte er sich, nachdem er seine große Handlung in Bozen aufgegeben hatte und in seine Heimat St. Ulrich zurückgekehrt war, auch selbst nur ein winziges Dachstüblein, um seine ihm gehörenden zwei Häuser um gutes Geld vermieten zu können.

Auch ein Gasthaus erwarb er in St. Ulrich, verpachtete dieses aber gegen einen guten Bestandszins (Pachtgeld). Vian berichtet: »Noch in seinen alten Tagen, wo er die Handelsschaft aufgegeben hatte und als sehr reicher Privatmann in sein Heimattal sich zurückgezogen hatte, wo er Besitzer eines Gasthauses und zweier anderer Häuser war, bewohnte er nur ein armseliges Stübchen im dritten Stock, um ja nur von den anderen Lokalitäten einen besseren Hauszins beziehen zu können. Er hielt auch dort anfangs keine eigene Magd, sondern gab einer Weibsperson täglich 3 bis 4 Kreuzer, die ihm ein einfaches Essen täglich von dem Pächter seines Gasthauses holen und überdies das Bett zurechtrichten musste. Erst in späteren Jahren stellte er eine Wirtschäfterin an.«

Boznerinnen um 1867. Im Hintergrund die St.-Martins-Kirche in Kampill (bei Bozen) und die neue Eisenbahn von Bozen über den Brenner. Als der junge »Pana« auf seine Hausierreisen ging, gab es noch keine Eisenbahnen und musste er alles zu Fuß machen. Zeichnung von Albert Stolz um 1925.

Heirat erst mit 71 – dann aber doch wieder »frei und ledig«

Hier muss eingefügt werden, dass der »alte Pana« verheiratet war, doch sich schon sehr bald nach der Hochzeit gütlich von seiner Frau getrennt hatte. Freilich tat er diesen wichtigsten aller Schritte im Leben erst im Alter von 71 Jahren, denn früher, wie er sich selbst ausdrückte, »hatte er nicht Zeit, daran zu denken«. Seine Wahl fiel, versteht sich, auf eine Grödnerin, und zwar auf die Witwe Christina Mauroner, die selbst in Linz eine Handlung führte.

Doch bald merkte der alte Pana, dass seine Angetraute nicht ebendieselbe Anschauung von Sparsamkeit hatte wie er, und das befremdete ihn so sehr, dass er beschloss, sich gütlich von ihr zu trennen. Sie erhielt eine große Abfertigung und blieb in Linz, er aber war wieder »frei und ledig« und lebte in St. Ulrich.

Er selbst »vermochte« [leistete] sich nie Wein oder dergleichen, wohl aber hielt er für seine Freunde und Gäste stets Wein in Bereitschaft.

Seinen »Ingehäusen« (Mietparteien) trug der alte Pana strengstens auf, die Holzböden der gemieteten Wohnung ja nicht mit der Bürste zu putzen – denn dies könnte zu einer zu raschen Abnützung der Böden führen ...

Im Alter »die Hand geöffnet« …

Viele Jahrzehnte schon hatte er gehandelt und gewandelt und Reichtümer gesammelt – für die anderen. Da endlich beschloss er, seine Hand, die bisher krampfhaft den Geldsack umklammert hielt, zu öffnen, und begann zu geben, zu geben, zu geben.

Und er gab nicht mit dem Maß der Kargheit, das er stets gegen sich selbst gehandhabt hatte und auch noch weiter bis zu seinem Lebensende handhabte, sondern in großen und vollen Zügen. »Fürstlich«, wie sich ein Biograph ausdrückte.

Milde und fromme Stiftungen

Er kannte es aus eigener Erfahrung, das Elend derer, deren Heimat die Landstraße war. Sie sollten auch etwas von seinem Reichtum haben, den er mit so vielen Anstrengungen und Entbehrungen, freiwilligen und unfreiwilligen, aufgehäuft hatte.

Als Erstes stiftete er drei Armenbetten im Hospital der Barmherzigen Brüder in Linz, wo er einmal – wie bereits erwähnt – vergeblich um Aufnahme in schwerer Krankheit nachgesucht hatte.

