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Thomas Kiehl

DIE AMEISENFRAU

THRILLER

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Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

ISBN: 978-3-7109-0082-2

Murphy’s Law

»Anything that can go wrong will go wrong.«

(»Alles, was schiefgehen kann, wird schiefgehen.«)

Captain Edward A. Murphy

Inhalt

Die heimlichen Herrscher der Erde

Schwarzwald

1Amazonas

2Berlin-Steglitz

3Berlin-Steglitz

4Berlin-Kreuzberg

5Berlin-Steglitz

6Tansania

7Berlin-Steglitz

8Berlin-Steglitz

9Berlin-Steglitz

10 Berlin-Friedrichshain

11 Berlin-Steglitz

12 Berlin-Friedrichshain

13 Berlin-Friedrichshain

14 Berlin-Friedrichshain

15 Berlin-Charlottenburg

16 Amsterdam

17 Berlin-Charlottenburg

18 Niederländischer Luftraum

19 Berlin-Steglitz

20 Berlin-Moabit

21 Berlin-Charlottenburg

22 Berlin-Friedrichshain

23 Berlin-Friedrichshain

24 Neuruppin

25 Darß

26 Ahrenshoop

27 Berlin-Steglitz

28 Berlin-Steglitz

29 Berlin-Charlottenburg

30 Berlin-Charlottenburg

31 Berlin-Charlottenburg

32 Berlin-Plänterwald

33 Berlin-Charlottenburg

34 Berlin-Steglitz

35 Berlin-Charlottenburg

36 Berlin-Charlottenburg

37 Berlin-Charlottenburg

38 Berlin-Charlottenburg

39 Berlin-Tempelhof

40 Berlin-Kreuzberg

41 Berlin-Kreuzberg

42 Irgendwo in der Nähe von Berlin

43 Berlin-Kreuzberg

44 Irgendwo in der Nähe von Berlin

45 Berlin-Charlottenburg

46 Irgendwo in der Nähe von Berlin

47 Berlin-Charlottenburg

48 Berlin-Kreuzberg

49 Berlin-Steglitz

50 Berlin-Tiergarten

51 Berlin-Steglitz

52 Amazonas

53 Berlin-Charlottenburg

54 Berlin-Charlottenburg

55 Berlin-Charlottenburg

56 Berlin-Plänterwald

57 Berlin-Charlottenburg

58 Berlin-Friedrichshain

59 Berlin-Tempelhof

60 Berlin-Friedrichshain

61 Berlin-Tempelhof

62 Berlin-Friedrichshain

63 Berlin-Tempelhof

64 Berlin-Friedrichshain

65 Berlin-Tempelhof

66 Berlin-Friedrichshain

67 Berlin-Tempelhof

68 Berlin-Tiergarten

69 Berlin-Tempelhof

70 Berlin-Tiergarten

71 Berlin-Steglitz

72 Ostsee

73 Ostsee

74 Ostsee

Nachwort und Anmerkungen

Danksagung

Die heimlichen Herrscher der Erde

Ein Ameisenstaat besteht aus bis zu zwanzig Millionen Tieren. Das ist so viel wie siebenmal Berlin, dreimal London oder zweimal New York City. Biologen wollen sogar eine Ameisenkolonie mit mehreren Milliarden Ameisen entdeckt haben.

Die einzelne Ameise kann nicht viel. Zusammen mit ihren Artgenossen ist sie jedoch in der Lage, Probleme zu lösen. Damit hat ein Ameisenstaat im Kollektiv bereits die Intelligenz eines Affen und somit eines zweijährigen Kindes.

Aufgrund ihrer Intelligenz und enormen Fähigkeit, sich anzupassen, bevölkern Ameisen unseren Planeten schon seit mehreren Millionen Jahren. Ihre Vorfahren kannten noch die Dinosaurier. Und auch wir werden wohl für ihre Nachfahren nichts anderes sein als eine Art, die für kurze Zeit IHREN Planeten bevölkerte.

Schwarzwald

Sonnenstein-Klinik
2 Jahre zuvor

Vor sich sah sie eine Frau mit schwarzen, zerwühlten Haaren. Die Frau war blass, hatte tiefe Ringe unter den Augen und machte den Eindruck, als hätte sie die letzten Wochen kaum geschlafen. Ihr Blick wirkte leer. Sie stand in ihrem kurzen Nachthemd vor einem Bett mit einem schmucklosen, weißen Metallrahmen und starrte in den Spiegel.

Wie hatte es nur so weit kommen können?

Wenn sie vorher von Burn-out gehört hatte, hatte sie das immer als lächerlich abgetan. Das hatte sie natürlich nicht gezeigt, keine Frage, so viel Gefühl für Political Correctness hatte sie dann doch noch. Aber dass sie Mitleid mit den Betroffenen verspürt hätte, nein, das konnte sie wahrlich nicht behaupten. Für Lena stand fest: Jede Epoche hatte ihre Modekrankheiten, und Burn-out war für sie eindeutig die Modekrankheit des 21. Jahrhunderts, die sich jeder, der mal ein paar Monate Auszeit benötigte, zulegte.

Doch manche Dinge ließen sich einfach nicht nachempfinden. Man musste sie selbst erleben, damit man sie begriff.

Der Prozess war schleichend gewesen. Als man sie danach fragte, wann es eigentlich begonnen hatte, konnte sie keine Antwort geben. Vielleicht in dem Moment, als ihr Institutsleiter Theo Ziehmer angeboten hatte, auch noch den Job eines Kollegen zu übernehmen. Vielleicht aber auch schon früher. Eigentlich wusste sie nur, wie es geendet hatte. Eines Morgens war sie aufgewacht und hatte sich nicht mehr bewegen können. Es war wie verhext. Sie wollte funktionieren, konnte aber nicht. Aus ihrer Arbeit, die ihr immer Spaß gemacht hatte, war eine Folterbank geworden.

Die Ärzte sprachen von der fehlenden Anerkennung ihres Chefs. Und es stimmte. Es war schwer, Ziehmer etwas recht zu machen. Gerne zitierte der Schwabe seine Lieblings-moral: »G’schimpfed is g’lobad gnua.« Dennoch bezweifelte Lena, dass es allein an Ziehmer gelegen hatte. Nachtschichten waren bei ihr von der Ausnahme zur Regel geworden, ohne dass er – oder sonst wer – es von ihr verlangt hätte. Sie selbst wollte immer schneller, höher, besser sein, einem inneren Antrieb folgend, der sich schwer erklären ließ.

Die Ärzte diagnostizierten eine Depression. Die Bezeichnung Burn-out war anscheinend nicht mehr »in«. Doch letztlich war es egal, wie man das Kind nannte.

»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich einen neuen Beruf zu suchen?«, hatte sie ein junger Psychologe der Klinik in einem Gespräch gefragt.

