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Monika Kettenhofen

Sie lebten
das Evangelium

Predigten über moderne Heilige und Glaubensvorbilder mit weiteren Elementen für den Gottesdienst

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Für die Bezieherinnen und Bezieher der Zeitschrift »Gottes Volk« ist dieser Band Bestandteil des Abonnements.

ISSN 0946-8943

www.bibelwerk.de

© 2017 Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Für die Texte der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe

© 2016 Katholisches Bibelanstalt GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagmotiv: © photocase.com

Satz: Rund ums Buch – Rudi Kern, Kirchheim/Teck

Druck und Bindung: finidr s.r.o., Cěský Těšín

Printed in the Czech Republic

ISBN 978-3-460-26769-5

Auch als E-Book erhältlich unter ISBN 978-3-460-51030-2

Inhalt

Vorwort

11. Sonntag im Jahreskreis B

Frère Roger und das Senfkorn Taizé

4. Sonntag der Osterzeit A

Johannes Paul II. – Vorbild im Leiden

13. Sonntag im Jahreskreis C

Dag Hammarskjöld – Nachfolge als Ruf in die Freiheit

2. Sonntag der Osterzeit A

Dietrich Bonhoeffer – „Erwarten wir getrost, was kommen mag“

34. Sonntag im Jahreskreis A – Christkönigssonntag

Mutter Teresa – Den Durst Christi stillen

16. Sonntag im Jahreskreis C

Mutter Teresa, die Heilige der Dunkelheit

31. Sonntag im Jahreskreis B

Madeleine Delbrêl – Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe

4. Sonntag der Osterzeit B

Oscar Romero – Der gute Hirte

6. Sonntag der Osterzeit C

Silja Walter – „Eine große Stadt ersteht“

5. Sonntag der Fastenzeit B

Die Mönche von Tibhirine – „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt …“

7. Sonntag im Jahreskreis A

Christian de Chergé – „Auch Du, Freund meines letzten Augenblicks, der Du nicht weißt, was Du tust …“

3. Sonntag der Osterzeit C

Sophie Scholl – „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Allerheiligen

Wir alle – auf dem Weg zur Heiligkeit

Vorwort

„Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und tun“, sagt Jesus (Lk 8,21). Beispiele dafür sind die modernen Glaubenszeugen und Heiligen, die für diesen Sonderband ausgewählt wurden. Es sind Persönlichkeiten, die in unsere Zeit hineinragen – sei es, weil sie kürzlich selig- oder heiliggesprochen wurden, sei es, weil sie durch die Medien präsent sind, oder weil sie uns gerade heute etwas zu sagen haben.

Es waren Christen, die das Evangelium in ihrer je besonderen Lebenssituation verwirklicht haben. Keiner ihrer Lebenswege war gerade und einfach. Oft fanden sie in einer Krise zu ihrer Berufung oder ihre Lebensumstände brachten sie dazu, sich auf das Evangelium einzulassen. Denn immer ist es ein Wagnis, der Botschaft Jesu zu vertrauen, immer muss der Mensch darauf mit seiner ganzen Existenz antworten.

Die Predigten über die modernen Glaubenszeugen sollen zeigen, dass es auch heute möglich, aber auch anspruchsvoll ist, den Glauben zu wagen und im ganz konkreten, persönlichen Leben zu verwirklichen – das Wort Gottes nicht nur zu hören, sondern es auch zu tun.

Ich danke den Mitherausgebern von „Gottes Volk“, Pfr. Dr. Felix Thome, für seine Bemühungen und Herrn Dr. Michael Hartmann für die zuverlässige Betreuung. Dankbar bin ich meiner Familie, besonders meinem Mann Klaus Kettenhofen, für das geduldige Gegenlesen der Texte.

