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BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

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2019

Alle Rechte vorbehalten

© by Athesia Buch GmbH, Bozen

Redaktion: Brigitta Willeit

Design & Layout: Athesia-Tappeiner Verlag

Druck: Athesia Druck, Bozen

ISBN 978-88-6839-369-4

www.athesia-tappeiner.com

buchverlag@athesia.it

Inhalt

(K)eine Welt ohne Bienen

Sie haben Pollen im Gepäck. Und schwärmen aus, um die Blüten von Obst- und Gemüsepflanzen zu bestäuben. Bienen, werden sich die meisten jetzt denken. In China aber sind es Menschen, die fleißig wie die Bienen Blüten bestäuben. Eine Biene hat man dort schon lange nicht mehr gesehen. Die fleißigen Insekten sind ausgestorben. Ausgerottet von Pestiziden. Deshalb schwärmen heute Menschen aus, sammeln die Pollen von der Blüte und bringen sie zur nächsten, um sie zu bestäuben. Eine Sisyphusarbeit, die nur in China möglich ist, weil dort Arbeitsleistung fast nichts kostet. Die aber notwendig ist. Denn ohne Bienen gibt es kein Obst und kein Gemüse.

Die Menschen hungern. Und sie sterben. So beschreibt es Maja Lunde in ihrem Bestseller „Die Geschichte der Bienen“. Darin erzählt sie am Beispiel dreier Generationen, wie die Geschichte des Menschen mit jener der Bienen zusammenhängt. Dabei wirft sie die berechtigte Frage auf, wie wir mit der Natur und ihren Geschöpfen umgehen. Denn dass die Bienenpopulationen weltweit abnehmen, in manchen Teilen der Welt schon ganz verschwunden sind, das ist großteils vom Menschen verschuldet. Es sind Pestizide, Monokulturen, Züchtungen, Stress und ansteckende Krankheiten, meist auch alles zusammen kombiniert, das den Bienen das Leben schwer macht. Diese Faktoren werden deshalb auch für das Bienensterben verantwortlich gemacht, das in der industrialisierten Welt seit den 1990er Jahren grassiert.

Dass das Folgen für die Menschheit hat, hat der mit dem Nobelpreis gekrönte Physiker Albert Einstein schon vor 100 Jahren vorhergesagt: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nicht mehr lange zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ Dass das Zahlengenie sogar berechnet haben soll, dass der Mensch nur vier Jahre ohne Bienen zu überleben vermag, wie es in manchen Zitaten heißt, ist umstritten, nicht aber die Grundaussage: Dem Menschen steht ohne Bienen eine düstere Zukunft bevor.

Bienen sind für das gesamte Ökosystem ungemein wichtig. Durch die Bestäubung, die von Insekten und vor allem von Bienen geleistet wird, bleibt die Pflanzenvielfalt erhalten, die vielen Tieren als wichtige Lebens- und Nahrungsgrundlage dient. Auch der Mensch ist auf die Bestäuberleistung der fleißigen Bienen angewiesen: Die über 100 wichtigsten Kulturpflanzen weltweit müssen bestäubt werden, um Früchte zu tragen. Geschieht dies nicht, bleiben die Erträge von Obst und Gemüse aus: Massive Ernteeinbrüche wären die Folge, Hungersnöte die logische Konsequenz. Deshalb muss die Leistung von Bienen in Teilen Chinas mittlerweile von Menschenhand erbracht werden. Es geht in der Tat ums nackte Überleben. Vielleicht denken Sie daran, wenn im Garten eine Biene um Ihren Kuchen oder Ihren Holundersaft kreist und Sie schon mit einem Buch oder einer Zeitschrift ausholen möchten.

Rapsblüten so weit das Auge reicht: Monokulturen sind nur auf den ersten Blick verlockend für Bienen. Die fehlende Pflanzenvielfalt stellt auf Dauer eine Bedrohung für sie dar.

