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Laura Wiesböck

In besserer Gesellschaft

Der selbstgerechte Blick
auf die Anderen

Mit Illustrationen von Pia Wiesböck

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www.kremayr-scheriau.at

eISBN 978-3-218-01145-7

Copyright © 2018 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG; Wien

Alle Rechte vorbehalten

Schutzumschlaggestaltung: Christine Fischer

Typografische Gestaltung und Satz: Danica Schlosser

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

Selbstgerechtigkeit und Abwertung

KAPITEL 1: ARBEIT

Do what you love

Die Trennung von Hand und Kopf

KAPITEL 2: GESCHLECHT

Die Abwertung von Gleichem

Männlichkeit und Stärke

KAPITEL 3: EINWANDERUNG

Wer ist es wert zu bleiben?

Das Fremde und die offene Gesellschaft

KAPITEL 4: ARMUT UND VERMÖGEN

Arbeitslosigkeit als individuelles Versagen

Das Diktat des Unternehmergeistes

KAPITEL 5: KRIMINALITÄT

Die Straftäter der unteren Klasse

Victim-Blaming: Abwertung durch Schuldzuweisung

KAPITEL 6: KONSUM

Geltungskonsum – Statuskampf mit Produkten

Das moralische Überlegenheitsgefühl

KAPITEL 7: AUFMERKSAMKEIT

Extrovertismus als Norm

Das beliebte digitale Selbst

KAPITEL 8: POLITIK

Politische Andersartigkeit als Feind

Die Abwertung der Wählerschaft

NACHWORT

Selbstgerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Quellennachweis

VORWORT

SELBSTGERECHTIGKEIT UND ABWERTUNG

Was haben eine junge Frau, die denkt, dass Wähler rechtspopulistischer Parteien dumm sind, und ein älterer Mann, der alle Migrant*innen für Sozialschmarotzer hält, gemeinsam? Wahrscheinlich mehr, als sie sich selbst eingestehen wollen. Denn obwohl sie sich voneinander abgrenzen, folgen sie demselben Prinzip: Sie werten eine ganze soziale Gruppe auf der Basis eines Vorurteils ab, stecken das Gegenüber in eine vorgefertigte Box und schmälern damit die Chance auf einen gemeinsamen Dialog.

Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Soziale Gemeinschaften bauen auf Grenzziehungen auf, also auf der Konstruktion eines Unterschieds zwischen „Wir“ und „die Anderen“. Nur selten werden die Anderen lediglich als andersartig eingestuft, viel häufiger jedoch auch als geringerwertig. Warum ist das so? Ein Erklärungsansatz ist, dass Menschen generell bestrebt sind, ein positives Selbstbild aufzubauen und zu bewahren. Laut dem Sozialpsychologen Henri Tajfel hat die soziale Identität der Menschen einen maßgeblichen Einfluss auf die Eigenwahrnehmung. Eine positive Bewertung der eigenen Gruppenzugehörigkeit ist dafür Grundvoraussetzung. Damit einher gehen Prozesse der Kategorisierung, des Vergleichs und der Distinktion, mit der Absicht, Struktur in die eigene Umgebung zu bringen. Personen werden aufgrund bestimmter Merkmale verschiedenen Gruppen zugeordnet: Migrant*innen, Feminist*innen, Rassist*innen. Mit dieser Einordnung geht einerseits eine Vereinheitlichung der Gruppenmitglieder und andererseits eine deutliche Unterscheidung zwischen den Gruppen einher. Habe ich etwa eine unüberbrückbare Differenz mit einer Person, dann wird das auf die Zugehörigkeit zu einer anderen Gruppe zurückgeführt. Die Grenzziehungen sind mit Bewertungen verknüpft und werden mit Merkmalen, die erwünschens- oder verachtenswert sind, versehen. Dann kann man sich selbst im Vergleich dazu als höherwertig oder geringerwertig einordnen, wobei sich ersteres zuträglicher auf das Selbstbild auswirkt.

Das „Wir“ ist allerdings keine Konstante, sondern für ein- und dieselbe Person je nach Situation variabel. Auf dem Fußballplatz ist das „Wir“ das Team, zu dem man hält und „die Anderen“ der gegnerische Club mitsamt dessen Fans. Im Lieblingslokal ist das „Wir“ der Freundeskreis, der jeden Mittwoch zum Bier trinken kommt und „die Anderen“ die Touristen, die ihnen an einem Abend ihren Lieblingstisch weggenommen haben. Das „Wir“ kann manchmal auch zum „Anderen“ werden. In der Schule ist das „Wir“ die Eltern, die sich für eine gesündere Mensa einsetzen; als Wohnungssuchende im Wettbewerb um eine Altbauwohnung im grünen alternativen Stadtbezirk wird aus dem „Wir“ allerdings schnell die „Anderen“. Hat man sich gerade noch mit gemeinsamer Kraft im Elternverein für ein ausgewogenes Ernährungsangebot engagiert, können schon im nächsten Augenblick Konkurrenzgefühle aufkommen, weil man ja eigentlich schon viel länger ein neues Domizil sucht, ein Kind mehr hat und deshalb den Platz dringender braucht als „die Anderen“.