»Warum? Ich habe meine Arbeit immer geliebt.«

»Na ja. Nicht alles, was man liebt, ist auch immer gut für einen.« Der junge Arzt sah sie lange lang. »Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, sich auf Ameisen zu spezialisieren?«

»Wieso fragen Sie?«

»Es ist ein doch eher ungewöhnliches Fachgebiet – Ameisenforscherin.« Er zupfte sich seinen Kittel zurecht. »Außerdem sind Sie eine intelligente, junge Frau. Ihnen hätten sicherlich viele Türen offen gestanden. Da wirkt ein solch spezielles Forschungsgebiet erst einmal überraschend. Ameisen … na ja …« Er suchte nach Worten. »Und die Forschung. Der Druck, sich beweisen zu müssen, ist in der Forschung doch sicherlich immens?«

Da hatte er nicht unrecht. Lenas Passion für die Forschung und Ameisen war nicht ganz einfach zu erklären. »Warum studieren Menschen wie Sie Psychologie?«

Der junge Arzt lächelte. »Sagen Sie es mir.«

»Ich glaube, weil sie mehr über sich selbst erfahren wollen.«

»Ist das die Antwort?«, fragte der Arzt. »Sie sind Ameisenforscherin geworden, weil Sie mehr über sich selbst erfahren wollten?«

Lena nickte. »Ich denke schon.«

»Wie meinen Sie das genau?«

»Es geht um Fragen, wie Zusammenhalt funktioniert und Gemeinschaft. Ein Ameisenstaat ist das beste Beispiel für kompromisslosen Zusammenhalt und Altruismus.« Lena atmete tief durch. Szenen aus alten Tagen drängten sich ihr auf, Szenen, in denen geschrien wurde und am Ende jemand eine Tür ins Schloss schmiss. »In meiner Familie gab es das nie. Meine Eltern sind geschieden. Für die stand ihr Beruf immer an erster Stelle. Und mit meinem Bruder kann ich nichts anfangen. Wenn nichts Wichtiges ansteht, telefonieren wir einmal im Jahr zu unseren Geburtstagen.«

»Und Freunde?«

Lena überlegte. Konnten Freunde jemals die Familie ersetzen? Diese Frage hatte sie sich schon oft gestellt, ohne eine befriedigende Antwort darauf zu finden. »Ich lebe allein. Und wirkliche Freunde habe ich auch eher wenige.«

»Warum?«

Lena zuckte mit den Schultern. »Ich würde es gerne auf die sozialen Medien schieben. Aber daran liegt es zumindest bei mir nicht. Es hat sich im Laufe der Jahre so ergeben. Vielleicht ein zunehmender Egoismus? Und da nehme ich mich selbst gar nicht aus … Was weiß ich … Gemeinschaft, was zählt das heute noch? Alle kämpfen doch nur noch für sich. Oder nehme nur ich das so wahr?«

Es entstand eine längere Pause.

»Sie müssen lernen, Ihren Job nicht so ernst zu nehmen, vor allem ihm nicht mehr diesen ausschließlichen Stellenwert einzuräumen. Dabei können Freunde, die Ihnen genauso wichtig sind wir Ihr Job, helfen. Versuchen Sie öfter mal loszulassen.«

Er hatte ja recht, obwohl Lena bezweifelte, dass er wusste, was das in der Praxis bedeutete. Denn mit dem Loslassen war das leider so eine Sache. Es gab Phasen, da funktionierte es, und es gab Phasen, da funktionierte es überhaupt nicht. Da war sie wie gelähmt, nur umgekehrt. Wenn sie dann nicht arbeitete oder zumindest ihre Konzentration auf irgendetwas anderes richtete, stieg eine Unruhe in ihr auf, für die sie keine Ursache fand und die sie nicht unter Kontrolle bekam. Eine Angst, für die es vielleicht eine ganz andere Erklärung gab, als ihr die Ärzte einzureden versuchten. Eine Angst nämlich, die, wie sie erfahren sollte, nicht nur sie beherrschte.

1Amazonas

30 Kilometer östlich von Manaus
1 Jahr zuvor

Erste Sonnenstrahlen dringen durch die Äste und das dichte Grün. In der Ferne hört man das Brüllen von Affen. Man sieht eine Machete, die sich durch Lianen und jede Menge Gestrüpp kämpft. Umgefallene Bäume werden überwunden. Dann versperrt ein kleiner Fluss den Weg. Das Geräusch von leise rauschendem Wasser. Vögel beginnen zu zwitschern. Ihr Gesang klingt fröhlich, als freuten sie sich über den beginnenden Tag. Doch wer die Vögel kennt, der weiß, sie verkünden den Tod.

»Zurück in den Dschungel! Hört ihr sie nicht?«

Ein paar Blätter streifen die nervös hin und her schwenkende Kamera. Im Hintergrund nähert sich ein zunehmend lauter werdendes Rascheln, wie wenn der Wind auffrischt und durch trockenes Laub bläst. Nur dass es absolut windstill ist, die Luft steht.

Und dann sieht man ihn plötzlich, den Strom der Flüchtlinge. Sie rennen um ihr Leben. Die ersten scheinen noch unversehrt, doch die, die ihnen folgen, sind bereits gezeichnet. Ihnen fehlen Arme, Beine. Sie haben kaum noch Chancen zu überleben, denn ihre Verfolger kennen keine Gnade.

Wie ein schwarzer Schatten schieben sich die Ameisen über den Boden. In ihrer Gesamtheit bilden sie eine zwei Meter breite und fünfzehn Meter lange Armee. Ihre liderlosen Augen wirken tot. Nicht so die Fühler. Sie bewegen sich pausenlos, als wären sie die Schlangen auf dem Kopf der Medusa. Die Abertausenden von Beißscheren lassen nichts los, was sie einmal zu greifen bekommen haben. Beine von flüchtenden Insekten werden abgeschnitten, ganze Frösche transportiert.

»Sie sind da!«, hört man eine Stimme rufen.

Eine junge Frau lächelt in die Kamera.

Ein letzter Schwenk auf den sich nähernden dunklen, lebendigen Fluss.

Dann wird alles schwarz.

Und Ende.

2Berlin-Steglitz

Institut für Biologie, großer Hörsaal
03. Mai, 10.55 Uhr

Die Leuchtstoffröhren starteten durch und tauchten den Raum in plötzliches Hell. Viktor rieb sich die Augen. Dann sah er zum Pult hinunter.

Da stand sie, noch geblendet vom weißen Beamerlicht, Lena Bondroit, die Frau aus dem Film.

Ihr Outfit überraschte ihn. Er hatte bei einer Biologin mit einem anderen Look gerechnet, vielleicht einer Cargo-hose, einer Batikbluse samt indischem Seidentuch um den Hals. Doch Bondroit sah in ihrem perfekt sitzenden Kostüm eher aus wie eine Managerin bei der Vorstellung der Quartals-geschäftszahlen. Oder eine Messehostess. Viktor musste grinsen. Manchmal kam es nur darauf an, ob man vor oder auf der Bühne stand. Die schwarzen Haare, die ihr im Film wild durcheinander über den Schultern gehangen hatten, waren zu einem Dutt zusammengebunden, was sie strenger wirken ließ. Nach dem, was er bisher über sie erfahren hatte, galt sie als niemals müde werdende Arbeitsbiene.