Bienen sind aber noch aus einem weiteren Grund unverzichtbar für die Menschen. Sie liefern Produkte, die zu heilen vermögen. Ob Honig, Propolis, Pollen, Gelée royale oder die Luft aus dem Bienenstock: Die Apitherapie, wie die Behandlung mit Bienenprodukten genannt wird, ist eine der ältesten Naturheilmethoden der Menschheit und eine der erfolgreichsten. Sie hat in der komplementärmedizinischen Praxis einen festen Platz und wird bei einer Vielzahl von Beschwerden und Krankheitsbildern zumindest ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt – und das mit oft verblüffenden Erfolgen.

Aus der Hausapotheke sind Bienenprodukte ohnehin nicht mehr wegzudenken. Mutters oder Omas guten Tipp, bei trockenem Husten oder Halsschmerzen zu einem Glas warmer Milch mit Honig zu greifen, hat wohl jeder noch im Ohr. Immer mehr wissen mittlerweile auch, dass bei Atemwegserkrankungen Propolis ein effizienter Helfer ist und Blütenpollen bei Appetitlosigkeit und Müdigkeit die Lebensgeister wieder wecken. Das Leistungsspektrum der Bienenprodukte ist aber noch sehr viel breiter, sodass man mit Fug und Recht von Einzigartigkeit sprechen kann.

Bienen produzieren nicht nur Honig: Auch Pollen, Gelée royale oder Bienenwachs sind begehrte Bienenprodukte, weil sie viele gesunde Wirkstoffe für den Menschen enthalten.

Eigentlich sollte man Honig, Pollen, Gelée royale und Co. auf Rezept bekommen, denn mit der medizinischen Wirksamkeit anderer Medikamente können es Bienenprodukte durchaus aufnehmen, sie oft sogar übertreffen. Warum das nicht passiert? Bienenprodukte kommen direkt aus der Natur, sind von Bienen hergestellt und somit nicht patentierbar. Außerdem ist ein jedes Produkt einzigartig, keines ist identisch mit einem anderen, sie lassen sich nicht standardisieren. Damit ist das Interesse der Pharmaindustrie an diesen hoch wirksamen Heilmitteln gering. Was aber nicht heißt, dass sie nicht helfen – ganz im Gegenteil. Das wusste man bereits in der Antike. Deshalb lautet ein altrömisches Sprichwort: Ubi apis, ibis salus – Wo Bienen sind, da ist Gesundheit.

Die fleißige Biene

Nur wenige Millimeter groß, pelzig, gestreift, mit Flügeln und einem Stachel: Dieses Bild einer Biene haben die meisten vor sich. Weil das Insekt nicht nur überlebenswichtig für die Natur und damit auch für den Menschen ist, sondern noch dazu ein sehr vielseitiges Nutztier, lohnt sich ein genauerer Blick auf das fleißige Tierchen.

Bienen gibt es auf der Welt schon länger als den Menschen. Der älteste Bienenfund, ein in Bernstein eingeschlossenes Bienenfossil, ist knapp 100 Millionen Jahre alt. Doppelt so alt, nämlich mehr als 200 Millionen Jahre, sind die ersten Fossilien von Hautflüglern, zu denen auch die Bienen gehören. Seit mindestens 8000 Jahren halten sich Menschen Bienen zur Honigproduktion, weshalb mit „Biene“ heute meistens die Honigbiene gemeint ist. Ganz nebenbei bestäuben diese Bienen die Blüten und Pflanzen und leisten damit einen wichtigen Beitrag für das Ökosystem, für Mensch und Natur. Aktuell gibt es weltweit neun verschiedene Arten von Honigbienen, in Europa ist vor allem die apis mellifera, die westliche Honigbiene, heimisch.

