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Über das Buch

Die Studentin Wiebke muss nach einem quälend langen Winter, einer verhauenen Prüfung und einem zähen Beziehungskampf einfach mal raus. Die Urlaubskasse gibt nicht viel her, und ihre beste Freundin macht Pärchenurlaub, doch Wiebke hat eine wunderbare Alternative: Sie besucht ihre Tante Larissa an der Müritz.

Larissa ist ein bisschen Lebenskünstlerin und stolz auf ihr Aussteigerleben auf einem Brombeerhof. Die beiden Frauen sind absolut gegensätzlich und doch irgendwie aus demselben Holz.

Im Laufe des Sommers an der Mecklenburger Seenplatte lernt Larissa den Maler Michael kennen. Für die unabhängige Singlefrau geht damit ein großer Wunsch in Erfüllung, aber sie hadert mit sich, wenn es um Offenheit und Zuversicht geht. Die Gespräche mit Wiebke sind Segen und Fluch zugleich: Wiebke ermutigt Larissa, doch in ihrer Familie ist Vertrauen schon zu oft zerstört worden.

Wiebke und Larissa erleben einen überraschungsreichen Sommer.

Über die Autorin

Corina Bomann ist in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und lebt mittlerweile in Berlin. Sie hat bereits erfolgreich Jugendbücher und historische Romane geschrieben, bevor ihr mit Die Schmetterlingsinsel der absolute Durchbruch gelang. Seither gehört sie zur ersten Garde der deutschen Unterhaltungsschriftstellerinnen. Mehr über die Autorin erfahren Sie auf:

www.corina-bomann-online.de

Corina Bomann

Ein zauberhafter
Sommer

Roman

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Marion von Schröder

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ISBN: 978-3-8437-10589

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Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur
Umschlagabbildung: plainpicture/ © Ableimages,
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E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Prolog

Larissa lehnte an einem Baumstamm und blickte suchend die Straße hinunter. Um diese Uhrzeit fuhren nicht mehr viele Leute aus Meißen hinaus, die meisten gönnten sich jetzt ein kühles Bier in ihrem Schrebergarten oder auf dem Balkon ihrer Wohnung. Sie war sicher, dass sie den, auf den sie wartete, erkennen würde.

Ihr Haar hatte sie hochgesteckt, damit die leichte Brise ihren Nacken streicheln konnte. Ringsherum zirpten die Grillen, dazwischen sang eine Amsel träge ihr Abendlied. Larissa liebte diesen Ort einige Kilometer außerhalb der Stadt. Hier gab es einen alten Meilenstein, der die Reisenden darauf hinwies, dass sie noch 20 Meilen bis in die Stadt brauchten. Nun, das stimmte mittlerweile nicht mehr, denn die Stadt hatte sich ausgedehnt. Auch war der Stein nicht mehr auf Anhieb zu erkennen, denn Gestrüpp und Bäume waren aus dem Boden geschossen.

Meist traf sie sich hier mit Max, wenn er sie besuchen kam. Er meinte immer, dass das Zusammenkommen mit ihr ein Meilenstein seines Lebens sei, deshalb passte es gut, dass sie hier wartete. Außerdem hatte er als Architekt beruflich viel mit Steinen zu tun. Er konnte den ganzen Tag über Gebäude und Steinsorten reden. Manch einer würde das langweilig finden, aber Larissa war fasziniert und gespannt, was er diesmal wieder erzählen würde. Momentan arbeitete er an einem wichtigen Projekt, einem Hotel, das aus der DDR-Zeit übrig geblieben war und nun zu neuem Leben erweckt werden sollte. Aus diesem Grund waren seine Besuche etwas seltener geworden, doch jeder von ihnen war intensiver als vorher, denn sie wussten nicht, wann sie sich das nächste Mal sehen würden.

Den ganzen Tag über war es heiß gewesen, so heiß, dass die Luft jetzt immer noch flirrte. Wahrscheinlich würde es auch über Nacht keine Abkühlung geben. Das freut die Bauern sicher, dachte Larissa beiläufig, während sie dem Brummen der Mähdrescher auf den Feldern lauschte und davon träumte, vielleicht mal selbst auf dem Land zu leben, fern von der Hektik der Stadt. Würde Max damit einverstanden sein? Durch seine Arbeit war er viel unterwegs, da war so eine Ruheinsel doch sicher nicht schlecht …

Aber was kommen würde, war noch nicht viel mehr als ein Gedanke und ein Traum.

Bereits seit einer halben Stunde stand sie hier am Treffpunkt, doch Max war noch immer nicht aufgetaucht. Das passte irgendwie nicht zu ihm. Wenn sie sich verabredeten, erschien er immer zur vereinbarten Zeit – manchmal war er sogar schon vor ihr da. Dann hielt er ihr lächelnd vor, dass Frauen viel zu lange vor dem Kleiderschrank brauchten, obwohl er genau wusste, dass sie von der Arbeit kam und diese manchmal nicht ganz so pünktlich endete.

Heute war sie zuerst hier gewesen. Ihr Chef hatte sie rechtzeitig gehen lassen, und auch sonst war an diesem Tag alles zu ihrer Zufriedenheit gelaufen. Das Date heute Abend würde der krönende Abschluss sein.

Doch er ließ sie warten.

Vielleicht muss er länger arbeiten, versuchte sie sich zu beruhigen, aber das nützte nicht viel. Die Sorge biss ihr in den Magen. Es war doch wohl hoffentlich nichts passiert?

Max neigte dazu, mit seinem Motorrad schneller zu fahren, als er eigentlich sollte. Schon oft hatte er dafür Knöllchen kassiert. Aber das brachte ihn nicht zur Vernunft. Nur wenn sie auf dem Sozius saß, achtete er mehr auf die Geschwindigkeit. »Ich werde wohl immer auf deinem Sozius sitzen müssen, damit dir nichts geschieht«, hatte sie mal bemerkt. Er hatte dazu gelacht und sie geküsst.

Die Erinnerung brachte Larissa zum Lächeln. Doch dann kehrte die Unruhe zurück. Nervös strich sie ihr rosafarbenes Leinenkleid glatt, obwohl sie schon ein Bügeleisen gebraucht hätte, um die vielen kleinen Sitzfältchen verschwinden zu lassen.

Max hatte gemeint, dass es ihr gut stehen würde. Deshalb hatte sie es heute angezogen. Allerdings war es nicht gerade die richtige Kleidung, um auf einem Motorrad durch die Gegend zu fahren.

Egal, sie wollte gut aussehen. Nur für ihn.

Wieder warf sie einen nervösen Blick auf ihre Armbanduhr. Er müsste doch schon längst da sein. Warum kam er nicht? Sie reckte den Hals und erschrak, als ein Vogel aus dem Gebüsch aufflog. Mit pochendem Herzen wandte sie sich um, als sie ein Geräusch hörte, und sah eine Staubwolke. Das musste er sein!

