Schlaf als Erfolgsfaktor für
Fach- und Führungskräfte

Wettbewerbsfaktor gesunder Schlaf

Klaus Kampmann

Mit einem Vorwort von Dr. Franz Hütter

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So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele und Übungen

In diesem Buch finden Sie zahlreiche Beispiele, die das Gesagte illustrieren. Übungen regen Sie dazu an, das Gelesene umzusetzen.

 

Definitionen

Hier werden Begriffe kurz und knapp erläutert.

 

Die Merkkästen enthalten Empfehlungen und hilfreiche Tipps.

 

Auf den Punkt gebracht

Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung des behandelten Themas.

 

Vorwort

„Hier sehen Sie unsere Schlafräume“. Die Verwunderung war mir anzusehen, denn ich befand mich mitten in der Zentrale eines internationalen Großkonzerns. Die Dame, die mich durch den Bürotrakt führte, schob daher erklärend nach: „Na ja, anfangs traute sich die Belegschaft nicht wirklich, die Räume zu nutzen. Erst als einige Chefs sie regelmäßig aufsuchten, sprach es sich herum, dass Power Naps hier nicht nur erlaubt, sondern sogar ausdrücklich gewünscht sind. Heute schätzen viele diese Möglichkeit zum Auftanken während des Arbeitstags.“

Beispiele wie dieses sind nach meiner Erfahrung die absolute Ausnahme. Denn das intuitive Wissen um den Wert des Schlafs, das Menschen seit jeher hatten, ist uns seit dem Beginn der Industrialisierung immer mehr abhandengekommen. Im Gegenteil: Unter den Fach- und Führungskräften hat sich ein Arbeitsethos etabliert, nach dem die Länge der Arbeitszeit und die Kürze der benötigten Schlafdauer zum Statussymbol werden. Gesund war das noch nie, doch heute ist es geradezu fatal für den Unternehmenserfolg. Denn längst verdienen Unternehmen ihr Geld nicht mehr mit einfachen mechanischen Tätigkeiten, bei denen die Quantität der Arbeitszeit über den Gewinn entscheidet. Wertschöpfung erfolgt vielmehr durch clevere Ideen, innovative Produkte und kluge strategische Entscheidungen. Dafür aber brauchen wir ein Gehirn, das topfit ist.

Neurobiologische und medizinische Studien belegen heute auf breiter empirischer Basis den Wert des Schlafs für die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Während des Schlafs werden neuronale Wachstumsfaktoren ausgeschüttet und Gedächtnisinhalte konsolidiert. Besonders die exekutiven Funktionen der Großhirnrinde, die es uns erlauben, strategisch zu denken und Pläne zum Ziel zu führen, leiden unter dem biologischen Stress, den chronischer Schlafmangel induziert. Ist der Schlafrhythmus erst einmal aus dem Ruder gelaufen, greifen allzu viele Betroffene vorschnell zu Medikamenten. Doch diese sind nur in Ausnahmefällen als Übergangslösung hilfreich. Denn selbst bei der Behandlung krankheitswertiger Schlafstörungen (Insomnie) sind Aufklärung und Verhaltensumstellung die vorrangigen Behandlungsmethoden. Dies gilt umso mehr für die weitaus häufigeren durch den Lebensstil und alltägliche Stressfaktoren bedingten Schlafprobleme.

Mit diesem Buch leistet Klaus Kampmann einen besonders wertvollen Beitrag zur Steigerung der Lebens- und Arbeitsqualität. Denn auf den folgenden Seiten profitieren Sie von beiden Aspekten, die für eine Verbesserung Ihrer Schlafqualität entscheidend sind: Erstens erhalten Sie Aufklärung darüber, wie der Schlaf funktioniert und welche Faktoren ihn stören oder begünstigen können, und zweitens enthält das Buch jede Menge hilfreiche Anleitungen, um konkrete Verhaltensänderungen umsetzen zu können – ohne das eigene Leben komplett umstellen zu müssen.

