Cover

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort zur Dritten Auflage

Einleitung

1  Wozu eigentlich Philosophie?

2 Es funktioniert doch ...

3 Wissen und Erkennen vor Ort

4 Erfinden und Entdecken

5 Wirklich etwas Neues

6 Probieren und Testen

7 Stimmt's oder funktioniert's?

8 Simulation und virtual reality

9 Zufall und Komplexität

10 Nicht im Sinne des Erfinders

11 Wenn die Mittel den Zweck bestimmen

12 Die Technik würde schon funktionieren, aber die Organisation

13 Wer ist für was verantwortlich?

14 Wieviel Autonomie soll es denn sein?

15 Dienstleister oder Mitgestalter?

Anhang

Klaus Kornwachs

PHILOSOPHIE FÜR INGENIEURE


3., überarbeitete Auflage

Der Autor

Klaus Kornwachs

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Dipl.-Ing. Volker Herzberg
Herstellung: Isabell Eschenberg
Umschlaggestaltung: Stephan Rönigk

ISBN   978-3-446-45471-2
E-Book ISBN   978-3-446-45504-7
E-Pub ISBN    978-3-446-45787-4

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz)
CSS-Version: 1.0

Font License Zurück zum Impressum

Copyright 2010, 2012, 2014 Adobe Systems Incorporated (http://www.adobe.com/), with Reserved Font Name 'Source'. All Rights Reserved. Source is a trademark of Adobe Systems Incorporated in the United States and/or other countries. This Font Software is licensed under the SIL Open Font License, Version 1.1. This license is copied below, and is also available with a FAQ at: http://scripts.sil.org/OFL ----------------------------------------------------------- SIL OPEN FONT LICENSE Version 1.1 - 26 February 2007 ----------------------------------------------------------- PREAMBLE The goals of the Open Font License (OFL) are to stimulate worldwide development of collaborative font projects, to support the font creation efforts of academic and linguistic communities, and to provide a free and open framework in which fonts may be shared and improved in partnership with others. The OFL allows the licensed fonts to be used, studied, modified and redistributed freely as long as they are not sold by themselves. The fonts, including any derivative works, can be bundled, embedded, redistributed and/or sold with any software provided that any reserved names are not used by derivative works. The fonts and derivatives, however, cannot be released under any other type of license. The requirement for fonts to remain under this license does not apply to any document created using the fonts or their derivatives. DEFINITIONS "Font Software" refers to the set of files released by the Copyright Holder(s) under this license and clearly marked as such. This may include source files, build scripts and documentation. "Reserved Font Name" refers to any names specified as such after the copyright statement(s). "Original Version" refers to the collection of Font Software components as distributed by the Copyright Holder(s). "Modified Version" refers to any derivative made by adding to, deleting, or substituting -- in part or in whole -- any of the components of the Original Version, by changing formats or by porting the Font Software to a new environment. "Author" refers to any designer, engineer, programmer, technical writer or other person who contributed to the Font Software. PERMISSION & CONDITIONS Permission is hereby granted, free of charge, to any person obtaining a copy of the Font Software, to use, study, copy, merge, embed, modify, redistribute, and sell modified and unmodified copies of the Font Software, subject to the following conditions: 1) Neither the Font Software nor any of its individual components, in Original or Modified Versions, may be sold by itself. 2) Original or Modified Versions of the Font Software may be bundled, redistributed and/or sold with any software, provided that each copy contains the above copyright notice and this license. These can be included either as stand-alone text files, human-readable headers or in the appropriate machine-readable metadata fields within text or binary files as long as those fields can be easily viewed by the user. 3) No Modified Version of the Font Software may use the Reserved Font Name(s) unless explicit written permission is granted by the corresponding Copyright Holder. This restriction only applies to the primary font name as presented to the users. 4) The name(s) of the Copyright Holder(s) or the Author(s) of the Font Software shall not be used to promote, endorse or advertise any Modified Version, except to acknowledge the contribution(s) of the Copyright Holder(s) and the Author(s) or with their explicit written permission. 5) The Font Software, modified or unmodified, in part or in whole, must be distributed entirely under this license, and must not be distributed under any other license. The requirement for fonts to remain under this license does not apply to any document created using the Font Software. TERMINATION This license becomes null and void if any of the above conditions are not met. DISCLAIMER THE FONT SOFTWARE IS PROVIDED "AS IS", WITHOUT WARRANTY OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO ANY WARRANTIES OF MERCHANTABILITY, FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE AND NONINFRINGEMENT OF COPYRIGHT, PATENT, TRADEMARK, OR OTHER RIGHT. IN NO EVENT SHALL THE COPYRIGHT HOLDER BE LIABLE FOR ANY CLAIM, DAMAGES OR OTHER LIABILITY, INCLUDING ANY GENERAL, SPECIAL, INDIRECT, INCIDENTAL, OR CONSEQUENTIAL DAMAGES, WHETHER IN AN ACTION OF CONTRACT, TORT OR OTHERWISE, ARISING FROM, OUT OF THE USE OR INABILITY TO USE THE FONT SOFTWARE OR FROM OTHER DEALINGS IN THE FONT SOFTWARE.