Aber auch für Kirchen und Klöster, Benefizien und Schulen, Armenpfründen [wohltätige Stiftungen] und Pfarrhäuser hatte er viel übrig. Hochw. Vian bringt in seinem Buch die lange Liste aller bekannt gewordenen Legate und Stiftungen:

6000 Gulden für die Erhaltung dreier Krankenbetten bei den Barmherzigen Brüdern in Linz,

4000 Gulden für arme Kranke im Spital Lichtental in Wien,

4000 Gulden für drei arme Kranke im Spital zu Frankenmarkt in Österreich,

900 Gulden dem Spital in Ala,

31.000 Gulden den vier Grödner Gemeinden St. Ulrich, St. Christina, Wolkenstein und Pufels als Stipendienstiftung für »würdige Arme«,

13.000 Gulden der Gemeinde St. Ulrich zur Gründung eines beständigen Armenfonds und derselben Gemeinde einen großen Getreidezehent im Wert von 2000 Gulden, ebenfalls für Armenbetreuung,

20.000 Gulden für die Armen der Stadt Bozen, der Gerichtsgemeinden Kastelruth und Karneid sowie von St. Ulrich,

2000 Gulden für die Errichtung eines Armenfonds in St. Peter hinter Lajen,

3400 Gulden für die Errichtung einer ständigen Gemeindearztstelle in St. Ulrich,

12.775 Gulden für die Erhaltung eines Seelsorgers an der St.-Anna-Kapelle in St. Ulrich,

8000 Gulden zur Errichtung eines geistlichen Benefiziums bei den Englischen Fräulein in Brixen (auf Veranlassung seines geistlichen Bruders),

7700 Gulden für die Errichtung eines Seelsorgebenefiziums in St. Michael bei Kastelruth und 8000 Gulden für ein ebensolches in der Kastelruther Gemeindefraktion Tagusens,

4000 Gulden zur besseren Dotierung des Seelsorgebenefiziums in Verdings bei Klausen

und je 3000 Gulden zu demselben Zweck an die Ortschaften Untermoi und Predazzo,

3000 Gulden für denselben Zweck an die Seelsorge von Glaning bei Jenesien,

1100 Gulden zu demselben Zweck für Mazzin im Fassatal,

4000 Gulden zur Stiftung einer zweiten Kooperatur in seinem Heimatort St. Ulrich,

5600 Gulden für den Neubau der Pfarrkirche von St. Ulrich und die neue Orgel dort (für die neue Pfarrkirche gab er auch einen ihm gehörenden Acker als Baugrund her),

500 Gulden zur Stiftung einer Segenmesse an Sonn- und gebotenen Feiertagen der Pfarrkirche von St. Ulrich,

400 Gulden zur Erhaltung eines Ewigen Lichtes in der Kirche von Tanürz bei Lajen,

7000 Gulden zur Wiederherstellung des Kapuzinerklosters in Innsbruck (auf Verwendung seines geistlichen Bruders),

1625 Gulden zur Verbesserung des Schullehrergehaltes in St. Ulrich –

das sind insgesamt 159.000 Gulden für fromme und wohltätige Zwecke.

Das alles schon zu seinen Lebzeiten gestiftet!

»Diese Stiftungen«, so Vian, »errichtete er aber nicht etwa durch Testament, also im allerletzten Augenblick, wie mancher reiche Geizhals, der sich im Leben von seinen Geldkisten und Obligationen [Schuldverschreibungen] nicht trennen kann, sondern er wies die Beträge noch bei Lebzeiten an oder zahlte das Versprochene bar aus!«

Freilich, so bemerkt Vian weiter, ging Mahlknecht bei der Errichtung oder Verbesserung geistlicher Benefizien etwas kaufmännisch zu Werke, denn er überhäufte sie mit Stiftmessen so sehr, dass für ihn und seine Verwandten wöchentlich nicht weniger als 39 heilige Messen zu lesen waren, was im Jahr immerhin die stolze Summe von 2028 Stiftmessen ausmachte.