Manchmal sind „die Anderen“ auf den ersten Blick paradox. Etwa wenn Menschen, die nach langer Arbeitslosigkeit wieder einen Job haben, gegen die „Leistungsunwilligen“ ohne Beschäftigung wettern oder ehemalige Geflüchtete aus dem Jugoslawienkrieg in Österreich gegen Geflüchtete aus Syrien sind. Man würde doch eigentlich vermuten, dass es Verständnis für deren Lage gäbe, da sie selbst erlebt wurde. Doch „die Anderen“ haben hier eine symbolische Funktion und sollen zeigen: Ich gehöre zu den Leistungswilligen oder zu den Integrierten und möchte nicht mit „den Anderen“ in Zusammenhang gebracht werden.

Die eigene Wertigkeit und Zufriedenheit ist also relativ und hängt immer von der Vergleichsgruppe ab. Zufriedener macht es, sich in besserer Gesellschaft zu wähnen und „die Anderen“ abzuwerten. Der Genuss der Selbsterhöhung bleibt allerdings nicht ohne Folgen. Mit der Abgrenzung der Mittelschicht und damit der Mehrheit der Bevölkerung nach unten hin ist ihre Rolle als Faktor für die Stabilität der demokratischen Gesellschaft und ihren Zusammenhalt in Frage gestellt.

Der Blick auf andere ist nicht nur von der eigenen sozialen Lage abhängig. Die bewusste oder unbewusste Herabsetzung von Menschengruppen ist in vielen Milieus allgegenwärtig, etwa in der Demonstration moralischer Überlegenheit, indem man einen nachhaltigen Lebensstil verfolgt, oder im Sich-besser-fühlen beim Praktizieren von höherwertig propagierten Lebensstilen, vom Champagnerfrühstück bis hin zur Prada-Tasche. In Gesellschaften, die von Leistung, Konsum und Vergleichen gelenkt werden, liegen Urteile über andere nahe. Auch Bildung schützt nicht vor unbewusster und bewusster Selbsterhöhung. Für viele Menschen mit höherem Bildungsstand ist es eine wahrliche Genugtuung, über die dummen Wähler*innen von rechtspopulistischen Parteien den Kopf zu schütteln. Man erhöht sich selbst, steigert das eigene Selbstwertgefühl und muss sich nicht weiter mit den dahinterstehenden Menschen auseinandersetzen. Es ist ein selbstgerechter Blick auf andere für den eigenen Seelenfrieden.

Besonders anfällig werden Menschen für diesen Blick, wenn sie davon überzeugt sind, dass ihnen oder den von ihnen vertretenen Werten eine bestimmte Vormachtstellung zukommen sollte. Und Hand aufs Herz: Denken wir nicht alle manchmal, dass unsere Meinung die richtige ist und die anderen Idioten es einfach nicht verstehen? Nur ist es mit solch endgültigen Zuschreibungen fast unmöglich, einen Dialog zu führen. Hat man das Gegenüber erst einmal gelabelt als „Idiot“, „Besserwisser“, „Sexist“, „Emanze“, „Hautevolee“, „Sozialschmarotzer“, „Rassist“ oder „Gutmensch“, dann wird es in einen Ordner abgelegt und die auf Verstehen ausgerichtete Dialogakte geschlossen. Das ist der Punkt, an dem es häufig zu einer Verwechslung kommt: Jemanden zu verstehen heißt nicht, gleichzeitig für seine oder ihre Meinung oder Handlungen Verständnis zu haben oder dessen Standpunkt zuzustimmen.

Die Herabstufung muss nicht unbedingt in Form von abwertenden Aussagen zu Tage treten, sondern kann still und leise durch Nichtwahrnehmung oder -beachtung der Anliegen von bestimmten Gruppen ausgedrückt werden. Auch wenn dabei keine bewusste Abwertung bzw. Missachtung erfolgt, so kann das dennoch eine ähnliche Wirkung auf die Betroffenen haben. Ein Beispiel: Es wird zwar nicht offen gesagt, dass körperlich beeinträchtigte Menschen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben sollen, aber durch die Missachtung ihrer Bedürfnisse wird ihnen die volle Präsenz verwehrt. Die Art und Weise, wie Städte oder Gebäude gestaltet sind, ist nichts Naturgegebenes, sie liegt in unserer Hand. Wir können entscheiden, wessen Bedürfnisse wir dabei berücksichtigen. Und offensichtlich waren die Ansprüche von Menschen mit körperlichen Handicaps bisher nicht von zentralem Wert in unserer Planung.