Monika Kettenhofen

11. Sonntag im Jahreskreis B

Frère Roger und das Senfkorn Taizé

Einführung

Eigentlich braucht man ihn nicht vorstellen: Frère Roger Schutz, den Gründer von Taizé. Zusammen mit Mutter Teresa ist er der wohl bekannteste Glaubenszeuge unserer Zeit. Auch nach seinem gewaltsamen Tod 2005 übt der kleine Ort Taizé in Burgund eine ungebrochene Anziehungskraft auf mehrere tausend Jugendliche jährlich aus. Sein Lebenswerk ist wie ein Leuchtturm in der Kirchenlandschaft. Er wollte sich mit der Spaltung der Christen nicht abfinden, die „Communauté de Taizé“ soll ein „Gleichnis der Gemeinschaft“ sein und ist daher selbstverständlich ökumenisch ausgerichtet. Zahlreiche Schriften und die jährlichen Briefe an die Jugendlichen, vor allem aber die Regel von Taizé, die er immer wieder überarbeitet hat, sind Auslegungen des Evangeliums. Doch die eigentliche Auslegung des Evangeliums ist zweifellos die Person Frère Rogers selbst, seine große Ausstrahlung, seine staunenswerte Güte und vorbehaltlose Zuwendung zu jedem und jeder. Von ihm stammt das Wort: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Lebe es.“ Frère Roger Schutz ist heute einer der wichtigsten Glaubenszeugen – einer, der das Evangelium gelebt hat.

Leben

imageRoger Louis Schutz-Marsauche wurde am 12. Mai 1915 in Provence, in der französischen Schweiz, geboren.

imageEr wuchs in einem reformierten Pfarrhaus als jüngstes Kind mit einem Bruder und sieben Schwestern auf. Prägend waren die Frömmigkeit und das Vorbild seiner Großmutter.

imageIn seiner Gymnasialzeit bezeichnete er sich als Nichtglaubender.

imageEr erkrankte an einer lebensgefährlichen Lungentuberkulose. Als eine Schwester ebenfalls auf den Tod erkrankte, führte ihn diese Krise zum Glauben zurück.

imageAb 1937 studierte er Theologie an der freikirchlichen Fakultät Lausanne und Straßburg.

image1940 fand er in Taizé ein Haus für seinen Plan einer Gemeinschaft, die das christliche Ideal der Versöhnung lebt.

imageDa Taizé nahe der Demarkationslinie zwischen besetztem Norden und dem Süden Frankreichs lag, konnte er Juden und verfolgten Oppositionellen Schutz bieten und zur Flucht verhelfen, bis die Gestapo 1942 das Haus besetzte. Frère Roger befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade mit einem Flüchtling in der Schweiz.

image1943 beendete er sein Studium mit einer Abschlussarbeit über „Das Mönchsideal vor Benedikt und seine Übereinstimmung mit dem Evangelium“ und wurde durch die evangelisch-reformierte Kirche zum Pfarrer ordiniert.

image1944 kehrte er mit drei Freunden nach Taizé zurück. Aus der Arbeit mit Kriegswaisen ging die Gründung der Communauté de Taizé unter dem Priorat von Frère Roger hervor.

image1949 legten die ersten sieben Brüder ihre Gelübde ab. Damit war ein protestantischer Männerorden gegründet, der schon bald zur ersten ökumenischen Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte wurde.

imageAb 1951 brachen die ersten Brüder von Taizé auf, um sich an den sozialen Brennpunkten weltweit einzubringen und mit den Armen zu leben.

imageSchon Ende der Fünfzigerjahre öffnete sich die Gemeinschaft für Menschen aller Konfessionen und Nationalitäten. Taizé wurde als Stätte des Gebets, des Friedens und der Versöhnung Anziehungspunkt für mehrere hunderttausend Menschen jährlich.

imageVon 1962 bis 1965 nahm Frère Roger auf Einladung von Papst Johannes XXIII. als Beobachter am 2. Vatikanischen Konzil teil.