Besonders bemerkenswert an diesem Buch finde ich, dass es komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge fundiert, verständlich und mit konsequentem Praxisbezug darstellt und dass viele Checklisten und Übungen zugleich zum Ausprobieren anregen. Vor allem aber lädt das Buch zu einem längst überfälligen Umdenken ein, das in unserer postindustriellen Wirtschaft dringend nötig ist: Schlaf und Erholung sind nicht das Gegenteil von Leistung, sondern dessen Voraussetzung. Daher lege ich das Buch jedem ans Herz, der den Zugriff auf seine wichtigste Krafttankstelle verbessern will, und finde es unverzichtbar für alle, die im betrieblichen Gesundheitswesen, in der Mitarbeiterführung oder in der Personal- und Führungskräfteentwicklung tätig sind.

München, Dezember 2019

Dr. rer. medic. Franz Hütter, M.A.

Einleitung

Schlaf ist einer der wichtigsten und wirkungsvollsten Bausteine, um Resilienz aufzubauen und gesund und leistungsfähig zu bleiben. Das hat der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer schon vor ca. 200 Jahren erkannt. Von ihm stammt der Satz:

„Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr.“

Schlaf ist etwas Einfaches. Selbst Babys können es perfekt. Nur wir Erwachsenen müssen es anscheinend nochmals neu lernen. Da geschätzte 80 % der Schlafstörungen einfache Ursachen haben, helfen Ihnen die Erklärungen in diesem Ratgeber, wieder zu wirklich gutem Schlaf zu finden. Denn gesunder Nachtschlaf ist kein Zufallsprodukt. Lernen Sie, Ihren Schlaf zu verstehen, damit Sie morgens mit neuen Kräften in den Tag starten können. Ausgeruht den Job zu erledigen, ist gerade für Führungskräfte besonders wichtig. Sie tragen die Verantwortung nicht nur für sich, sondern auch für andere.

Doch die Schlafrealität sieht anders aus. Führungskräfte sind es meist nicht gewohnt, ihren Stress tagsüber zu reduzieren. Dadurch schlafen sie schlecht ein oder wachen mitten in der Nacht mit Sorgengedanken auf.

Außerdem haben Führungskräfte oft unvorhersehbare Arbeitstage, woraus unregelmäßige Zubettgehzeiten resultieren. Und weil sie nicht ausreichend darauf achten, zur rechten Zeit ins Bett zu gehen, fehlt es oft an genügend Schlaf. Da sie sich um vieles kümmern müssen, bleibt das ICH häufig auf der Strecke. Sie wissen zu wenig über erfolgreiche Schlafarchitektur und vergeuden somit ihre Kraft. Im Beruf fehlt es folglich an Entscheidungsfreude, Inspiration, Souveränität und emotionaler Stabilität.

Über Schlaf wird in der Regel erst dann nachgedacht, wenn er fehlt. Denn wenn nicht genügend geschlafen wird, spürt man sehr schnell die Auswirkungen. Typisch sind nachlassende Konzentrationsfähigkeit, miese Laune und hohe Fehlerquoten in allem, was wir tun.

Begleiterscheinungen wie Kopfweh und Antriebslosigkeit komplettieren diesen schlechten Allgemeinzustand und dann wird krampfhaft versucht, in der Folgenacht besser bzw. mehr zu schlafen. Doch so einfach funktioniert das leider nicht. Das Gemeine ist, dass gerade in anstrengenden Zeiten, sei es durch Beruf, Familie oder andere Lebensumstände, in denen Stress empfunden wird, die meisten Menschen schlecht ein- und auch durchschlafen. Gerade dann, wenn wir den Schlaf dringend brauchen, ist er schwer zu bekommen.

Doch mit den richtigen Tipps können Sie den meisten Situationen ein Schnippchen schlagen und auch in aufregenden Zeiten genügend Schlaf bekommen.

Eine wichtige Regel lautet:

Gesunder Nachtschlaf wird tagsüber vorbereitet.

 

Stress, der uns am Tage plagt, beschäftigt uns auch in der Nacht und lässt uns schwer einschlafen. Deshalb ist es wichtig, schon tagsüber etwas für den Schlaf zu tun. Das gelingt mit den Klassikern der Selbstfürsorge am besten. Diese sind: täglich genügend Pausen machen, Bewegung an der frischen Luft und gesunde Ernährung. Eine oder zwei gezielte Entspannungsübungen tagsüber und vor dem Zubettgehen helfen Ihnen, das Grundrauschen an Stress zu mindern.