Bondroit räusperte sich. Dann sprach sie in das am Pult angebrachte Mikrofon. »Weiß jemand von Ihnen, welche Ameisenart wir zuletzt in dem Film gesehen haben?«

Ein paar Finger schnellten nach oben.

Bondroit zeigte auf eine Studentin.

»Die südamerikanische Wanderameise.«

»Richtig«, kommentierte Bondroit. »Die Eciton burchelli. Wenn sie morgens aufbrechen, verziehen sich sogar die großen Tiere. Wer nicht schnell genug fliehen kann, wird gefressen. Entweder von ihnen oder den sie begleitenden Ameisenvögeln, die sich gerne an den aufgeschreckten Insekten bedienen. An dem Gesang der Ameisenvögel erkennt man übrigens gut, wo die Ameisen gerade ihre Raubzüge vollziehen. Das Land, das sie hinterlassen, ist am Abend so frei von Insekten, dass sie am nächsten Morgen in eine andere Richtung losziehen müssen, um neue Beute und Nahrung zu finden.« Bondroit sah auf die Uhr. Dann richtete sie sich erneut an die Studenten. »Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit möchte ich die Vorlesung an dieser Stelle beenden. Wer sich bezüglich der Eciton burchelli oder ihrer afrikanischen Schwestern noch weiter informieren möchte, den verweise ich auf die Seiten 230 fortfolgende in meinem Ihnen bereits bekannten Buch. Wir sehen uns nächste Woche zur gleichen Zeit. Noch Anmerkungen oder Fragen?«

Applaus und das obligatorische Geklopfe auf den Tischen.

»Keine Fragen?«, wiederholte Bondroit und sah die Ränge entlang.

Ein Student meldete sich, doch das schien die anderen nicht mehr zu interessieren. Die meisten waren bereits aufgestanden und begannen ihre Sachen zusammenzupacken. Viele unterhielten sich lautstark.

»Ruhe!«, rief Bondroit.

Niemand reagierte. Viktor hatte sogar das Gefühl, dass es eher noch lauter wurde. Ein Papierflieger segelte durch den Saal. Die ersten Studenten drängten sich aus den Reihen.

»Ruhe!«, hörte er sie ein weiteres Mal rufen. Keiner kümmerte sich darum.

Gerade wollte auch Viktor aufstehen, da schallte ein ohrenbetäubender Knall durch den Saal. Augenblicklich war es mucksmäuschenstill. Die Studenten, die sich gerade noch lautstark über ihre Wochenendpläne unterhalten hatten, zuckten zusammen und verschanzten sich hinter den Tischen.

Viktors Muskeln spannten sich. Geduckt wandte er sich nach oben in Richtung Hörsaaltür in der Befürchtung, dort jemanden mit einem Präzisionsgewehr stehen zu sehen. Doch die Tür war geschlossen. Dann wanderte sein Blick auf der Suche nach der Schusswaffe durch den Saal.

»Ein wenig mehr Respekt und Manieren, meine Damen und Herren«, hörte er Bondroits Stimme durch den Raum hallen.

Zum Glück, sie lebte noch. Er blickte zum Pult und sah, wie Bondroit eine Pistole in ihrer Handtasche verschwinden ließ. Dann hüstelte sie ins Mikrofon. »Solch eine Undiszipliniertheit würde es bei den Ameisen nie geben. Deshalb haben sie es auch – trotz ihrer vergleichsweise geringen individuellen Intelligenz – so weit gebracht. Ich würde vorschlagen, Sie setzen sich noch einmal hin und warten ab, bis ich die Frage Ihres Kommilitonen beantwortet habe.«

»Jean!«, hörte Viktor einen Studenten seinem Nachbar zuflüstern. »Sie ist genau wie Jean.«

3Berlin-Steglitz

Institut für Biologie, großer Hörsaal
03. Mai, 11.05 Uhr

Die Studenten starrten sie an, einige belustigt, andere mit einer Mischung aus Respekt und Faszination. Die Schreckschusspistole trug sie eigentlich für andere Zwecke bei sich, als damit in Vorlesungen um sich zu schießen. Sie musste an Jean denken. Und sie musste an das denken, was sie mit dem Schuss möglicherweise angerichtet hatte.

Vor ihrem inneren Auge prüfte Lena bereits ihren Kontostand. Ihre Fixkosten waren beachtlich. Miete, Krankenkasse, private Altersvorsorge. Dann noch die ganzen Versicherungen: Haftpflicht, Unfall, Rechtsschutz, Auto. Sogar für ihr sündhaft teures Handy hatte sie sich eine aufschwatzen lassen. Wie lange würden ihre Ersparnisse reichen? Ein halbes Jahr? Bei ihrem Ausgabeverhalten wohl eher drei Monate. Sicher, es gab Arbeitslosengeld und Sozialhilfe. Doch wer konnte davon schon leben? Sie auf jeden Fall nicht.

Sie hätte sich selbst ohrfeigen können. War sie jetzt vollkommen durchgedreht? In Zeiten, in denen man in jeder zweiten Mülltonne eine Bombe vermutete, mit einer Schreckschusspistole um sich zu schießen? Sie konnte nur hoffen, dass sich ihre Aktion nicht bis zu Ziehmer herumsprechen würde. Ihr wurde ganz schlecht bei dem Gedanken.

Hör auf, gleich immer alles zu dramatisieren, befahl sich Lena. Noch war doch gar nichts passiert. Ein Schuss aus einer Schreckschusspistole. Na und! Würde er sie deswegen wirklich feuern? Konnte er das überhaupt?

Natürlich konnte er. Und er würde, wenn es ihm gerade in den Kram passte oder es nötig war, seinen eigenen Hintern zu retten. Auch wenn Menschen wie Ameisen Staaten bildeten, hieß das noch lange nicht, dass sie ebenso altruistisch und sozial waren wie diese Winzlinge. Menschen ging es nur bedingt um ihre »Schwestern« und »Brüder«. Sie würden sich ohne Druck nie dem Kollektiv oder ihrem Nächsten opfern. Das eigene Überleben stand immer noch an oberster Stelle. Und bei Ziehmer sowieso.

Dieses respektlose Studentenpack! Am liebsten hätte sie sie alle durch die nächste Prüfung fallen lassen. Dabei wusste Lena nur zu gut, dass die Studenten nur die eine Seite des Problems waren. Das größere Problem war leider sie selbst.

Vorsichtig bahnte sie sich ihren Weg durch die noch immer im Raum verharrenden Studenten hinauf Richtung Ausgang. Nur wenige hatten vor ihr den Hörsaal verlassen. Es kam ihr vor, als warteten sie auf eine Steigerung dessen, was gerade passiert war und was zweifelsohne für unterhaltsame Gespräche in der Mensa sorgen würde. Viele von ihnen tippten wild auf ihren Smartphones herum. Wahrscheinlich gab es schon erste Videos im Netz. Andere sahen sie einfach nur ungläubig an, wie geblendete Rehe im Lichtkegel eines auf sie zurasenden Lastwagens.

