Russian Hostage 1-4

 

 

Russian Hostage 1-4

Sammelband

Olga Pizda

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2019

like-erotica

Legesweg 10

63762 Großostheim

www.like-erotica.de

info@like-erotica.de

 

like-erotica ist ein Imprint des likeletters Verlages.

 

Alle Rechte vorbehalten.

Autorin: Olga Pizda

Cover: © Bigstockphotos.com / Yurolaitsalbert

 

ISBN: 9783966762014

Dies ist eine frei erfundene Geschichte. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Inhaltsverzeichnis

Entführt

Verwechselt

Verführt

Gefesselt

Benutzt

Vitali

Akzeptanz

Die Ausbildung

Die Wahrheit

Fluchtpläne

Benutzt

Flucht

Zuhause

 

Entführt

 

«Lena, du musst los! Beeil dich!», ruft Lenas Mutter ihr entgegen, um sie daran zu erinnern, dass sie pünktlich zu ihrem Nebenjob kommt.

«Ja, ich muss mich nur noch schnell umziehen!», ruft Lena die Treppe runter.

Sie ist bis vor zwei Stunden noch in der Uni gewesen und ihr Seminar war so einschläfernd, dass sie vor ihrem Job als Kellnerin in einem kleinen Restaurant an der Ecke, noch ein kurzes Nickerchen gemacht hat. Die unzähligen Wecker hat sie überhört, so dass sie jetzt spät dran ist.

Schnell steht sie auf und wühlt in ihrem Kleiderschrank nach passender Kleidung. Sie benötigt eine schwarze Bluse und eine schwarze Hose oder einen schwarzen Rock.

«Mama! Wo ist mein schwarzer Rock?», schreit sie durch ihr Zimmer und wartet auf eine Antwort.

Aber ihre Mutter reagiert nicht. Sie zerrt daher eine schwarze Jeans aus ihrem Schrank, schlüpft rein und zieht sich ihr rotes T-Shirt, was sie in der Uni getragen hat, wieder aus, um die schwarze Bluse anzuziehen.

Sie betrachtet sich im Spiegel und sieht, dass ihre langen, braunen Haare total zerzaust sind. Schnell bürstet sie sich ihre Haare durch und bemerkt, dass sich ihre Wellen so nicht bändigen lassen, weswegen sie beschließt, ihre Haare zu einem hohen Dutt zu binden. Sie wischt sich den Schlaf aus ihren grünen Augen, läuft in ihr Bad und spritzt sich etwas Wasser in ihr Gesicht, bevor sie schnell zu einer Mascara greift, um ihre langen Wimpern zu betonen.

Anschließend trägt sie etwas transparenten Lipgloss auf ihre vollen Lippen auf und verlässt das Bad wieder.

«Hast du meine schwarzen Schuhe gesehen?», will sie von ihrer Mutter wissen, die seelenruhig in der Küche sitzt und in einer Zeitschrift liest.

«Wahrscheinlich in der Kammer», antwortet sie und deutet auf die Tür neben der Garderobe.

Hastig öffnet Lena die weiße Tür und findet sich in dem kleinen unordentlichen Zimmer wieder. Hier bewahrt die Familie alles auf, was woanders keinen Platz mehr hat. Neben der Waschmaschine steht der Trockner, daneben stapeln sich Tüten mit Pfandflaschen und in der anderen Ecke befinden sich mehrere Regale, die mit Schuhen vollgestopft sind. Verzweifelt sucht Lena nach ihren flachen Lederschuhen zum Schnüren und findet sie endlich ganz oben auf dem Regal.

Das letzte Mal, dass sie kellnern gewesen ist, liegt schon mehrere Monate zurück, weswegen die Schuhe nicht in Gebrauch gewesen sind.

Nachdem sie ihr Abitur im Juni bestanden hat, ist sie mit dem gesparten Geld, was sie neben der Schule beim Kellnern verdient hat, mit ein paar Freunden in eine einsame Hütte in den Bergen gefahren.