Auch medial zeigt sich die Systematik der Abwertung durch Nichtbeachtung sehr deutlich. Bestimmte Gruppen bekommen eine höhere Präsenz in Tageszeitungen oder eine stärkere Sichtbarkeit in Filmen als andere. Nehmen wir an, Sie wachsen in Österreich als schwarze Frau auf und sehen fast ausschließlich weiße Männer als Moderatoren im Fernsehen oder Hauptdarsteller in Filmen. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, Ihre eigene Ethnizität so gut wie nie medial repräsentiert zu sehen? Selbst wenn also keine gezielte „aktive“ Abwertung passiert, so zeigt sich deutlich: Die unzureichende Wahrnehmung und Berücksichtigung ist in der Wirkung genauso eine Form der Herabsetzung. Denn sie drückt symbolisch aus: Ihr habt hier keinen Platz.

Dieses Buch untersucht, wie sich die Zugehörigkeitskategorie „Wir“ in den gesellschaftlichen Bereichen Arbeit, Geschlecht, Einwanderung, Armut und Vermögen, Kriminalität, Konsum, Aufmerksamkeit und Politik konstituiert und wie sich darauf aufbauend der selbstgerechte Blick auf „die Anderen“ manifestiert. Dabei wird deutlich, dass die Abwertung der Eigenschaften und Fähigkeiten anderer ein Bedürfnis nach Abgrenzung, Zugehörigkeitsgefühl und nach Anerkennung widerspiegelt.

Wie gehen wir mit Menschen um, die eine andere Einstellung oder Lebensführung haben? Macht eine andere Gesinnung jemanden zum Menschen zweiter Klasse? Inwieweit können wir uns bewusstwerden, dass Meinungen keine absolute Wahrheit kennen und das Produkt der jeweiligen Lebenssituationen sind, ohne andere zu entmündigen? Das Buch soll die Möglichkeit bieten, einen kritischen Blick auf die Beurteilung des Selbsts und anderer zu legen - ohne erhobenen Zeigefinger.

KAPITEL 1: ARBEIT

„Burnout und Revolution
schließen sich aus.“

Byung-Chul Han

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KAPITEL 1: ARBEIT

Die Arbeitswelt unterliegt seit den 1980er-Jahren einem starken Wandel. Dieser beinhaltet zahlreiche Elemente wie den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, das Ende des männlichen Ernährermodells und die wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen, den Projektcharakter, den Arbeit immer mehr annimmt, die Auslagerung von Arbeit in Niedriglohngebiete, die Flexibilisierung der Arbeit durch das Aufbrechen starrer Arbeitszeitstrukturen, die Individualisierung und Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmer*innen, den Anstieg von Niedriglohnbeschäftigung und atypischen Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Befristung, Leiharbeit oder freie Dienstnehmer*innen, geschwächte Gewerkschaften sowie wachsende Lohnungleichheit.

Gleichzeitig hat sich in bestimmten Milieus das Image der Arbeit gewandelt: von sozialer Absicherung und der Bestreitung des Lebensunterhalts hin zur Selbstverwirklichung und Identitätsstiftung. Der rationale Zugang, arbeiten zu gehen einfach um Geld zu verdienen, ist in unserer gegenwärtigen Kultur nicht en vogue. Leidenschaft wird zur beruflichen Anforderung. Warum Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung sehr nahe beieinander liegen und die Liebe zur Arbeit oft mehr Schein als Sein ist, wird im ersten Kapitel behandelt.

Ein weiteres Thema ist die Trennung von körperlicher Arbeit und geistiger Beschäftigung. Während die „Hackler“ jeden Tag dieselben gedankenarmen Tätigkeiten wiederholen, sitzen die akademischen Nichtstuer unnütz auf ihrem Bürosessel herum, so der gegenseitige selbstgerechte Blick aufeinander. Woher diese Trennung kommt und warum auch Studierte gern mit den Händen arbeiten, ist Gegenstand des zweiten Kapitels.

DO WHAT YOU LOVE

In welchem Job kann ich mich am besten selbst verwirklichen? Wie kann ich meine Leidenschaft zum Beruf machen? Das sind historisch betrachtet sehr neue Fragen, die bisher bei der Berufswahl nur eine nachgeordnete Rolle gespielt haben. In unserer Zeit lautet das Mantra hingegen „Do what you love“ – du kannst alles erreichen, wenn du nur deiner Leidenschaft nachgehst, hart dafür arbeitest und fest an dich glaubst. Dieser bekannte Mythos des American Dream dient heute jungen Menschen als Motivation. Die Social-Media-Kanäle sind voll von Sprüchen von Unternehmer*innen, die ihren Erfolg darauf zurückführen, stets die eigene Passion beruflich verfolgt zu haben.