Vorwort zur Dritten Auflage

Seit »Philosophie für Ingenieure« Anfang 2015 erschienen ist, hat sich technologisch, politisch aber auch in der Philosophie einiges getan. Die schon fast sprichwörtliche Schnelllebigkeit unserer Zeit zeigt sich eben nicht nur im Sturzbach immer neuer Nachrichten, sondern auch im raschen Themenwechsel der Diskussionen über Ethik und Philosophie , und in Gesprächen darüber, wie unsere zukünftige Gesellschaft und das Leben darin gestalten werden soll. Dies sind Themen, die eigentlich von ihrer Natur her etwas ruhiger und weniger hektisch besprochen werden sollten.

Die erste und zweite, korrigierte und ergänzte Auflage haben viel Zuspruch und konstruktive Kritik erfahren. Diese Hinweise, aber auch die veränderten Themen der Diskussion ließen eine dritte erweiterte Auflage geraten erscheinen.

So haben sich die Fragen nach den Anwendungsmöglichkeiten von Big Data, den dahinter liegenden Interessen und Geschäftsmodellen und deren mögliche Folgen in den letzten Jahren in den Vordergrund geschoben. Dahinter steht auch die Frage, inwiefern Big Data zum Ersatz für wissenschaftliches Vorgehen taugt (Kap. 8), wie es von manchen Protagonisten durchaus in provozierender Absicht verkündet wurde.

Ein weiteres Thema, das die Ethik auf den Plan aufgerufen hat, sind Roboter bis hin zu den sogenannten Autonomen Systemen (Kap. 14). Zunehmend ist damit auch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz verknüpft. Hier wird man nicht nur fragen müssen, was möglich ist und was nicht, sondern wie weit man gehen darf und ob es eine Grenzen des Machens vor der Grenze der Machbarkeit geben muss.

In Verlängerung dieser Probleme stoßen wir auf die fast schon quasireligiös anmutende Verkündigung der Singularität – d.h., dass sich die technischen Systeme schon heute lernend verbessern und sich daher eines Tages selbst reproduzieren könnten. Sie würden dann, so die Hoffnung einerseits und die Befürchtung andererseits, die Fähigkeiten des Menschen übersteigen, sie könnten ein Bewusstsein entwickeln und durch ihre Fähigkeiten die Spezies Mensch weit hinter sich lassen. Es ist die Rede vom Übergang des Zeitalters der Menschheit, vom Anthropozän, zum Zeitalter der Roboter, dem Robozän oder Technozän. Diese Diskussion versteht sich nicht als utopisch, denn diese Singularität soll nach Aussagen ihrer Vertreter noch zu Lebzeiten der meisten Leser dieses Buches stattfinden. Es wird allerdings Zeit, solche von Wunschdenken etwas getrübte Voraussagen als das zu kennzeichnen, was sie sind – Erlösungsphantasien, mit andern Worten: schlechte Theologie.

