Summers, Michelle Bastard Millionaire - hoffnungslos verfallen

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© 2020 Piper Verlag GmbH, München
Redaktion: Theresa Schmidt-Dendorfer
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1. Kapitel

Megan

Ein Luftloch zog die Maschine abrupt nach unten und einige Passagiere schrien panisch auf. Ich gehörte dazu.

Geschockt krallte ich mich in meine Armlehnen, bis sich das Flugzeug stabilisiert hatte. Das fehlte mir noch! Nicht nur, dass ich zwei Jobs innerhalb eines halben Jahres verloren hatte, jetzt drohte mir auch noch, in einem Flugzeug abzustürzen? Wie viel Unglück konnte eine einzelne Frau anziehen? Tja, wenn sie Megan Newman hieß, offensichtlich sehr viel.

Ich atmete hektisch ein und aus, versuchte aber, dabei nicht zu laut zu sein und mich gleichzeitig mit guten Gedanken abzulenken. Wenn ich nun schon sterben musste, dann wollte ich wenigstens an etwas Schönes denken. Blöd nur, dass ich von Natur aus Pessimistin war, und mir alles, nur keine schönen Erinnerungen kamen …

Denn: Mein Leben war verkorkst. Von vorne bis hinten.

Dabei hatte es sich durchaus vielversprechend entwickelt. Leicht hatte ich es zwar nie gehabt, aber nach meiner schwierigen Kindheit hatte mit meinem High-School-Abschluss die Chance auf mich gewartet: ein Studienplatz mit einem Stipendium. Zwar nur ein halbes Stipendium, aber ich hatte – als Erste in der Familie – eine reelle Chance aufs College zu gehen. Ich wollte Pharmazie studieren! Und ich war echt stolz drauf gewesen! Medikamente erforschen und herstellen, Menschen helfen – genau da wollte ich hin. Zugegeben, ganz schön hohe Ziele für ein Mädel aus der Bronx.

Aber ich war zäh und ehrgeizig. Alles, was ich bis dato erreicht hatte, hatte ich mir selbst erarbeitet. Ich hatte sogar einen gut bezahlten Job bei Humphreys in L.A. abgestaubt, dem großen Pharma-Konzern. Halbtags. Als Werkstudentin. So konnte ich die Finanzierungslücke zu meinem Stipendium schließen.

Der beste Job, den ich je ausgeübt hatte. Jackpot. Geld für mein Studium und Berufserfahrung. Gut bezahlt, interessant und man hatte mir vertraut, mir Verantwortung übertragen, auch, weil ich immer gute Leistungen im Studium erbrachte und ich viele Kurse im Bereich Pharmaproduktion belegt hatte. Ich wurde nicht mehr als Nur-Werkstudentin gesehen, sondern erfüllte die Aufgaben einer Assistentin.

Ich konnte praktische Erfahrungen sammeln, mich fortbilden und zugleich ins Marketingfeld hineinschnuppern. Aber wie es im Leben der Newmans eben so ist: Was gut anfängt, endet in einer Katastrophe.

Ich hatte zwar geglaubt, dass sich mit meinem Auszug alles irgendwie einrenken und ich zur Ruhe kommen würde, dass ich von nun an alles besser machen würde als unsere völlig verpeilte Mum, die es vorzog, nachts um die Häuser zu streifen, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern. Weil ich eine echte Chance bekommen hatte! Die ich mir selbst erarbeitet hatte. Doch Fehlanzeige! Ich hatte natürlich das Newman-Gen, das dominant vererbt wurde, und somit machte ich mir alles selbst kaputt.

Erneut ruckelte die Maschine und mir wurde flau im Magen. Noch waren aber die Atemmasken nicht heruntergefallen, es konnte also noch nicht so schlimm sein, versuchte ich die Situation rational einzuordnen, um meine aufkeimende Panik in den Griff zu bekommen. Ernsthaft – ich wollte jetzt nicht draufgehen! Nicht so!

Ich hatte da noch einiges gerade zu biegen, nachdem ich es so versaut hatte.

 

Versaut war das richtige Stichwort – eine Affäre mit meinem Boss, Damon Humphreys, hatte meinen Untergang eingeleitet! Damit hatte ich alles zerstört, was ich mir vorher aufgebaut hatte. Und zwar mit der Zielstrebigkeit und -genauigkeit eines Biathlon-Schützen. Dabei hatte ich mich zuerst mit Händen und Füßen gegen die Avancen meines – zugegebenermaßen sehr attraktiven – Chefs gewehrt. Wirklich! Doch seine Blicke, seine Andeutungen hatten mich verrückt gemacht. Und noch dazu hatte ich mich unglaublich geschmeichelt gefühlt. Ich, von ganz unten, er, von ganz oben. Es war einfach nicht möglich gewesen, sich ihm zu verwehren. Gerade hatte ich meinen Bachelor abgeschlossen, das Masterstudium begonnen. Ich hatte richtig Oberwasser bekommen.

Aber je weiter oben man ist, desto tiefer kann man fallen … Wie zur Bestätigung sauste das Flugzeug durch ein Luftloch, was mir für einen viel zu langen Moment den Atem stocken ließ.

Genauso hatte ich mich gefühlt, als am fünfzehnten Januar dieses Jahres Damons Frau Ireen hinter unsere Affäre gekommen war. Reumütig hatte er sich, von ihr vor die Wahl gestellt, für sie entschieden. Damon lebte nämlich nicht in Trennung, wie er immer behauptete, kurz bevor er mich gevögelt hatte. Welch naiver Teufel hatte mich da nur geritten, ernsthaft etwas anderes anzunehmen?

Und schon war ich vom Himmel direkt in die Hölle katapultiert worden: Wenn ich morgens in die Firma gekommen war, hatte ich es an ihren Blicken gesehen – sie wussten es. Alle.

Und ich hatte mich fortan in meinem Büro versteckt und war jedem Gespräch aus dem Weg gegangen. Am liebsten wäre ich vom Erdboden verschluckt worden. Ich wusste, dass die Kollegen über mich redeten. Manche von ihnen bedauerten mich. Auch das konnte ich an ihren Blicken sehen. Für mich war es unerträglich gewesen.

Es hatte nur einen Ausweg gegeben. Die einzige Art, von der ich wusste, dass sie wirklich funktionierte: Lauf, so schnell du kannst.

Alle Brücken abbrechen. Aus Selbstschutz. Oder dem, was ich dafür hielt. Ich hatte keine andere Möglichkeit gesehen. Seine ständige Nähe nicht ausgehalten. Das Getuschel erst recht nicht. Zum Glück war ich jemand, der schnell handelte. Manchmal zu schnell …

Ich hatte die Firma Hals über Kopf verlassen. Mit einem festen Vorsatz: So was wie mit Damon würde mir nie wieder passieren! Niemals wieder eine Affäre mit dem eigenen Boss!