Dort haben sie sich von den stressigen Prüfungen erholt und immer mal wieder auf einem Bauernhof ausgeholfen, bis im Oktober dann die Uni losgegangen ist. Und nun, nachdem sie sich an ihr neues Leben als Studentin gewöhnt hat, will sie erneut Kellnern gehen, um schon bald von Zuhause ausziehen zu können, um eine WG mit anderen Kommilitonen zu gründen.

Sie schaut auf ihre Armbanduhr und stellt erschrocken fest, dass ihre Schicht in fünf Minuten beginnt. Schnell stopft sie ihren Schlüssel in ihre Hosentasche und läuft los. Etwas außer Atem kommt sie in dem kleinen Restaurant an.

Es liegt mitten in einem Wohngebiet und ist von großen Stadtvillen umgeben. Draußen sind die großen Schirme bereits aufgespannt und die kleinen Holztische mit den gemütlichen Stühlen stehen alle an Ort und Stelle. Sie öffnet die schwere, dunkle Holztür und schaut sich in dem dunklen Restaurant um. Alles ist in Dunkelbraun und Weinrot gehalten. So sticht einem die goldene Bar direkt ins Auge, die sehr großzügig beleuchtet wird.

Es ist 17 Uhr, weswegen gerade nur sehr wenig los ist. Die Mittagsgäste sind bereits vor einiger Zeit verschwunden und so langsam treffen die Büromenschen, die sich nur schnell einen Kaffee oder ein Bier gönnen wollen, bevor sie nach Hause fahren oder zu anderen Terminen, hier ein.

Das Restaurant ist etwas gehobener und wird fast ausschließlich von Stammgästen aus der Nachbarschaft besucht. Nur hin und wieder verirren sich Touristen oder Ortsfremde hier her. Auch heute sitzen ein paar Stammgäste an ihren Tischen und machen große Augen, als Lena das Restaurant betritt.

«Hey Lena! Dich haben wir ja schon lange nicht mehr gesehen! Wie geht’s dir? Was macht das Studium? Und für was hast du dich letzten Endes entschieden?», fragt ein älteres Ehepaar, als sie hinter die Theke huscht, um sich ihre Schürze anzulegen.

«Alles super. Ich studiere jetzt Grundschullehramt. Aber ich will bald ausziehen und dafür muss ich wohl wieder arbeiten gehen. Sie werden mich also demnächst öfters sehen», sagt sie mit einem Grinsen.

«Ah, da freuen wir uns», sagt die Frau und nimmt zufrieden einen Schluck von ihrem Milchcafé.

Lena ist durch ihr freundliches und natürliches Auftreten sehr beliebt bei den Stammgästen. Sie hat immer ein paar nette Worte für das doch eher etwas konservative Publikum über und sie mögen es, dass Lena so unaufgeregt und unschuldig wirkt.

«Hey Mariella!», begrüßt Lena ihre kleine, rundliche Chefin, die genau so froh wie der Rest der Belegschaft ist, dass Lena wieder bei ihr arbeitet.

«Hallo Lena! Wir haben dich vermisst!», sagt sie. «Du arbeitest heute mit Marie. Sie müsste auch gleich kommen.»

In dem Augenblick sieht Lena, dass zwei neue Gäste reinkommen und macht sich sofort an die Arbeit.

Der Abend ist recht ruhig, sie hat nicht viel zu tun, muss sich aber immer wieder den Fragen der Stammgästen stellen, die wissen wollen, warum sie in den letzten Monaten nicht da gewesen ist.

Gegen 22.30 Uhr schließt die Küche, und die letzten Gäste verlassen so langsam das Restaurant und auch Lena darf Feierabend machen.

«Die Gäste waren heute wirklich sehr großzügig», sagt Mariella.

Sie übergibt Lena ihren Lohn für den heutigen Tag mit viel Trinkgeld. Tatsächlich ist es sogar noch mehr gewesen, weil ihr immer wieder heimlich Geld zugesteckt wurde, da die Gäste wissen, dass sie das Trinkgeld mit dem restlichen Personal teilen muss.