Auf den ersten Blick ist daran auch nichts auszusetzen, denn es lässt uns darüber nachdenken, was uns Freude bereitet und gleichzeitig daraus einen wirtschaftlichen Nutzen generieren. Aber warum sollten wir unsere Leidenschaft eigentlich gegen Geld eintauschen und zu einer Pflicht machen? Liegt das Vergnügen an unseren Hobbys nicht auch darin, dass sie spielerisch und gerade eben nicht zweckgerichtet betrieben werden, und wir uns mit ihnen freiwillig in unserer Freizeit zur Erholung beschäftigen? Natürlich, ein großer Teil der Lebenszeit wird im Berufsleben verbracht und wir würden uns wohler fühlen, wenn wir die dortigen Tätigkeiten schätzen könnten oder zumindest nicht verachten.

Allerdings ist „Do what you love“ ein verkleideter, versteckter Elitismus, denn wer kann es sich schon leisten, stets seiner Leidenschaft nachzugehen? Ein junger Mann, dessen Eltern sein Studium an der Privatuniversität sowie die Unterkunft bezahlen, wahrscheinlich schon. Eine alleinerziehende Mutter, die sich ohne Unterstützung um die Versorgung ihrer Familie kümmern muss, wahrscheinlich nicht. Die Hingabe zum Beruf wird in privilegierten Kreisen zur noblen Geste der Selbstoptimierung. Demnach ist Arbeit nicht primär etwas, das man gegen Geld tauscht, sondern ein Akt der Selbstverwirklichung. Das Selbst wird über den Beruf erst wirklich legitimiert. Ich arbeite nicht als Grafikdesignerin, ich bin Grafikdesignerin.

Besonders in den USA ist die eigene Identität sehr stark mit dem Beruf verknüpft. Man möchte sich nicht mit jemandem identifizieren, der für acht Stunden eincheckt, um die Miete bezahlen zu können. Was in der amerikanischen Kultur schon lange etabliert ist, hält auch in unseren Breiten immer stärker Einzug. Hier ist das Ideal der Selbstverwirklichung durch Erwerbsarbeit jedoch eine ziemlich neue Idee. Noch eine oder zwei Generationen vor uns halten den Zugang, dass ein Job „Spaß machen“ und eine Passion zum Ausdruck bringen soll, für einen eitlen, egoistischen und überprivilegierten Anspruch. Und es ist nicht ganz abzustreiten, dass er das bis heute ist. Denn wer hat die Freiheit und den Luxus, die eigene Leidenschaft zum Beruf zu machen? Ein Blick auf die motivierenden Sprücheklopfer offenbart die soziale Vorselektion der „Erfolgreichen“.

“Don’t aim for success if you want it; just do what you love and believe in it, and it will come naturally.“

Diese Aussage stammt aus dem Mund des bekannten britischen Journalisten und Fernsehmoderator David Frost. Er hat sein Studium an der renommierten University of Cambridge abgeschlossen. Auch Zitate von Steve Jobs sieht man des Öfteren als inspirierende Motivation auf Facebook oder Instagram. Häufig wird ein Auszug aus seiner Rede an die Graduierten der Stanford University im Juni 2005 geteilt:

“You’ve got to find what you love. And that is as true for your work as it is for your lovers. Your work is going to fill a large part of your life, and the only way to be truly satisfied is to do what you believe is great work. And the only way to do great work is to love what you do.“

In diesen vier Sätzen finden sich achtmal die Wörter „you“ und „your“. Die Autorin Miya Tokumitsu, die sich in ihrem Buch Do What You Love: And Other Lies About Success and Happiness mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, ist wenig überrascht, dass dieser starke Fokus auf das Selbst von Steve Jobs kommt, der von sich ein Image als leidenschaftlicher unprätentiöser Arbeiter kultiviert hat. Aber den Erfolg der Firma Apple so zu porträtieren, als wäre er ein Ergebnis von Jobs individueller Liebe und Leidenschaft, macht die Arbeit von tausenden Menschen in den Apple-Fabriken unsichtbar, die sich auf der anderen Seite des Globus befinden. Es ist die Arbeit dieser vielen Menschen, die es Steve Jobs möglich machte, seine Arbeit lieben zu können.

Auch Oprah Winfrey ist eine Koryphäe des „Do what you love“-Mantras:

“What I know is, that if you do work that you love, and the work fulfills you, the rest will come.“

Winfrey adressiert mit diesem Spruch uns alle („you“). Sie könnte auch einfach sagen, dass es bei ihr so war und funktioniert hat, aber sie legt die eigene Erfahrung als Gesetz für alle fest. Dieses Heilsversprechen kann in der Praxis sehr leicht gebrochen werden. Wenn dem so ist, dann liegt es diesem Spruch nach an einem selbst. Lässt die Karriere auf sich warten, dann war eben nicht genug Liebe dabe, und so bestätigt sich Winfreys Law immer selbst.