Ich war mir sicher, dass ich bald wieder etwas gefunden hätte. Natürlich war ich bereit, Abstriche zu machen, aber dass ich keinen neuen Job in der Branche gefunden hatte, hatte mich geschockt. Ich hatte doch immerhin einen Bachelor! Und hatte einen der begehrten Masterstudienplätze in Pharmazie. Ich war zwar zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden, schließlich waren studentische Mitarbeiter begehrt, da günstig, aber über die erste Einstellungsrunde war ich nie wieder hinausgekommen. Dabei hatte Damon mir ein super Zeugnis ausgestellt. Doch ich ahnte, dass seine Frau Ireen ihre Finger im Spiel und mich angeschwärzt hatte. Natürlich hatte die Gute viele Connections in der Pharmaindustrie.

Und nun hatte plötzlich auch mein Studium auf dem Spiel gestanden. Ohne gut bezahlten Job kein College, so waren die Spielregeln. Da ich außerdem gezwungen war, wie jeder andere seine Miete zu zahlen, war mir nichts anderes übrig geblieben, als mich anderweitig umzusehen. So war ich in Jakes Café in Pasadena, quasi um die Ecke, gelandet.

Dort hatte es mir eigentlich Spaß gemacht – obwohl das Gehalt selten bis zum Ende des Monats gereicht hatte. Aber ich war mit Ach und Krach und mehreren Schichten über die Runden gekommen, es war ja auch nur eine Notlösung, um die Miete überhaupt zahlen zu können. Bis zum Semesterbeginn hätte ich was »Besseres« finden müssen, denn nur mit Kellnerjob und einem halben Stipendium ließ sich kein Studium finanzieren, egal, wie viele Stunden am Tag man auf den Beinen stand. Ich war dennoch guter Dinge gewesen, für alles eine Lösung zu finden – bis dieser windige Kerl mir an den Hintern gefasst und ich ihm im Gegenzug ein Glas Wasser über dem Kopf ausgegossen hatte.

Jake, der Besitzer des Ladens, hatte die Schuld bei mir gesehen – und nur bei mir. Angeblich war ich zu aggressiv, um in der Gastronomie zu arbeiten, ich würde nicht über ausreichende »Serviceorientierung« (So nennt man das also!) verfügen und die Gäste hätten Angst vor mir. Schon klar. Wenn mich jemand ungefragt anfasst, dann sollte er auch Angst vor mir haben.

Tja, das war das Ende vom traurigen Lied gewesen. Mein Masterstudium war beendet, bevor es wirklich begonnen hatte.

Bisher wusste niemand in meiner Familie davon. Alle glaubten, ich würde immer noch fleißig studieren und an meinem Master arbeiten. Daran hatten sie auch durchaus die Hoffnung geknüpft, ich würde sie alle eines Tages retten.

Dabei waren sie zuerst sogar gegen meine Studienpläne gewesen. »Du hast uns im Stich gelassen«, hallte wie zur Bestätigung die Stimme meiner Schwester Courtney durch meinen Kopf und ich fragte mich, ob ich gerade wirklich am Ende meines Lebens stand? Hieß es nicht, dass man dann alles noch mal an sich vorbeiziehen sah? All die guten und auch weniger guten Augenblicke? »Du hast uns im Stich gelassen!«, sagten sie alle im Chor. Mum mit dem kleinen Toby im Arm, Courtney und die Zwillinge Jessy und Bessy. Mir wurde noch übler.

Es tut mir ja leid, verdammt! Ich will es wiedergutmachen, ehrlich. Aber ich weiß nicht, wie!

Ich konnte sie ja nicht mal finanziell unterstützen, weil ich diesen Super-Job in der Pharmaforschung, von dem sie hofften, dass ich ihn eines Tages hätte, ohne einen abgeschlossenen Master nie an Land ziehen würde. Wie es jetzt in Hinblick auf meine Ausbildung weitergehen sollte, wusste ich selbst nicht. Nur, das hier konnte es nicht gewesen sein – das durfte es nicht!

Die Wahrheit über mein Scheitern war zu demütigend, sie durfte niemals ans Tageslicht kommen. Von daher wäre es gar nicht so unpassend, wenn diese mit mir abstürzen würde, oder? Oder würde sie damit erst Recht aufgedeckt werden? Nein, ich musste sichergehen können, dass meine Familie kein schlechtes Bild von mir bekam. Dass ich sie nicht umsonst zurückgelassen hatte. Sollte ich daher nicht die Chance bekommen, alles wieder in Ordnung zu bringen? Dieses Mal würde ich es schaffen, ehrlich!

Ich wollte nicht abstürzen! Nicht jetzt. Ich war doch schon ganz unten.

Warum sagte dieser verfluchte Pilot eigentlich nichts? Irgendetwas Beruhigendes oder so. Der musste doch Stellung beziehen! Aber selbst die Flugbegleiterinnen waren nirgends zu sehen. Natürlich, bei Turbulenzen mussten auch sie sich anschnallen. Das hieß also gar nichts.

Ich drückte meinen Hinterkopf in die harte Rückenlehne, fühlte mich alleingelassen und presste die Augen zu, als könnte ich mich dadurch irgendwie an einen anderen Ort beamen, wenn ich nur ganz fest dran glaubte. Ich atmete konzentriert durch die Nase, weil mir immer schlechter wurde. Irgendetwas Schönes musste mir doch einfallen. Mein Leben konnte doch nicht nur miserabel sein!

Ich hatte wohl auch hier die Arschkarte gezogen. Es gab einfach keine guten Momente!

Wenigstens waren meine Angelegenheiten in Pasadena geklärt, die Wohnung gekündigt und ich hatte keine Schulden. Sollte mir was passieren, musste meine Familie für nichts aufkommen.

Das Ruckeln hörte einfach so auf und ich fühlte mich vom Schicksal verhöhnt. Jetzt glitt das Flugzeug so sanft durch die Luft, als wäre es gerade erst geölt worden. Die Leute um mich herum wirkten auch nicht mehr ganz so ängstlich. Ich atmete ebenfalls ruhiger.

Die ersten Passagiere standen bereits auf, plötzlich waren auch die Flugbegleiterinnen wieder da, servierten Getränke, lächelten, als wäre nichts passiert.

 

Ich atmete auf. Ich hatte also entschieden, dass ich doch ganz gern noch am Leben bleiben wollte. Um einige Dinge zu bereinigen.

Mit Magenschmerzen. Nicht nur, weil wir gerade fast abgestürzt wären. Obwohl das schon schlimm genug war. Nein, denn dieser Flieger, in dem ich saß, brachte mich von L.A. nach New York, meine Heimatstadt und die Heimatstadt meiner Familie – vor nichts fürchtete ich mich mehr als vor dem Wiedersehen, insbesondere mit Courtney. Und davor, dass sie die Wahrheit über mein klägliches Versagen erfuhren. »Hab ich es dir nicht gleich gesagt? Du bist eine Newman. Dein Studium war von Anfang an zum Scheitern verurteilt«, hörte ich Mums Stimme in meinem Kopf, und seufzte. Ich glaubte nach wie vor nicht, dass sie recht hatte, auch wenn die Fakten was anderes behaupteten.

Einen Lichtblick gab es nämlich: Ich hatte vielleicht keinen Master, dafür aber Eli, die meine Misere kannte!