«Für deine eigene Wohnung», hat Frau Müller gesagt, während sie Lena im Rausgehen noch einen Schein zugesteckt hat.

Und das ist im Laufe des Abends noch häufiger vorgekommen.

Zufrieden legt sie ihre Schürze ab und macht sich auf den Heimweg. Schon in wenigen Stunden kommt sie erneut her, weil sie die Frühschicht übernommen hat, um abends noch in die Uni gehen zu können.

Todmüde fällt sie ins Bett, schläft sofort ein und wacht erst auf, als ihr Wecker klingelt.

 

Sie ist eine der ersten und hilft dabei alles aufzubauen und auch ein paar Stühle nach draußen zu stellen, für die Raucher, die nur schnell eine Pause mit einem Kaffee und Zigarette machen wollen.

Die Uhr zeigt 12 Uhr und die ersten Gäste treffen langsam ein, um ein Gericht von der Mittagskarte zu bestellen. Es ist eher ruhig, weswegen Lena jeden Gast im Auge hat. Dabei fallen ihr auch zwei Männer um die 30 auf.

Sie wirken so, als ob sie sich verlaufen hätten, weil sie absolut nicht in dieses eher gehobene Viertel passen, in dem zum Großteil nur kinderlose Paare wohnen, die sich mit ihren guten Jobs die hohen Mieten leisten können oder alteingesessene Familien, dessen Villen schon lange im Familienbesitz sind.

Auf jüngere Leute trifft man hier eher selten. Vor allem nicht um die Mittagszeit, weil keine Unternehmen in der Nähe sitzen.

«Hallo, kann ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen oder wollen Sie erst in die Karte schauen?», fragt Lena die Beiden freundlich, während sie zwei Karten auf den Tisch legt.

«Ich hätte gerne ein großes Wasser und einen Espresso», sagt einer der Beiden.

Lena mustert ihn eindringlich. Er ist groß und breit gebaut. Sein Gesicht strahlt etwas Gefährliches aus, obwohl er nicht böse guckt, sondern sie sogar anlächelt, als er seine Bestellung aufgibt.

Er hat kurze, braune Haare, blaue Augen, einen dunklen 3-Tage-Bart und buschige Augenbrauen. Er wäre sogar ganz attraktiv, wenn er ihr nicht solche Angst machen würde. Lena hat noch nie verstanden, wieso ihre Freundinnen so für Bad Boys schwärmen. Sie konnte denen noch nie etwas abgewinnen und interessiert sich eher für die netten Kerle, die Gitarre und mit ihrem großen Hund spielen.

Sie schaut weiter an ihm herunter und sieht, dass er ein dunkles Hemd und dazu eine ebenfalls dunkle Hose trägt. Seine dicke Jacke hat er über einen der Stühle gelegt. An seiner Hand befindet sich eine teuer wirkende Uhr und seine Füße stecken in auf Hochglanz polierten Lederschuhen.

«Wollen Sie auch noch etwas essen?», fragt sie, während sie die Getränke aufschreibt.

«Ja, aber da schaue ich noch», antwortet er und Lena widmet sich dem anderen Mann.

Der ist ähnlich gekleidet, wenn auch die Uhr an seinem Handgelenk fehlt. Auch er hat kurze braune Haare und trägt einen 3-Tage-Bart.

Anders als sein Begleiter hat er aber sanfte, braune Augen und seine Gesichtszüge sind nicht ganz so hart. Er versprüht keine so dominante Ausstrahlung wie der andere.

«Und Sie?», fragt Lena ihn, um seine Bestellung zu notieren.

«Ein großes Wasser und einen Kaffee bitte. Mit dem Essen schaue ich ebenfalls noch», antwortet er und lächelt sie dabei an.

Lena läuft zurück in die Küche und stellt das Set aus Olivenöl, Salz und Pfeffer sowie Besteckkorb zusammen und bringt es an den Tisch.

Die Beiden bestellen ein Gericht von der Mittagskarte und widmen sich dann wieder ihren Gesprächen.