»Frau Bondroit?«

Ein großer, südländisch wirkender Mann mit längeren braunen Haaren hechtete hinter ihr her. Er war bestimmt Mitte dreißig und trug einen Anzug, also sehr wahrscheinlich eher keiner ihrer Studenten. »Ja, bitte?«

»Viktor Callenberg, mein Name. Ich bin vom Verein ProNomadentum. Hätten Sie ein paar Minuten für mich?«

ProNomadentum? Von einem Verein mit diesem Namen hatte Lena noch nie gehört. Klang für sie sehr nach Spenden für die Dritte Welt.

»Worum geht es denn?«

Der Fremde sah sich um. Immer noch kamen Studenten aus dem Saal. »Könnten wir vielleicht unter vier Augen?«

Geheimniskrämer, ging es Lena durch den Kopf. Und hinter Geheimniskrämern steckten meistens Verrückte oder Wichtigtuer, die anderen Menschen Zeit und Nerven stahlen. Wenn er Geld wollte, sollte er besser woanders vorstellig werden.

»Ich habe nicht besonders viel Zeit«, log sie. In Wirklichkeit war sie jetzt einfach nicht in der Stimmung, sich eine herzzerreißende Geschichte über verarmte Nomadenkinder anzuhören. Außerdem ging ihr der Pistolenschuss nicht aus dem Kopf. Da musste sie unbedingt etwas unternehmen. Vielleicht wäre es sinnvoll, Ziehmer selbst davon in Kenntnis zu setzen, bevor es andere taten. Sie könnte vorgeben, dass es sich um ein Experiment gehandelt habe. Irgendetwas aus dem Bereich Verhaltensforschung. Ihr würde da schon was einfallen.

Erneut sah sich der Mann um. Erst als er sich vergewissert hatte, dass niemand in Hörweite war, wandte er sich wieder an sie. »Bitte. Nur ein paar Fragen.«

Sein ernster Blick drückte eine gewisse Dringlichkeit aus, die sie zugegebenermaßen neugierig machte. »Sie müssen mir schon sagen, worum es geht.«

»Um die Selbststeuerung von biologischen Systemen. Sie haben dazu einiges veröffentlicht«, sagte der Mann. »Und ich würde gerne mehr darüber …«

Da ertönte Bachs »Wohltemperiertes Klavier« aus Lenas Handtasche und schnitt dem Mann das Wort ab.

»Geht es etwas genauer?«, fragte Lena, während sie ihr Handy herauskramte und auf das Display sah.

»Es geht um das Phänomen der Angst in unserer Gesellschaft.«

»Entschuldigen Sie!« Lena hatte schon gar nicht mehr richtig zugehört. Dass es sich so schnell zu Ziehmer rumsprechen würde, hätte sie nicht gedacht. Sie zeigte auf ihr Handy. »Der Institutsleiter. Da muss ich ran.«

»Soll ich warten?«, fragte der Mann.

Lena, die mit ihren Gedanken schon ganz bei ihrem Pistolenschuss und einer möglichst guten Ausrede war, schüttelte den Kopf. »Schauen Sie mal im Internet. Ich habe eine offene Sprechstunde.« Dann nahm sie ab und ging in Richtung Ausgang.

4Berlin-Kreuzberg

Vereinsbüro ProNomadentum
03. Mai, 12.30 Uhr

Als Viktor das Büro betrat, starrte Nedjo gerade auf das Foto eines afrikanischen Stammesoberhauptes. Viktor sah ihm über die Schulter. Der Afrikaner blickte skeptisch in die Kamera. Er schien dem Gerät oder dem Menschen hinter der Kamera nicht zu trauen, aber davon abgesehen wirkte er, als könnte ihn so schnell nichts aus der Ruhe bringen.

»Und wie sieht es aus? Sind die Samburu auch dabei?«, fragte Viktor. Nedjos gesamtes Büro war mit Fotos von Häuptlingen oder Oberhäuptern nomadischer Stämme und Völker zugepflastert, die bereits bei ihnen Mitglied waren.

Nedjo sah von dem Foto auf. Er legte sich seine Haare hinter die Ohren, dann grinste er Viktor breit an. »Natürlich!« Er heftete das Foto an die Wand, an einen Fleck, der noch unbesetzt war.

»Gratuliere!«

»Danke.« Nedjo rieb sich die Finger, jeder einzelne von ihnen mit mindestens zwei Ringen bestückt. »Und bei dir? Wie war dein Treffen?«

»Frag nicht.«

»Hat sich die These von Meier bestätigt?«

»Bislang nicht.«

»Was ziehst du dann so ein Gesicht?«

»Sie wollte nicht mit mir sprechen.«

»Trotz …« Nedjo brach in schallendes Gelächter aus. Er zeigte auf Viktors Anzug. »Dabei hast du dich …« Er hielt sich den Bauch vor Lachen. »… so schick gemacht.«

»Idiot«, fauchte Viktor. Er sah an sich herab. In der Tat hatte er gehofft, dass er mit dem Anzug seriöser wirken und sich Bondroit direkt für ihn Zeit nehmen würde. Er blickte zu Nedjo, der immer noch lachte. Und dann konnte er plötzlich nicht anders, als mitzulachen.

»Und jetzt?«, fragte Nedjo, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten.

»Sie hat mich auf ihre offene Sprechstunde verwiesen.«

»Klingt zumindest nicht hoffnungslos«, witzelte Nedjo. »Und Meier?«

»Mit dem rede ich noch mal.« Viktor musste an sein letztes Gespräch mit dem Journalisten denken. Er hatte immer mehr Bedenken geäußert. Dabei war er vorher völlig überzeugt gewesen, hatte sogar eine interessante neue Spur verfolgt, wie er ihm erzählt hatte.

»Aber wenn er abspringt?«, fragte Viktor.

»Dann machen wir ohne ihn weiter«, sagte Nedjo bestimmt. »Es ist unsere Pflicht, diesen Mist aufzudecken. Wir kämpfen für eine Welt ohne Grenzen. Und nicht nur die zwischen Staaten. Die Grenzen fangen im Kopf an.« Er tippte sich an die Stirn. »Die Angst ist die größte Grenze, die ich kenne. Ich will, dass diese Manipulation aufhört. Und du«, er zeigte auf Viktor, »willst das auch.«

Natürlich wollte er das. Deswegen hatte er sich ja Nedjo angeschlossen. Doch was wäre, wenn sie sich täuschten?

»Hast du den Artikel von dieser Ameisenforscherin eigentlich endlich gelesen?«

»Nö.« Nedjo lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Interessiert mich nicht, dieses Selbststeuerungsgefasel. Von wegen, das geschieht automatisch und systembedingt. Da steckt zwar System dahinter, aber eines der gezielten Steuerung und Manipulation. Man muss schon äußerst ignorant sein, wenn man nicht wahrnimmt, was da läuft.«

Nedjo hatte nie auch nur einen Hauch daran gezweifelt, dass es die ORG gab. Er hatte von dieser Organisation von einem ehemaligen Mitarbeiter erfahren, jemanden, den Viktor jedoch nie kennengelernt hatte, weil er auf einmal spurlos verschwunden war. Für Nedjo war das nur ein zusätzlicher Beweis für die Existenz der ORG.