Noch einmal warf sie einen Blick in den Beutel, den sie bei sich trug. Sie war gespannt, was Max von ihrer Idee hielt. Sie war ihr in der vergangenen Nacht gekommen, und danach hatte sie nicht wieder einschlafen können.

Motorenlärm näherte sich. Da erkannte sie, dass es nicht seine Maschine war, sondern nur ein Auto. Als sie sich schon enttäuscht abwenden wollte, verlangsamte der Wagen.

Kein Zweifel, er wollte anhalten. Doch sie erkannte weder das Fahrzeug noch den Fahrer.

Ein wenig unwohl wich sie zurück. Vielleicht war es Zufall, dass er hier stoppte. Vielleicht hatte sich der Fahrer ebenfalls hier verabredet. Möglicherweise wollte er sie auch fragen, ob er sie mitnehmen sollte.

Larissa atmete tief durch. Ihre Muskeln spannten sich. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn Max aufgetaucht wäre. Was sollte sie tun, wenn dieser Kerl irgendwas von ihr wollte? Hier lag ja nicht mal ein Ast herum, mit dem sie sich verteidigen konnte! Und mit dem Inhalt ihres Beutels konnte sie ihn wohl kaum niederschlagen.

Der Wagen hielt, und ein Mann stieg aus. Er hatte blondes Haar, helle Augen und Sommersprossen über der Nase.

Er blickte sie einen Moment lang an, grüßte und fragte dann nach ihrem Namen.

Larissa war ein wenig verwundert und wollte wissen, was ihm überhaupt das Recht gab zu fragen.

»Ich bin ein Arbeitskollege von Max«, antwortete der Fremde. »Er hat mir erzählt, dass ihr euch treffen wolltet.« Plötzlich verfinsterte sich seine Miene. Er lehnte sich gegen den Wagen, als könnte er plötzlich nicht mehr aus eigener Kraft stehen. »Ich bin hier, um Sie abzuholen, damit Sie nicht umsonst warten.«

»Umsonst?«, wiederholte sie. Das Wort echote durch ihren Verstand.

»Es tut mir leid«, entgegnete er, und seine Betroffenheit sah echt aus.

Sie schüttelte den Kopf. »Aber warum?«, fragte sie. »Er hat mich noch nie versetzt! Und auch noch nie einen Arbeitskollegen geschickt.«

Angst schoss ihr in die Glieder. Für sein Fernbleiben konnte es nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder machte er mit ihr Schluss oder ihm war irgendwas zugestoßen.

Der Mann blickte betreten zu Boden, dann griff er in seine Hosentasche. Er reichte ihr ein kleines Bild. Dieses wirkte zerknittert, doch darauf war unverkennbar Larissa abgebildet. Sie erinnerte sich allerdings nicht mehr, wann sie es Max geschenkt hatte.

»Er … er kann nicht kommen. Er …« Die Stimme des Mannes zitterte. Seine Augen suchten die ihren, als versuchte er herauszufinden, wie viel Schmerz sie vertragen konnte. Dann nannte er ihr den Grund. Und von einer Sekunde zur anderen zerbrachen all ihre Hoffnungen und Träume.

1

initial.tifLarissa öffnete die Augen. Während ihr Traum im Dämmerlicht verblasste, griff sie nach dem Wecker auf dem Nachttisch. 5:35 leuchtete ihr vom Display entgegen.

Eigentlich noch viel zu früh, um aufzustehen, doch Larissa war hellwach. Sonst war sie eher ein Morgenmuffel, aber nicht im Sommer. Da konnte es vier oder fünf Uhr sein: Wenn das Federvolk den vielstimmigen Gesang vor ihrem Fenster anstimmte, hielt sie nichts mehr unter ihrer Decke.

Sie strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, erhob sich und verließ die Schlafstube.

Um ins Bad zu kommen, musste sie durch das ganze Haus wandern, was im Winter, wenn sämtliche Wärme aus den Räumen entwichen und die Heizung noch nicht angesprungen war, ziemlich unangenehm sein konnte. Aber im Sommer genoss sie den kleinen Rundgang. Der Morgen hatte hier viele Gesichter.

Der Hof bestand aus dem etwa hundert Jahre alten Wohnhaus und einer noch fünfzig Jahre älteren Scheune, in der früher einmal Schweine und Ziegen gehalten worden waren und die das vorherige Wohnhaus, das abgebrannt war, überlebt hatte. Beide hatten ein wunderschönes altes Fachwerk, das Larissa hatte renovieren lassen. Umgeben wurde das Gelände von einem Zaun, dessen Lasur das Holz immer dunkler werden ließ. Als sie hier einzog, war es noch hell gewesen, doch jetzt hatte es einen rotbraunen Ton angenommen.

Aus den Wohnzimmerfenstern sah man die Nachbarn auf der anderen Straßenseite. Das Haus war von verschiedenfarbigen Rosen beinahe überwuchert, weshalb Larissa ihm heimlich den Namen »Dornröschenschloss« verpasst hatte. Dort war noch alles ruhig; das ältere Ehepaar, das dort wohnte, erwachte erst gegen acht. Dann ließen sie ihren kleinen Dackel raus, dessen Gebell die Straße hinunterhallte.

Larissa mochte den kleinen Hund nicht, denn er hatte die Angewohnheit, Besuchern in die Waden zu beißen. Aber ihr Kontakt zu seinen Herrchen beschränkte sich ohnehin nur auf ein paar Worte, die über den Zaun gerufen wurden.

Obwohl sie schon seit zehn Jahren hier lebte, galt sie im Dorf immer noch als Paradiesvogel. Mittlerweile hatten sich die Leute zwar an sie gewöhnt, aber tiefe Freundschaften waren nicht entstanden. Das war ihr aber auch nicht unrecht, denn es gab viele Dinge, mit denen sie sich lieber beschäftigte, als Tratsch zu verbreiten.

Durch die hinteren Fenster des Hauses sah man auf den großen Garten, in dem zahlreiche Stauden wucherten und Blumenbeete ihre taubedeckte Pracht zeigten. Auch standen hier ein Kirsch-, ein Apfel- und ein Birnbaum. Früher war diese Fläche als Gemüsegarten genutzt worden, doch Larissa hatte alles umgestaltet, als sie hier eingezogen war. Nur noch einen kleinen Teil des Gartens nutzte sie zum Anbau von Gemüse, dafür wuchsen jetzt viele prachtvolle Blumen. Außerdem war hier seit kurzem eine Hollywoodschaukel, ein richtig altmodisches Teil, das sie auf einem Trödelmarkt erworben und neu angestrichen hatte.

Hierhin zog sich Larissa gern zum Lesen und Nachdenken zurück. Manchmal wurde sie von den Katzen der Nachbarschaft besucht, oder besser gesagt, sie bemerkten sie nicht, wenn sie auf Pirsch oder Brautschau waren.