»Ich habe dir ein Vorstellungsgespräch besorgt. In meiner Firma«, hatte meine beste Freundin Elissa mir letzte Woche am Telefon aufgeregt verkündet. »Es ist einiges im Umbruch, einige Umstrukturierungen, Genaues weiß man nicht, aber sie suchen.« Sie war in der Marketingabteilung von Tomax Inc., einem der großen Pharmariesen des Landes, tätig. »Ich bezahle dir den Flug und du kannst erst mal bei uns unterkommen.«

Mum hätte mich wohl wieder aufgenommen, aber ehrlich, ich hätte arg an meinem Verstand gezweifelt, wenn ich sie ernstlich gefragt hätte. Zu Mum zu ziehen, und sei es nur vorübergehend, käme dem sprichwörtlichen vom Regen in die Traufe gleich. Sie war eine totale Chaotin und die verantwortungsloseste Person, die ich kannte. Noch dazu sah sie die Schuld immer bei anderen und hätte mich mit Vorwürfen überhäuft.

Das Angebot von Elissa war ein Geschenk des Himmels. Da wäre es nur logisch gewesen, wenn ich vorher abgestürzt wäre – mir durfte ja nichts Gutes widerfahren.

Jetzt also wieder der Big Apple. Ich hatte ihn vermisst und gleichzeitig gefürchtet, wegen der vielen ungeklärten Dinge. Vielleicht war es eine Chance, vielleicht musste ich heimkehren, um glücklich zu werden?

Mir wurde wieder schlecht. Aber so richtig. Oh Mann, was war denn jetzt los? Am Flug lag es nicht. Der war nun so ruhig, dass selbst ein Baby auf der Stelle hätte einschlafen können.

Mein Magen dreht sich um. War mir das Flugzeug-Menü nicht bekommen?

Als hätte ich nicht genug Probleme. Ich bemerkte schnell erste Blicke. Meine Sitznachbarin rümpfte kaum merklich die Nase und rückte etwas von mir ab, als ich mir stöhnend die Hand auf den Mund drückte. Ich habe nicht die Pest, Lady Toupierfrisur, sondern nur ein kleines Magenproblem, hätte ich sagen sollen. Stattdessen schluckte ich meinen Ärger runter.

»Kann ich Ihnen helfen?«, sprach mich plötzlich eine Flugbegleiterin an.

Schuldbewusst blickte ich zu ihr auf. Ich wollte niemandem zur Last fallen.

»Mir geht’s blendend«, versuchte ich witzig zu sein, ihre Augen weiteten sich aber, was sicher daran lag, dass ich aussah, als würde ich jeden Moment meinem Schöpfer gegenübertreten. So fühlte ich mich zumindest. Und ich wusste, wie ich nach einer durchzechten Nacht aussah: Stichwort Zombie.

»Warten Sie kurz, ich sehe mal nach, ob ich was für Sie tun kann«, sagte die freundliche Dame und hechtete durch den Gang direkt zur Businessclass, was mir nur deshalb auffiel, weil ich feststellte, dass die Übelkeit etwas nachließ, wenn ich den Kopf in den Nacken legte.

Bis es wieder in meinem Bauch rumorte.

Ich überlegte, zur Toilette zu gehen, als die Flugbegleiterin zurückkehrte und sich vor mich hinhockte, als wäre ich ein kleines verschrecktes Kind.

»Ich kann Ihnen einen Fensterplatz anbieten«, sagte die Dame sanft, aber nicht allzu laut und nickte den Gang runter. In der Businessclass schien ihr Blick zu sagen.

Ich war noch nie Business geflogen und allein der Gedanke verursachte ein Bauchkribbeln. Diesmal von der guten Sorte.

»Vielleicht hilft Ihnen das?«

Das hilft bestimmt, Lady. Ich nickte ernst.

Einen Versuch war’s auf jeden Fall wert. Außerdem hatte ich das Gefühl, die Leute, die um mich herumsaßen, würden es zu schätzen wissen, wenn ich mich schnell verdünnisierte.

»Fein, ich helfe Ihnen auf.« Die Flugbegleiterin erhob sich, streckte mir die Arme entgegen und ich stützte mich an ihr ab, fühlte mich dennoch benommen und ausgelaugt.

Vielleicht waren es ja nicht der turbulente Flug und das Mittagessen allein, sondern meine Angst vor der neuen Situation, die zugleich eine alte war, schließlich kehrte ich nach Hause zurück, in die Stadt meiner Probleme. Ein unstetes Leben wie meines konnte wohl nicht allzu gesund sein. Aber vielleicht würde diesmal alles anders werden. Vielleicht konnte ich mich sogar mit Courtney versöhnen. Vielleicht …

»Was ist mit meinem Handgepäck?«, fragte ich müde.

»Das holen Sie sich nach der Landung aus der Ablage hier.« Die Flugbegleiterin klopfte auf das Gestell auf meiner Kopfhöhe.

Ich nickte und torkelte mit der netten Dame durch den Gang, durch den Vorhang, der uns Billigflieger von den Reichen und Schönen trennte, bis ich zu dem Platz gelangte, der nun für mich vorgesehen war.

 

Im Business-Bereich war alles weniger eng und die Leute saßen nicht zu dritt in einer Reihe. Es gab auch mehr Platz für die Füße. Selbst die Sessel waren schön gepolstert und wirkten sehr bequem. Ein neuer Platz, ein neues Leben?

Scheiße, ich hatte Angst vor diesem neuen/alten Leben in New York. Ich wusste ja, ich würde nicht allein sein. Eli und ihr Mann Matt wollten mir unter die Arme greifen. Aber diese übereilte Abreise zerrte an mir. Machte ich den nächsten Fehler? Auf der anderen Seite hatte ich in Pasadena meine Miete nicht mehr bezahlen können und wäre wohl früher oder später auf der Straße gelandet. Mit Mietschulden.

»Mr. Wilsaw, das ist dann Ihre neue Sitznachbarin. Vielen Dank, dass Sie zugestimmt haben«, meinte die Flugbegleiterin und strahlte den Mann zu unserer Linken an, als wäre er ein Prominenter. Er kam mir tatsächlich bekannt vor, zuordnen konnte ich ihn aber nicht.

Doch ich sah auf den ersten Blick, was der Grund für das überstrapazierte Lächeln im Gesicht der Flugbegleiterin war. Denn auch ich erkannte Perfektion, wenn ich sie vor mir sah. Und zwar die Art von Perfektion, die einen aus dem Hier und Jetzt herauskatapultierte und alles um sich herum vergessen ließ.

Gab es also Menschen mit solchen Wangenknochen wirklich? Ich hatte immer den Verdacht gehegt, die heißen Kerle auf Covern und Plakaten, die solche Gesichtszüge hatten, wären allesamt mit Photoshop nachträglich verschönert worden. Aber das Exemplar vor mir schlug Johnny Depps prägnantes Jochbein um Längen.

Kurzum, mein neuer Sitznachbar sah heiß aus. Sehr heiß sogar. Typ sexy Geschäftsmann. Diese Kieferlinie …

Und der Name Wilsaw … Wieso kam mir dieser nur so bekannt vor? Und warum starrte ich ihn immer noch an? Es gab doch viele Männer mit prominenter Kieferlinie. Aber das war leider längst nicht alles, was für ihn sprach.