imageVom 28. August bis 2. September 1974 fand ein „Konzil der Jugend“ statt, das Taizé weltweit bekannt machte. Es folgte ab 1979 der „Pilgerweg des Vertrauens“ mit europäischen, inzwischen internationalen, ökumenischen Jugendtreffen jeweils am Jahreswechsel. Frère Roger verfasste jährlich einen „Brief aus Taizé“ an die Jugendlichen.

imageEr erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem 1988 den UNESCO-Preis für Friedenserziehung und 1989 den Karlspreis der Stadt Aachen.

imageAm 16. August 2005 wurde Frère Roger von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer tödlich verletzt. Schon acht Jahre vor seinem Tod hatte er Frère Alois Löser zu seinem Nachfolger bestimmt.

Zum Weiterlesen

imageYves Chiron, Frère Roger – Gründer von Taizé. Eine Biographie, Pustet, Regensburg 2009.

imageFrère Roger, Taizé 1915-2005, Die Liebe wählen, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2013.

imageFrére Roger, Aus der Stille des Herzens. Gebete, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2014.

imageFrére Roger, Die Grundlagen der Communauté von Taizé, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2016.

imageKlaus Hamburger, Danke, Frère Roger. Persönliche Erinnerungen an den Gründer von Taizé, adeo Verlag, Asslar 2015.

Hinführung zum Evangelium

Wie kann man erklären, was „Reich Gottes“ bedeutet? Jesus hält keinen theologischen Vortrag. Er definiert „Reich Gottes“ nicht und engt es so nicht ein. Jesus spricht lieber in Bildern und in Gleichnissen. Denn das Reich Gottes ist etwas Dynamisches, ist Wachsen von ganz klein zu ganz groß: Ein kleines Senfkorn Vertrauen reicht schon für das Reich Gottes!

Evangelium (Mk 4,26-34)

Er sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät;

dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.

Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.

Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten. Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.

Predigt
Frère Roger und das Senfkorn Taizé

Unscheinbarer Anfang – große Ausstrahlung

Im Jahr 1940 erwarb ein Theologiestudent ein Haus in einem kleinen, heruntergekommenen Dorf in Burgund, ein Haus, das ihm geeignet erschien für ein Leben in einer geistlich-religiösen Gemeinschaft. Zunächst war er alleine. Doch täglich klopften Menschen, die vor den Nationalsozialisten auf der Flucht waren, an seine Tür – Juden, Oppositionelle. Er kochte ihnen Brennnesselsuppe, verfeinert mit Schnecken, beherbergte sie und half ihnen über die Grenze in die Schweiz zu fliehen. So klein wie ein Samenkorn, so unscheinbar wie das Senfkorn begann es. Heute leben dort mehr als hundert Brüder aus 25 Nationen in dieser Gemeinschaft, der Communauté, darunter Katholiken, Anglikaner, Mitglieder verschiedener evangelischer Kirchen. Heute besuchen jedes Jahr Tausende von Jugendlichen aus aller Welt diesen Ort auf der Suche nach Gemeinschaft, nach Spiritualität, nach Frieden. Von dort aus begann der „Pilgerweg der Versöhnung“, der alljährlich in wechselnde europäische Metropolen führt und immer mehrere zehntausend Menschen anzieht. Aus dem winzigen Senfkorn ist ein Baum geworden, Anziehungspunkt und spirituelle Heimat für unzählige Menschen: Taizé.