»Tätiger Freund der Menschheit«

»Demungeachtet verdient Mahlknecht den rühmlichen Namen eines wahren Eiferers der Ehre Gottes, eines freigebigen Vaters der Armen und eines tätigen Freundes der Menschheit. Denn ihm verdanken auf ewige Zeiten [Zwischenbemerkung: Nach 1918 gingen alle diese Stiftkapitalien durch die Inflation zugrunde!] Hunderte von Landbewohnern die Aufstellung von Religionslehrern in ihrer Mitte (Benefizien- und Priesterstiftungen), viele Kranke ihre Labung, Hilfe und Genesung (Freibetten in Hospitälern) und viele Arme den größten Teil ihres Unterhaltes (Armenfonds). Seine Freigebigkeit zog sogar die Aufmerksamkeit der k. k. Tiroler Landesregierung in Innsbruck auf sich, von welcher er drei Jahre vor seinem Tod wegen seiner ›freimütigen Schenkungen und Stiftungen gebührend belobigt‹ wurde.«

Sein Tod

»Johann Dominic Mahlknecht starb, wie er lebte: christlich-fromm und dem Willen Gottes ganz ergeben. Als er merkte, dass seine Todesstunde heranrückte, ließ er sich mit den heiligen Sterbesakramenten versehen und sah ganz ruhig seinem Ende entgegen. Wir wissen es von Ohrenzeugen, dass er während seiner Krankheit von weltlichen Geschäften kein Wort mehr redete; er befahl nur, reichliches Almosen zu verteilen, damit der Allgütige ihm eine gute Sterbestunde verleihen möge.

Er starb am 5. Jänner 1809 im 85. Jahre seines Alters. Gewiss nicht ohne Fügung Gottes lag er in den letzten Zügen, als gerade ein Almosen von 100 Star Getreide an Bedürftige verteilt wurde, die beim Läuten des Sterbeglöckleins sich alle in der Kirche versammelten und ihr innigstes Gebet unter Vergießung vieler Tränen zum Herrn sandten.

Alle Gemeindeeinwohner und viele andere Leute von nah und fern, besonders die Armen, begleiteten seine Leiche zum Grabe, und Letztere bezeugten es mit lautem Schluchzen, dass sie es erkannten, dass sie ihren wohltätigen Vater und Freund verloren hatten.«

Ein schönes Grabmal im Friedhof von St. Ulrich

Seine Verwandten, an die sein übriges Vermögen – angeblich 170.000 Gulden – fiel, ließen ihm auf schönem Marmor folgende Inschrift setzen:

Sieh hier des Johann Dominici Mahlknecht Grab.

Seines Goldes Glanz wich seiner Tugend Schimmer,

ihn segnen dankbar die Gemeinden immer,

denen Priester er und Ärzte gab.

Ihm weint der Arme nach.

Verfachbücher Gufidaun (Landesarchiv Bozen).

Vian, Josef Anton: Gröden, der Grödner und seine Sprache. Bozen 1864.

Der »Lateinerfranzl«

Er war ein Marteller Bauernsohn, der im 19. Jahrhundert gelebt und sich – fernab von jeder Schule – in zähem Selbststudium aus Büchern erstaunliche Kenntnisse angeeignet hat, unter anderem auch aus Latein, weshalb er dann diesen seltsamen Übernamen erhalten hat.

Er wurde mehr als achtzig Jahre alt und meißelte sich auch selbst seinen marmornen Grabstein, der heute noch auf dem Friedhof in Martell zu sehen ist. In vier Sprachen – Latein, Griechisch, Französisch und Italienisch – wendet er sich von diesem Grabstein aus an die Besucher seines Grabes. Und auch selbst abgebildet hat sich der »Franzl« auf seinem Grabstein.

Der Grabstein des »Lateinerfranzls«, von ihm selbst gemeißelt. Er wendet sich in vier Sprachen (Latein, Griechisch, Französisch und Italienisch) an den Besucher seines Grabes und bittet ihn um ein Vaterunser für seine Seele.