So blaue Augen hatte ich noch nie gesehen. Also, so richtig blau, wie das Wasser am Pazifik, den ich nicht so schnell wiedersehen würde. Für einen winzigen Moment versank ich in ihnen, bis ich das Gefühl hatte, unterzugehen.

Er räusperte sich, und ich schreckte aus meiner Schwärmerei hoch. Sicher war er es gewohnt, dass Frauen ihn so anstarrten. Und ich reihte mich nahtlos ein. Obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte.

»Nehmen Sie Platz, Miss …?«

Verflixt, er hatte auch noch eine verdammt sexy Stimme. Tief und vibrierend.

»Newman!«, schoss es aus mir heraus. »Megan Newman.«

Er lächelte. Dabei bildeten sich winzige Grübchen auf seinen Wangen.

Ein komisches Gefühl durchfloss mich. Als würden meine Beine gleich wegbrechen.

Benommen schob ich meine kognitiven Ausfälle und die weichen Knie auf meine Magenprobleme, die sich schließlich auch auf den Kreislauf auswirken konnten. Das wusste ich so genau, weil ich kurz vor meiner Kündigung in L.A. eine Studie für Humphreys neue Kreislaufmedikamente in Auftrag gegeben hatte. Es waren natürlich Generika gewesen. Damon bekam in keiner Hinsicht allein etwas auf die Beine gestellt. So war es, wenn man von Beruf Sohn war und Daddys Firma übernahm.

Langsam schob ich mich an Mr. Wilsaw vorbei und steuerte auf meinen Fensterplatz zu. Dabei stieg mir der sinnliche Duft Spanischen Leders in die Nase. Sofort kribbelte es in meinem Bauch, als wäre gerade ein Schwarm Schmetterlinge aus einer üppig blühenden Wiese aufgestoben.

Bei der Gelegenheit sollte ich vielleicht aufhören, den Kerl anzustarren, als wäre er die größte Sensation unter der Sonne.

»Wenn noch etwas ist, rufen Sie mich einfach«, sagte die Flugbegleiterin und riss mich aus meinen Gedanken.

Ich hatte ganz vergessen, dass sie auch noch da war. Aufmunternd nickte sie mir zu. Wie sollte sie auch ahnen, dass mein verklärter Blick daher rührte, dass mein Verstand vom Spanischen Leder völlig vernebelt worden war.

»Danke«, sagte ich noch mal und war mit den Gedanken wieder bei meinem Sitznachbarn.

Sicher war der Kerl neben mir Geschäftsmann. Er strahlte so etwas Managerhaftes aus. Baugewerbe vielleicht? Automobilindustrie?

Wilsaw … Da klingelte endlich was.

War das nicht diese Hotelier-Familie, die man in einem Atemzug mit den Hiltons nannte? Den Wilsaws gehörten die berühmten Ariana-Hotels, in denen sich ein Normalsterblicher keine Übernachtung leisten konnte, wenn ich jetzt nichts durcheinanderbrachte.

Luxussuiten zu Luxuspreisen. Komisch, dass der diesen einfachen Inlands-Linienflug nahm, sie hatten doch sicher Privatjets, aber was wusste ich schon. Promis waren doch oft sehr exzentrisch. Falls es überhaupt einer DER Wilsaws war.

Meine Chancen standen jedenfalls nicht schlecht, dass ich gerade neben einem echten Millionär saß. Nicht, dass ich mir davon etwas hätte kaufen können … Normalerweise war es mir auch egal, wie viele Scheine jemand in seiner Geldbörse hatte. Aber einer von den Wilsaw-Brüdern – das wäre ja schon eine kleine Sensation … Die waren doch die heißesten Junggesellen der Schickeria! Wie bei den Jonas Brothers war es aber so, dass man sie nur schwer auseinanderhalten konnte, ich zumindest nicht. Das war wohl der Fluch der Perfektion. Sowie die Tatsache, dass ich mich nun auch nicht so brennend für Promis interessierte, wie es andere junge Frauen in meinem Alter taten.

Oder aber der Kerl neben mir hieß nur zufällig Wilsaw, war immerhin ein Name wie jeder andere …

Ich beschloss, ihn nicht danach zu fragen, es wäre mir zu aufdringlich vorgekommen. Ich war ohnehin mehr der Typ, der in Zügen oder auf Flügen Privatsphäre vorzog. Vor allem, weil ich sonst in Gefahr geraten wäre, völlig Fremden von meinem verkorksten Leben vorzujammern. Das konnte niemand ernsthaft wollen.

»Geht es Ihnen wieder besser?«, sprach Mr. Wilsaw mich plötzlich an und seine Stimme klang jetzt noch tiefer und sehr männlich. So männlich, dass gleich der nächste Schwarm Schmetterlinge durch meinen Bauch flatterte. Aber genau das wollte ich mir hier und jetzt nicht erlauben! Ich hatte andere Sorgen! Durfte mich von so was doch nicht ablenken lassen. Und klang da nicht auch eine deutliche Spur Mitleid in seinen Worten mit? Ein bisschen herablassend, eine Spur gönnerhaft. Ach, das arme Mädchen aus der Economy … Sollte ich ihm jetzt etwa dankbar sein, dass er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte?!

Ob es mir also besser ging? Er hatte sicher noch nicht mal eine Ahnung davon, wie schlecht es mir ging – global gesehen.

Jemand, der noch nicht mal in Ansätzen verstehen konnte, wie es sich anfühlte, wenn es einem richtig dreckig ging, wollte wissen, ob es mir besser ginge? Wie mochte sich wohl für ihn »schlecht« anfühlen? Ein Vogelschiss auf seinem überteuerten SUV? Ein loser Faden an seinem akkurat geschnittenen Mantel? Oder – oh Gott – ein gerissener Schnürsenkel bei seinen maßangefertigten Lederschuhen? Wenn es ihm »schlecht« ging, würden wahrscheinlich sofort tausend Assistenten um ihn herumschwirren und schon dafür sorgen, dass es ihm »besser« ging. Selbst wenn es mir jemals »besser« gegangen wäre, mein Besser wäre Lichtjahre von seinem Besser entfernt! Worüber redeten wir hier also?!

Was wusste er schon? Jemand wie er, der aller Wahrscheinlichkeit mit goldenem Löffel im Mund geboren worden war und so etwas Banales wie Arbeitslosigkeit oder die Sorge, woher die nächste Miete kam, gar nicht kannte.

Ich brauchte nur auf mein Leben zu blicken und fühlte mich, als könnte ich jeden Moment losheulen. Ich war eine komplette Versagerin! Ich schaffte es ja nicht mal, während eines vierstündigen Fluges NICHT negativ aufzufallen.

»Nein«, platzte es aus mir raus und ich hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. »Verdammt, nein, und noch mal nein!«

Ich fing unwillkürlich an, vor Erregung und Wut zu zittern, merkte aber sehr schnell, wie unangebracht meine Reaktion war. Tada – ich war wohl doch ein wenig »aggro«. Ich biss um mich wie ein verletzter Hund.

»Nichts ist in Ordnung! Nichts!«, rief ich trotzdem zu laut.

Mann, Megan, reiß dich zusammen!