Von den Fenstern ihres Arbeitszimmers hatte sie eine gute Sicht auf die hohen Kastanienbäume, hinter denen sich die Morgensonne emporkämpfte und deren lange Schatten über den Hof fielen. Das war ihr liebster Anblick. In ihnen konnte sich ihre Phantasie verlieren, sommers wie winters. Momentan wiegten sich die Äste im Morgenwind, während in ihren Kronen unzählige Vögel sangen. Doch auch wenn das Laub sich bunt verfärbte oder die Äste kahl wurden, sahen sie immer noch wunderbar aus und sie konnte sich viele Minuten lang an ihnen festgucken. Leider konnte man von hier aus nicht auf den See blicken, dazu musste sie erst einmal die kleine Anhöhe überwinden, auf der sich das Tiergehege befand und deren Ackerflächen, die auch an ihren Hof grenzten, von der Agrargenossenschaft bewirtschaftet wurden. Doch so dicht, wie die Hecken auf dem hinteren Teil des Hofes wuchsen, bekam sie nur sehr wenig von den Pflüge- und Mäharbeiten mit.

Larissa genoss die Aussicht eine Weile, dann wandte sie sich um.

Wie an jedem Morgen streifte ihr Blick das Paar Damenschuhe, das in der Vitrine links von ihr stand. Es war früher einmal schneeweiß gewesen, eigentlich nichts Besonderes, wenn man von dem elegant geschwungenen Absatz einmal absah. Unter Larissas Händen hatten sie sich in die Schönheiten verwandelt, die hinter dem Glas bewundert werden konnten. Rote Mohnblüten ringelten sich über das Leder, jede Blüte so fein gearbeitet, dass sie wie ein Fotodruck wirkten.

Larissas Besucher und Auftraggeber bewunderten die Schuhe, ohne zu ahnen, welche Geschichte sich hinter ihnen verbarg. Wenn es nach Larissa ging, würde es nie jemand erfahren. Sie bewahrte sie tief in ihrem Herzen auf, weggeschlossen vor dem Alltag. Nur selten kehrte sie zu diesen Augenblicken zurück.

Gedankenverloren berührte Larissa das Vitrinenglas. Zwölf Jahre hatten nicht ausgereicht, um die drei Jahre des Glücks und das Jahr des Unglücks vergessen zu machen. Würde sie es jemals hinter sich lassen können?

Doch jetzt war definitiv nicht der Moment dafür, um sich alten Erinnerungen hinzugeben. Entschlossen wandte sie sich um und ging ins Bad.

Zwanzig Minuten später saß sie bei einer Tasse Kaffee und warmen Waffeln am Küchentisch. Frische, nach Erde und Stroh duftende Morgenluft strömte durch das geöffnete Fenster. Draußen klapperte das Fahrrad des Zeitungsausträgers. Während seine Kollegen in anderen Orten bereits vor dem Vogelgesang mit ihren getunten Autos die Leute aus dem Schlaf rissen, versah er seinen Dienst auf altmodische Weise. Dabei begann er nicht später als die anderen, doch da er drei Dörfer, egal ob Sommer oder Winter, mit seinem Fahrrad abklapperte, brauchte es eine Weile, bis er alle Zeitungen ausgeliefert hatte.

Larissa pustete den Dampf des Kaffees über den Rand hinweg und trank einen Schluck.

Ein ganz normaler Tag lag vor ihr. Nun, nicht ganz so normal, denn heute wollte ihr eine junge Frau ihre Schuhe bringen, um sie von ihr bemalen zu lassen. Das geschah vielleicht zehn Mal im Jahr, im Sommer häufiger als im Winter. Gestern hatte sie angerufen. Obwohl Larissa kurz vor der Brombeerernte stand und sich momentan mit Lieferverträgen und Werbemaßnahmen herumschlug, hatte sie zugesagt. Um Brautschuhe zu bemalen und dem Paar damit Glück zu bringen, hatte sie immer Zeit.

Durch die E-Mails, die Anke Heinrich ihr geschrieben hatte, hatte Larissa schon einiges über ihre Kundin erfahren. Sie war vierundzwanzig, hatte ihren Mann in Südfrankreich auf einer Yacht kennengelernt und mochte die Farbe Blau. Eigentlich ganz einfach und gerade deshalb doch ein wenig knifflig, denn Seemotive hatte sie schon des Öfteren gemalt, und mittlerweile fiel es ihr schwer, originell zu bleiben. Aber vielleicht würde ihr das Gespräch eine neue Inspiration liefern.

Sie schob sich das letzte Stück Waffel in den Mund, trank den Kaffee aus und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.

Inzwischen hatte der Zeitungsbote ihr Haus erreicht. Sie trat nach draußen, als er gerade vom Rad abstieg. Hanno Karstens war vor fünf Jahren ebenfalls neu zugezogen und sah nicht mal schlecht aus. Er hatte, soweit es Larissa herausgefunden hatte, mehrere Jobs, unter anderem kellnerte er in der benachbarten Stadt. Allerdings gab es zwei Hinderungsgründe, die es ihr verboten, sich ihm zu nähern: Er war bestimmt fünfzehn Jahre jünger als sie – und bestimmt hatte er eine Freundin.

So blieb es bei ihrem morgendlichen Ritual.

»Guten Morgen, Frau Liebermann, Sie sind ja schon wieder so früh auf!«, begrüßte er sie und reichte ihr die Zeitung über den Gartenzaun. Dabei lächelte er sie so anziehend an, dass Larissa beinahe gewillt war, ihre Prinzipien über Bord zu werfen. Doch sie hatte sich im Griff.

»Guten Morgen, Herr Karstens! Es ist Sommer, da kann man doch nicht bis Mittag in den Federn liegen.«

»Als ob Sie jemals bis Mittag in den Federn liegen würden!«

»Im Winter schon!«, entgegnete Larissa und wünschte ihm dann einen guten Tag.

Er erwiderte den Wunsch, stieg auf sein Fahrrad und fuhr zum nächsten Gehöft.

Sonst verschwand Larissa gleich wieder im Haus, doch heute sah sie ihm nach. Tief in sich spürte sie eine Sehnsucht, die sie längst vergessen geglaubt hatte. Es wäre schön, wieder einen Mann zu haben, dachte sie, doch gleichzeitig spürte sie, wie in ihrem Innern sofort die Schutzschilde hochfuhren.

Ohnehin musste sie sich an die Arbeit machen, denn weder stellte sich der Sprinkler von allein an, noch holten sich die Tiere selbst etwas zu fressen.

Der Gang zum Gehege war für Larissa wie eine kleine Meditation.

Das taunasse Gras kitzelte ihre Knöchel, der Wind streichelte ihre Schultern, und ihre Ohren waren erfüllt vom Vogelzwitschern. Der Pfad war recht schmal, niemand verirrte sich mit einem Fahrzeug hierher. Wenn sie wütend war oder enttäuscht, ging Larissa diesen Weg und fühlte sich bei ihrer Rückkehr besser. Meistens.

Schließlich erreichte sie die Anhöhe.

Die Dorfleute nannten sie Fuchsberg – wohl weil früher hier Füchse ihre Bauten gehabt hatten. Die Rotpelze waren schon lange verschwunden, der Name war allerdings geblieben. Und wahrscheinlich würde dieser Flecken Erde auch nie einen anderen bekommen.