Sehr viel mehr Arten gibt es von der Wildbiene, mehr als 2000 dürften es in Europa sein. Anders als die Honigbienen, die im Volk leben und einen Bienenstaat bilden, sind die meisten Wildbienen mehr oder weniger Einzelgänger, leben also solitär. Eine Ausnahme stellen die Hummeln dar, die auch zu den Wildbienen gehören, aber im Volk leben. Die meisten Wildbienen kümmern sich alleine um ein geeignetes Nest, das sie häufig in Hohlräumen bauen, die andere Tiere hinterlassen oder sie selbst gegraben haben. Auch morsches Holz oder leere Schneckenhäuser sind beliebte Bruthäuser für Wildbienen. Oft siedeln sie in unmittelbarer Nähe zueinander, sodass sie nach außen wie ein „Volk“ wirken. Sie sammeln allein Pollen und Nektar, legen die Eier in die Nisthöhlen und kümmern sich um die Brut. Ihr Honig dient ausschließlich der eigenen Ernährung und jener der Nachkommenschaft. Im Unterschied zur Honigbiene fliegen die wilden Arten nur kurze Strecken, sie konzentrieren sich also auf das Nahrungsangebot in unmittelbarer Nähe zu ihrem Bau, dort nutzen sie dann aber sämtliche Blüten, die sich ihnen von den ersten Frühlingstagen bis in den späten Herbst hinein bieten.

Durch eine intensive Landwirtschaft und Zersiedelung ist auch der Lebensraum von Wildbienen gefährdet. Allerdings sind sie den Bedrohungen schutzlos ausgeliefert, während Honigbienen von Imkern gepflegt werden. Daher sind viele Wildbienen vom Aussterben bedroht.

Auch wenn die Wildbienen zahlenmäßig den Honigbienen unterlegen sind, so ist ihre Bestäubungsleistung dennoch unverzichtbar. Mehr noch: Wildbienen sollen beim Bestäuben sogar deutlich effizienter als Honigbienen sein. Es braucht sie also beide: die domestizierten Honigbienen ebenso wie die frei lebenden Wildbienen.

Die Anatomie der Biene

Klein, aber oho: Wie bei allen Insekten ist der Körper einer Biene aus drei Teilen zusammengesetzt: Kopf, Brustkorb und Hinterleib. Besonders beeindruckend am Kopf der Biene sind ihre Antennen, die ihr als Fühler dienen, ihre Facettenaugen und ihre Mundwerkzeuge. Vielfältig einsetzbar sind ihre dünnen, durchscheinenden Flügel. Sie dienen der Biene als Fortbewegungsmittel, aber auch als Heizung und Klimagerät: Mit dem Flügelschlag erzeugt sie Wärme und Kühle.

Der Körper einer Biene besteht aus drei Abschnitten: Kopf, Brustkorb und Hinterleib. Stabilität erhält der Bienenkörper durch eine feste Außenschicht, die aus Chitin besteht und gewissermaßen das Außenskelett der Biene bildet.

Der Kopf beherbergt das Gehirn, die Augen, Antennen, den Rüssel und den Kiefer. Wie viele andere Insekten hat die Biene Facettenaugen. Diese setzen sich aus vielen tausend Einzelaugen zusammen. Bei den Bienen sind es 4000 bis 8000 Einzelaugen, von denen jedes einzelne einen bestimmten Punkt wahrnimmt, der im Gehirn mit den vielen anderen Punkten zu einem Bild zusammengesetzt wird. Eine Besonderheit der Facettenaugen: Bienen sind rotblind, sie können also kein Rot sehen; es erscheint ihnen als Schwarz. Deshalb steuern sie in erster Linie gelbe und blaue Blüten an. Dafür sind Bienen in der Lage, ultraviolettes Licht zu sehen. Die Blüten sind dementsprechend ausgestattet und tragen Pigmente in sich, die das ultraviolette Licht der Sonne reflektieren. Auf diese Weise signalisieren sie den Bienen eine reiche Nektarbeute. Zudem hat die Biene noch drei unbewegliche Punktaugen, die zum Hell-Dunkel-Sehen benötigt werden.

Bei ihrem Blütenbesuch sammelt die Bienen nicht nur Nektar, sondern auch Pollen. Sie werden in eigenen Körbchen an den Hinterbeinen deponiert, den gut sichtbaren „Pollenhöschen”.

