Ein Wort zuvor

In den letzten Jahren entwickelte sich die Borreliose immer mehr zu einer Zivilisationskrankheit. Ursache dieser Erkrankung sind Bakterien, die überwiegend durch Zecken, aber auch durch Insekten übertragen werden. Die Zeckenpopulation scheint aufgrund der fortschreitenden Klimaveränderung kontinuierlich zuzunehmen, und damit steigt auch die Zahl der Neuerkrankungen. Borreliose ist eine Krankheit mit vielfältigen Symptomen und – leider – zahlreichen Fehldiagnosen. Chronische Erschöpfung, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, Verwirrtheit, Stimmungsschwankungen und vieles mehr kann auch anderen Erkrankungen zugeordnet werden. Die Borreliose bleibt häufig lange Zeit, manchmal sogar Jahre, unerkannt. An den möglicherweise auslösenden Zeckenstich erinnert sich nicht jeder. Stattdessen beginnt für viele Patienten irgendwann ein Leidensweg von Arzt zu Arzt. Aus naturheilkundlicher Sicht ist für die Borreliose und ihre Co-Infektionen die starke Übersäuerung des menschlichen Organismus verantwortlich, die vorwiegend auf Stress, Umweltgifte und eine falsche Lebensweise zurückzuführen ist und den Borrelien ein ideales Milieu mit besten Lebensbedingungen beschert.

In diesem Buch mache ich Sie deshalb – neben den Zusammenhängen zwischen der Erkrankung und den Abläufen im Körper – mit einer ganzheitlichen Therapie vertraut. Dazu gehören auch die Ausleitung der Gifte sowie eine basische Ernährung. Beide Maßnahmen helfen, das Gleichgewicht des Körpermilieus wieder herzustellen und damit gegen Infektionen resistenter zu machen. Die Borreliose und Ihre Co-Infektionen sind keine ausweglose Situation, sondern eine Herausforderung an unsere Persönlichkeit, die uns auf allen Ebenen die Chance gibt, etwas zu verändern.

Dr. med. Eva Dimmendaal

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Auslöser und Auswirkungen

Borreliose, ausgelöst durch das Bakterium Borrelia burgdorferi, ist seit den 1970er Jahren in den Fokus der Medizin gerückt. Sie kann zahlreiche, sehr unterschiedliche Beschwerden hervorrufen.

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Was ist Borreliose?

Borreliose ist eine Infektionskrankheit. Erreger dieser Infektion ist das Bakterium Borrelia burgdorferi. Es wird im Wesentlichen durch den Gemeinen Holzbock, eine Zeckenart, beim Saugen von Blut auf den Menschen übertragen. Das geschieht etwa acht bis zwölf Stunden nach dem Einstich. Die Krankheit durchläuft verschiedene Stadien und wird immer häufiger chronisch. Dennoch hat nicht jeder Zeckenstich gleich eine Infektion oder gar eine akute Borreliose-Erkrankung zur Folge.

Der Erreger

Borreliose wird von der Bakteriengattung Borrelia verursacht, die nach dem französischen Bakteriologen Amédée Borrel benannt ist. Die Borrelia gehört – wie der Erreger der Syphilis – zur Gattung der Spirochäten, einer Gruppe spiralförmiger Bakterien, die einen sehr flexiblen, dünnen und lang gestreckten Körper besitzen. Da Spirochäten auch durch sexuellen Kontakt übertragen werden, wird derzeit diskutiert, ob Borrelien ebenfalls sexuell übertragen werden können.

Borrelia burgdorferi

Auslöser einer Borreliose sind verschiedene Borrelien-Arten, in erster Linie die Borrelia burgdorferi, aber auch die in Deutschland weitverbreiteten Borrelia afzelii und Borrelia garinii. Der Erreger Borrelia burgdorferi ist 10 bis 30 Mikrometer lang und 0,2 Mikrometer breit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spirochäten lässt er sich durch die Standardfärbemethode für Bakterien und durch die Dunkelfeldmikroskopie (>) nachweisen.

Borrelien leben vor allem in kleinen Säugetieren wie Mäusen und Ratten, aber auch in Vögeln, Hasen, Rehen, Rot- und Damwild. Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft scheinen diese Wirte keine Symptome zu entwickeln. Anders sieht es dagegen aus, wenn Borrelien durch einen Überträger in ein Haustier oder in den Menschen gelangen. Dann kann sich – je nach körperlicher Verfassung, Immunstatus, Menge der aufgenommenen Erreger – aus der Infektion eine akute Borreliose entwickeln.

 

Andere Zecken – andere Krankheiten

In Europa sind noch weitere Zeckenarten als Auslöser gefährlicher Krankheiten bekannt. Dazu zählt die Auwald-Zecke, von der häufig Hunde befallen sind. Deshalb wird die von ihr übertragene Babesiose auch Hunde-Malaria genannt.