Ich musste wie eine Irre auf ihn wirken. Sicher ließ er mich gleich wieder von meinem kostbaren Fensterplatz entfernen … Doch ich fühlte mich seltsamerweise auch besser, weil ich endlich die ganze Wut rauslassen konnte. Würde ich doch nur nicht wie Espenlaub zittern.

»So schlimm?«, hakte er nach und lächelte mich mitfühlend an.

Dabei wollte ich kein Mitgefühl. Und schon gar kein Mitleid. Mitleid würde bedeuten, dass wirklich alle Hoffnung verloren war – und das wollte ich einfach nicht glauben. Ja, ich wusste, dass es von ihm nett gemeint war. Irgendwie. Ich hatte nicht mal damit gerechnet, dass er eine Sitznachbarin überhaupt bemerken würde. Und er rief weder nach der Flugbegleiterin, um mich wieder nach hinten zu verfrachten, noch wurde er mir gegenüber unfreundlich. Ich hatte sogar für einen winzigen Moment die Illusion, es würde ihn wirklich interessieren, was mit mir los war.

»Tut mir leid, Sie müssen glauben, ich sei eine Furie«, sagte ich deutlich ruhiger.

»Ich bringe Ihnen ein Glas Wasser, einverstanden?«, erklang plötzlich die Stimme der treu sorgenden Flugbegleiterin neben unserer Reihe.

Ich erschrak und nickte. Da war sie wieder, hatte sich auf Katzensohlen angeschlichen. Hoffentlich hatte sie meinen kleinen Ausbruch nicht mitbekommen. Sie lächelte zumindest, als wäre nichts gewesen. Profi eben. Oder konnte es wirklich sein, dass noch jemand Verständnis für mich hatte? Ich wollte es fast nicht glauben. Aber niemand regte sich auf. Die Flugbegleiterin verschwand so geräuschlos, wie sie gekommen war.

»Ich wollte jedenfalls nicht ausfallend werden. Tut mir leid«, sagte ich leise zu meinem Sitznachbarn.

Der lächelte mild, was irgendwie, äh, süß aussah und mich erleichterte.

»Mir war gerade noch mal übel«, erklärte ich. »Aber jetzt geht es wieder. Der Fensterplatz hilft.« Oder das Adrenalin, wenn man Fremde anbrüllt … Ich seufzte innerlich.

»Da haben Sie Glück, dass ich immer zwei Plätze buche, wenn ich Business fliege.«

»Zwei Plätze?«, wiederholte ich ungläubig mit einem kurzen Blick auf seine athletische Figur.

»Ich genieße meine Privatsphäre.«

Als hätte man die hier nicht sowieso. Nun gut, mir sollte es recht sein. Mit der Privatsphäre war es nun jedoch vorbei. »Tja, da habe ich Ihnen wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht.« Ich lächelte schief.

Er war selbst Schuld, oder? Er hätte ja auch nein sagen können. Aber irgendwie war ich froh, dass er es nicht getan hatte. Wegen des Fensterplatzes natürlich. Ich versank tiefer in meinem Sitz. Mein Ausbruch war mir immer noch peinlich.

»Ich bereue es nicht«, sagte er und lächelte ein Schuft-Lächeln, das Christian Grey vor Neid hätte erblassen lassen.

Ich fand es sexy und deswegen schämte ich mich noch mehr. »Dann ist ja gut«, brummelte ich in mich hinein.

»Sie sind sehr unterhaltsam.« Jetzt lachte er leise.

Unterhaltsam?! Sofort pumpte das Adrenalin wieder durch meine Adern. Also unterhaltsam war was anderes in meinen Augen. Ach, so war das: Er ergötzte sich also an meinem Elend! Na, herzlichen Dank! Da konnte er mal jemanden aus der Economy Class live und in Farbe erleben und wie der sich so verhielt. Der Pöbel von ganz unten, der sich um ein paar Brotkrumen streitet und versucht, irgendwie auf die wackligen Beine zu kommen. Wie witzig. Wenn der wüsste, dass ich ursprünglich aus der miefigsten Ecke der Bronx stammte und selbst die Passagiere aus der Economy Class auf mich runtersahen, wurde das vielleicht sogar noch der Spaß des Jahres für ihn …

Okay, Megan steigere dich nicht rein. Der Kerl ist NICHT Damon. Er ist, genau betrachtet, sogar das krasse Gegenteil. Sehr nett obendrein. Und – leider – verdammt sexy.

»Schön, dass ich zu Ihrer Erheiterung beitrage. Auch wenn mir nicht ganz klar ist, was daran so unterhaltsam ist, wenn sich jemand fast die Seele aus dem Leib …«, meinte ich dennoch, unterbrach mich aber. Ich war nämlich neugierig auf seine Erklärung. Und wenn ich ihn in ein Gespräch verwickelte, war die Chance geringer, dass ich meinen rettenden Fensterplatz wieder verlassen müsste …

»Es kommt selten vor, dass jemand wegen Übelkeit aus der Economy in die Businessclass befördert wird. Guter Trick.«

»Bitte, was?! Das … ist kein Trick!«, empörte ich mich. »Haben Sie die Turbulenzen vorhin denn nicht mitbekommen?«, hakte ich verärgert nach.

»Sie reden doch nicht von dem lauen Lüftchen, das kann Sie unmöglich so mitgenommen haben.«

Laues Lüftchen? Verstehe, ein ganz Harter. So ein dämlich arrogantes Lächeln! »Sehen Sie mich an. Ich habe rote Ringe unter den Augen.« Ich konnte mich zwar nicht selbst sehen, war mir aber absolut sicher gerade wie das Abziehbild eines Vampires zu wirken. So sah ich nämlich immer aus, wenn ich Magen- oder anderweitige Unterleibsschmerzen hatte.

Er schmunzelte und musterte mich amüsiert, was mich ehrlich gesagt schon wieder wütend machte. Ich fühlte mich nicht ernst genommen.

Doch dann, für einen winzigen Augenblick, trafen sich unsere Blicke. Seiner so intensiv und feurig, dass im selben Moment ein Prickeln meinen Nacken hinunterrieselte und meine Kehle so trocken wurde, dass mir das Schlucken schwer fiel.

Was war denn nun schon wieder mit mir los? Ein neuer Anfall von Übelkeit? Bitte nicht! Ich hatte mich hier schon genug blamiert.

Ich linste vorsichtshalber zu meinem Vordersitz, aber im Netz hing kein Tütchen! Nicht, dass ich sofort loslegen wollte, doch ich musste mich eben absichern.

Mist! Ich dachte, ich wäre hier in der Businessclass! Wieso gab es hier keine Spuckbeutel?!

Doch bevor ich mich beschwerte, schielte ich zum Vordersitz meines Nachbarn und entdeckte zu meiner Erleichterung nicht nur die rettenden Tütchen, sondern auch eine Reihe von Magazinen, die er offenbar selbst dort eingeklemmt hatte.

»Es war wirklich kein Trick«, beharrte ich, um meine Ehre zu verteidigen. »Ich kann nicht auf Kommando kotzen. Können Sie das?« Ein wahnsinnig appetitliches Thema.