Dieser Ratgeber unterstützt Sie dabei, Ihren Schlaf wiederzufinden und zu optimieren.

Basiswissen Schlaf

Schlaf ist individuell verschieden. Es gibt Menschen, die tatsächlich mit fünf Stunden Schlaf pro Nacht auskommen. Andere wiederum benötigen neun Stunden, um erholt zu sein. Bekannt ist, dass Kinder mehr Schlaf als Erwachsene brauchen.

Warum schlafen so wichtig ist

Nur im Schlaf können sich unser Körper, der Geist und die Psyche richtig regenerieren. Wer in der Nacht nicht genügend schläft, spürt das umgehend am nächsten Tag.

  • Nur im Schlaf können Kinder wachsen.
  • Nur im Schlaf können wir Gelerntes festigen.
  • Nur im Schlaf kann sich der Körper regenerieren und heilen.

Schlaf ist das notwendige Erholungsprogramm. Jede Nacht – ein Leben lang.

 

Zu wenig Schlaf birgt viele Gefahren in sich. Ausgehend von fehlender Erholung des Körpers und Geistes und dem daraus folgenden Leistungsverlust, kann es bei länger erlebtem Schlafmangel zu schwerwiegenden Krankheiten kommen.

Die wenigsten Menschen wissen, worauf es beim Schlafen wirklich ankommt. Sie gehen davon aus, dass Schlaf einfach so funktioniert. Im Prinzip ist diese Annahme auch richtig, aber leider gilt sie nicht mehr für die heutige Zeit. Vor 10.000 Jahren lebten die Menschen inmitten der Natur. Sie konnten nur überleben, indem sie sich an die Gegebenheiten und Rhythmen anpassten. Bei anbrechender Helligkeit wurden sie wach und wenn es dunkel wurde, haben sie sich zurückgezogen.

Dieses Verhalten steckt heute noch in unseren Genen: Die Biologie unseres Körpers reagiert nach wie vor automatisch auf diese Umwelteinflüsse.

Wir können dank moderner Technik 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche das Licht anschalten und uns mit den unterschiedlichsten Dingen ablenken und wachhalten. Leider nutzen die Menschen diese Möglichkeiten auch aus und verpassen durch ihren Lebensstil ihren optimalen Schlaf.

Somit ist das eigene Verhalten der Schlüssel zum Erfolg!

Gefahren durch Schlafmangel

Wer nicht ausreichend schläft, steigert sein Risiko, krank zu werden. Beobachtet wird der Zusammenhang von Schlafmangel im Hinblick auf ein erhöhtes Risiko von Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkten und Bluthochdruck. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall oder chronische Erkrankungen wie z. B. Diabetes. Ein Schlafdefizit reduziert unsere Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit nachweisbar und erhöht das Fehlerrisiko. Wenn die Gesundheit unter dem Schlafdefizit leidet, hat das auch spürbare Folgen für die Wirtschaft. In Deutschland wird der jährliche Schaden durch Schlafmangel auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt. Ein Gegensteuern ist somit nicht nur sozial und gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich eine kluge Sache.

Nachfolgend finden Sie zwei bekannte Beispiele, die zu Katastrophen mit Milliardenschäden geführt haben:

  • Das Öltankerunglück Exxon Valdez von 1989. Das Schiff lief vor der Küste Alaskas auf ein Riff, weil der dritte Offizier am Steuer übermüdet war.
  • 1986 versuchten übermüdete leitende Ingenieure, mitten in der Nacht einen komplizierten Ablauf im Reaktor von Tschernobyl in den Griff zu bekommen, was ihnen bekanntermaßen nicht gelang.

 

Sekundenschlaf am Steuer verursacht jedes Jahr Tausende von Unfällen auf deutschen Straßen. Fehlbedienungen an Maschinen passieren viel häufiger in der Nachtschicht und führen zu hohen Ausschussraten.