Mit den Antennen, den Fühlern, riecht, schmeckt und tastet die Biene. Am Kopf sitzen auch die Mundwerkzeuge, die zum Kauen und Saugen dienen. Mit dem festen Oberkiefer (Mandibeln) kann die Biene Pollen kauen, Wachs formen, Harze sammeln, Blüten aufschneiden, um leichter an den Nektar zu kommen, Bienenkollegen putzen oder sich festhalten, zum Beispiel an einem Feind, um einen festen Ansatzpunkt zum Stechen zu haben. Der Rüssel hingegen dient zum Aufsaugen von Flüssigkeiten. Durch Saugen mit dem Mund und Bewegungen der Bienenzunge wird zum Beispiel Nektar aus der Blüte aufgenommen. Auch zum Wassersammeln, zum Überreichen des Futters an die Stockbienen und zum Verteilen von Wasser und Nektar benötigt die Biene ihren Rüssel.

„Pollenhöschen“ und Flugmuskeln

Am Brustkorb, also am mittleren Körperteil, sind zwei Flügelpaare und drei Beinpaare angebracht. Wie alle anderen Insekten hat auch die Biene sechs Beine, die allerdings nicht nur zum Gehen da sind. Die Vorderbeine sind in erster Linie für die Körperpflege gedacht, die Biene benötigt sie zum Putzen von Fühlern und Augen. Zu diesem Zweck sind sie mit einer eigenen Putzscharte und einem härteren Dorn ausgestattet. Die Mittelbeine dienen dem Laufen und dem Festhalten auf dem Untergrund. Außerdem helfen die Mittelbeine dabei, die Pollen vom vorderen Körperteil zu den Hinterbeinen zu transportieren. Das macht die Biene meistens im Flug, wenn sie alle Beine dafür frei hat. An den Hinterbeinen befinden sich bei den Arbeiterbienen eigene Körbchen, also flache Vertiefungen am Unterschenkel, die von langen Haaren umgeben sind. In diese Körbchen werden mit den Beinen die Pollen „gekämmt“ und von den Haaren an ihrem Platz gehalten. Die „Pollenhöschen“ sind bei den Arbeiterbienen auf dem Flug zurück in den Bienenstock deutlich sichtbar. Auch Propolis, das zum Abdichten des Bienenstocks dient, wird auf diese Weise transportiert. Königinnen und Drohnen, die sich nicht an der täglichen Arbeit beteiligen, haben keine derartigen Körbchen.

Der Brustkorb zeichnet sich durch eine ausgeprägte Flugmuskulatur aus. Sie kann von der Biene auch aktiviert werden, ohne dass sie die Flügel bewegt. Auf diese Weise erzeugt sie Wärme, um an kalten Tagen die Temperatur im Bienenstock zu erhöhen. Am mittleren Körperteil befinden sich zudem die beiden Flügelpaare, die derart dünn und durchscheinend sind, dass sie wie eine Hautschicht wirken. Daher kommt auch der Name „Hautflügler“. Durch die Rippen und Stege, die die Flügel wie kleine Adern durchziehen, erhalten sie Stabilität und Robustheit. Beim Fliegen wird – auf beiden Seiten – der größere Vorderflügel mit dem kleineren Hinterflügel verhakt und damit eine größere Flugoberfläche gebildet. Bewegt werden die Flügel allein mit der Muskelkraft aus dem Brustkorb. Bis zu 30 Kilometer kann eine Biene in der Stunde fliegen bzw. mit dem Flügelschlag, zum Beispiel im Stock, Wärme oder Kühle erzeugen. Damit spielen die Flügel auch bei der Produktion des Honigs eine wichtige Rolle.

Pollen im Anflug: Im üppigen Haarkleid, das die Biene von der Wespe unterscheidet, verfangen sich bei erfolgreichen Flügen Millionen kleinster Blütenpollen.

Auffallend am Brustkorb der Biene ist, dass er sehr stark behaart ist, viel stärker als die übrigen Körperteile. In den Haaren verfangen sich in erster Linie die Pollen, aber auch Schmutzteile, die somit nicht direkt an den Chitinpanzer der Biene gelangen. Ihre vor allem am Brustteil starke Behaarung unterscheidet die Biene von der Wespe, ebenso ihr massigerer Körperbau. Charakteristisch bei der Wespe ist ihre deutlich dünnere Taille zwischen Brust- und Hinterteil – eine „Wespentaille“ eben. Zudem ist die Wespe gelb-schwarz gestreift – ein Erscheinungsbild, das die meisten in Erinnerung an die legendäre Zeichentrickfigur „Biene Maja“ eigentlich der Biene zuschreiben. Deren Hinterteil ist aber tatsächlich braun-schwarz gestreift.