In der Umzäunung aus Holz und Draht, die sie mit Hilfe einiger Männer aus dem Dorf errichtet hatte, hielt sich alles auf, was ihr in den vergangenen Jahren zugelaufen oder zu ihr gebracht worden war. Zwei Pferde, ein Esel, drei Ziegen und vier Schafe. Dazu noch ein Hund, der es sich nicht nehmen ließ, die anderen Vierbeiner zu bewachen. Die unzähligen Vögel, die die Meisenknödel leer pickten, zählte sie gar nicht mit.

Als sie das Gattertor erreicht hatte, sprang ihr die riesige Promenadenmischung entgegen. Ihr cremefarbenes Fell hatte braune und rote Flecken, die Schnauze erinnerte ein wenig an einen Collie.

»Na, Rufus, wie geht’s?«, fragte sie und schloss das Tor hinter sich. Der Hund bellte einmal kurz und wedelte mit seiner buschigen Rute. Ein paar Kletten hatten sich darin verfangen, die sie ihm nachher entfernen musste.

Larissa tätschelte ihm den Kopf, zog einen Hundekeks aus der Tasche und schob ihn zwischen seine Lefzen. Dann stieß sie einen kurzen Pfiff aus.

Träge lösten sich die Pferde von ihrem Platz und trotteten zu ihr. Der Esel blieb scheu in seiner Ecke, die Ziegen hatten Besseres zu tun, als sie zu begrüßen. Nur die Schafe liefen sofort heran.

Larissa wusste noch genau, wie jeder einzelne ihrer Gäste zu ihr gekommen war. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, Tiere zu halten, die Arbeit auf dem Brombeerfeld und das Bemalen der Schuhe füllten sie vollständig aus. Doch dann hatte sie den vernachlässigten Esel gefunden, die Ziegen hatten eines Morgens auf dem Hof gestanden, ein alter Bauer, der zu seinen Kindern in die Stadt zog, überließ ihr die Schafe, und die beiden betagten Pferde hatte sie nach dem Tod ihres früheren Besitzers vor dem Abdecker gerettet.

Am meisten hatte sie das Schicksal des Hundes gerührt. Diesen hatte sie bei einem Ausflug mit dem Rad an einem Begrenzungspfahl festgebunden gefunden – abgemagert und verstört. Sie wusste gar nicht, was sie mehr aufgeregt hatte: dass jemand das Tier ausgesetzt hatte oder dass niemand vor ihr angehalten hatte, um es mitzunehmen.

Eine Zeitlang hatte es sehr schlecht für Rufus ausgesehen – das war der Name, der auf seinem Halsband stand. Aber irgendwie hatte er es geschafft und sich, als er mit den anderen Vierbeinern in Kontakt gekommen war, darauf besonnen, dass er ein Hütehund war. Im Haus hielt er sich nur dann auf, wenn die anderen Tiere im Winter im Stall standen.

Larissa ging zu dem kleinen Schuppen, in dem sie das Futter aufbewahrte. Eine Wespenspinne hatte in einem dicken Grasbüschel neben der Tür ihr Netz aufgeschlagen und wartete auf arglose Grashüpfer.

Vorsichtig zog Larissa die Tür auf und trat zu den Futtertonnen. Zuerst nahm sie einige Schaufeln Hafer und Weizen heraus und schüttete sie in einen Eimer. Dann griff sie nach dem Hundefutter.

Nach und nach befüllte sie die Tröge und Schalen. Damit lockte sie auch den Esel und die Ziegen aus der Reserve.

Während die Tiere ihre Köpfe in ihre Näpfe und Tröge steckten, gönnte sie sich einen Blick auf den See, in dem die Morgensonne glitzerte.

Unweit des Ufers duckten sich ein paar Häuser in den Schutz riesiger Bäume. Vor einem, dessen blauer Giebel zwischen den Baumkronen hervorlugte, stand ein riesiger Möbelwagen. Hatte der Besitzer des Hauses gewechselt? Zog jemand aus?

Larissa beobachtete den Wagen eine Weile, doch auf ihrem Aussichtspunkt war sie natürlich zu weit entfernt, um etwas zu erkennen.

Vielleicht sollte ich mal zufällig dort vorbeifahren, dachte sie, während sie zurück zum Schuppen ging und die Tür verriegelte. Wer weiß, vielleicht sind es ja nette Leute, die Interesse an Brombeeren oder bemalten Brautschuhen haben.

2

initial.tifAls der blau-weiße Bus heranrauschte, griff Wiebke nach ihrer Reisetasche und schob sich den Gurt auf die Schulter. Das Namensschild mit der Aufschrift »Simon« – ihrem Nachnamen – kratzte sie und erinnerte sie daran, dass sie vor einem Jahr mit demselben Gepäck noch nach England unterwegs gewesen war.

Wenig später wurde sie von einer Staubwolke und warmem Motorendunst eingehüllt. Zischend öffneten sich die Türen. Sie ließ eine ältere Dame vorbei, die mühsam die Stufen bewältigte, dann stieg sie ein, legte dem Fahrer das Geld hin und bedankte sich, als er ihr einen kleinen weißen Zettel in die Hand drückte.

Sie war die Einzige, die hier zustieg. Und auch sonst hatte der Bus kaum Passagiere. Aber das war ihr nur recht.

Wenn man in diesen Teil Mecklenburgs fuhr, dann um seine Ruhe zu haben und nicht um die Sau rauszulassen.

Den Entschluss, ihre Tante zu besuchen, hatte sie spontan gefasst. Nach den vergangenen katastrophalen Monaten musste sie einfach mal raus aus Berlin. Und auch ihre beste Freundin Edita war nicht ganz unschuldig daran, dass sie nun auf dem Weg in ein kleines Dorf an der Müritz war. Sie hatte doch glattweg ihre neue Flamme ihrer alten Freundin vorgezogen und war zum Pärchenurlaub nach Mallorca gedüst.

Wiebke waren zwei Möglichkeiten geblieben: allein in Berlin rumzuhängen oder sich einen Ort zu suchen, an dem sie Ruhe finden konnte.

Da man das Zuhause ihrer Eltern nicht gerade als Ort der Ruhe bezeichnen konnte, hatte sie sich entschieden, zu ihrer Tante zu fahren. Diese wohnte im Herzen Mecklenburgs, wo die Uhren noch anders tickten und man seine geschundene Seele wieder heilen konnte – zumindest hoffte sie das.

Während der Bus bereits anfuhr, stellte sie ihre Tasche ab und setzte sich ans Fenster.

Auf einmal schien ihr Körper mindestens zehn Pfund mehr Gewicht zu bekommen. Wiebke fühlte sich schwammig und benebelt, als hätte sie irgendein Grippemittel geschluckt. Doch wie sollte es einem auch ergehen, wenn man schon seit fünf Uhr morgens unterwegs war?

Erst mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof, dann mit dem Zug nach Waren an der Müritz und jetzt mit dem Bus weiter in das kleine Dörfchen, das am anderen Ende des Sees lag.