Doch nicht nur nachts passieren Fehler, auch tagsüber führt ein Schlafdefizit zu Fehlentscheidungen und Missinterpretationen. Schlafmangel verringert die Merkfähigkeit und manchen Managern fehlt es nach Nächten mit zu wenig Schlaf an Weitsicht, Überzeugungskraft und Eloquenz. Wer besonders lange wach sein möchte, stresst seinen Körper – Ermüdungserscheinungen sind eine Folge. 17 Stunden wach zu sein, ist vergleichbar mit 0,5 Promille. Nicht nur aus diesem Grund gibt es klare Regelungen für Arbeits- und Lenkzeiten.

Der Mensch ist keine Maschine, die sich nach Belieben ein- und ausschalten lässt.

 

Beispiele

  • Spitzensportler wie Roger Federer kennen ihren Körper ziemlich genau. Sie spüren kleinste Veränderungen der Leistung und sind stets dabei, sich selbst zu optimieren. Federer schläft vor und während Turnierzeiten zehn Stunden, damit sein Reaktionsvermögen, die Schnelligkeit, seine Konzentration und sein Siegeswille auf einem Topniveau sind.
  • In einer Schweizer Studie[1] ließ man die Probanden an sieben aufeinanderfolgenden Tagen nur fünf statt acht Stunden schlafen. Jeden Tag hatten sie sich zwischen einer sicheren oder einer risikoreicheren Geldanlage zu entscheiden. Innerhalb kurzer Zeit entstand ein neuronaler Gewöhnungseffekt. Die Entscheidungen innerhalb der Woche wurden immer risikoreicher, ohne dass es die Studienteilnehmer selbst bemerkten.

 

Das ist in der Praxis nicht anders: Wir fallen regelmäßig auf die selbst gemachten Gedankenmuster in unserem Gehirn herein.

Ein Schlafdefizit hat unweigerlich einen Einfluss auf den Führungsstil. Unausgeschlafen und dadurch gereizt am Arbeitsplatz zu erscheinen, führt zu einem weniger kollegialen Verhalten. Der sich manifestierende Tunnelblick lässt Offenheit für neue Ideen und Fairness schwinden. Dadurch werden Mitarbeiter irritiert und gestresst. Möglicherweise können diese dadurch ebenfalls nicht gut schlafen und ihre Leistungskurve sinkt. Dies wird von der Führungskraft bemerkt und es folgt eine Diskussion, die für beide Seiten nervenaufreibend ist. Die Mitarbeiter und Chefs versuchen, durch mehr bzw. längere Arbeit die Verluste wieder wettzumachen, was bei andauerndem Schlafmangel aber nicht gelingen mag. Frust macht sich breit und wenn diese Symptomatik nicht unterbrochen wird, steuern unter Umständen alle Beteiligten in Richtung Burn-out.

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Wachsein auf Befehl funktioniert auch nicht

Militärs auf der ganzen Welt würden am liebsten nur Soldaten als geeignet ansehen, die völlig ohne Schlaf auskommen. An dieser Stelle wird schon seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Die naheliegende Vermutung, dass zu wenig Schlaf Einfluss auf die körperliche und geistige Leistung hat, wurde in vielen Tests bestätigt.

In der folgenden Grafik sehen Sie deutlich, dass die Leistung rapide abnimmt, je kürzer die Schlafzeit ist. Sie können auch erkennen, dass in der ersten Nacht mit weniger als sieben Stunden Schlaf ein höherer Leistungswert erreicht wurde.

Die deutliche Erkenntnis hierbei ist, dass ein Schlafdefizit von drei Stunden pro Tag den erwarteten Output keinesfalls positiv beeinflusst. Am dritten Tag ist die Leistung bereits 20 % geringer, am fünften Tag ca. 50 % und ab dem zwölften Tag hat sie um 66 % abgenommen, um weiter bis auf 80 % Leistungsverlust zu sinken.

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Ursachen von zu wenig Schlaf

Schlafmangel verzerrt die Wahrnehmung und treibt die Menschen ins Risiko. In der heutigen 24/7-Welt gilt Schlaf mancherorts als Hindernis für den Erfolg. Es wird als cool empfunden, mit möglichst wenig Schlaf auszukommen. Langschläfer gelten als Langweiler.