»Na ja. So leicht lässt sich Meiers Argument nicht abtun. Ich habe versucht, Meier zu überzeugen, aber er will Beweise, stichhaltige Indizien. Und die haben wir nicht.«

Nedjo winkte ab. »Es gibt die ORG. Und wir sind nicht die Einzigen, die das glauben. Es traut sich nur leider niemand wirklich an das Thema ran. Bestell deinem Journalistenfreund von mir, er soll einfach raus mit der Geschichte. Dann werden sie sich bestimmt zeigen.«

»Vielleicht solltest du noch mal mit ihm reden.«

»Du machst das schon. Geduld, mein Lieber.«

Viktor drückte sich von der Wand. »Der große Nedjo hat gesprochen.« Er ging in sein Büro und setzte sich an den Computer.

Viktors Büro war im Gegensatz zu Nedjos, das mit Pflanzen, Bücherstapeln und einem Perserteppich völlig zugepflastert war, fast leer. Ein Tisch, darauf ein Laptop, ein Stuhl. An der Wand hing ein Banner ihrer letzten Demonstration: »Wer sich nicht bewegt, ist nicht!« Mehr nicht. Viktor öffnete den Browser und ging die neuesten Nachrichten nach Auffälligkeiten durch. Es hatte einen kleineren Anschlag in Frankreich gegeben, der größere Berichte in sämtlichen Medien nach sich zog. Sonst die übrigen trüben Neuigkeiten über die Welt, aus denen jeder halbwegs intelligente Erdenbürger herauslesen konnte, dass sich die Menschheit in nicht allzu ferner Zukunft auf die eine oder andere Art auslöschen würde.

»Viktor!«

Was denn jetzt noch? Viktor stand auf und ging zurück in Nedjos Büro.

»Was?«

»Mach dir keinen Kopf. Irgendwann finden wir sie.« Nedjo zeigte auf seinen Bauch. »Das sagt mir mein Bauch. Und der lag noch nie falsch. Aber weißt du was, der sagt mir auch noch etwas anderes: Hunger!«

Viktor sah auf die Uhr. Abgesehen davon, dass Nedjo immer Hunger hatte, war es wirklich langsam Zeit fürs Mittagessen. »Gehst du?«

Nedjo schüttelte den Kopf und sah ihn erwartungsvoll an.

»Komm schon. Ich war gestern«, wendete Viktor ein. Immer drückte sich Nedjo, wenn es darum ging, das Essen zu besorgen.

»Aber ich muss noch beim Amt anrufen«, sagte Nedjo grinsend. »Wegen unserer geplanten Demo vor dem Bundestag. Da haben wir immer noch keine Genehmigung. Wenn ich das später mache, ist da keiner mehr.«

»Es ist doch gerade mal eins.«

Nedjo zuckte mit den Schultern. »Willst du anrufen?«

»Ist ja gut.« Viktor verließ das Zimmer. Dann hörte er, wie ihm sein Freund noch etwas hinterherrief. Er kehrte um und lehnte sich durch die Tür. »Was?«

»Wo du gerade stehst … Setz uns doch noch einen Kaffee auf.«

Dieses alte Zigeunerschlitzohr! Für jemanden, der früher einmal mit Großfamilie und Wohnwagen durch halb Europa getingelt war, war er ziemlich bequem geworden. Es wurde Zeit, dass man dem Jungen ein wenig Feuer unter dem Hintern machte.

»Hey, Sie, alles okay?«

Ein Feuerwehrmann rüttelte an seinem Arm. Viktor konnte nur schwer verstehen, was er sagte, es war, als ob seine Ohren voller Watte waren. Sein Blick war verschwommen, er schüttelte sich und ließ sich dann von dem Mann in den Stand ziehen. Wo war er? Und wie war er hierhergekommen?

Er sah sich um und erkannte den Hinterhof des Gebäudes, in dem sie ihr Büro hatten. Was war passiert? Und warum hatte er bewusstlos am Boden gelegen?

Erst jetzt bemerkte er den Rauch, der wie schwerer Dunst über ihnen hing und in dicken Schwaden aus den Fenstern des gesamten ersten Stockwerks qualmte. Ein paar Feuerwehrleute mit Atemschutzmaske rannten an ihnen vorbei in das Gebäude.

Nedjo!, schoss es Viktor sofort durch den Kopf. Nedjo war noch im Gebäude!

Er wollte den Feuerwehrmännern hinterherrennen, wurde jedoch von der Hand, die ihm aufgeholfen hatte, zurückgehalten.

»Sie können da nicht rein!«

»Aber mein Freund ist da noch drin!«, schrie Viktor. Er schaffte es, sich loszureißen, und stürmte zum Hintereingang. Doch schon nach wenigen Metern im Haus merkte er, dass das keine gute Idee war. Die Hitze, der Rauch. Es schlug ihn zurück, er bekam kaum noch Luft. Ein Hustenanfall überkam ihn. Dann wurde ihm schummrig vor Augen. Er spürte noch, wie ihn ein paar Hände ergriffen und aus dem Flur ins Freie zogen.

5Berlin-Steglitz

Institut für Biologie
04. Mai, 13.00 Uhr

Kaum hatte die erste Ameise die frisch aufgeschnittene Heuschrecke entdeckt, waren auch schon die anderen zur Stelle. Jetzt machten sie sich gemeinsam an den Verzehr der eiweißreichen Kost. Drei hatten sich bereits so weit unter den Panzer der Heuschrecke durchgebissen, dass sie nicht mehr zu sehen waren. Hätte Lena mehr als die paar Ameisen in dem kleinen Becken gehalten, würde sie von der Heuschrecke innerhalb von einer Stunde nur noch den ausgehöhlten Panzer finden.

In Gedanken versunken stand sie vor dem Regal in ihrem Labor und starrte in das Becken. Darin lebten einige Exemplare der Monomorium pharaonis, die sie vor einer Woche in einer Verpackung mit Lychees gefunden hatte. Eigentlich hätte sie sie sofort töten müssen.

Die Pharaoameisen, im Volksmund auch Pest-Ameisen genannt, konnten eine wahre Seuche sein. Einmal im Haus, wurde man die Winzlinge kaum mehr los. Lena fand sie ausnahmslos faszinierend. Entgegen der in Deutschland bekannten Ameisenarten, waren die Pharaoameisen selten größer als zwei Millimeter. Kein Schlitz, kein Loch war ihnen zu klein, um darin ein Nest zu bauen. Zudem hatten Pharaoameisen nicht nur eine Königin, deren Eliminierung dazu führte, dass der Staat ausstarb, sondern Tausende. Und sie liebten Eiweiß, am liebsten frisches.

Den Vormittag über hatte Lena dazu genutzt, ihren Vortrag über die Acromymex octospinosus, eine Unterfamilie der Blattschneiderameisen, für einen anstehenden Kongress in Amsterdam in zwei Tagen weiter auszuarbeiten. Eigentlich war sie gut vorangekommen. Bis ihre Arbeit ins Stocken geriet.