Die Frage nach der Verantwortung der Technikgestalter und des Technologiemanagements hat sich in den letzten Jahren noch dringender gestellt. Deshalb war die Kritik an der Wahl des Pinto-Falles, der in Kap. 13 beschrieben wird, naheliegend. Das damalige Ford-Management hatte die potentiellen Regressforderungen von Versicherungen für Unfallopfer gegen die erforderlichen technischen Änderungskosten zur Verhütung von Unfällen verrechnet. Es ist richtig – dies ist ein alter, aber sehr häufig diskutierter Fall, weil er beispielhaft zeigt, wie «gerechnet» wurde und heute noch wird. Genau diese Weise begegnet uns auch wieder im sogenannten «Diesel-Skandal». Zur moralischen Empörung über die Verschleierungsversuche der Firmen gesellt sich auch die Ablehnung solcher zynischer Kostenvergleiche. Deshalb wird dieser Skandal Ausgangspunkt für Fragen nach dem Verhältnis von Verantwortung und Interessen sein.

Auch die Diskussion um Industrie 4.0 und deren Folgen an den Arbeitsmärkten erweist sich ebenso interessegleitet. Man kann solche Systeme sehr wohl auch in Hinsicht auf Arbeitsplätze und Tätigkeiten optimieren, so dass sie die trotz hoher Flexibilitäts- und Qualifikationsanforderungen menschenfreundlich sind. Die Frage, ist ob die Ingenieure, Techniker, Informatiker und Ökonomen Gestalter dieser Systeme sein wollen oder Erfüllungsgehilfen von Interessen sind, die sich gerne als alternativlose Sachzwänge tarnen (Kap. 15).

Redaktioneller Hinweis

Im Sinne einer besseren Lesbarkeit der Texte wird in diesem Band verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Die Angaben beziehen sich daher auf Angehörige beider Geschlechter. So haben es schon die Römer praktiziert. 1

Danksagung

Der Autor dankt ganz herzlich Volker Herzberg vom Hanser-Verlag für die Betreuung und Ermunterung zu dieser dritten Auflage. Mein Dank gilt auch den zahlreichen konstruktiven Kritiken und Hinweisen, stellvertretend seien Volker Friedrich, Helmut Kayss, Jürgen Schlabbach und Anton Kempter genannt.

An dieser Stelle möchte ich auch dankbar meines Kollegen Günther Ropohl gedenken, dessen stetige Diskussionsbereitschaft und erfrischende Argumentationsweise mit immer wieder neue Anregungen gegeben hat. Günter Ropohl ist zu Beginn des Jahres 2017 verstorben.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Frau Irma herzlich bedanken, die mit viel Geduld als Gesprächspartnerin auch diesen Band konstruktiv kritisch begleitet hat.

Argenbühl-Eglofs im Allgäu im Januar 2017

Klaus Kornwachs

1 »Pueri appellatione etiam puella significatur«: Mit dem Begriff »Jungen« werden auch Mädchen bezeichnet. Vgl. Corpus Iuris Civilis, Digestae, Buch 50, Titel 16, lex 163, §1. Zit. nach http://www.thelatinlibrary.com/justinian/digest50.shtml.


Einleitung

Als ich Physik in den 60er und 70er Jahren studierte und wir Differenzialgleichungen brauchten, um etwas auszurechnen, wollten wir Studenten nicht über die Existenzbedingungen bestimmter Lösungsmannigfaltigkeiten nachdenken und über Beweise – wir wollten die Mathematik einfach nur anwenden. Also nahm ich kein Lehrbuch der Mathematik, sondern Titel wie »DGL für Ingenieure« oder »Matrizenrechnung für Ingenieure«. Da wurde nicht groß bewiesen, sondern gezeigt, dass es geht und wie man es rechnet.