Bevor Lena überlegen kann, was die Beiden ausgerechnet in dieses Restaurant geführt hat, kündigt sich eine größere Gruppe bestehend aus sechs Müttern an, um die sie sich kümmern muss.

Als sie die Bestellungen aufgenommen und sich noch in ein paar Gespräche über ihr Studium verwickeln lassen hat, will sie zur Bar gehen, um die fertigen Getränke zu holen. Sie blickt auf die beiden Männer, die auf sich aufmerksam machen wollen.

«Wir würden gerne zahlen!», sagt der Angsteinflößende und zückt seinen Geldbeutel.

«Ich komm gleich!», antwortet Lena und verteilt die Getränke am großen Tisch, bevor sie sich dann den Bon für den Tisch ausdrucken lässt.

Sie bekommt ein sehr großzügiges Trinkgeld und verabschiedet die Beiden, bevor sie dann weiter arbeitet. Noch immer fragt sie sich, wieso sie ausgerechnet dieses Restaurant besucht haben.

Irgendwann kommen die üblichen Stammgäste und Lena ist ständig in Bewegung. Als sie den letzten Teller mit einem Mittagsgericht in die Küche bringt und nur noch Kaffee austragen muss, schaut sie auf die Uhr und merkt, dass ihre Schicht bereits vorbei ist.

«Ich geh dann jetzt in die Uni!», sagt sie zu ihrer Kollegin, während sie ihre Schürze abmacht und unter der Theke verstaut.

Sie ist sogar schon etwas zu spät dran, weswegen sie schnellen Schrittes Richtung Bushaltestelle läuft. Plötzlich wird sie angehalten.

«Entschuldigung!», sagt eine männliche Stimme und Lena bleibt stehen.

Die beiden Männer aus dem Restaurant stehen auf einmal wieder hinter ihr.

«Ja?», fragt sie erstaunt.

Ob die sich wohl verlaufen haben?

Sie kommen näher, während sie Lena schweigend angucken und dabei keine Miene verziehen. Ihr wird auf einmal ganz unbehaglich und sie hat ein ungutes Gefühl. Sie überlegt, schnell wegzulaufen, sieht aber den entschlossenen Blick des Angsteinflößenden, der ihre Beine lähmt.

«Wie kann ich Ihnen helfen?», fragt sie daher freundlich und sie versucht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Wahrscheinlich bildet sie sich das alles nur ein und sie wollen sie nur nach dem Weg fragen.

Die beiden Männer stehen jetzt direkt vor und mustern sie streng.

«Ja, ich bin mir sicher», sagt der Angsteinflößende zu dem anderen und nickt dabei.

Plötzlich wird sie am Arm gepackt und die Tür eines schwarzen Autos öffnet sich. Ehe sie sich wehren oder schreien kann, sitzt sie in einem verdunkelten Auto, die Türen schließen sich und der Wagen setzt sich in Bewegung. Erschrocken guckt sie sich um.

Der Mann, den sie zunächst für freundlich und sympathisch gehalten hat, sitzt neben ihr. Der andere hat sich nach vorne neben dem Fahrer gesetzt, den sie bis dahin noch nicht gesehen hat.

«Was soll das?», fragt sie verzweifelt.

Sie kann sich überhaupt nicht erklären, was die beiden Männer von ihr wollen.

«Wer sind Sie?», ruft sie hinterher, als sie keine Antwort bekommt.

«Sei ruhig. Wir bringen dich jetzt zu unserem Boss», sagt einer der Männer und erst jetzt merkt sie, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen abläuft.

Wieso sind die Beiden vorher im Restaurant gewesen?

Wer ist ihr Boss?

Und wieso will er Lena sehen?

Sie hat doch bisher nichts Schlimmes in ihrem Leben gemacht, für das sie bestraft werden könnte.

Und wenn es etwas Gutes ist?, überlegt sie sich plötzlich.

Aber auch das verwirft sie schon bald wieder. Wieso sollte man sie dann entführen, um sie jemandem bekannt zu machen, der ihr etwas Gutes will?

