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Über dieses Buch

Kleiner Roman für Leser ab 7 Jahren

Elvira hat viel Mitgefühl. Ihr tut Oma leid, weil Opa nicht mehr lebt, ihr tut Papa leid, weil er nicht schön singen kann, und manchmal tut ihr auch der Himmel leid, wenn er voller Wolken hängt. Eines Tages entdeckt sie im Hof einen kleinen Vogel, der nicht mehr fliegen kann. Elvira ist sich sicher, dass hier wirklich jemand ihre Hilfe braucht. Sie beschließt, sich um den Vogel zu kümmern …

Die Autorin und Illustratorin

Antje Damm wurde 1965 geboren und studierte Architektur in Darmstadt und Florenz. Nach der Geburt ihrer ersten beiden Töchter begann sie Geschichten für sie zu erfinden und zu zeichnen. Mit der Zeit sind viele Bücher daraus geworden, die bei verschiedenen Verlagen erscheinen. Heute hat Antje Damm vier Töchter und wohnt mit ihrer Familie, einer Katze und einer Schildkröte in einem Fachwerkhaus in der Nähe von Gießen.

Wenn es draußen stürmt und regnet, geht Elvira ganz schnell zur Schule. Wenn die Sonne scheint, dauert der Schulweg länger.

Heute scheint die Sonne. Elvira sieht sich auf dem Schulhof um. Fast alle sind schon weg, sie ist eine der Letzten. Auch Hansi ist gegangen. Manchmal geht Elvira mit ihm zusammen, denn sie haben denselben Schulweg.

Sie summt ein Lied. Dann schlendert sie langsam an der Turnhalle vorbei.

Turnen mag sie nicht, denn Herr Klose, der Turnlehrer, ist ein Griesgram, der nie lächelt, geschweige denn lacht. Manchmal überlegt Elvira, ob er krank ist. Vielleicht hat er Kinderlähmung und die hat sich in seinem Gesicht festgebissen. Wenn sie so darüber nachdenkt, dann tut ihr Herr Klose sogar leid. Zumindest ein kleines bisschen.

Überhaupt ist das so eine Angewohnheit von Elvira, dass ihr vieles leidtut. Ihr tut Oma leid, die keinen richtigen Opa mehr hat.

Ihr tut der Himmel leid, wenn er voller dunkler Wolken hängt und nicht mehr zu sehen ist. Und wenn Papa in der Badewanne liegt und singt, dann tut es Elvira leid, dass er keine schönere Stimme abbekommen hat. Denn sein Gegröle ist wirklich kaum zum Aushalten!

Aber heute hat der Himmel Glück und tut Elvira kein kleinstes bisschen leid. Auch die Vögel tun ihr heute nicht leid. Nur wenn Hansi sie aus den Hecken hinausjagt und mit Steinen nach ihnen wirft, dann schon.

Elvira beobachtet eine Spatzenfamilie, die in der Hecke des Schulhofs wohnt. Die Spatzen hüpfen von Ast zu Ast und zwitschern laut. Es sieht fast so aus, als würden sie Fangen spielen oder sich streiten.

Vögel mag Elvira sehr, und manchmal wünscht sie sich, sie könnte auch einfach die Arme ausbreiten, ein klein wenig auf und ab rudern und in die Höhe fliegen. Dann wäre der Schulweg viel einfacher und schöner.

Elvira müsste an keiner Ampel warten und nicht dauernd auf den Bürgersteig gucken, um nicht in Hundekacke zu treten. Und sie müsste auch nicht die vielen Treppenstufen hoch zu ihrer Wohnung steigen, sondern könnte einfach durchs Fenster in ihr Zimmer fliegen.

Elvira geht los. Sie singt: »Ich will ein Vogel sein, ich will ein Vohohogel sein.« Sie breitet die Arme weit aus und flattert.

Und während sie damit beschäftigt ist abzuheben, fallen ihr plötzlich die vielen Hausaufgaben ein, die Frau Kläger ihnen aufgegeben hat: zwei Seiten im Mathearbeitsheft, ein Arbeitsblatt für Deutsch und noch ein Gedicht auswendig lernen. Das ist viel – zu viel!

Die Hausaufgaben erscheinen ihr wie ein hoher Berg, den sie nie erklimmen kann, egal ob sie ein Vogel wäre oder nicht. Sie merkt, wie sie immer wütender und trauriger wird. Elvira blinzelt in die Sonne.