Ob das in der Philosophie auch geht? Der Titel könnte so gesehen schon fast als Frechheit aufgefasst werden. Aber so ist er nicht gemeint. Philosophische Bücher für den akademischen Betrieb enthalten meist lange Erörterungen über einen Begriff oder ein Problem: Zuerst, was Platon schon dazu sagte, und dann das Mittelalter, und dann Leibniz, dann wie Hegel Kant verstanden hat, und dann schließt das Ganze mit ein paar vagen Andeutungen, dass auch heutige Probleme sich mit einem intensiveren Blick auf die Texte von Platon, Kant und Hegel besser verstehen und womöglich lösen ließen. Und dann? Dann ist das Buch zu Ende, der Leser hat zwar viel über Philosophiegeschichte gelernt, aber nicht, wie er sein Problem löst. Er weiß nur, er sollte noch mehr nachdenken und noch mehr lesen. Das Problem ist aber immer noch da ...

Wie weit darf man vereinfachen, wenn man seinen Freunden etwas erklären will? Das ist psychologisch wiederum einfach zu beantworten: Je freundschaftlicher und vertrauter man ist, umso mehr darf man Nebensächlichkeiten, Beweise, ausführliches Material etc. weglassen – der andere vertraut einem ja. Man darf sich auch von seinem eigenen Fachvokabular entfernen und plastische Beispiele verwenden. Fußnoten sind in der Geisteswissenschaft vertrauensbildende Maßnahmen, unter Freunden könnte man sie weglassen ...

Es geht uns allen so – je unsicherer wir in einem Gebiet sind- und das sind wir in fast allen Gebieten außer unserem eigenen Fachgebiet – desto eher müssen wir auf die Meinung anderer, insbesondere auf die von Experten, vertrauen. Doch wer ist Experte? Auch hier hilft es nur, sich auf gewisse Anzeichen zu verlassen, die uns zeigen, wer Experte sein könnte. Denn auch Experten irren ...

Dieses Vertrauen vorausgesetzt, möchte ich meinen Kollegen aus dem Ingenieurwesen und den Technikwissenschaften etwas mit Philosophie vertrauter machen. Ich will zeigen, dass sie alles andere als unnütz ist, und ich werde um etwas Geduld bitten, weil man für das Fragestellen und das Nachdenken Zeit braucht – die Zeit, die man nicht sofort in der Projektarbeit einsetzen kann, Zeit, die man nicht und Gedanken, die man nicht sofort verwenden kann. Trotzdem – und auch das will ich zeigen – gibt es eine nachhaltige Wirkung auf das eigene Leben, auf die Weise des Handelns und vielleicht auf den Stil, wie man Probleme löst. Ich will zeigen, dass Prof. Tom Morris Recht hat, wenn er sagt:

»Menschen ... ohne Philosophie mögen spektakulär viel Geld verdienen – aber nur vorübergehend. Sie werden dafür am Ende bestraft. Immer. «? 1

Aber was meint Tom Morris mit Philosophie? Das Wort hat ja auch eine ganz andere Bedeutung gewonnen – eben nicht nur die akademische Philosophie mit den Texten und Gedanken berühmter Philosophen. Jeden halbwegs systematischen, nach prinzipiellen Überlegungen gemahnenden Gedanken, nach dem sich jemand im Geschäft oder im Privaten richten könnte, nennt man heute gerne »Philosophie« – eben meine Philosophie, deine Philosophie, Unternehmens-Philosophie, etc. 2

Wozu brauche ich als Ingenieur Philosophie? Ist das nicht die Wissenschaft, die mit eigens dazu erfundenen Worten bewussten Unfug treibt? Die die Nadel im Heuhaufen im Dunkeln sucht, obwohl gar keine Nadel und gar kein Heuhaufen da sind?