«Wohin bringt ihr mich?», versucht sie es noch einmal, aber sie erhält wieder keine Antwort.

«Du solltest ihr die Augen verbinden», sagt der Fahrer zu dem Mann auf der Rückbank und Lena versucht sich zu wehren.

Sie will nicht von ihm angefasst werden und will auch nicht akzeptieren, dass sie einfach von wildfremden Männern mitgenommen wird. Sie versucht, die Autotür zu öffnen, aber natürlich ist sie geschlossen. Mit Händen und Füßen versucht sie, den Mann neben ihr k.o. zu treten, aber er ist mindestens zehn Mal so stark wie sie und sie hat keine Chance.

«Stell sie endlich ruhig!», sagt der Angsteinflößende und wirft ihm ein Seil nach hinten.

Er schafft es, Lenas Hände und Füße zu fesseln und ihr anschließend die Augen zu verbinden.

Spätestens jetzt weiß sie, dass sie auf keinen Fall mit etwas Gutem rechnen kann und die Verzweiflung macht sich in ihr breit. Sie fängt an zu weinen und zu schluchzen, aber die Männer schenken ihr keine Beachtung.

Sie legen eine lange Strecke zurück. Lena hat inzwischen komplett die Orientierung verloren und weiß nicht, wie lange sie schon mit ihnen unterwegs ist, welche Tageszeit es ist und ob sie sich überhaupt noch in Deutschland befinden.

«Steh auf», sagt einer der Männer und zerrt sie aus dem Auto.

Sie spürt den kalten Wind und weiß, dass sie sich auf einer freien Fläche weit außerhalb der Stadt befinden müssen. Sie spürt eine Hand auf ihrer Schulter, die sie nach vorne drückt. Sie bewegt sich und merkt, dass sich unter ihren Füßen glatter Asphalt befinden muss.

Wo ist sie bloß gelandet?

Ist das eine Straße unter ihr?

Sie wird eine Treppe nach oben geschoben und langsam steigt sie die Stufen hoch. Es ist schwierig nicht zu stolpern, wenn man nichts sehen kann. Sie wird einen kleinen Gang entlang geschoben und soll sich anschließend irgendwohin setzen. Sie spürt, wie ein Gurt um ihre Hüfte festgezogen wird und ahnt Schlimmes.

Ist das eben vielleicht eine Rollbahn und keine Straße gewesen?

Und führten die Treppen nach oben in ein Flugzeug?

«Wo bringen Sie mich hin?», fragt sie noch einmal mit zitternder Stimme und unter Tränen.

Bisher hat sie gehofft, dass man sie zu jemandem in der gleichen Stadt bringt und sie am Ende des Tages wieder nach Hause kommt. Aber wenn sie mit dem Flugzeug fliegen würde, dann würde sie wohl nicht so schnell mehr zurück nach Hause kommen.

Panik steigt in ihr auf und sie versucht sich aus ihren Fesseln zu befreien. Sie schreit und zappelt und von weiter weg kann sie genervtes Murmeln hören.

«Stellt sie endlich ruhig», sagt jemand und dann hört sie Schritte. Jemand hält ihren Arm fest, etwas Spitzes pikst sie und sie spürt, wie ihr Körper plötzlich schläfrig wird.

Innerhalb weniger Sekunden wird sie bewusstlos und fällt in einen tiefen Schlaf.

Das Flugzeug hebt ab und bringt Lena an einen weit entfernten Ort …

 

Verwechselt

 

Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie in einem harten Bett. Sie öffnet langsam die Augen und schaut sich um. Die Fesseln an Händen und Füßen sind ab und sie kann sich frei bewegen. Es muss irgendwann mitten am Tag sein, denn Tageslicht fällt durch das kleine Fenster in den spärlichen Raum. Neben dem Bett steht ein Stuhl aus Holz und auf einem kleinen Tisch steht ein Becher mit Wasser und etwas zu essen. Mehr ist hier nicht vorhanden. Der Boden ist mit einem billigen PVC-Belag ausgelegt und irgendwie fühlt sie sich wie in einer dieser Jugendherbergen in die man in der Grundschule hingefahren ist.