Die Organ- und Stechzentrale

Im Hinterleib befinden sich alle wichtigen Organe und der Stachelapparat. Dieser Körperteil enthält keine Extremitäten und ist äußerlich durch braun-schwarze Ringe gekennzeichnet.

Kaum sichtbar sind die kleinen Öffnungen der Tracheen, ein Röhrensystem, durch das die Biene ein- und ausatmet, sowie die Öffnungen von Drüsen, Geschlechtsorganen und After.

Der Hinterleib zeichnet sich durch eine extreme Beweglichkeit und Elastizität aus. Die Leibesringe aus Chitin sind durch Muskeln verbunden und ermöglichen es der Biene, ihren Hinterleib in alle Richtungen zu krümmen. Diese Funktion benötigt sie unter anderem beim Zustechen. Der Stachelapparat liegt versteckt in einer eigenen Kammer im letzten Hinterteilsegment. Er besteht aus zwei mit Widerhaken versehenen Stechborsten, der Stachelrinne, der Stachelscheide und der Giftdrüse, die das Bienengift bildet. Sie erweitert sich zu einer Blase, in der das Gift gesammelt wird.

Muss sich die Biene verteidigen und sticht deshalb zu, werden die Stechborsten in die Haut des Feindes gestoßen. Die Widerhaken verhindern das Herausziehen des Stachels. Versucht die Biene, den Stachel zurückzuziehen oder streift der Feind die stechende Biene ab, wird der gesamte Stachelapparat aus ihrem Körper gezogen. Das ist ihr Todesurteil: Kurz danach verendet die Biene.

Nur Arbeiterinnen und Königinnen verfügen über einen Stachel, die männlichen Bienen, die Drohnen, nicht.

Das Bienenvolk

Während Wildbeinen allein leben, brauchen Honigbienen ein Volk, ihren Bienenstaat. Dieser kann im Sommer auf 50.000, mitunter sogar 80.000 Bienen anwachsen. Doch in dem verhältnismäßig kleinen Bienenstock herrscht trotz seiner vielen Bewohner kein heilloses Durcheinander, sondern eine klare Struktur und Ordnung. Diese ergibt sich aus der „Arbeitsteilung“ zwischen den Bienen, die das Überleben der Gemeinschaft und die Aufzucht der Nachkommenschaft sichert.

Biene ist also nicht gleich Biene. Es gibt drei unterschiedliche Wesen, die sich nach Aussehen, Tätigkeit, Entwicklung und Lebensdauer voneinander unterscheiden: die Bienenkönigin, die Arbeiterbienen und die Drohnen.

Die Bienenkönigin

Das Oberhaupt des Bienenvolkes ist die Bienenkönigin, von der es in jedem Volk nur eine gibt. Sie ist das einzige geschlechtsreife Weibchen, das für die Nachkommenschaft sorgt und den gesamten Bienenstock mit ihrer Königinnensubstanz, den Pheromonen, steuert.

Die Königin entsteht wie die Arbeiterbienen aus einer befruchteten Eizelle und unterscheidet sich zunächst nicht von den anderen Larven. Dass sich aus einer Larve aber eine Königin entwickelt, liegt an der Ernährung: Bienenköniginnen werden ausschließlich mit Gelée royale großgezogen, einem Futtersaft, der von jungen Arbeiterbienen in ihren Kopfdrüsen produziert wird. Alle übrigen Bienen werden damit nur in den ersten drei Tagen gefüttert, nachdem sie als Larven aus den Eiern geschlüpft sind. Danach wird ihre Ernährung auf eine Mischung aus Honig und Pollen umgestellt. Zudem entwickeln sich Königinnen in eigenen, senkrecht und nicht waagrecht ausgerichteten Zellen, die „Weiselzellen“ genannt werden. Aus diesem Grund wird das Gelée royale, also der Saft, der Königinnen macht, auch „Weiselfuttersaft“ genannt. Wegen dieser besonderen Ernährung ist das Entwicklungsstadium der Königin auch das kürzeste: Nach 16 Tagen – drei Tagen als Ei, fünf Tagen als Larve und acht Tagen als Puppe, eingehüllt in einen Kokon – ist die Königin „geboren“. Im Unterschied dazu dauert das Entwicklungsstadium einer normalen Biene 21 Tage, jenes einer Drohne 24 Tage.