Erfolgsbeispiele à la Steve Jobs oder Oprah Winfrey, die Hürden wie die soziale Herkunft oder den finanziellen Hintergrund verschleiern, sind omnipräsent. Selten hören wir von der Vielzahl an Menschen, die versuchen, ihrer Leidenschaft professionell nachzugehen, die viel Herzblut investieren und trotzdem scheitern. Uns werden also nicht nur Menschen präsentiert, die beruflich verfolgen, was sie privat lieben, sondern jene, die damit auch großen kommerziellen Erfolg haben. Die Soziologin Nicole Aschoff spricht in diesem Zusammenhang von „Propheten des Kapitalismus“. Sheryl Sandberg, die Co-Geschäftsführerin von Facebook, Bill Gates, der Microsoft-Gründer und Milliardär, oder eben die Talkshow-Moderatorin und Unternehmerin Oprah Winfrey: Sie alle stützen kapitalistische Prinzipien, indem sie sich als progressive Denker*innen tarnen. Oprah Winfrey predigt, dass wir unsere Träume verwirklichen sollen („The biggest adventure you can ever take is to live the life of your dreams.“). Wie können wir das ihrer Ansicht nach am besten tun? Indem wir uns an den Status quo anpassen, und nicht, indem wir die Verhältnisse verändern. Forderungen stellen wir nur an uns selbst, nicht an Verantwortungsträger*innen, Interessensvertreter*innen, Arbeitsbedingungen, die Politik oder den kollektiven Apparat mächtiger Institutionen. Damit werden wir zu angepassten, entpolitisierten, selbstgefälligen neoliberalen Konsument*innen und Produktionsgehilf*innen.

Individuelle Liebe versus (Selbst-)Ausbeutung

Welche Konsequenzen kann es nun haben, wenn wir rein auf uns selbst fokussiert sind, darauf, uns individuell glücklich zu machen? Der Philosoph Byung-Chul Han zieht daraus drastische Schlüsse. Er geht davon aus, dass wir uns im Namen der Selbstverwirklichung kommerzialisiert und politisch entmündigt haben. Die Verbindung zwischen einem „gelungenen Leben“ und der unmittelbaren aktuellen politischen Situation scheint lose geworden zu sein. Es gilt, sich an die verändernden Verhältnisse anzupassen, nicht die Verhältnisse zu verändern. Der individuelle Fokus auf die bestmögliche Entfaltung der eigenen Persönlichkeit geht auf Kosten des gemeinschaftlichen Engagements. Soziale Probleme werden zu persönlichen Fragen nach Selbstsorge und dem guten Leben. Ein plakatives Beispiel: Eine junge Frau macht ein unbezahltes Praktikum in einem Kulturbetrieb, für den perfektes Englisch und ein eigenes MacBook Voraussetzungen sind. Statt sich für gewerkschaftliche Arbeit, Initiativen zur Arbeitszeitverkürzung und die politische Mobilisierung von anderen prekären Arbeitnehmer*innen in der Branche zu interessieren, zieht sie es nach einem Zehn-Stunden-Tag vor, Yoga zu machen und einen Avocadosalat zu essen, um sich vom aufgestauten Arbeitsstress zu befreien. Oder allgemein formuliert in den Worten von Byung-Chul Han: „Burnout und Revolution schließen sich aus“.

Wenn Leidenschaft oder Hingabe das ist, was allein zählt, dann tritt die Bezahlung oder Pensionsvorsorge in den Hintergrund. Dann sind unbezahlte Praktika gute Möglichkeiten, um die Branche kennenzulernen und einen Einstieg zu gewinnen; Freelance-Jobs sind dann nicht Notlösungen in Ermangelung einer Vollzeitanstellung, sondern modern, flexibel und sprichwörtlich frei von jeder Bindung. Dann befreien wir uns von der Verpflichtung, uns mit anderen Menschen arbeitsrechtlich zu solidarisieren – ob diese ihre Arbeit lieben oder nicht. Ist man unzufrieden mit seiner Arbeit, liegt es in der eigenen Verantwortung. Scheitern und Missstände gelten dann als persönliches Versagen, nicht als Systemfehler. Das Problem sozialer Ungleichheit wird damit in den Verantwortungsbereich der betroffenen Person verschoben und reale gesellschaftliche Problemlagen werden nicht mehr benannt. Diese Denkart begünstigt ausbeuterische Strategien von Arbeitgeber*innen ohne gesellschaftliche Integrität. Wer seine Arbeit liebt, von dem ist mehr Einsatz zu bekommen, ohne Mehrkosten. Wer seine Leidenschaft zum Beruf macht, legt Bedenken über Gehalt, Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge vorerst einmal beiseite. Hingabe ist alles, was zählt. Im Vordergrund leuchten die vollständig vereinzelten „freien Mitarbeiter*innen“, im Hintergrund trocknet das zäh erkämpfte und mühselig aufgebaute System von Schutz, Sicherheit und Risikovorsorge der Lohnempfänger*innen immer mehr aus. Es ist, wie wenn man Leuten, die in all ihrer Hingabe gerade die Hosen verlieren, hinterherruft: Endlich befreit ihr euch von der Enge der Gürtel und der Last der Hosenträger auf euren Schultern!