Der Weg des Roger Schutz

Der Theologiestudent war Roger Schutz: am 12. Mai 1915 in der Schweiz geboren, mit acht Geschwistern als jüngstes Kind in einer Pfarrersfamilie aufgewachsen, nach seinem Studium zum reformierten Pfarrer ordiniert. Prägend waren für ihn der Glaube und das Beispiel seiner Großmutter. Bis zur Erschöpfung half sie Flüchtlingen im Ersten Weltkrieg und trat als Christin unerschrocken für Versöhnung ein. Dieses Samenkorn legte sie in ihren Enkel. Als der jugendliche Roger lebensbedrohlich an Lungentuberkulose erkrankte, traf er die Entscheidungen, die sein ganzes Leben bestimmen sollten. „Warum dieses gegenseitige Sichbekämpfen unter den Menschen und selbst unter den Christen? … Ich fragte mich: Gibt es einen Weg, der so weit führt, alles vom andern zu verstehen? Ich sagte mir: Wenn es diesen Weg gibt, beginne bei dir selbst und engagiere dich selbst; du selbst, um alles von jedem Menschen zu verstehen.“1 Schon damals träumte er von einer Gemeinschaft, die Versöhnung lebt, in der auf gegenseitige Kämpfe, wie es sie in der Welt und auch in der Kirche gibt, verzichtet wird. Das also wollte er in Taizé, ein „Gleichnis der Gemeinschaft“, ein kleines, sichtbares Zeichen der Versöhnung, das sollte hier entstehen.

Doch 1942 wurde die Situation für ihn lebensbedrohlich. Nicht zu Unrecht befürchtete er, verraten zu werden. „An jenem Abend, als die Angst mein Herz zusammenschnürte“, so schrieb er später in sein Tagebuch „war in mir ein vertrauensvolles Gebet, das ich zu Gott sprach: Selbst wenn man mir das Leben nimmt, weiß ich, dass du, lebendiger Gott, weiterführen wirst, was hier begonnen hat, die Grundlegung einer Communauté.“2 Welch ein Vertrauen! Er war gerade mit einem Flüchtling auf dem Weg in die Schweiz, als das Haus in Taizé von der Gestapo besetzt wurde.

Frère Roger

Erst 1944 konnte Roger zunächst mit drei Freunden nach Taizé zurückkehren. Nun konnte er seinen Traum von einem gemeinschaftlichen, versöhnten Leben realisieren. 1949 legte Frère Roger mit sechs weiteren Brüdern das Ordensgelübde ab – die Geburtsstunde der Communauté de Taizé.

Und nun begann das Samenkorn schnell zu wachsen; ja, wie von selbst, so wuchs Taizé: Schon bald kamen weitere Brüder aus verschiedenen Nationen und Konfessionen dazu. Es entstand der erste protestantische Männerorden, ohne dass die einzelnen mit ihrer Konfession brechen mussten. Die erste ökumenische Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte wuchs und gedieh. Von Anfang an bildeten Brüder auch Gemeinschaften außerhalb von Taizé, um solidarisch mit den Armen zu leben. Außerdem wurde Taizé bald ein Ort der Gastfreundlichkeit für die immer zahlreicher werdenden Menschen, die Gemeinschaft und Spiritualität suchten und bis heute finden.

Auch nach seinem Tod am 16. August 2005, als eine psychisch kranke Frau ihn während des gemeinsamen Gebets in der Versöhnungskirche mit einem Messer tödlich verletzte, ist die Anziehungskraft von Taizé ungebrochen.