Sie ist die Chefin im Bienenstock: die Bienenkönigin. Allein schon aufgrund ihrer Größe hebt sie sich von den anderen Bienen ab. Sie allein sorgt für den Bienennachwuchs und steuert die gesamte Arbeit im Stock.

Wenn das Volk ins Schwärmen gerät

Auch äußerlich entwickelt sich eine Königin anders als die normalen Arbeiterbienen. Sie ist mit bis zu 18 Millimetern Länge die größte Biene im Stock. Drohnen werden maximal 16 Millimeter lang, Arbeiterbienen 13 Millimeter. Bei Königinnen ist vor allem der Hinterleib deutlich größer und länger als bei normalen Bienen. Das hat einen guten Grund: Immerhin wachsen darin tausende Eier heran, die täglich abgelegt werden. Wie die Arbeiterinnen besitzt auch die Königin einen Stachel, der allerdings nur einmal und das bereits sehr früh zum Einsatz kommt: Ist eine Königin geschlüpft, beseitigt sie mit ihrem Stachel alle neben ihr mit Weiselfuttersaft aufgezogenen Jungköniginnen. Ein Bienenvolk füttert nämlich stets mehrere Königinnenlarven gleichzeitig, um mit Sicherheit eine Königin bis zum Schlüpfen zu bringen. Mehrere Königinnen werden auch dann aufgezogen, wenn sich das Volk auf das Ausschwärmen vorbereitet. Das Schwärmen ist die natürliche Vermehrung der Bienen. Wird es im Bienenstock im Frühjahr zu eng, teilt sich das Volk. Ein Teil der Bienen fliegt mit der Königin aus, um sich eine neue Behausung zu suchen. Fündig werden sie häufig in ausgehöhlten Baumstämmen, Nischen von Häusern oder Vertiefungen in Gärten. Im Bienenstock selbst übernimmt die zuerst geschlüpfte „Prinzessin“ die Königinnenrolle, indem sie ihre neben ihr aufgezogenen Rivalinnen tötet. Es kann eben nur eine Königin geben. Um die Volksstärke zu halten und weil sich die Bienen vor dem Ausschwärmen an den Honigvorräten kräftig bedienen, versucht der Imker das Schwärmen zu unterbinden, indem er die Brut ständig kontrolliert und den Bienen genügend Platz für ihre Tätigkeiten verschafft.

Bis zu 2000 Eier am Tag

Aufgrund der Arbeitsteilung, die der Königin die Aufzucht der Nachkommen und die Steuerung des Bienenstocks zuweist, benötigt sie auch keine maximal funktionsfähigen Flügel: Diese sind bei der Königin kürzer, außerdem fehlen ihr die Wachsdrüsen und die „Pollenhöschen“ an den Hinterbeinen.

Bereits ab dem sechsten Lebenstag fliegt die Königin mehrfach aus dem Stock, um sich mit bis zu zwölf Drohnen, den männlichen Bienen, zu paaren. Dabei nimmt sie Millionen von Spermien in ihre Samenblase auf, die für ihr ganzes Leben reichen. Jeden Tag legt die Königin bis zu 2000 Eier in die Brutzellen. In einer Saison sind das sagenhafte 200.000 Eier. Nicht alle davon sind befruchtet: Aus den befruchteten Eiern schlüpfen Arbeiterbienen, aus den unbefruchteten Drohnen. Auf diese Weise ist für reichlich Nachkommenschaft gesorgt.