Philosophie kommt aus dem Griechischen und heißt Liebe zur Weisheit. Aber was ist Weisheit und wer ist schon weise? Mit viel Wissen ist es nicht getan und mit nur viel Nachdenken und Grübeln auch nicht. Es geht eher darum, hartnäckig und zielsicher Fragen zu stellen. Die abendländische Philosophie – und nicht nur sie, sondern auch diejenige aller anderen Kulturen – stellt seit mehr als 2000 Jahren Fragen und sie versucht auch Antworten darauf zu geben – aber diese sind Antworten jeweils in ihrer Zeit. Und die Antworten der Antike sind andere als die des Mittelalters, und diese sind wiederum andere Antworten als diejenigen, die wir heute zu geben versuchen. Deshalb ist Philosophie als fragende Haltung schon so alt und in ihrem Bemühen, Antworten zu finden, immer jung. Philosophie ist daher nicht nur ein Vorläufer der modernen Wissenschaft und eine Methode, Erkenntnisse zu gewinnen, sondern auch eine Haltung, ja vielleicht sogar eine Lebensweise.

Ich habe als ausgebildeter Naturwissenschaftler (Physik) Philosophie studiert und bin dann, wie das Leben so spielt, unter die Ingenieure der Fraunhofer-Gesellschaft geraten, die zwar mit meinen Systemanalysen durchaus etwas, mit meinen wissenschaftstheoretischen Überlegungen zunächst gar nichts anfangen konnten, bis sie merkten, dass eine Diskussion über bestimmte Methoden des Vorgehens auch in den gestaltenden Wissenschaften durchaus von Vorteil sein kann. Die Frage: »Was mache ich da eigentlich ... ?« gab dann schon so manchem Kollegen den entsprechenden Drive, seine Doktorarbeit richtig zu strukturieren. Ich »überlebte« dreizehneinhalb Jahre in einem höchst anregenden interdisziplinären Kontext und machte die Erfahrung, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus Technik, Ingenieurswesen und Ökonomie philosophischen Überlegungen durchaus zugänglich waren und diese als hilfreich für sich selbst und ihre Arbeit betrachteten. Ja – wenn nicht immer dieses Vokabular und diese »unnötigen Abstraktionen« gewesen wären, mit denen die philosophische Zunft so gerne daher kommt. »Die haben ja keine Ahnung, aber für alles einen bombastischen Begriff« lästerte ein Kollege. Da hatte er leider nicht ganz Unrecht ...

So ist dieses Buch aus den Diskussionen, Vorlesungen, Seminaren und Workshops mit Ingenieuren, Technikern, Arbeitswissenschaftlern und Studierenden der technischen Fächer entstanden – mit hinein haben auch meine Erfahrungen gespielt, die ich als Geisteswissenschaftler an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus beim fächerübergreifenden Studienangebot für die technischen Fächer machen konnte. Nicht zuletzt verdanke ich der Aufgeschlossenheit von Günter Spur für solche Fragen viele Anregungen und Provokationen zum nochmaligen Nachdenken. Der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften in München und Berlin (acatech) hat durch höchst anregende Grundsatzdiskussionen um das Ingenieurwesen und die Technikwissenschaften, um Technikakzeptanz und um die tieferen Strukturen technischen Wissens neue Begegnungsmöglichkeiten für Technik und Philosophie geschaffen.

Um die Berührungsängste meiner Leserschaft zu mildern, werde ich versuchen, die Kapitel eher mit – hoffentlich anschaulichen – Beispielen und einigen fiktiven Dialogen anstatt mit abstrakten Definitionen auszustatten. Dies soll zeigen, welche Überlegungen zu einer Lösung beitragen oder gar führen könnten. Dabei werden dann die einen oder anderen philosophischen Begriffe, wo sie gebraucht werden, meist als Verallgemeinerung zur Beschreibung eines Problems eingeführt. Zwischendurch werden auch ein paar Fragen gestellt, über die man sich als Übung den Kopf zerbrechen kann. An der einen oder anderen Stelle sollen dann auch einige Methoden des philosophischen Nachdenkens ihre Anwendung finden: Phänomenologie, Begriffsanalyse, Deutung, logische Analyse und Wissenschaftstheorie sowie ethische Reflexion.