Er sah aus, als könnte er nur mit Mühe und Not ein Lachen unterdrücken. Ich wendete mich ab und starrte aus dem Fenster. Ich hatte mich nie zuvor in eine höhere Preisklasse geschummelt, bei was auch immer. Man konnte vieles über mich sagen: Megan, die ihre Familie im Stich ließ, Megan, die Studienabbrecherin, Megan, die vor ihren Gefühlen flüchtet, und Megan, die immer wieder den Adonis neben sich anstarrt, obwohl sie weiß, dass ihr solche Männer nicht guttun. Männer wie Damon! Ich war also vieles, aber ich war keine Betrügerin!

»Ist angekommen«, meinte er schließlich. »Versuchen Sie sich einfach zu entspannen«, sagte er fürsorglich und griff nach einem Magazin, zog es aus dem Netz.

Wie gebannt starrte ich auf das Titelblatt. »Modern Pharmacy«, Untertitel »Wunder aus der Natur. Eröffnen Heilpflanzen neue Wege?«.

Das war nun wirklich unheimlich. War mein Sitznachbar etwa auch in der Pharmaindustrie tätig? Also doch kein Ariana-Hotelier?

Niemand las eine Fachzeitschrift, wenn er nicht vom Fach war, oder? Wilsaw wies immer mehr Parallelen zu Humphreys auf. Es schüttelte mich. Doch es passte zu meinem Leben. Zumal ich mich ja nicht nur abgestoßen fühlte. Ganz im Gegenteil sogar.

»Ihr Glas Wasser«, hörte ich die Flugbegleiterin sagen und erschrak erneut, wieder die Katzensohlen. Als ich mich zu ihr drehte, reichte sie es mir mit einem aufmunternden Lächeln. »Wenn noch etwas ist, sprechen Sie mich ruhig an.«

»Danke, sehr nett.«

»Gerne doch.«

Ich nahm einen Schluck, spürte es aber erneut in meinem Magen rumoren. Oh nein, bitte nicht schon wieder.

»Haben Sie die Reisekrankheit?«, fragte mich der Schönling im Anzug plötzlich, lugte hinter seiner Zeitschrift hervor und zwinkerte, weil er mich immer noch nicht ernst nahm.

»Verdammt, ich hab es mit dem Magen.« Es war kein billiger Trick, okay?

Wieder dieses Schurken-Grinsen. Fand er das witzig? Amüsierte es ihn, dass ich hier wie ein Schluck Wasser hing?

»Versuchen Sie’s mal hiermit.« Er legte die Zeitschrift auf seinen Schoß, zog eine kleine silberne Packung aus der Hosentasche und gab mir einen Kaugummi. »Bei mir wirkt’s.«

Ich schüttelte den Kopf, als wenn das was bringen würde. Ich war doch gar nicht reisekrank.

Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab’s versucht, werfen Sie mir später nicht vor, ich hätte Sie in Ihrer Not allein gelassen.«

Die Arroganz, die aus seinen Worten sprach, weckte Erinnerungen an Damon. Der hätte vermutlich genau denselben Spruch über die Lippen gebracht und wäre sich dabei noch richtig clever vorgekommen. Schon komisch, dass beide Männer auch noch in derselben Branche tätig zu sein schienen. Mir kam ein schrecklicher Verdacht.

»Sie sind nicht zufällig mit Damon Humphreys verwandt?« Das wäre nun wirklich der Supergau.

Überrascht zog er eine Braue hoch und seine Miene wurde sehr ernst. »Gott bewahre!« Dann lachte er herzhaft. Es steckte mich an.

Aber vor allem lachte ich aus Erleichterung.

»Wie kommen Sie denn nur darauf?«

»Vergessen Sie es gleich wieder. Es war eine verrückte Idee.« Ich winkte ab.

Er nickte. »Allerdings!« Und dann versank er wieder hinter seiner Zeitschrift.

Ich las ein paar weitere Headlines auf dem Cover, auf dem eine Frau im Kittel abgebildet war. Mit je einem Reagenzglas in den Händen, als wollte sie jeden Moment die darin befindlichen Substanzen vermischen. Sie übte den Job aus, von dem ich geträumt und für den ich alles riskiert hatte …

»Pharmazie-Messe im Jacob K. Javits Convention Center« stand da in kleinerer Schrift, direkt unter dem Aufhänger mit den Heilpflanzen. Gleich zwei gewichtige Themen, die mich brennend interessierten!

»Wollen Sie auf die Messe?«, rutschte es mir raus. Ich vermutete, dies war der Grund für seine New-York-Reise.

Er zog überrascht eine Braue hoch und ich hatte das Gefühl, mich rasch erklären zu müssen. Meine Frage war immerhin ziemlich neugierig gewesen.

»Offensichtlich sind Sie in der Pharma-Industrie tätig«, mutmaßte ich und war gespannt, ob ich mit meinem Verdacht richtig lag. Damit wäre er wohl auch keiner der schwerreichen Wilsaw-Brüder.

»Und wie kommen Sie darauf?«

»Sie kennen Damon Humphreys, lesen Modern Pharmacy und sind auf dem Weg nach New York, wo in wenigen Tagen eine große Pharma-Veranstaltung stattfindet.«

Er musterte mich einen winzigen Moment zu lange, was nur zur Folge hatte, dass es erneut in meinem Nacken wie verrückt kribbelte. Verdammt, wieso hatte mich die Flugbegleiterin neben diesen extrem heißen Typen setzen müssen? Von solchen Kerlen sollte ich mich besser fernhalten, sie brachten nur Chaos in mein Leben, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hatte.

»Sie haben eine interessante Denkweise, Sherlock.«

Er klang ehrlich beeindruckt, was mich stolz machte.

»Und Sie liegen fast richtig. Ja, ich bin … Pharmazeut bei High Quality Meds.«

Für den Bruchteil einer Sekunde war ich enttäuscht, dass er nicht Tomax Inc. gesagt hatte, wo ich am Montag mein Vorstellungsgespräch haben würde. Aber das hatte sicher sein Gutes. Falls ich den Job bekam, gab es zumindest keinen so heißen Kollegen, der mich gehörig ablenken konnte.

»Und die Messe ist einer von mehreren Gründen für meinen NY-Aufenthalt. Wenn man davon absieht, dass ich im Melting Pot lebe.«

»Oh.« Dann war das sein Heimflug. So wie meiner.

»Ich war auf der Hochzeit eines alten Freundes in L.A. eingeladen. Dann verpasste ich meinen Flieger und erwischte noch diesen hier.« Er zwinkerte. Ah, daher also nur die Businessclass. Manchmal hatte man keine andere Wahl, aber wenigstens waren ja zwei Plätze nebeneinander frei gewesen. Glück für ihn und Glück für mich.

Und was das andere anging, das wäre schon mein zweiter Tipp gewesen. Also, nicht das mit der Hochzeit, sondern das mit dem Heimflug. Aber wie ein typischer New Yorker sah er nicht aus. Zumindest nicht so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Was sicher daran lag, dass wir aus verschiedenen Stadtteilen kamen. Er war mehr der klassische Typ, hätte sich sicher auch in einer dieser hyperteuren Anwaltskanzleien gut gemacht. Oder als Schauspieler in »Suits«.

Aber brachte man auf eine Hochzeit nicht die eigene Partnerin mit? Nicht, dass mich das was anging … Doch der Platz neben ihm war bis vor Kurzem leer gewesen. Ich schielte auf seine Hände. Kein Ring … Was nichts heißen musste. Aber fürs Protokoll: kein Ring.