Der Schein der Liebe

Neben arbeitsrechtlichen Ausdünnungen ist es auch das realitätsferne Ideal von Liebe zum eigenen Tun, das auf viele Menschen Druck ausübt. Die Wahrheit ist: Es gibt keinen Beruf ohne Unannehmlichkeiten. Jede Art von Arbeit, die du liebst, ist nur ein Teil der Arbeit. Manche Menschen können sich glücklich schätzen, wenn sie 50 Prozent ihrer Arbeitszeit das tun, was sie lieben, und die andere Hälfte der Zeit für Aufgaben wie Abrechnungen, Steuern, Ansuchen von Förderungen, Ausfüllen von Formularen, Verfassen von Berichten, Auswerten von Statistiken, wuchernde E-Mail-Korrespondenz, Arbeiten an Reklamationen, Kommunikation mit Klient*innen oder Ähnlichem verbringen. In den meisten Fällen liegt der Prozentsatz aber weit darunter, darin sind sich fast alle Karrieren ähnlich. In jedem Job hat man schlechte Tage, jede Arbeit enthält mühsame Tätigkeiten, die erledigt werden müssen. Das wäre ein wahrheitsgemäßer Motivationsspruch.

Zusätzlich kann die Liebe zum Alptraum werden. Privat ist dieses Szenario allgemein bekannt, aber auch beruflich ist dieses Phänomen nicht zu unterschätzen. Künstler*innen kennen das, wenn die eigene Passion zur lästigen Pflicht verkommt, vielleicht noch gepaart mit kreativen Blockaden. Wenn das Geld zum Hauptantrieb der Leidenschaft wird, kann das negativen Druck ausüben und mitunter die Freude am Tun zersetzen. Außerdem sind Rückschläge in solchen Fällen viel stärker mit der eigenen Persönlichkeit verknüpft. Arbeitet man für Geld, hat man einen instrumentellen Bezug zum Beruf. Wird das Selbst im Job verwirklicht, dann ist Kritik oder Ablehnung unmittelbar auf die eigene Person zurückzuführen. Auch deshalb stellt sich die Frage, ob es wirklich der beste Weg ist, das eigene Hobby aus dem Reich des Spieles in das Reich der Zwecke zu überstellen, es von einer Quelle der Erholung zu einem bloßen Instrument des Geldverdienens zu machen, es von der reinen Privatheit auf die unreine Straße des Kommerzes zu schicken.

Doch Liebe allein reicht nicht. Das Mantra „Do what you love“ weckt den Anschein, dass Motivation und Spaß an der Sache wichtiger seien als Talent. Aber nicht jeder kann ein erfolgreicher Jazz-Sänger oder ein bekanntes Laufstegmodel werden, selbst wenn man Frank Sinatra liebt und sich unter der Dusche gerne dem Scat-Gesang hingibt oder lustvoll vor dem Spiegel posiert und über aktuelle Trends, Designer*innen und Labels, informiert ist. Es gibt gewisse Voraussetzungen, die nicht alle Menschen erfüllen können. Auch dann nicht, wenn sie hart an sich arbeiten, wie es immer wieder gefordert wird.

Und was ist eigentlich mit den Menschen, die keine bestimmte Leidenschaft haben, über die sie sich definieren und der sie ihr Leben widmen möchten? Davon gibt es gar nicht so wenige. Sollen sie nun darunter leiden, dass der instrumentelle Zugang zu Arbeit in bestimmten Milieus nicht en vogue ist? Dass sie keinen „interessanten“ Job machen, nicht für ihren Beruf „brennen“ und sich darin selbst verwirklichen? Ist man dann talentfrei, minderbegabt? Oder aber Personen, die sich nicht entscheiden können, welche Arbeit für sie am meisten Erfüllung bringt? Der individuelle Druck und die unendliche Auswahl an Möglichkeiten kann mitunter zu Resignation führen.