Sie hasste es, wenn das passierte. Warum konnte ihr Oberstübchen nicht einfach arbeiten wie eine gut geschmierte Maschine und dann Pause machen, wenn sie es wollte?

Sie sah auf die Uhr. Kurz vor eins. Eigentlich hatte sie schon längst fertig sein wollen. Aber seit einer halben Stunde lenkte sie einfach alles ab: jedes Geräusch auf dem Gang, jede E-Mail und vor allem ihr Handy. Drei Mal schon hatte sie es auf neue Nachrichten überprüft, obwohl ihre Freundin gerade irgendwo mit ihrem neuen Lover in Südamerika herumreiste und daher wenig von sich hören ließ. Ein wenig enttäuscht war Lena schon, wie schnell man abgeschrieben war, wenn die Hormone zuschlugen.

Sie blätterte zwei Folien zurück. Die Überschriften hatten nichts Packendes und passten nicht zu den Bildern auf dem Chart. Zudem hatte sie den Eindruck, dass die Geschichte, die sie erzählen wollte, noch keinen roten Faden hatte.

Nach einer weiteren halben Stunde gab sie auf. Sie brauchte jetzt einen Kaffee vom Italiener um die Ecke. Vielleicht würde sie sich dann leichter tun. Mit einem Regenschirm bewaffnet verließ sie das Institut. Auf der Straße war aufgrund des Regenwetters wenig los. Eine Frau hetzte in Richtung Bushaltestelle. Ein paar Meter von ihr entfernt hielt ein Taxi. Lena atmete tief durch. Frische, feuchte Luft durchströmte ihre Lungen. Wie gut das tat!

Gerade hatte sie die Straße überquert, als sie hinter sich jemanden ihren Namen rufen hörte. Sie drehte sich um und sah, wie ein leicht untersetzter Mann hinter ihr her eilte.

»Frau Bondroit?«

Lena hielt an. »Ja?« Sie hatte ein schlechtes Namensgedächtnis, aber dafür ein gutes für Gesichter. Sie war sich sicher, den kleinen Mann mit der unvorteilhaft frisierten Halbglatze noch nie gesehen zu haben. Auf dem Revers seines Mantels entdeckte sie ein paar Schuppen. »Kennen wir uns?«

Der Mann war außer Atem und schnappte nach Luft. »Ich Sie, Sie mich wahrscheinlich nicht.« Er sagte das mit etwas Frechem in seinem Blick, das ihn wie ein in die Jahre gekommener Lausbub aussehen ließ. »Gottfried Meier mein Name, von der Online-Zeitung AnderZeit.« Er holte erneut Luft. »Ich habe mehrfach versucht, Sie im Institut zu erreichen, um Sie um einen Termin zu bitten. Aber da ging nie jemand ran. Da dachte ich mir, ich schaue einfach mal vorbei.« Er rückte seine runde Brille zurecht und sah Lena verunsichert an.

»Worum geht es denn?«

»Nur ein paar Fragen zur Selbststeuerung von biologischen Systemen«, sagte Meier und fügte hinzu: »Sie haben so einen wunderbaren Artikel darüber geschrieben.«

Lena wusste sofort, von welchem Artikel Meier sprach. Auch sie fand, dass ihr der Beitrag gut gelungen war und sich die in ihm veröffentlichten Forschungsergebnisse sehen lassen konnten. Leider nur schienen ihre Kollegen das anders zu sehen. Von denen hatte sie kaum Reaktionen auf den Artikel erhalten. Man hatte ihr sogar vorgeworfen, nicht innovativ und provokativ genug zu sein. Dabei ging es ihr darum, über verlässliche Forschungsergebnisse zu berichten, und nicht, so wie es ihre männlichen Kollegen gerne taten, jedes halbe Jahr eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Aber leider waren sich Männer – auch wenn sie ihresgleichen gerne coram publico bloßstellten – in einem einig: Wo es um Erfolg geht, haben Frauen nichts zu suchen.

»Würde bestimmt nicht mehr als ein halbes Stündchen dauern«, sagte Meier. »Höchstens«, fügte er lächelnd hinzu.

Netter Versuch, dachte Lena. Wie sie Journalisten kannte, wurden aus einer halben Stunde schnell zwei und die hatte sie auf keinen Fall. Sie musste unbedingt noch ihren Vortrag fertig ausarbeiten. Aber irgendwie war sie neugierig geworden. »Zur Selbststeuerung, sagten Sie?« Ein wenig wunderte es sie schon, innerhalb von so kurzer Zeit gleich zwei Mal von Unbekannten auf ihren Artikel angesprochen zu werden. Vielleicht bekam er ja doch noch seine verdiente Anerkennung?

»Richtig.«

»Wollen Sie einen Artikel über meine Thesen und Forschungsergebnisse schreiben?«, fragte sie, denn wenn dem so wäre, wäre die Zeit vielleicht doch sinnvoll investiert. Zwar kannte sie AnderZeit nicht, aber etwas positive Publicity konnte nie schaden, erst recht jetzt, wo Ziehmer sie zum persönlichen Gespräch geladen hatte. Angeblich wollte er mit ihr über ihre letzten Forschungsprojekte sprechen und um das ewige Problem der fehlenden Gelder. Den Schuss im Hörsaal hatte er in ihrem gestrigen Telefonat nicht erwähnt, was aber nicht hieß, dass er davon nicht wusste und sie deswegen zur Rechenschaft ziehen würde.

»Auch wenn mir das wahrscheinlich eine Tür öffnen würde, muss ich zugeben, dass das eigentlich nicht mein Plan ist«, sagte Meier. »Es geht mir um die Recherche zu einem ganz anderen Thema. Aber wenn Ihnen ein Artikel über Ihre Forschungsergebnisse helfen würde … Ich finde es sehr spannend, was sie da herausgefunden haben. Warum eigentlich nicht?«

Die Ehrlichkeit von Meier überraschte Lena. Ihre bisherige Erfahrung mit Journalisten war eher eine andere. Und wenn am Ende tatsächlich ein Artikel dabei heraussprang? Man musste heutzutage schnell zugreifen, wenn es um die Aufmerksamkeit in den Medien ging. Die Schlange der Themen, die ebenfalls darauf warteten, entdeckt zu werden, war fast unendlich. Vielleicht ließ sich ja das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

»Ich wollte gerade einen Kaffee trinken.«

Meier begriff sofort. »Eine sehr gute Idee! Ich lade Sie selbstverständlich ein.«

Lena führte Meier in das italienische Café in der Nähe des Instituts. Dort nahmen sie an einem Zweiertisch am Fenster Platz. Nachdem sie sich beide einen Cappuccino bestellt hatten, beantwortete Lena bereitwillig Meiers Fragen, die sich allesamt um die Themen »kollektive Intelligenz« und »Selbststeuerung von Systemen« drehten.

»Aber warum interessiert Sie das alles?«, fragte Lena am Ende ihrer Ausführungen.

»Ist das so wichtig?« Meier sah sich um, als befürchtete er, dass jemand ihrem Gespräch lauschen könnte. Aber der Kellner stand hinter seinem Tresen, und die übrigen Gäste schenkten ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit.