Die akademischen Kollegen aus der Philosophie werden es mir nachsehen, wenn ich gleich grob vereinfachend zu erklären versuche, was das heißt:

Phänomenologie: Der Versuch, möglichst ohne große begriffliche Voraussetzungen sich auf ein Problem oder eine Sache einzulassen, zu beobachten, ohne gleich zu einer Theorie oder vorschnell zu einer Gestaltung kommen zu wollen. Phänomenologie ist eine pragmatische Angelegenheit, wenn man noch keine Theorie hat. Man verfährt nach dem Motto: Mal sehen, was ist.

Kleine Übung: Versuchen Sie ohne Zuhilfenahme von Begriffen aus Ihrem Fachgebiet zu beschreiben, was sich in Ihrem Arbeitszimmer oder Büro befindet.

Begriffsanalyse: In der Mathematik ist das Geschäft schon erledigt: Saubere Definitionen (z.B. was ist ein Kreis?) erleichtern bekanntlich die Arbeit. Bei Begriffen wie Freiheit, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit haben unterschiedliche Disziplinen voneinander abweichende Definitionen und damit Begriffsbedeutungen festgelegt. Man kann dabei ganz schön reinfallen. Wenn ein Wissenschaftstheoretiker oder ein Statistiker von Induktion spricht, meint er den Schluss von vielen Einzelfällen auf eine Regelmäßigkeit oder gar ein Gesetz: Wenn tausend Schwäne als weiß beobachtet wurden, sind eben alle Schwäne mit hoher Wahrscheinlichkeit weiß. David Hume (1711-1776) hat schon gezeigt, dass dies ein mit Unsicherheit behafteter Schluss ist. In der Schulmathematik kennt man die Induktion – der Schluss von n auf n+1. Dieser Schluss wiederum ist exakt, man kann sich auf ihn verlassen. In der Physik hingegen ist die Induktion die Erzeugung eines Stroms durch ein veränderliches Magnetfeld in einem Leiter. Solche Homonymien (also unterschiedliche Bedeutungen für dasselbe Wort in unterschiedlichen Kontexten) kommen in den Sozial- und Geisteswissenschaften ebenfalls vor, sind aber problematischer, wenn man die Definitionen nicht genau kennt, da sie veränderlich sind, je nach Denkrichtung und entsprechenden Schulen, die sich gebildet haben. Die Begriffsanalyse versucht nun die Bedeutung des Begriffs, wie er gerade verwendet wird, herauszubekommen. Dazu muss man gelegentlich in der Literatur oder in Lexika nachschlagen, oder – noch besser – mit Kollegen aus anderen Fachgebieten reden.

Kleine Übung: Nehmen Sie den Begriff »Freiheit« oder »Gerechtigkeit«, Wie viele Bedeutungen oder Begriffsdefinitionen fallen Ihnen zu diesem Wort ein?

Deutung: Dies ist nicht nur die – manchmal als überflüssige angesehene – Diskussion um die Frage, was ein Satz bedeuten könnte, sondern auch was eine Tatsache, ein Umstand, ein Ereignis bedeuten könnte, und welche Rolle dies im Verstehen einer Situation oder überhaupt eines Zusammenhangs spielen könnte. Rauch ist zwar ein Anzeichen für Feuer, Rauchzeichen enthalten aber eine Botschaft, und um diese zu entschlüsseln, müsste man den Code dafür kennen. Und selbst wenn man die Zeichen entschlüsselt hätte, müsste man deren Bedeutung kennen, um herauszubekommen, ob die Botschaft uns gilt und was wir damit anfangen können. Gelungene Deutungen setzen daher meist viel Wissen voraus und sind in einem umgrenzten Fachgebiet immer einfacher als in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft.

Kleine Übung: Ist die Geschichte der Menschheit eine Abfolge von Klassenkämpfen, oder die Folge von immer besser entwickelten Werkzeugen, oder ein ewiger Kampf um Ressourcen, Platz und Reichtümer? Oder deuten Sie die Geschichte ganz anders?