Ikone des Vertrauens

Wie hat Frère Roger das gemacht? Was war sein Geheimnis? Wodurch konnte er Menschen imponieren? War er etwa ein glänzender Prediger? War er ein geistlicher Meister? Oder ein großer Organisator? Fehlanzeige – nichts von all dem, was Menschen sonst so bedeutsam macht, hatte er. Ganz im Gegenteil! Er hielt immer daran fest, klein zu bleiben und so dem gütigen und demütigen Jesus nachzufolgen. Deshalb blieb er auch als Prior der Gemeinschaft von Taizé „Frère“ – Bruder. Zu groß wäre sonst die Gefahr gewesen, Macht auszuüben. Das Geheimnis des Frère Roger Schütz ist Vertrauen – schlicht und einfach Vertrauen! Dieses Vertrauen wirkte ansteckend: Sein grenzenloses Vertrauen in Gott geht wie von selbst über in Vertrauen zu den Fähigkeiten seiner Brüder. In der Endfassung der Ordensregel, den „Quellen von Taizé“ schrieb er: „Wäre das Vertrauen des Herzens der Anfang von allem, wer könnte da noch fragen: „Wozu bin ich auf der Welt?“ Damit überall auf der Erde, in Ost und West, in Nord und Süd, Vertrauen entsteht, braucht es dein Leben und das Leben unzähliger Menschen … Auch heute gibt es Menschen, die fähig sind, Erstarrtes aufzubrechen. Sie legen das Misstrauen ab und lassen eine Epoche des Vertrauens und der Versöhnung anbrechen.“3 Die Brüder versuchen also ein Leben zu führen, das geprägt ist von Vertrauen und Güte. Aus diesem Grund nehmen sie keine Spenden an und schlagen Erbschaften aus. „Jede Art von Rücklage bildet nach und nach ein bleiernes Gehäuse“, pflegte Frère Roger zu sagen. Vertrauen – alle, die Frère Roger begegnet sind, wurden von diesem Vertrauen erfasst, spürten Güte und echte Zuwendung. Jugendlichen hörte er oft stundenlang zu, ohne sie zu belehren oder zu bevormunden. Dieses große Vertrauen wirkte entwaffnend, versöhnend und vor allem ansteckend!

So wurde Frère Roger zu einer lebendigen Ikone der Güte und des Vertrauens.

Samenkorn Taizé

Taizé ist ein Senfkorn, das aufgegangen und längst zum Baum geworden ist, in dessen Schatten viel Leben ist. Längst haben sich viele anstecken lassen, längst sind viele bereit die Botschaft Jesu zu leben. Wenn das Samenkorn der Botschaft Jesu in Taizé aufgegangen ist – warum sollte es nicht auch bei uns aufgehen? Es stecken immer noch ungeahnte Möglichkeiten in dieser Botschaft, die Kraft des Senfkorns ist noch lange nicht erschöpft. Stellen wir uns doch einmal vor, was alles passieren könnte, wenn wir Vertrauen und Versöhnung in uns wie das Samenkorn wachsen lassen. Oder was passieren kann, wenn dies in unserer Gemeinde geschieht, oder am besten in der ganzen Kirche, der ganzen Christenheit. Ganz von selbst würde das Reich Gottes wachsen, die Welt, wie Gott sie will. Nein, das „würde“ nicht geschehen, es geschieht bereits! Der Same ist längst schon in uns und in der ganzen Kirche gesät!

Liturgische Anregungen

Liedvorschläge

Gesänge aus Taizé, die im Gottesdienst gesungen werden können:

GL 154: „Kyrie“ oder GL 156: „Kyrie“

GL 168: „Gloria“

GL 174,1: „Halleluja“

GL 365: „Meine Hoffnung und meine Freude”

GL 386: „Laudate omnes gentes“

GL 394: „Laudate Dominum“

GL 445: „Ubi caritas“

Weiterer Liedvorschlag:

NGL (Erdentöne-Himmelsklang,142): „Kleines Senfkorn Hoffnung“

Gebet

Wachse, Jesus, wachse in mir, in meinem Geist,

in meinem Herzen, in meiner Vorstellung, in meinen Sinnen.

Wachse in mir in deiner Milde, in deiner Reinheit,

in deiner Demut, in deinem Eifer, deiner Liebe.

Wachse in mir mit deiner Gnade, deinem Licht und deinem Frieden.

Wachse in mir zur Verherrlichung deines Vaters zur größeren Ehre Gottes.

(aus: GL 6,5 von Pierre Olivaint (1816-1871). Der Jesuit, Seelsorger und erfolgreicher Exerzitienleiter wurde während einer Kirchenverfolgung durch atheistische Kommunarden zusammen mit zwei Mitbrüdern am 26. Mai 1871 in Paris erschossen.)