Die weißen Wände sind kahl und an manchen Stellen fällt der Putz ab. Allgemein wirkt der Raum sehr verkommen. Sie schaut sich noch einmal das Bett an, was ebenfalls aus billigem Holz besteht und nur über eine dünne Matratze verfügt.

Lena versucht sich daran zu erinnern, wie sie hier her gekommen ist.

Aber sie erinnert sich nicht mehr.

Das letzte, was sie weiß, ist ihr Zappeln, die Augenbinde, die Fesseln und eine Spritze. Automatisch fasst sie sich an die Einstichstelle an ihrem Arm, die ganz dick und angeschwollen ist.

Wer hat ihr das bloß angetan?

Sie läuft zum Fenster, was mit dicken Stahlbalken verschlossen ist und schaut nach draußen. Aber sie sieht nichts bis auf grüne Wiesen. Es ist nicht mal eine Straße vorhanden oder ein Fußgängerweg.

Sie scheint mitten im Nirgendwo zu sein.

Dann läuft sie zur Tür und will sie öffnen, aber natürlich ist sie abgeschlossen.

Was hat sie auch anderes erwartet?

Plötzlich spürt sie, wie trocken ihr Hals ist und dass er beim Schlucken bereits schmerzt, weswegen sie hastig das Glas Wasser auf dem Tisch austrinkt. Das Brot mit Wurst lässt sie allerdings liegen.

Sie hat absolut keinen Hunger.

Anschließend setzt sie sich wieder auf das Bett und denkt über ihre Situation nach. Wie konnte das nur passieren? Gestern hat sie die beiden noch im Restaurant in ihrer sicheren Nachbarschaft bedient und jetzt befindet sie sich wahrscheinlich in einem weit entfernten Land mitten im Nirgendwo.

Plötzlich fällt ihr etwas ein und sie kontrolliert ihre Hosentaschen. Aber natürlich hat man ihr Handy abgenommen. Ihre Tasche scheint auch nicht mehr da zu sein und bis auf das Essen auf dem Tisch hat man ihr keine weiteren Sachen ins Zimmer gestellt.

Wieder kommen ihr die Tränen und sie fragt sich, wie sie hier nur gelandet ist.

Während Lena in ihrem kahlen Zimmer verzweifelt, befinden sich ihre beiden Entführer in einem prachtvollen Speisesaal im Erdgeschoss.

Sie sitzen an einer reichlich gedeckten Tafel mit anderen Männern und schlagen sich die Bäuche mit allen möglichen Leckereien voll. Am Kopf des großen Holztisches sitzt ein zufrieden wirkender Mann, der sein Weinglas erhebt und einen Trinkspruch loslassen will.

«Auf Dimitri und Vitali, die es geschafft haben die Tochter meines Konkurrenten zu entführen», sagt er und auch die restlichen Männer heben ihre Gläser.

«Auf Dimitri und Vitali!», stimmen sie mit ein.

Die beiden Entführer klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und beglückwünschen sich zu ihrer Tat, bevor sie dann einen großen Schluck Wein nehmen.

Nachdem alle aufgegessen haben, steht der Mann vom Kopfende auf und ruft Dimitri und Vitali zu sich.

«Bringt mir das Mädchen und kommt dann in mein Büro», sagt er und sofort laufen die Beiden davon.

Sie lassen sich den Schlüssel von einem anderen Mitarbeiter geben und steigen die Treppen nach oben in den zweiten Stock, wo Lena heulend in ihrem kleinen Zimmer sitzt.

Sie hört das Klimpern der Schlüssel und schaut erschrocken zu der Tür, die nun aufgestoßen wird. Sie erkennt die beiden Männer, die jetzt im Raum stehen, sofort wieder und würde sich am liebsten unter dem Bett verstecken, traut sich gleichzeitig aber auch nicht sich zu bewegen.

«Mitkommen!», sagt der mit dem angsteinflößenden Gesicht und wartet darauf, dass Lena endlich vom Bett aufspringt und ihnen folgt.