Gähnend betrachtete sie ihr Spiegelbild, das sie vage in der Scheibe erahnen konnte. Etwas anderes als einen Knoten hatte sie aus ihrer strohblonden Haarpracht nicht zaubern können. Ihr Gesicht war trotz des herrlichen Sommerwetters blass, dunkle Schatten wucherten unter ihren Augen. Sie fühlte sich in diesem Augenblick wesentlich älter als dreiundzwanzig.

Wie soll man auch aussehen, wenn man eine wichtige Prüfung verhauen und den Freund verloren hat?, dachte sie bitter und spürte wieder das ätzende Gefühl von Ohnmacht in ihrer Brust. Hätte sie irgendwas tun können? Die Zeichen früher erkennen? Und selbst wenn, hätte sie das Ruder herumreißen können? Sie zweifelte daran.

Als sich ein Mann neben sie auf den Sitz fallen ließ und laut schnaufte, war es mit dem Nachdenken vorbei. Wiebke beschloss, sich die Kopfhörer ihres MP3-Players in die Ohren zu stöpseln, und wenig später folgte sie dem Rat des Sängers von Snow Patrol: »Shut your eyes and think of somewhere …«

Als Wiebke die Augen wieder öffnete, schien es ihr, als wären sie noch nicht weit gekommen. Der Bus fuhr gemächlich die Landstraße entlang.

Der schnaufende Mann hatte sich wieder verzogen. Wo war er ausgestiegen? Sie hatte es nicht mitbekommen. Vielleicht war sie ja sogar eingenickt. Das musste es sein, denn ihre Playlist war vier Titel weitergesprungen.

Sie zog die Stöpsel aus den Ohren und schaute aus dem Fenster.

Sonnenschein glitzerte in einem See neben ihr, wahrscheinlich war dies einer der Ausläufer der Müritz. Ein Wohnwagen mühte sich durch eine enge Durchfahrt. Wiebke erkannte, dass sich auf dem Campingplatz, der den schönen Namen »Igelsruh« trug, eine Armada von Campinganhängern und Wohnmobilen tummelte.

Für sie wäre so etwas nichts. Sie genoss ihre tägliche Dusche und wollte diese nicht mit einer Gießkanne unter einem Baum zelebrieren. Baden im See fand sie toll – nur nicht, wenn sie gerade aus dem Bett gefallen war. Und sie schätzte es auch, wenn das Bett nicht nur aus einer harten Matte bestand, in der sich schon nach kurzer Zeit die Ameisen tummelten.

Der Hof ihrer Tante war perfekt.

Allerdings wusste Wiebke nicht, was Larissa zu ihrem Auftauchen sagen würde.

Seit sie an die Müritz gezogen war, hatten sie sich nicht mehr gesehen. Sie war die Schwester ihrer Mutter, doch vom Typ her waren beide grundverschieden. Während Josephine grundsolide war und früh geheiratet hatte, war Larissa phantasievoll, verrückt, chaotisch, ledig – und für alle ein großes Rätsel.

Niemand wusste so recht, was sie trieb, außer dass sie vor zwölf Jahren einen Hof gekauft und sich dort niedergelassen hatte. Über die Gründe dafür schwiegen sich alle aus. Auch ihre Mutter. Oft sprach sie nicht über ihre Schwester, doch einmal hatte sie angedeutet, dass Larissas Flucht etwas mit einem Mann zu tun gehabt hatte. Damit war die mütterliche Erzählstunde aber auch schon wieder vorbei gewesen.

Bevor Wiebke weiter über ihre Tante nachdenken konnte, hielt der Bus. Zunächst glaubte sie, dass es wieder irgendein Dorf auf ihrer Strecke war, doch als sie aus dem Fenster blickte, erkannte sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. »Strehlin« stand verwaschen an der uralten Bushaltestelle.

Erschrocken sprang sie auf und klaubte ihre Tasche unter dem Sitz hervor. Im nächsten Moment ruckte der Bus wieder an. War überhaupt jemand ausgestiegen?

»Halt, halt, warten Sie!«, rief Wiebke panisch, während sie sich gegen die Fliehkräfte nach vorn kämpfte. Verdammt, musste der Bus so schnell anfahren? »Ich muss hier raus!« Hörte sie der Busfahrer überhaupt?

In der Stadt war es nicht schlimm, eine Station weiter zu fahren, aber hier konnte es viele Stunden dauern, bis sich wieder ein Bus blicken ließ.

Der Fahrer hörte sie – und trat hart auf die Bremse. Wiebke verlor das Gleichgewicht und prallte samt Tasche gegen die Fahrerkabine.

»Aua!«, stöhnte sie, rappelte sich dann aber rasch auf.

»Das hätten Sie auch schon eher sagen können«, maulte der Busfahrer hinter ihr her.

Und Sie könnten sanfter bremsen, lag es Wiebke auf der Zunge. Doch das behielt sie für sich. Eine Entschuldigung murmelnd, beeilte sie sich, aus dem Bus zu kommen.

Als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, atmete sie tief durch. Ihre Schulter schmerzte noch von dem Aufprall, aber warme, nach Heu und Stroh duftende Luft umfing sie, und auch wenn sie sich wie gerädert fühlte, überkam sie eine seltsame Leichtigkeit.

Als der Bus weggefahren war, schloss Wiebke die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Laute ihrer Umgebung. Je weiter sich das Motorengeräusch des Busses entfernte, desto deutlicher traten andere Laute hervor: das Zirpen der Grillen, Traktorenbrummen und der Gesang der Vögel.

Sie machte einen Schritt zurück – und prallte prompt gegen etwas Hartes, das sich in ihren Oberschenkel bohrte.

Wiebke schrie erschrocken auf, und im selben Moment ergoss sich ein Wasserschwall auf ihre Stoffturnschuhe. Sie hatte den Mann, der zwei große Kannen voll Wasser auf einer Schubkarre durch die Gegend schob, nicht kommen gehört.

»Verdammt noch mal, pass doch auf!«, schnarrte er und schüttelte sich das Wasser von den Armen. Ein paar Tropfen landeten auf ihrem Gesicht.

»Entschuldigung!«, rief Wiebke, strich sich über die Wange und sah dem wütenden Fremden ins Gesicht.

Er sah gut aus, richtig gut. Sein blondes Haar war ein wenig verwuschelt, nicht so gegelt, wie die Typen in der Stadt es trugen, sondern auf eine Weise, wie man sie bloß hinbekam, wenn man körperlich arbeitete und sich hin und wieder die Haare zurückstrich. Seine Augen leuchteten blau wie der Sommerhimmel. Dumm nur, dass Wut in ihnen schwelte.

»Ich …«, setzte sie an, doch sein Blick brachte sie zum Verstummen. Ungeduldig ruckelte er an den Griffen der Schubkarre, wohl um ihr zu signalisieren, dass sie Platz machen sollte. So zornig, wie er sie ansah, war es wohl besser, ihn vorbeizulassen und nichts mehr zu sagen.