Der Soziologe Alain Ehrenberg sieht die rapide Zunahme von depressiven Erkrankungen als Resultat dieses Individualisierungsprozesses. Demnach leiden Menschen in unserer Zeit an den Defiziten ihrer eigenen Persönlichkeit, während sie vor hundert Jahren noch an den unterdrückenden Zuständen in der Gesellschaft erkrankten. Heute werden Individuen beruflich nicht mehr an ihrem Gehorsam gemessen, sondern an ihrer persönlichen Initiative. Jede*r hat das Recht und den Auftrag, sich sein Leben zu wählen und „man selbst“ zu werden. Man wird nicht mehr durch eine vorgegebene Ordnung in Bewegung gesetzt, sondern muss sich auf innere Antriebe stützen. Darin liegt eine entscheidende Veränderung unserer Lebensweise. Aus eigenem Antrieb und mit Selbstverantwortung zu sozialem Ansehen zu gelangen, kann zu einer großen Belastung werden. Laut Ehrenberg ist die Depression deshalb nicht mehr eine Krankheit, die auf Disziplin und Schuld gründet, sondern auf Verantwortung und Eigeninitiative. Sie drückt ein Gefühl der Unzulänglichkeit aus, eine Zerrissenheit zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen sowie ein Verharren im Zustand des „Nichts-ist-möglich“.

Vielleicht wäre es auch sinnvoller, seine Leidenschaft zu einem späteren Lebenszeitpunkt zum Beruf zu machen, wenn bereits eine gewisse finanzielle Sicherheit besteht. Dann könnte man zum Beispiel eine Auszeit nehmen, um einen Film zu drehen oder sich auf seinen Blog zu konzentrieren, ohne sich Sorgen um die Bezahlung der Miete machen zu müssen. Ebenso wäre die persönliche Distanz zur Tätigkeit stärker gewahrt, da die Existenz nicht mehr davon abhängt. Und als letzter Gedanke: Gibt es einem nicht eigentlich die größte Freiheit, sich etwas selbst interessant machen zu können? Sollte man nicht lieber versuchen, Jobs, die einen prinzipiell interessieren oder einem leichtfallen, in eine Leidenschaft zu verwandeln, statt umgekehrt? Beherztheit ist nicht unbedingt etwas, das von außen kommt, sondern eine persönliche Zugangsweise. „Do what you do and turn it into a passion if you can“ wäre dementsprechend ein Motivationsspruch, der einiges an Druck herausnehmen würde.

DIE TRENNUNG VON HAND UND KOPF

Im antiken Griechenland war körperliche Arbeit für die herrschende Minderheit verpönt; die Politik und das hochgeschätzte Philosophieren setzten Muße voraus. Und auch heute ist die ideologische Frontlinie zwischen Hand- und Kopfarbeit immer noch weit verbreitet. Akademiker*innen werden als Schwächlinge wahrgenommen, weil sie mit ihrem „Nasenfahrrad“ den ganzen Tag nutzlos im Büro herumsitzen. Arbeiter werden umgekehrt als geistlos abgewertet, weil sie sich täglich mit denselben monotonen Tätigkeiten abmühen. Das stereotype Bild vom Gegensatz der körperlichen Stärke der Ungebildeten und der intellektuellen Überlegenheit der Gebildeten ist in vielen Gesellschaftskulturen alltäglich und auch in der globalen Nord-Süd-Hierarchie tief verankert. Auf der südlichen Halbkugel sind die Menschen einfach ein bisschen körperlicher, während die nördliche Halbkugel stärker mit dem Geist arbeitet – so der selbstgerechte Blick nach unten. Diese Bewertung ist wie jedes Schwarz-Weiß-Denken eine grobe Vereinfachung und unzutreffend. Die Realität sieht oft anders aus: Nicht wenige Bürojobs sind voll von einseitigen Tätigkeiten, und so manche Maschinen können nur von hochqualifizierten Facharbeitern bedient werden. Abgesehen davon ist die Trennung eine künstliche. Ohne Kopf ist die Hand machtlos. Das Geigenspiel wird von den Händen durchgeführt, ist aber ein Ergebnis der Kooperation mit dem Kopf. Oder wie schon Karl Marx feststellte: „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit“.

Dennoch sind die oben genannten Bilder und die damit verbundenen Bewertungen immer noch gängig. Die Psychologin Martina Panke beschreibt in ihrem Buch Arbeiten lernen die Deutungsmuster für „richtige Arbeit“ von jungen männlichen Arbeitern. Als zentraler Faktor gilt für sie die körperliche Aktivität. Die Bewältigung von physisch fordernden Belastungen ist für die Jugendlichen eine lohnende und anzustrebende Aufgabe. „Nichtstun“ hingegen, also leibliche Unterforderung wie „Herumsitzen“ wird von ihnen als Lähmung ihrer Kräfte erfahren, als Gefährdung der eigenen Energiepotenziale und schlicht als sinnlos und langweilig. Im Gegensatz dazu verfliegt die Zeit geradezu, und das auf sinnhafte Weise, so lange physische Kräfte betätigt werden. Panke bringt dieses Verständnis von Körperlichkeit mit einem bestimmten Männlichkeitsbild in Zusammenhang: Die Arbeit bietet den jungen Männern einen Raum, ja sogar eine Bühne für die Entfaltung von Kraft, Geschicklichkeit und körperlichem Durchhaltevermögen. Es ist ein Territorium männlicher Dominanz, in dem Männer weitgehend unter sich sein können – im Unterschied zur Welt des Büros. Einen weiteren Gegensatz zu Angestelltentätigkeiten sehen die Jugendlichen darin, dass ihre Berufe Tätigkeiten umfassen, die immer gebraucht werden. Ihre Arbeit führt zu sichtbaren und unmittelbar nützlichen Ergebnissen, zu einem Wert, der gegenständlich fassbar ist.