«Wo bin ich hier?», will sie verzweifelt wissen, aber sie erhält keine Antwort.

Stattdessen wird sie am Arm gepackt und man führt sie durch einen großen Flur, der über und über mit Türen übersäht ist.

Lena versucht, so viel wie möglich zu erkennen und kann durch eine halb offene Tür sehen, dass sich auf diesem Gang mehrere Zimmer befinden, die wie ihres sind. Anschließend laufen sie eine Treppe nach unten und während der zweite Stock noch sehr kahl und spärlich gewirkt hat, ist das erste Geschoss das komplette Gegenteil davon. Sie laufen auf einem weichen Teppich, während es oben nur knarzende Dielenboden gibt.

An den Wänden hängen Bilder, die Abstände zwischen den einzelnen Türen ist größer, was auf große Räume vermuten lässt und in den Ecken stehen gepolsterte Möbel mit kleinen Tischen. Es erinnert sie hier nichts mehr an eine Jugendherberge, sondern an ein schönes Hotel.

Sie laufen einen weiteren Gang entlang, bis sie ganz am Ende davon an einer großen Holztür ankommen.

Sie beobachtet wie einer der Beiden klopft und nimmt dann eine tiefe Männerstimme von innen wahr, die «herein!» ruft.

«Hier ist sie, Viktor!», sagt der Mann, der sie am Arm festhält.

Sie wird reingeschoben und weiß zunächst gar nicht, wo sie hingucken soll. Direkt zu ihrer Linken befindet sich ein riesiges Bücherregal, das vollgestopft ist mit dicken, alten Büchern, die in Leder gebunden sind. Davor steht ein großes, weißes Sofa, vor dem ein runder Glastisch platziert wurde. Zu ihrer Rechten befindet sich ein Regal mit verschiedenen Kunstwerken darauf und direkt daneben steht ein gläserner Barwagen mit allen möglichen Alkoholsorten und Kristallgläsern.

So ein Büro kennt Lena nur aus Filmen und meistens sitzen die ganz hohen Tiere am Schreibtisch, der sich am Fenster befindet.

«Hallo, du musst Katja sein», sagt der Mann, der nun von seinem Ledersessel aufsteht, um den Schreibtisch herum läuft und vor Lena stehen bleibt.

Er ist groß, sehr groß, bestimmt 1,95m und Anfang 40. Er hat keine Haare, aber irgendwie steht ihm das, weil sein Gesicht dadurch noch männlicher und markanter wirkt. Außerdem bringt das seine stahlblauen Augen noch mehr zur Geltung. Er trägt einen sehr kurzen Bart und wie ihre Entführer einen teuer wirkenden Anzug in einem hellen Grau.

Lena muss sich eingestehen, dass er wirklich attraktiv ist und sie sich irgendwie von ihm angezogen fühlt. Als er direkt vor ihr steht und sie sein teures Parfum riechen kann, fällt ihr aber plötzlich wieder ein, wo sie ist und wird plötzlich nervös.

Und wieso überhaupt Katja?

«Antworte ihm!», reißt einer der Männer sie nun aus ihren Gedanken.

«Nein. Ich bin nicht Katja», antwortet sie und ihre Entführer schauen sie schockiert an.

«Doch. Natürlich bist du das», antwortet der Mann im grauen Anzug gelassen. «Wahrscheinlich bist du auf so eine Situation vorbereitet und wir sollen glauben, dass wir die Falsche haben. Aber mich täuschst du nicht. Ich erkenne dich wieder», sagt er und holt ein Foto von seinem Tisch hervor.

Er zeigt es Lena und sie erkennt darauf ein Mädchen, das tatsächlich genau so aussieht wie sie.

Zumindest wenn Lena blond wäre und roten Lippenstift tragen würde.

«Nein. Das bin ich nicht!», versucht sie es noch einmal. «Sie müssen mich verwechseln. Wo bin ich hier überhaupt?», fragt sie und der Mann guckt sie nur grinsend an.