»Ja, das ist es«, sagte Lena bestimmt. »Was weiß ich, wofür Sie die Ergebnisse meiner Forschungen nutzen wollen. Ich denke, ich habe ein Recht darauf zu wissen, mit welchem Thema ich in Zusammenhang gebracht werde.«

»Sie haben recht.« Meier lachte kurz auf, wurde dann aber sofort wieder ernst. Er überlegte. Dabei sah er sie lange an, als würde die Antwort auf ihre Frage von ihr abhängen.

»Ich höre«, legte Lena nach.

»Also gut«, sagte Meier. »Ehrlich gesagt … nach Ihren Ausführungen hat sich die Arbeit an meinem ursprünglichen Artikel wohl erledigt.«

»Warum?«, fragte Lena enttäuscht. »Worum sollte es denn gehen?«

Meier sah sich erneut um. »Das Ganze ist höchst vertraulich.«

»Ich bin Ameisenforscherin. Mein Gerede interessiert eh niemand«, beteuerte Lena, nicht ohne ironischen Unterton.

»Das Ganze ist recht brisant, vielleicht sogar gefährlich.«

»Ich bitte Sie!« Dass Männer ihre eigenen Themen immer für so wichtig erachteten, dass sie gleich ein Staatsgeheimnis daraus machen mussten. Ein ähnliches Verhalten war Lena schon bei einigen ihrer männlichen Studenten aufgefallen. Und auch bei diesem Viktor Callenberg, der sie in der Universität angesprochen hatte. »Gerade noch haben Sie gesagt, dass sich Ihre Story eh erledigt hat. Erzählen Sie schon!«

»Also gut.« Meier holte tief Luft. »Damit Sie mich nicht gleich für verrückt halten, fange ich am besten vorne an.« Er rutschte auf seinem Stuhl etwas nach vorne. In einem leiseren Tonfall fuhr er fort: »Die Geschichte hat ihren Ursprung in den Vierzigerjahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner die aufkeimenden revolutionären Tendenzen in vielen Ländern, wie zum Beispiel Südamerika oder auch Spanien, mit zunehmender Beunruhigung beobachtet. Der amerikanischen Regierung wurde immer deutlicher, dass man neben dem sichtbaren ›äußeren Feind‹, den man mit militärischen Mitteln bekämpfen konnte, wie die Sowjetunion und ihre Verbündeten, vor allem auch den ›inneren Feind‹ – oder nennen wir ihn vielleicht besser ›Ideen-Feind‹ – nicht unterschätzen durfte. Mit zunehmender Sorge beobachtete man, wozu einzelne Revolutionsführer, wie Che Guevara oder Fidel Castro, in der Lage waren. Und was für ein Gefährdungspotenzial für die bestehende Gesellschaftsordnung von ihnen ausging. Innerhalb kürzester Zeit wurden Regierungen entmachtet und ersetzt und neue Gesellschaftsmodelle eingeführt. Die USA waren aber natürlich vorrangig daran interessiert, stabile Verhältnisse zu bewahren. Unruhe hätte katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft, die militärische und politische Macht gehabt. Auf keinen Fall wollte man also die eigene Idee vom Rechtsstaat und der Demokratie von verrückten Außenseitern und Kommunisten infrage gestellt bekommen. Daher gründete die amerikanische Regierung im Jahr 1947 die CIA, die die Aufgabe hatte, die USA vor diesem ›Ideen-Feind‹, egal ob er vom Inland oder Ausland operierte, zu schützen. Aber damit nicht genug. Und jetzt wird’s interessant …« Meier lehnte sich noch ein wenig näher zu Lena herüber. »Gemeinsam mit anderen Westmächten – unter anderem Deutschland – und deren Nachrichtendiensten drängten die Amerikaner darauf, neben dem militärischen Bündnis, also der NATO, zusätzlich eine gemeinsame internationale Geheimorganisation zum ›Schutz der westlichen Werte‹ ins Leben zu rufen, eine Art gemeinsamen Geheimdienst.«

Lena hatte von so einer Organisation noch nie etwas gehört. Allerdings waren Geschichte und Politik nie ihre Steckenpferde gewesen. Es klang jedenfalls einleuchtend.

Meier nickte mehrfach mit dem Kopf. »Und ich kann das Anliegen der Nachrichtendienste sogar verstehen. Die Demokratie ist, wie man leider immer wieder feststellen muss, ein sehr fragiles Staatssystem, das schneller zusammenbrechen oder instrumentalisiert werden kann, als wir das gerne wahrhaben wollen. Denken Sie nur daran, was beispielsweise in der Weimarer Republik passiert ist.«

Lena musste an die aktuellen Entwicklungen in einigen osteuropäischen Ländern und der Türkei denken. War es da nicht gerade genauso?

»Aber das heißt nicht, dass andere Staatssysteme stabiler sind«, erläuterte Meier weiter.

»Sie meinen den Zusammenbruch der Sowjetunion?«

»Ganz richtig.« Meier leerte seinen Cappuccino. »Wandel ist kein einfaches Vorhaben, für ganze Staaten schon erst recht nicht. Man muss manchmal ein wenig nachhelfen, damit etwas funktioniert. Der Osten operierte zum Schutz des Kommunismus mit Schreckensherrschaft und Polizeistaat. Und wir alle wissen, was passierte, als die ›Harte Hand‹ ein wenig weicher wurde. Doch auch der Westen traute, wie ja die Gründung der CIA und der sonstigen Geheimdienste zeigt, seinem System nicht. Er entschied sich allerdings für einen anderen Weg: Statt kostspieligem Polizei- und Überwachungsstaat setzte man darauf, die Bürger übers Hintertürchen auf Spur zu halten: Sie wurden manipuliert. Natürlich ohne zu merken, dass der Staat seine Finger dabei im Spiel hat.«

»Und wie bitte habe ich mir das vorzustellen, diese Manipulation?« Bisher hatte das, was Meier ihr erzählt hatte, für Lena logisch geklungen. Doch jetzt wurde es ihr ein wenig zu abenteuerlich. »Fake News, oder was?«

Meier musste grinsen. »Sie wollen sich über mich lustig machen.«

»Niemals«, sagte Lena und hob die Hände. »Aber Sie müssen zugeben, dass Ihre Behauptung von Massenmanipulation schon einige Fragen aufwirft.«

Meier fuhr sich über seine Glatze, um die wenigen Haare, die er noch hatte, wieder an den rechten Platz zu rücken. »Natürlich.« Er rührte kurz in seiner leeren Cappuccinotasse. »Die Sache ist die: Es gibt bestimmte Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die man sich ohne äußeren manipulativen Eingriff nur schwer erklären kann. Und diese Entwicklungen legen tatsächlich die Existenz einer solchen Organisation nahe.«

»Aha.« Lena musste beinahe lachen. Für ›bestimmte Entwicklungen‹ eine die Gesellschaft ›manipulierende Geheimorganisation‹ verantwortlich zu machen, die angeblich nach dem Krieg gegründet worden war, war natürlich immer die einfachste Erklärung. »Sie sind ein Freund von Verschwörungstheorien und wollten einen Artikel darüber verfassen. Für was für ein Magazin arbeiten Sie noch gleich, sagten Sie?«

»Moment!« Meier ruderte wild mit den Armen. »Sie verstehen da etwas ganz falsch. Mein Magazin …«

»Ist hoch seriös«, beendete Lena den Satz für ihn. »Ist ja klar. Sie müssen sich gar nicht vor mir rechtfertigen. Verschwörungstheorien kommen beim Leser bestimmt immer gut an. Doch was hält Sie jetzt davon ab, über diesen Geheimdienst zu schreiben? Doch nicht wirklich meine Forschungsergebnisse?«

»Doch«, sagte Meier bestimmt.