»Jetzt bin ich an der Reihe, Miss Newman.« Er faltete genüsslich die Hände und beugte sich zu mir vor, was mir den Geruch seines Spanischen Leders stärker in die Nase trieb.

Wieder rieselte es meinen Nacken hinunter. Ich wollte das nicht, aber es passierte.

»Die wenigsten Menschen kennen den Unterschied zwischen einer pharmazeutischen Fachzeitschrift und einem Apotheker-Magazin. Und nicht nur mir ist Mr. Humphreys kein Unbekannter, weswegen ich Sie ehrlich bedauere.«

Und ich mich erst!

Er sah mir tief in die Augen und ich fühlte mich wie das Kaninchen vor der Schlange. Hypnotisiert und erstarrt. Der Kerl war doch niemals nur einfacher Pharmazeut, so befehlsgewohnt, wie sein Blick war, kommandierte er wenigstens eine Abteilung herum. »Er ist Ihnen sogar sehr vertraut …«

Ich schluckte, denn gerade hatte ich das Gefühl, die Narben, die mir Damon zugefügt hatte, würden eine nach der anderen wieder aufgerissen.

»Wir sind offenbar in derselben Branche tätig«, schlussfolgerte er scharfsinnig genug, dass ich leise lachen musste.

Mal ehrlich, war doch nach meinem Einstieg naheliegend gewesen, oder? Wenngleich auch er nicht ganz richtig lag. »Mehr oder weniger«, murmelte ich.

»Wie bitte?«

Ich winkte ab. Wozu es verheimlichen? »Ich bin auf Jobsuche, habe bald ein Vorstellungsgespräch.«

»Verraten Sie mir auch, wo? Nicht zufällig bei High Quality Meds?«

»Nein, nein.« Das hätte ich gleich angesprochen. »Seien Sie mir nicht böse, ich rede nicht gern über ungelegte Eier. Ist so nen Aberglauben-Ding.« Wenn etwas zum Greifen nah war, wie zum Beispiel ein neuer Job, sollte man das nicht an die große Glocke hängen. Meistens ging irgendetwas schief und man war hinterher nur umso enttäuschter. So meine bisherige Erfahrung.

»Verstehe.«

Ich glaubte nicht, dass er es verstand. Aber das war auch egal.

»Das ist also Ihr Grund für die New-York-Reise.«

»Sieht so aus.«

Er lächelte mich wieder so verheißungsvoll an und strapazierte mein Newman-Gen gehörig über. »Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

»Danke.« Konnte ich gebrauchen, denn, ehrlich, meine Chancen waren gering, dass Tomax Inc. mich nahm. Ich hatte nur die Joberfahrung bei Humphreys vorzuweisen. Und ich musste mir noch etwas einfallen lassen, wieso ich da überhaupt gekündigt hatte. Die Wahrheit ging ja schlecht.

»Ist nicht leicht, irgendwo neu anzufangen, oder? Zum ersten Mal in NYC?«, hakte er nach.

Ich hatte wieder das Gefühl, dass er sich wirklich für mich interessierte, was total ungewohnt war. Ich meine, selbst Mum hatte sich nie für meine Belange interessiert. »Jein. Ich ziehe wieder hin. War lange nicht dort. Bin aber in der Bronx aufgewachsen.«

Mist, das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen, solche Schickimicki-Kerle hatten sicher ihr ganz eigenes Bild von der Bronx. Stichwort: Armenviertel. Ja, es lebten vielleicht nicht die prominentesten und reichsten Mitbürger dort, aber ich liebte meine Bronx dennoch.

Er nickte nur, keine abfällige Bemerkung. Dafür war ich dankbar. »Wie lange waren Sie nicht mehr in New York?«

»Zu lange.« Das meinte ich ehrlich. Vielleicht wäre es besser gewesen, nicht zu studieren. Aber das hätte auch bedeutet, meinen Traum aufzugeben, und eine große Chance noch dazu. Doch die war nun ohnehin verpufft.

»Bin gespannt, was sich verändert hat!« Man sagte ja, New York wäre ständig im Wandel und würde nie schlafen. Vier Jahre irgendwo auf der Welt glichen zehn in New York.

»Fragen Sie mich.«

»Wie bitte?«

»Sie nennen mir einen Ort, ein Geschäft, was auch immer. Und ich sage Ihnen, ob es das noch gibt oder nicht.«

Ich lachte. »Wir haben sicher nicht in den gleichen Gegenden verkehrt.«

»Kann man nie wissen, oder?«

Jemand wie er wäre mir aufgefallen. Dennoch ließ ich es auf einen Versuch ankommen. »Rosa Pond

»Was?« Er lachte. »Was soll das sein?«

»Sehen Sie, ich wusste es doch gleich, dass Sie keine Ahnung von der Bronx haben.«

»Und worum handelt es sich nun?«

»Ein Unterwäschegeschäft.« Ich biss mir auf die Unterlippe. War vielleicht so oder so ein schlechtes Beispiel. Zu schlüpfrig.

Er grinste. »Na schön, ein Punkt für Sie. Geben Sie mir noch eine Chance?«

»Stars & Stripes!«, fiel es mir ein. Das war einst meine und Elis Lieblingsbar gewesen. Wurde damals ironischerweise von einem Kanadier betrieben, trotz des sehr patriotisch klingenden Barnamens.

»Gibt’s noch«, meinte Mr. Wilsaw zu meiner Überraschung wie aus der Pistole geschossen.

Das war … zu verrückt. Sie befand sich im nördlichsten Zipfel Manhattans und grenzte an die South Bronx, lag in einer kleinen Seitenstraße und war nicht gerade auffällig zu nennen. Also nicht unbedingt das Etablissement, in dem man Passagiere der Business oder First Class allzu häufig antraf. »Sie kennen … nein, das ist nicht Ihr Ernst! Sie kennen wirklich das Stars & Stripes?«

Er lachte. »Warum so überrascht?«

»Na, Sie sehen eher aus wie jemand, der den Abend im Four Seasons ausklingen lässt. Oder im Hotelrestaurant von Ariana«, testete ich meine Wilsaw-Dynastie-Hypothese. Andererseits hatte er ja längst gesagt, für HQM zu arbeiten. Aber da war er sicher auch ein hohes Tier. Also niemand, der in eine kleine Bar jenseits aller Reichenviertel geht.

»Zufälligerweise war ich erst vor zwei Wochen mit Freunden dort. Zum ersten Mal, das gebe ich zu.«

Ah! Das relativierte es natürlich. Es war ein einmaliger Zufallsbesuch gewesen. Dennoch schön zu wissen, dass es unsere alte Lieblingsbar noch gab. Das machte mir das Heimkehren irgendwie leichter.

»Und gefiel es Ihnen?«

Er räusperte sich und mir rutschte das Herz in die Hose.

»Also nicht?« Das konnte doch nicht sein!

»Die Longdrinks waren nicht unbedingt … erstklassig zu nennen.«

»Ich bitte Sie, der Gin Tonic ist einsame Spitze«, beharrte ich, konnte ihn aber nicht wirklich überzeugen.