Logische Analyse: Hier wird sich der Ingenieur schon wohler fühlen, aber auch sie birgt Überraschungen: Nehmen wir die fast selbstverständliche Regel: »Wenn man weiß, dass B durch A erzeugt wird, und man B will, dann muss man A tun«. Diese Regel verbindet einen kausalen Zusammenhang mit einer Handlungsanleitung. Sie ist aber kein Satz, den man in der formalen Logik ableiten könnte. Trotzdem ist eine formallogische Analyse immer dann nützlich, wenn man Theorien auf ihre Konsistenz prüfen möchte. Allerdings ist der Aufweis von Widersprüchen für die Urheber oder Verfechter einer Theorie immer eine schmerzliche Angelegenheit ...

Kleine Übung: »Alle Metalle leiten Strom. Das hier leitet Strom. Also ist es aus Metall.« Stimmt der Schluss?

Wissenschaftstheorie: Sie ist eine Teildisziplin in der Philosophie, die sich dem Nachdenken über Wissenschaft widmet und Fragen behandelt wie: Was ist ein wissenschaftlicher Beweis? Wie hängen Theorie und Empirie mit der Praxis zusammen? Was unterscheidet Naturwissenschaften und Technikwissenschaften voneinander? Wie sieht die innere Struktur des wissenschaftlichen und des technischen Wissens aus? Wissenschaftstheorie benutzt all die schon genannten Methoden, aber insbesondere die logische Analyse und die Begriffsanalyse. Eine der wichtigsten Ergebnisse der Wissenschaftstheorie ist, dass all unser wissenschaftliches Wissen vorläufig ist, und dass unsere Beobachtungen immer abhängig von einer Vortheorie sind, die wir schon haben.

Kleine Übung: F = m · a (Kraft = Masse mal Beschleunigung). Woher wissen wir das? Ist das eine Definition für Kraft, ist es ein Naturgesetz oder eine Messvorschrift für Beschleunigung?

Die ethische Reflexion hat seit den 80er Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit einen großen Aufschwung erfahren, erkennbar an der steigenden Anzahl von Veröffentlichungen, Ethikkommissionen in vielen Gebieten und der Unzahl von ethischen Leitlinien für fast alle Berufsgruppen. Der Hintergrund war die wachsende Einschätzung, dass unsere klassische Ethik – man denke an die ersten, mehr an den Tugenden orientierten ethischen Überlegungen in der Antike (z.B. bei Aristoteles 384-322 v. Chr.) bis hin zum kategorischen Imperativ von Immanuel Kant (1724-1804) – nicht ausreichen könnte, die ethischen Probleme befriedigend zu beantworten. Insbesondere die Fragen nach der Verantwortung in einer hochtechnisierten, arbeitsteiligen, komplexen und globalisierten Welt blieben unbeantwortet.

Kleine Übung: In der Lausitz soll ein Gebiet abgebaggert werden, um neue Braunkohlenvorräte zu erschließen. Die Bewohner wehren sich, sie wollen ihr Heimatdorf nicht verlieren. Gegner der Braunkohle verweisen auf die Umwelt- und Gesundheitsschäden, Befürworter verweisen auf die Notwendigkeit einer gesicherten Stromversorgung in den ersten Phasen der Energiewende und auf den Erhalt der Arbeitsplätze in der Region. Wer hat die besseren moralischen Argumente auf seiner Seite? Was ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region, was ist gut für die zukünftige Entwicklung der Umwelt? Kann / darf man »Heimat« mit »Erhalt von Arbeitsplätz«en« verrechnen?

Das also wird das Spektrum sein, in dem wir uns bewegen wollen – man könnte zu jeder dieser Vorgehensweisen hundert kluge Literaturangaben machen. Genau deshalb werde ich dies nicht tun – es geht nicht um den Nachweis, dass ich alles richtig abgeschrieben habe, sondern der Text soll Sie, lieber Leser, dazu anregen, selber philosophisch, also fragend und nachdenkend tätig zu werden. Deshalb wird es hinten im Buch auch keine Lösungen zu den Kleinen Übungen geben.

1 Vgl. Tom Morris, frei zit. nach: Rutenberg (2000).

2 Zur Kritik daran vgl. Braisch (2016).

1.  Wozu eigentlich Philosophie?