»Touristen«, schnappte er, als er die Karre an ihr vorbeischob und dann weiterstapfte.

Wiebke sah ihm nach. Ihre Wangen glühten. Der Mann war wirklich schnuckelig – allein schon wie er ging und seinen kleinen Hintern dabei bewegte.

Sie ertappte sich, wie sie auf ihre Unterlippe biss, dann schüttelte sie den Kopf. Sie hatte sich geschworen, sich vorerst mit keinem Mann mehr einzulassen. Und daran würde sie sich auch halten.

Nachdem sie eine Weile dem kleinen Feldweg gefolgt war, der von einem schier endlosen Koppelzaun gesäumt war, tauchte schließlich das Brombeerfeld vor ihr auf. Von hier aus war es noch ein gutes Stück bis zu Larissas Hof, der am anderen Ende des Dorfes lag, doch mittlerweile brannte die Sonne so stark, dass Wiebke eine Pause brauchte.

Sie hatte das Feld noch nie mit eigenen Augen gesehen, doch sie erinnerte sich an ein Foto, das ihre Mutter besaß.

Das Brombeerfeld gehörte zum Anwesen ihrer Tante, zwanzig Hektar Gebüsch. Seit der Aufnahme des Fotos war genug Zeit vergangen, um aus den schüchternen Pflänzchen gewaltige Büsche werden zu lassen, die mit stacheligen Ranken ihre süßen Früchte verteidigten.

Wahrscheinlich hatte man sich im Dorf gewundert, warum Larissa gerade diese Obstsorte angepflanzt hatte, wo Erdbeeren doch pflegeleichter und einfacher zu ernten waren. Aber in ihrem Eigensinn hatte Larissa auf Brombeeren bestanden – und recht behalten. Brombeeren gediehen auf diesem Boden ganz prächtig.

Vielleicht sollte ich auch auf einen Hof ziehen, fern von all dem Kram in Berlin, ging es ihr durch den Sinn. Aber jetzt war sie hier, das reichte fürs Erste voll und ganz.

Sie raffte sich also wieder auf, passierte eine Weggabelung, folgte der Hauptstraße noch ein Stück weit und bog schließlich in die Kastanienallee ein, an deren Ende Larissa wohnte.

3

initial.tifDie junge Frau an der Gartenpforte schien nicht so recht zu wissen, ob sie eintreten sollte. Sie trug ein beigefarbenes Kleid mit kleinen roten Röschen und einen Strohhut, wahrscheinlich um nicht noch mehr Sommersprossen zu bekommen. Bei ihrer hellen Haut und dem blonden Haar, das zu einem Zopf geflochten unter dem Hut hervorlugte, waren die vorwitzigen Pünktchen beinahe schon vorprogrammiert. In ihrer Hand trug sie einen bunten Stoffbeutel, der wahrscheinlich ihre Brautschuhe enthielt.

Larissa beobachtete sie einen Moment lang durch das Küchenfenster, während sie sich die Finger abtrocknete.

Bei ihrer Rückkehr zum Hof hatte sie spontan beschlossen, einen Kuchen zu backen – für den Fall, dass der neue Bewohner des Hauses nahe dem Gehege so nett war, sich ihr vorzustellen. Ein Willkommensgeschenk war eine gute Möglichkeit, sich mit jemandem bekannt zu machen, ohne allzu aufdringlich zu wirken. So war das hier nun mal, neuen Dorfbewohnern brachte man Brot und Salz – oder Kuchen.

Doch nun war ihre Kundin da. Larissa stellte die Schüssel in den Kühlschrank – der Teig musste ohnehin noch etwas ruhen – und ging zur Tür.

Ihre Kundin war allein gekommen, daraus schloss Larissa, dass ihr Bräutigam nicht wissen sollte, dass sie ihre Brautschuhe gestalten lassen wollte. Bei Paaren, die ihre Hochzeit noch vor sich hatten, erschien die Braut meist allein. Wenn sie mit den Schuhen ein Andenken an die Feier schaffen wollten, kamen sie zu zweit, denn die Männer wollten es sich meist nicht nehmen lassen, einen Teil von sich auf den Schuhen verewigt zu sehen.

»Guten Tag, sind Sie Frau Heinrich?«, fragte Larissa, als sie zum Tor ging.

Die junge Frau blickte sie zunächst verwirrt an, dann nickte sie.

»Ja … ja, die bin ich. Anke Heinrich. Ich habe mich wohl schon so sehr an den Gedanken gewöhnt, den Namen meines Freundes anzunehmen.«

Larissa öffnete die Gartenpforte und reichte ihrer Kundin mit einem freundlichen Lächeln die Hand. »Ja, so kurz vor der Hochzeit ist man nicht mehr man selbst, nicht wahr?«

Ihre eigenen Worte versetzten Larissa einen Stich. Als ob du Ahnung davon hättest, dachte sie, doch sie überspielte das gekonnt, indem sie Anke Heinrich in ihr Haus bat.

»Sie wohnen wirklich schön hier«, sagte die junge Frau, während ihr Blick über die alten Möbel strich. »Mein Freund und ich denken auch darüber nach, ob wir aufs Land ziehen sollen. Es ist so ruhig hier.«

»Ja, das ist es. Allerdings sollten Sie bedenken, dass hier nur viermal am Tag ein Bus fährt und dass es bis zur nächsten Stadt gut dreißig Kilometer sind.«

»Stört Sie das denn?«

Larissa schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe einen Ort wie diesen gesucht. Ich bin nicht so eine Partygängerin, wissen Sie.«

»Sie leben wohl eher für Ihre Kunst, nicht wahr?« Die junge Frau lächelte versonnen und zog sich den Hut vom Kopf. »Ach ja, sagen Sie ruhig Anke zu mir.«

»In Ordnung, Anke. Ich bin Larissa. Und was die Kunst angeht, so würde ich eher behaupten, dass ich eine Dienstleisterin bin. Ein wahrer Künstler würde Ihnen wahrscheinlich irgendwas auf Ihre Schuhe malen und dann, wenn Sie sich darüber beschweren, behaupten, dass Kunst nicht unbedingt schön sein oder unseren Vorstellungen entsprechen muss.«

Damit war das Eis gebrochen. Larissa lachte, Anke stimmte mit ein. Ein guter Anfang.

Larissa führte ihre Kundin ins Arbeitszimmer. Dabei wappnete sie sich gegen das Unvermeidliche. Jeder, der diesen Raum betrat, bemerkte sie zuerst.

»Oh, wie herrlich!«, seufzte Anke Heinrich, als sie die Schuhe in der Vitrine entdeckte. »Sind das Ihre?«

»Ja«, antwortete Larissa und zwang sich zu einem Lächeln. »Das sind meine.«

»Sie sind einfach wunderbar! Haben Sie sie vor oder nach Ihrer Hochzeit bemalt?«

In Larissas Flyer, mit dem sie für ihre Dienste warb, stand, dass das Paar die Wahl hätte, die Schuhe vor oder nach der Hochzeit bemalen zu lassen. Aber dass ihre Kundin das gerade jetzt zur Sprache brachte, verwirrte Larissa ein wenig. Alle bewunderten die Schuhe und wollten schlimmstenfalls wissen, was das Dekor darauf zu bedeuten hätte. Doch Anke Heinrich kam nun mit dieser äußerst delikaten Frage.