»Ach kommen Sie!«

Meier sah ihr ernst in die Augen. »Ob Sie es glauben oder nicht, auch manchem Journalisten geht es heute noch um die Wahrheit. Ich will keine Story um jeden Preis. Ich muss schon selbst daran glauben.«

»Ihr Wort in Gottes Ohr«, sagte Lena, die alles glaubte, nur das nicht. Um Wahrheit ging es heute – wie vermutlich schon immer – nur den wenigsten. Selbst den meisten Wissenschaftlern war dieser Anspruch abhandengekommen. Eigentlich ging es immer nur um Geld, Macht und Anerkennung, und dafür war den Menschen jedes Mittel recht.

»Wenn ich über eine Verschwörungstheorie berichte, dann nicht, weil ich irgendwelchen Freaks eine Räuberpistole andrehen will. Ich habe ein seriöses Interesse daran. Und ich möchte zumindest sicherstellen, dass ich mich damit nicht komplett lächerlich mache, weil sie sich mit wenigen Argumenten widerlegen lässt«, sagte Meier. »Doch ich habe die Befürchtung, genau das könnte mir passieren. Denn Ihre Ausführungen zusammen mit Ihrem Artikel bieten leider – oder vielleicht sollte ich eher sagen zum Glück – eine gute Grundlage für eine alternative Erklärung dieser Entwicklungen. Verstehen Sie?«

»Ehrlich gesagt, nicht wirklich«, sagte Lena. Dazu hatte er ihr einfach noch zu wenig erzählt. »Um was für Entwicklungen geht es denn? Ich verstehe den Zusammenhang immer noch nicht …«

Im selben Moment begann Meiers Handy neben ihm auf dem Tisch zu vibrieren. Er hob es an und sah auf das Display. Mit einer entschuldigenden Geste ging er ran. »Meier.« Er hörte kurz zu. »Verstehe. Das ändert natürlich einiges. Wo sollen wir uns treffen? … Selbstverständlich.« Kurz darauf legte er auch schon wieder auf.

Meier wirkte plötzlich sehr erregt. »Es tut mir wirklich leid, aber ich muss sofort los.« Er winkte den Kellner herbei.

»Sie sind mir noch eine Erklärung schuldig. Und einen Artikel über meine Forschung!« So schnell ließ sie den gerade gefangenen Fisch nicht von der Angel springen.

»Den werde ich schreiben. Versprochen.« Meier reichte ihr eine Karte. »Ich melde mich bei Ihnen!«

Sie verließen gemeinsam das Restaurant, überquerten die Straße und gingen in Richtung Institut zurück. Dort wartete immer noch das Taxi.

»Ich hoffe, er hat die Uhr nicht weiterlaufen lassen«, kommentierte Lena.

Meier, der seit dem Anruf mit seinen Gedanken woanders zu sein schien, sah sie verwirrt an. »Wieso sollte er?«

»Nicht Ihr Taxi?«

Meier schüttelte den Kopf. »Der muss auf jemand anderen warten.« Er zeigte die Straße hinunter. »Da, nicht mal 500 Meter von Ihrem Institut entfernt um die Ecke liegt unsere Redaktion. Klein, aber fein. Ich bin zwar tatsächlich manchmal ein wenig dekadent, aber so dekadent, dass ich mir für 500 Meter ein Taxi nehme, nun auch wieder nicht.«

Lena lachte. Sie mochte Meiers Humor.

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, sah sie ihm noch eine Weile hinterher. Er hatte einen merkwürdigen Gang, der sie ein wenig an Charlie Chaplin erinnerte. Schließlich wandte sie sich ab und ging zurück zum Institut.

Als sie gerade die Institutstür aufdrücken wollte, hörte sie hinter sich das Quietschen von Reifen. Sie drehte sich um und sah, wie das Taxi losbrauste. »Idiot!«, flüsterte sie. Kurz darauf vernahm sie einen dumpfen Schlag. Sie sah wieder die Straße hinunter. Kein Mensch weit und breit. Und auch das Taxi war nicht mehr zu sehen. Etwas irritierte sie an dem, was sie gesehen hatte, nur wusste sie nicht, was. Sie drückte die Tür auf.

Dann wurde es ihr plötzlich klar. Der Schlag. Meier!

Sie ließ die Tür hinter sich zufallen, rannte die Straße hinunter. Keine fünfzig Meter weiter hinter einem parkenden Transporter sah sie ihn mit dem Gesicht nach unten auf der Straße liegen. Er bewegte sich nicht. Lena griff zu ihrem Handy und wählte den Notruf. Noch während sie ihren Namen und den Unfallort durchgab, kniete sie sich neben Meier und fühlte nach seinem Puls. Er lebte noch. Vorsichtig richtete sie ihn auf.

»Herr Meier, können Sie mich hören? Haben Sie Schmerzen? Können Sie aufstehen?«

Meiers Augen waren weit aufgerissen. Er versuchte seinen Kopf zu bewegen, was ihm jedoch kaum gelang.

»Herr Meier, können Sie mich hören!?«

Meier sah Lena hilflos an. Er versuchte etwas zu sagen, doch alles, was aus seinem Mund kam, war Blut, das aus ihm heraussprudelte, wie aus einem überkochenden Kochtopf. Ein Tropfen davon traf ihre Hand. Lena sah genauer hin. Das Blut war dunkel, ein kleines Rinnsal floss seine Backe herunter, wo es sich teilte, um dann kurz vor den Ohren zu versiegen. Lena musste daran denken, wie sie einmal Ameisenblut analysiert hatte. Besonders hatte sie fasziniert, dass Ameisen im Wesentlichen gar keine Adern besaßen. Die inneren Organe badeten vielmehr im Blut, so wie jetzt wahrscheinlich auch Meiers.

»Frau Bon…«, gurgelte Meier.

Lena wischte sich den Tropfen von der Hand. Wo war sie nur mit ihren Gedanken?

»Mur…« Erneut sprudelte Blut aus seinem Mund.

»Psst.« Lena legte den Zeigefinger auf ihre Lippen. »Reden Sie jetzt nicht. Halten Sie einfach nur durch. Gleich kommt der Krankenwagen.« Sie griff nach seinem Arm, um seinen Puls zu ertasten, allerdings ohne Erfolg.

Wieder versuchte Meier, etwas zu sagen.

»Herr Meier. Bitte nicht! Bleiben Sie einfach ruhig.«

Meier schloss die Augen.