Außerdem sondert die Königin bestimmte Duftstoffe ab, die Pheromone, mit denen sie das gesamte Bienenvolk leitet. Damit hält die Königin die Bienen auch während des Schwärmens zusammen, sie unterdrückt die Entwicklung von Eierstöcken bei den Arbeiterinnen und die Aufzucht neuer, junger Königinnen, lockt die Drohnen während der Paarungszeit an und steuert auch das Lernverhalten der jungen Bienen im Stock. Für aggressive oder gutmütige Bienen ist also die Königin verantwortlich.

Diese Arbeit erklärt auch die besonders gute und nährstoffreiche Nahrung, die eine Königin gerade in den ersten Lebensjahren benötigt. Außerdem lebt eine Königin wesentlich länger als normale Bienen: Sie wird bis zu fünf Jahre alt, während Arbeiterbienen nur mehrere Wochen, maximal einige Monate leben. Ersetzt werden muss eine Königin, wenn sie verendet oder wenn aus Altersgründen die Pheromonproduktion nachlässt. Dann stirbt die alte Königin kurz vor oder nach dem Schlüpfen ihrer Nachfolgerin – nicht selten getötet von den Arbeiterbienen.

Der Wabenbau der Bienen ist ein Meisterwerk, das selbst Mathematiker fasziniert. In den Zellen legen die Bienen den Nektar ab. In eigenen Zellen, den „Weiselzellen”, wird der Nachwuchs aufgezogen.

Königinnen werden in Bienenvölkern häufig von Imkern ausgetauscht, um kontinuierlich starke Völker zu erhalten, die wichtig für die Honigproduktion sind. Für ein schwaches und von Krankheiten betroffenes Volk wird meist die Königin verantwortlich gemacht. Nicht umsonst heißt es: Wer die Königin beherrscht, beherrscht auch das Volk. Deshalb züchten erfahrene Imker Königinnen selbst und verwenden dafür ein Bienenvolk mit guten Eigenschaften. Dafür entnimmt der Imker vorsichtig eine Brutwabe mit sehr junger Brut aus dem Volk, bringt sie in künstlichen Weiselzellen an und lässt die Brut dann von einem Pflegevolk zur Königin heranziehen. Diesem Bienenvolk wird dafür kurzzeitig die Königin entnommen, ansonsten würden die schlauen Insekten keine weitere Königin aufziehen. Durch die Königinnenzucht werden Bienenvölker gleichförmiger, allerdings auch anfälliger für Erreger und Krankheiten.

Die Arbeiterbienen

Die meisten Bienen im Stock sind Arbeiterbienen. Sie sind unfruchtbar, da die Königin mit ihrem höchst komplexen Pheromon-Cocktail dafür sorgt, dass die Arbeiterbienen keine Eierstöcke ausbilden. Das ist im Übrigen bei vielen sozialen Insektenwesen genauso, beispielsweise bei Wespen oder Hummeln. Ohne Arbeiterbienen könnten weder Königin noch Drohnen überleben. Im Unterschied zur Königin erhalten Arbeiterbienen nur in den ersten Tagen ihrer Entwicklung Gelée royale, anschließend wird ihre Ernährung auf eine Mischung aus Honig, Pollen, Nektar und Wasser umgestellt. Nach 21 Tagen ist ihre Entwicklung abgeschlossen und die Arbeiterbiene übernimmt in den nächsten Wochen – ihrem Alter und ihrer Drüsenfunktion entsprechend – die anfallenden Arbeiten im Bienenstock. Tag und Nacht und ausschließlich für das Gemeinwohl. Besitz und Eigentum kennt die Biene nicht. In dieser Hinsicht können die wahrhaft fleißigen Bienen durchaus beispielgebend sein für ein funktionierendes Sozialleben im Dienste der Allgemeinheit und für das eigene Fortbestehen.

„Es geht zu, wie in einem Bienenstock” – und das schon vor dem Stock: Wenn sich Tausende Bienen auf Nektarsuche begeben, kann es am schmalen Ein- und Ausgang zum Stock mitunter eng werden.