In dieser Zuschreibung drücken sich gleichzeitig das Selbstbewusstsein in der eigenen unmittelbaren Nützlichkeit, wie auch die Unsicherheit vor einer ungewissen Zukunft aus. Die jungen Männer verorten sich mit dieser Beschreibung innerhalb der gesellschaftlichen Hierarchie. Denn für jene, die in der modernen Berufswelt nicht mithalten können oder wollen, gibt es keine Zukunftsperspektive in Angestelltenberufen. Mit Blick auf „richtige Arbeit“ relativiert sich die Ungewissheit der Zukunft, da die eigenen Handfertigkeiten unentbehrlich bleiben. Eng verbunden mit der hohen Bewertung der Handarbeit, des idealisierten Bildes von selbstständigen und autonomen Arbeitern und deren Geschick im Umgang mit praktischen Problemen, liegt die Abwertung der von ihnen als „unproduktiv“ wahrgenommenen Arbeit: das Büro. Hier liegt das Bild einer stark hierarchisierten Berufswelt vor, die Sekretärin ist dem Chef direkt untergeben und muss alles tun, was er von ihr verlangt. Am Ende des Tages bleibt keine sichtbare Leistung übrig. Die Arbeitsqualität lässt sich nur aus der Zufriedenheit des Vorgesetzten herauslesen.

Vertikale Arbeitsteilung und Macht

Dass manuelle Arbeiter auf die Abwertung der Handarbeit im industriellen Fertigungsprozess mit der eigenen Selbsterhöhung („richtige Arbeit“) reagieren, ist naheliegend. Denn der sogenannte technische Fortschritt ist darauf gerichtet, die Produktherstellung so in Teilschritte zu zerlegen, dass möglichst viele davon standardisiert und automatisiert werden können. Aufwändige Prüf-, Kontroll- und Steuerungsfunktionen sollen von Softwareanwendungen übernommen werden, um Zeit, Geld und Produktionskosten für Material, Maschinen und Personal zu reduzieren. Für die Betriebsangehörigen heißt das, weniger oder billigere Leute, am besten beides. Die Verfahrensingenieure und Finanzcontroller in den Büros nehmen die Belegschaft am Fließband oder anderen Maschinen zuerst einmal als Kostenfaktor in der Produktion wahr, auf den sich die nächste, die übernächste und alle weiteren Prozess-Innovationen zu richten haben.

Der Philosoph und Mechaniker Matthew Crawford sieht in diesem immer wieder durchlaufenen Rationalisierungsprozess den Kern des modernen Industriekapitalismus, dessen Grundlage vor hundert Jahren mit dem Taylorismus gelegt worden ist. Crawford beschreibt in seinem Buch Ich schraube, also bin ich: Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, wie sich Frederick „Speedy“ Taylor das Sammeln des gesamten Fachwissens der Professionisten vorstellte. Es wird zuerst minutiös erhoben und zusammengefügt, dann zerlegt und in Regeln und Prozesse gefasst, sodass für die resultierenden einfacheren Einzelschritte billigeres Personal eingesetzt werden kann. Der Taylorismus war die bahnbrechende Idee, das theoretische Konzept und Gerüst, der Fordismus war die Realisierung, die die Welt veränderte. Der springende Punkt lag im Herauskristallisieren des fachlichen Wissens und Könnens aus der ganzheitlichen Arbeitsweise, die Aneignung und Systematisierung des Wissens durch das Unternehmen und die Zerlegung der Arbeit bis hinunter in Handgriffe. Das war der Kern der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ von Taylor. Am Anfang war die Trennung von Kopf und Hand:

„Den Leitern fällt es zu, all die überlieferten Kenntnisse zusammenzutragen, die früher Alleinbesitz der einzelnen Arbeiter waren, sie zu klassifizieren und in Tabellen zu bringen, aus diesen Kenntnissen Regeln, Gesetze und Formeln zu bilden, zur Hilfe und zum Besten des Arbeiters bei seiner täglichen Arbeit.“

„Alle Kopfarbeit unter dem alten System wurde von dem Arbeiter mit geleistet und war Resultat seiner persönlichen Erfahrung. Unter dem neuen System muss sie notwendigerweise von der Leitung getan werden in Übereinstimmung mit wissenschaftlich entwickelten Gesetzen. (…) Es ist also ohne weiteres ersichtlich, dass in den meisten Fällen ein besonderer Mann zur Kopfarbeit und ein ganz anderer zur Handarbeit nötig ist.“