»Diese Schuhe … Ich … ich bin nicht verheiratet«, presste Larissa hervor. Der Einfachheit halber hätte sie auch behaupten können, dass sie es wäre, der Kundin hätte diese Lüge sicher nichts ausgemacht. Doch da das Schicksal, was die Schuhe und ihr Drumherum anging, ohnehin nicht besonders gut auf sie zu sprechen war, wollte sie es mit einer Lüge nicht noch verschlimmern. »Diese Schuhe stelle ich als Muster meines Könnens aus«, setzte sie schnell hinzu, als sie den mitleidigen Blick der Braut auffing. »Eines Tages … vielleicht … werde ich mir auch mal Brautschuhe malen. Oder malen lassen.«

»Oh, wer macht denn sonst noch so was?«

»Soweit ich weiß, eine Frau in den Niederlanden«, antwortete Larissa, denn es stand wohl nicht zur Debatte, dass Anke Heinrich wegen ihrer Schuhe extra dorthin fahren würde. »Aber Sie haben recht, so verbreitet ist dieses Handwerk nicht.«

Froh darüber, die Klippe ihrer nicht vollzogenen Eheschließung umschifft zu haben, bat Larissa ihre Kundin, auf dem buntgeblümten Sofa unter dem Fenster Platz zu nehmen. Dies war ihre Besprechungsecke, der Ort, an dem sie die Vorstellungen ihrer Kundinnen und auch diese selbst besser kennenlernte.

»Haben Sie Lust auf eine Tasse Kaffee oder Tee? Ich habe auch frisch gebackene Waffeln.«

»Da sage ich doch nicht nein.«

Larissa verschwand in die Küche und kehrte wenig später mit einem Tablett zurück. Sie schenkte ein und setzte sich ihrer Kundin gegenüber.

»Das sind meine Schuhe«, erklärte Anke und zog eine Schachtel aus ihrem Beutel. Der goldgeprägte Aufdruck auf dem weiß glänzenden Karton sprach seine eigene, ganz deutliche Sprache: Wenn Anke Heinrich der Tradition gefolgt war, die Brautschuhe mit Pfennigen – oder jetzt wohl besser Centstücken – zu bezahlen, hatte sie das Geld wohl mit einem LKW vorfahren müssen.

»Mein Martin hat sie mir geschenkt«, sagte sie und strich gedankenverloren über den Deckel. Sie wirkte, als hätte sie Angst, die Schachtel zu öffnen, als hätte sie sie nicht von Martin, sondern von Pandora.

Aber Larissa wollte nicht zu schnell urteilen. Vielleicht war sie einfach nur vorsichtig. Schuhe von diesem Designer mussten einfach wie rohe Eier angefasst werden – auch wenn sie dafür gemacht waren, auf ihnen herumzutrampeln.

»Darf ich sie anschauen?«, fragte Larissa und versuchte, das Unwohlsein in ihrer Magengegend zu unterdrücken. Man bemalte Schuhe dieses Designers nicht so einfach – eigentlich war es überhaupt ein Sakrileg, Hand an sie zu legen. Aber der Kundenwunsch ging vor. Anke Heinrich bezahlte sehr gut dafür.

Ehrfürchtig klappte Larissa die Schachtel auf. Unter purpurfarbenem Seidenpapier lagen zwei perlweiße Pumps mit zartem Absatz. Größe 38, schätzte Larissa und stellte fest, dass sie recht hatte, als sie die Schuhe in die Hand nahm. Es waren Kunstwerke, von denen jede Frau, ob Braut oder nicht, träumte. Ihr Unwohlsein wurde nicht besser. Ein falscher Strich, und sie würde Hunderte Euros los sein. Nicht dass ihr das schon mal passiert wäre. Aber sie hatte auch noch nie derart teure Schuhe in ihrer Werkstatt gehabt.

»Sie sind wunderschön, nicht wahr?«

»Ja, wunderschön. An und für sich bräuchten sie keine Bemalung.«

Anke Heinrich sah sie verwundert an. »Glauben Sie nicht … Ich meine, wollten Sie …«

»Nein, keine Sorge, natürlich werde ich diese Schuhe bemalen, wenn Sie es wünschen. Allerdings sollten Sie sich Ihrer Sache sicher sein. Ich meine, richtig sicher.«

»Das bin ich!« Anke sah sie unverwandt an. Zum ersten Mal erkannte Larissa Entschlossenheit bei ihrer Kundin. Also gut, dachte Larissa und legte die Schuhe vorsichtig in die Schachtel zurück.

»Erzählen Sie mir doch ein bisschen was über sich, Anke«, sagte sie und griff nach Block und Bleistift, die sie immer auf dem kleinen Beistelltischchen liegen hatte.

Dabei drängte sich ihr, wie so oft, der Gedanke auf, dass sie genauso gut Psychologin hätte werden können. Viele ihrer Kundinnen und Kunden öffneten sich ihr voll und ganz bei den Gesprächen über die Schuhe. Frühere Verwundungen kamen dabei ebenso zutage wie sich anbahnende Eheprobleme. Wenn sie konnte, versuchte Larissa, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Manchmal versteckte sie eine Botschaft in der Bemalung der Schuhe. Und immer schickte sie sie mit den besten Wünschen und Gedanken zu ihren Kundinnen zurück.

»Na ja, ich bin vierundzwanzig, genau das passende Alter, um zu heiraten«, entgegnete Anke. Das klang wenig überzeugend. Zu heiraten, weil man das passende Alter hatte, war äußerst dumm. Aber sie hatte glücklicherweise noch einen anderen Grund. »Und Martin ist der Richtige.«

»Sie haben sich in Südfrankreich kennengelernt?«

»Ja. Ich war dort gerade Au-pair, und er hat mit seiner Familie Urlaub gemacht.«

Sofort hatte Larissa ein Bild vor Augen. Eine schneeweiße Yacht und duftende Lavendelfelder. Beides sehr schöne Motive – für den linken Schuh, der für sie die Frau repräsentierte, den Lavendel, für den männlichen rechten Schuh das Schiff und Möwen darüber.

»Wie war das erste Zusammentreffen? Erinnern Sie sich noch daran?«

»Na ja, Martin hatte vom Lavendel einen Allergieanfall, er hat sich die Seele aus dem Leib geniest. Ich war zufällig in der Nähe und hatte ein Mittel gegen Heuschnupfen dabei. Es hat gewirkt, wir haben uns unterhalten und wussten vom ersten Augenblick an, dass wir füreinander geschaffen sind.«

Larissa kratzte sich am Kinn. Jemand, der eine Allergie gegen Lavendel hatte, war ihr noch nie über den Weg gelaufen.