»Was Sie Gin Tonic nennen ist für mich pures Wasser – aus der Leitung.«

Ah fast vergessen, er war schließlich ein ganz Harter.

»Sind Sie sich sicher, dass Sie im Stars & Stripes waren?«, hakte ich dann nach, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht denken, dass Sheeran es in den letzten vier Jahren verlernt hatte, Drinks zu mixen. Es sei denn, Sheeran war gar nicht mehr da und jemand anderes hatte den Laden übernommen.

»Sie wissen nicht, was gut ist«, meinte ich und fühlte mich stellvertretend für Sheeran, so er noch hinter der Theke stand, gekränkt. Der Laden hatte so viel zu bieten, nicht nur gute Drinks zu guten Preisen, die Musikauswahl war klasse, es gab einen Billardtisch und auch die Gäste waren immer nett, ganz zu schweigen von der gastfreundlichen Atmosphäre. Eine Bar, in der man sich rundum wohlfühlte, ein bisschen wie die Bar aus »How I met your mother«.

Mr. Wilsaw zuckte jedoch verständnislos mit den Schultern und sein Blick sagte: Geschmäcker sind verschieden.

Und plötzlich wirkte er irgendwie verschlossen. Wahrscheinlich war er sich – nach dem unterhaltsamen Teil – plötzlich wieder unseres deutlichen Standesunterschiedes bewusst. Und ihm war klar, entweder wurde es jetzt privat oder man blieb auf Distanz. Offensichtlich hatte er sich für Distanz entschieden.

Also gab ich es auf, ihm das Stars & Stripes noch schmackhaft machen zu wollen. Im Grunde spielte das ja auch keine Rolle. Er wollte seine Privatsphäre, er sollte sie bekommen.

Ich verzog meinen Mund zu einem nichtssagenden Lächeln, nickte ihm noch einmal zu und drehte mich dann zum Fenster. Für einen kurzen Moment blickte ich in die Wolken und dann schloss ich mit einem tiefen Ausatmen die Augen. Plötzlich war ich unendlich müde. Der Stress der letzten Zeit zeigte Wirkung. Und der Sessel in der Businessclass war so unendlich gemütlich, ich konnte auf der Stelle eindösen …

»Gute Nacht«, hörte ich ihn noch sagen mit diesem sinnlichen Timbre und diesem leichten Amüsement in seiner sexy Stimme, die mir unter die Haut ging.

»Danke«, murmelte ich höflich.

Und dann döste ich, erschöpft von den letzten Wochen und Tagen, tatsächlich ein …

2. Kapitel

Megan

Der sinnliche Duft Spanischen Leders strömte in meine Nase und küsste mich sanft wach. Er war wie ein Streicheln, das über meine Wangen glitt und meinen Hals hinab wanderte. Dort spürte ich ein herrliches Prickeln, das mir ein Seufzen entlockte.

Schlaftrunken öffnete ich die Augen.

Ich brauchte einen Moment, ehe ich mich orientiert hatte. Ich saß immer noch im Flieger auf dem Weg in mein neues-altes Leben, vor dem ich Angst hatte. Und immer, wenn ich Angst hatte, kannte ich nur einen Ausweg. Flucht. Aber diesmal konnte ich nicht zurück. Und aus dem Flieger zu springen, ging auch nicht, hatte ich doch keinen Fallschirm dabei.

Mein Magen rumorte schon wieder. Mann, das war doch das Essen gewesen, oder? Ich schien aber die Einzige zu sein, die davon betroffen war, was die Küche doch wiederum als Verdächtigen Nr. Eins ausscheiden ließ.

Mein Sitznachbar studierte noch immer sein Magazin. Er hatte anscheinend nicht bemerkt, dass ich aufgewacht war. So hatte ich einen Moment, sein Profil genauer zu betrachten. Vor allem seine Lippen, die für die Lippen eines Mannes sehr reizvoll geschwungen waren. Ich schüttelte amüsiert über mich selbst den Kopf. Warum fiel mir dieses Detail überhaupt auf?

Wieder drückte es in meinem Bauch. Ätzend …

»Lassen Sie mich bitte kurz durch.« Ich erhob mich und wollte zur Bordtoilette.

»Sie sehen sehr blass aus, Miss Newman«, stellte Mr. Wilsaw fest und musterte mich mit sorgenvoller Miene.

Es ging mir auch wieder schlechter. So war das doch mit diesen Magengeschichten. Ein einziges Auf und Ab. Er bewegte die Beine zur Seite, und während ich mich an ihm vorbei schob, nahm ich in einem tiefen Atemzug den Duft des Spanischen Leders auf. Sofort löste der Geruch ein Prickeln in meinem Innern aus.

Ich verschwand eilig auf der Toilette, bevor noch jemand merkte, was wirklich mit mir los war.

 

Es genügte, sich die Handgelenke zu kühlen, um wieder etwas runterzukommen und mir mit feuchten Händen die Schläfen zu massieren. Mein Kreislauf stabilisierte sich allmählich. Wenigstens etwas.

Ich ließ mich auf die zugeklappte Toilette sinken und atmete einige Male tief durch. Wenn ich in New York war, würde ich mich wohl von einem Arzt erst mal durchchecken lassen müssen. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Oder ich ging gleich zum Psychiater. Mit so einem verkorksten Leben wäre ich sicher eine gute Einnahmequelle. Vorher brauchte ich aber diesen verdammten Job.

Ich sollte langsam zurück, bevor ich noch vermisst wurde. Die nette Flugbegleiterin hatte sicher ein Auge auf mich und ich war inzwischen seit einer Ewigkeit in dieser kleinen Kabine. Ich wollte der guten Frau keine unnötigen Sorgen bereiten. Allerdings fühlten sich meine Knie so weich an, dass ich unmöglich aufstehen konnte.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Da war sie wohl schon.

»Alles in Ordnung da drin?«, vernahm ich den sinnlichen Bariton meines Sitznachbarn und sofort stieg mir die Hitze ins Gesicht.

Scheiße, war das jetzt sein Ernst?

»Ja … alles gut«, sagte ich aufgeregt. Was machte er denn hier? Wieso war er mir gefolgt? Weil er sich Sorgen machte, Megan? Du bist sicher schon eine Viertelstunde auf dem Klo. Vor allem hast du vorher schon käsebleich ausgesehen!

Ich klammerte mich an dem Riegel fest, der die Toilettentür verschloss, doch meine Hand rutschte ab und drehte ihn ungewollt um. Oder es war eine Freudsche Fehlleistung, und ich wollte in Wahrheit, dass er rein kam.

Das leise Klack-Geräusch, das die Tür machte, wenn man sie aufdrückte, ließ mein Herz höherschlagen. Im nächsten Moment stand er vor mir. Wir passten beide gerade so in die enge Kabine.

Besorgt schaute er mich an. »Wieso kommen Sie denn nicht zurück?«, fragte er und das sexy Lächeln, das seinen Mund umspielte, fand ich besorgniserregend heiß. Und das ärgerte mich! Er war sowieso schon an der Spitze der Nahrungskette, da hatte ich nicht auch noch Lust, ihm einen Gefallen zu tun und als sein Fanklub aufzutreten.