Fürbitten

Herr Jesus Christus, wenn wir auf deinen Diener Frère Roger schauen, sehen wir, dass dein Evangelium wie das Senfkorn wachsen und zum Baum, zum Lebensraum für viele werden kann. Wir bitten:

Deine Kirche ist gespalten und tut sich schwer, auf dem Weg zur Einheit voranzukommen – Frère Roger dagegen hat als protestantischer Christ eine Gemeinschaft von Brüdern ins Leben gerufen, deren Wurzeln in der ungeteilten Kirche liegen. Wir bitten um die versöhnende Kraft des Senfkorns. Antwortruf: GL 156: „Kyrie, Kyrie eleison

Die Kirche ist mit sich selbst, mit Struktur- und Machtfragen, beschäftigt – Frère Roger dagegen sah die Aufgabe der Kirche darin, ausnahmslos allen Menschen eine Gemeinschaft in Gott zu eröffnen. Wir bitten um die erneuernde Kraft des Senfkorns.

In unserer Welt herrscht Gewalt, Familien sind zerstritten, wir leben mit uns selbst in Unfrieden – Frère Roger dagegen hat eine Gemeinschaft von Brüdern gegründet, deren vorrangiges Anliegen die Versöhnung ist. Wir bitten um die friedenstiftende Kraft des Senfkorns.

Jugendliche sind auf der Suche nach Sinn und Orientierung in ihrem Leben – Frère Roger hatte ein großes Herz besonders für Kinder und Jugendliche, er nahm sie ernst und hörte ihnen zu. Wir bitten um die ermutigende Kraft des Senfkorns.

Der Glaube an Gott fällt vielen Menschen schwer, sie trauen Gott nicht oder erfahren ihren Glauben als Last – Frère Roger dagegen lebte ganz aus dem Vertrauen auf die Liebe Gottes. Wir bitten um die heilende Kraft des Senfkorns.

Gott, unser Vater, selbst wenn unser Vertrauen so klein ist wie ein Senfkorn, deine Möglichkeiten mit uns sind weit größer, als wir erahnen können. Darum loben wir dich jetzt und in Ewigkeit.

Text zur Meditation

In der Regel von Taizé unterweist Frère Roger die Brüder in die Feier der Liturgie und das gemeinsame Gebet. Diese Ausführungen können wir auf unser gemeinsames Gebet im Gottesdienst übertragen:

„Bemühen wir uns darum, den Sinn der liturgischen Handlungen zu verstehen und hinter den sichtbaren Zeichen die unsichtbare Wirklichkeit des Reiches Gottes zu erkennen. (…)

Der Lobpreis Christi, den wir in der Liturgie feiern, durchdringt uns immer mehr, wenn er auch in unseren einfachen Alltagstätigkeiten zum Ausdruck kommt. In der Regelmäßigkeit des gemeinsamen Gebets geht in uns der Same Jesu auf, ohne dass wir wissen wie. (…)

Es gibt Tage, an denen dir das gemeinsame Gebet zur Last wird. Dann geht es darum, deinen Leib vor Gott zu bringen; denn allein deine körperliche Anwesenheit zeigt, wie sehr du deinen Herrn loben möchtest, auch wenn es dir im Augenblick nicht gelingen mag. Glaube an die Gegenwart Christi in dir, auch wenn du sie nicht spürst.“

(Gekürzt aus: Frère Roger, Die Grundlagen der Communauté von Taizé, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2016, S.80f.)

Kreativität

Firmlinge oder Jugendgruppen der Gemeinde, die Taizé besucht haben, sollen während des Gottesdienstes die Gelegenheit bekommen, zu erzählen, was sie in Taizé erlebt haben und was sie beeindruckt hat. Einige aussagekräftige Bilder können dies unterstützen.

1Jakob Paula, Hundert Jahre Frère Roger, in: CIG 19/2015, S.209f.

2Christian Feldmann, Frère Roger. Taizé. Gelebtes Vertrauen. Freiburg im Breisgau 2005, S.25.

3Frère Roger, Die Grundlagen der Communauté, Freiburg im Breisgau 2016, S.29.

4. Sonntag der Osterzeit A

Johannes Paul II. – Vorbild im Leiden

Einführung