»Dann wäre es sicher nicht gut, Lavendel auf die Schuhe zu malen«, sinnierte sie scherzhaft. »Nicht dass Ihr Verlobter vor dem Altar noch zu niesen anfängt.«

Anke Heinrich lachte unsicher auf. »Keine Sorge, mein Martin liebt Lavendel. Er darf den Blütenstaub nur nicht in die Nase bekommen. Oder an getrocknetem Lavendel riechen, denn da hängt ja auch noch Blütenstaub dran und … Na, auf jeden Fall, Lavendel ist sehr in Ordnung, glaube ich.«

»Glauben Sie oder wissen Sie?«

»Ich bin mir sicher.« Anke atmete tief durch. »Und vielleicht sollten auch Rosen auf die Schuhe. Das Haus meiner Mutter, es ist von Rosen umrankt. Wir haben uns dort das erste Mal … Na, Sie wissen schon.«

Jetzt wurden Ankes Wangen feuerrot.

»Sie brauchen es nicht näher auszuführen«, beruhigte Larissa sie lächelnd. »Vielleicht erzählen Sie mir noch ein bisschen mehr über sich. Also nicht nur über Lavendel und Rosen. Einfach … andere Dinge, aus denen ich vielleicht etwas machen kann. Hobbys, Lieblingsessen und so weiter.«

Ein Brautschuh mit Gemüse, das wäre es, dachte sie, doch nur kurz. Anke wirkte nicht so, als würde sie sich sonderlich für Landwirtschaft oder fürs Gärtnern interessieren. Aber vielleicht bekam sie diese Chance auch einmal.

»Okay, wo soll ich anfangen?«, fragte die Braut, noch immer errötet, und schaute nach oben, als würde dort die Antwort stehen.

»Am besten bei dem, was Sie preisgeben wollen«, entgegnete Larissa und setzte den Stift an. »Sie müssen nun nicht die ganz intimen Dinge auspacken, aber ich wüsste schon gern etwas, das Sie und Ihren Mann charakterisiert, damit ich mir ein Bild von Ihnen beiden machen kann.«

Anke überlegte noch einen Moment, vielleicht bereute sie es gerade auch, allein gekommen zu sein, aber dann begann sie, und Larissa machte sich fleißig Notizen.

Eine halbe Stunde später hatte sie alle Fakten über Anke Heinrich und ihren Verlobten auf Papier gebracht. Jedenfalls fühlte es sich so an. Sie kannte Lieblingsfarbe und Lieblingsessen, den bevorzugten Kleidungsstil, die Lieblingsmusik und die Fernsehserien, die sich die beiden gemeinsam ansahen. Wahrscheinlich kannten die Schwiegermütter ihre dazugewonnenen Kinder nicht mal annähernd so gut wie sie.

»In Ordnung, dann mache ich mich an die Arbeit. Innerhalb von sechs Wochen erhalten Sie Ihre Schuhe – rechtzeitig genug, um sie vor der Trauung noch ein wenig einzutragen.« Ein Lächeln huschte über Larissas Gesicht, als sie hinzufügte: »Und ich würde Ihnen dringend raten, die Schuhe einzutragen. Da Sie Ihren Prinzen schon gefunden haben, ist Blut im Schuh nicht mehr nötig.«

Anke Heinrich nickte ein wenig verständnislos.

Du meine Güte, dachte Larissa, kennt denn heutzutage niemand mehr das Märchen vom Aschenputtel?

Als sich Anke Heinrich schließlich verabschiedete und das Haus verließ, kam sich Larissa ein wenig verloren vor. Es war jedes Mal so: Sie löcherte ihre Kunden so sehr, dass sie danach ein bisschen glaubte, sich mit ihnen angefreundet zu haben. Das war natürlich Unsinn, bisher hatte sich keine ihrer Kundinnen noch einmal gemeldet, nachdem sie die Schuhe erhalten und die Rechnung beglichen hatte.

Und doch fühlte sich Larissa stets, als hätte gerade eine gute Freundin das Haus verlassen.

Damit die Einsamkeit nicht zu groß wurde, schaltete sie ihr Küchenradio ein. Unter den Klängen sanfter Jazzmusik räumte sie den Tisch ab und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.

Als sie sich aufrichtete und ihr Blick das Küchenfenster streifte, sah sie eine Gestalt am Gartenzaun. Im ersten Moment glaubte Larissa, Anke Heinrich hätte etwas vergessen. Doch dann erkannte sie, dass die Gestalt Jeans und eine Reisetasche bei sich trug. Und dass das blonde Mädchen noch dazu ziemliche Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Josephine hatte.

»Du meine Güte«, murmelte Larissa und klappte die Spülmaschinentür zu. Dann ging sie nach draußen.

Wiebke – und es stand für Larissa außer Frage, dass es sich bei der Person um ihre Nichte handelte – verharrte mit ihrer Reisetasche vor dem Gartenzaun, und ebenso wie die Kundin zuvor schien sie nicht zu wissen, ob sie eintreten sollte oder nicht.

»Wiebke?«, rief sie, worauf ihre Nichte aufblickte. »Du bist doch Wiebke, oder?«

Wiebke lächelte unsicher. Der Anblick ihrer Tante verwirrte sie ein wenig. Seit ihrem letzten Zusammentreffen hatte sie sich kaum verändert. Ihre Mutter Josephine war von der Schwangerschaft ziemlich rundlich geworden, Larissa hingegen sah immer noch aus wie Ende zwanzig, von ein paar silbrigen Haarsträhnen im langen roten Haarschopf mal abgesehen. Allerdings besaßen beide Schwestern die gleiche schlanke Nase mit dem langen Nasenrücken und den vollen Mund. Die grünen Augen hatte Larissa von ihrem Vater geerbt, Josephine ihre braunen von ihrer Mutter. Außerdem war Larissa etwas größer als Wiebkes Mutter – und Wiebke selbst.

»Ja, die bin ich«, antwortete sie verlegen. »Ich … wollte dich besuchen.«

»Mich?« Larissa zog die Stirn kraus. »Hat Josephine dich geschickt?«

»Nein, ich … ich musste einfach mal raus. Darf ich ein paar Tage bleiben?«

Larissa zögerte. Wann hatte sie von Josephines Tochter zuletzt gehört? Wann hatte sie sie zuletzt gesehen? Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Damals hatte Wiebke noch Zöpfe gehabt und eine Zahnspange. Es war das Jahr gewesen, in dem Larissa sich entschlossen hatte, aufs Land zu ziehen und diesen Hof zu übernehmen.

Mittlerweile war Wiebke zu einem Ebenbild ihrer Mutter herangewachsen – und dank ihres Vaters neigte sie anscheinend nicht wie Josephine zum Dickwerden.

Aber das war eigentlich alles egal. Vor ihr stand ein Mädchen, das eine Unterkunft haben wollte. Konnte sie, die einen großen Hof besaß, das abschlagen? Immerhin hatte sie nicht mit ihr Streit gehabt.

»Also gut, komm rein«, sagte sie und öffnete die Gartenpforte.