 

Besonderheiten des Erregers

Borrelien besitzen verschiedene Eigenschaften und Fähigkeiten, die für ihr eigenes Überleben im Wirt und für den Verlauf einer Infektion von großer Bedeutung sind. Naturgemäß wirken sich diese »Qualitäten« auf den Wirt durchweg negativ aus.

Veränderung der Gestalt

Die Bakterien können ihre dünne, längliche Form je nach Anforderung ihrer Umgebung abwandeln und beispielsweise eine Kugelform annehmen. Unter besonderen Bedingungen sind sie sogar in der Lage, ihre Zellwand aufzulösen und als sogenannter Sphäroblast weiter zu existieren. Dies hat den Vorteil, dass die auf der Zellwandoberfläche sitzenden Antigene von den Immunzellen nicht mehr erkannt und die Borrelien somit nicht angegriffen werden können. Außerdem können sich Borrelien in kürzester Zeit einkapseln und bei ungünstigen Umweltbedingungen über einen längeren Zeitraum ohne Stoffwechsel überleben. Weder das Immunsystem noch Antibiotika können sie dann erreichen.

Leben in und außerhalb von Zellen

Das Bakterium besitzt die Fähigkeit, aktiv in Zellen einzudringen, mithilfe von Enzymen ein Loch in die Zellmembran zu schneiden, den Zellkern abzutöten und die leere Hülle als Tarnung gegenüber vorhandenen natürlichen Abwehrzellen zu benutzen. Borrelien benötigen kaum Sauerstoff.

Im extrazellulären Raum können sie sich nicht nur gut fortbewegen, sondern auch in Geweben bestens überleben, die wenig durchblutet sind und damit vom Immunsystem schlecht erreicht werden. Dazu zählen beispielsweise das Nerven- und Bindegewebe sowie die Muskel- und Sehnenansätze.

Art der Fortbewegung

Dank der Schraubenform und der an den beiden Enden befindlichen geißelartigen Arme kann sich Borrelia burgdorferi um sich selbst drehen und sich sowohl in flüssigem Medium wie Blut oder Lymphe als auch im Gewebe des Wirts gut fortbewegen. Dadurch kann der Erreger aktiv sämtliche Organe und Gewebe erreichen und schädigen. Bakteriologen vermuten, dass sich die Geißeln im Bündel gegeneinander längs verschieben und sich auf diese Weise in das Medium nicht nur schrauben, sondern auch schlängeln können. Bislang ist dieser Mechanismus jedoch noch ungeklärt.

Aufbau der Zellwand

Borrelien haben eine kompliziert aufgebaute Zellwand, die aus drei Schichten besteht. Auf der äußersten befinden sich spezielle Lipoproteine (Antigene). Das sind Verbindungen aus Eiweiß und Fett, die Schutz vor den Abwehrzellen des Immunsystems des Wirts bieten. Sie verhindern, dass das Bakterium als körperfremder Eindringling erkannt und vernichtet wird. Die Bildung der Lipoproteine wird von 150 Genen gesteuert (zum Vergleich: Bei anderen Bakterien sind es selten mehr als zehn), wodurch sich die Struktur der Oberfläche rasch verändern kann, falls es die Situation oder die Umweltbedingungen erfordern. Außerdem sitzen in der Zellwand 21 Plasmide, winzige, ringförmige DNA-Moleküle, die nur in Bakterien vorkommen. Durch sie ist das Bakterium in der Lage, Informationen über die Immunabwehr seines Wirts aufzunehmen und auf Antibiotika zu reagieren.

 

Wichtig

Borreliose kann nicht nur durch Zecken, sondern auch durch Insekten übertragen werden. Treten nach dem Stich von Mücken, Bremsen, Läusen oder Flöhen eine Wanderröte oder Symptome auf, die auf eine Infektion hindeuten, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.

 

Produktion von Nervengiften

In den USA konnte nachgewiesen werden, dass die von Borrelien ausgeschiedenen Abfallprodukte, sogenannte Neurotoxine (Nervengifte), für chronische Entzündungsprozesse und damit für die Beschwerdesymptome verantwortlich sind. Neurotoxine aktivieren entzündungsfördernde Zytokine (Signalmoleküle des Immunsystems). Sie wandern gebunden an Fettmoleküle durch den Gallengang, werden über den Stuhl ausgeschieden und bei einem verlangsamten Stoffwechsel zurückgeführt. Dadurch erhöht sich die Konzentration der Nervengifte, und die Beschwerdesymptomatik verstärkt sich (>).

Vermehrung und Reproduktion

Die meisten Bakterien vermehren sich explosionsartig. Sie können sich innerhalb von 15 oder 20 Minuten teilen. Borrelien dagegen haben einen relativ langen Vermehrungszyklus und teilen sich nur alle 12 oder 24 Stunden. Der lange Vermehrungszyklus erklärt, weshalb bei Borreliose Antibiotika wesentlich länger eingesetzt werden müssen als bei anderen Infektionen und warum Beschwerden häufig in Phasen auftreten.

Der häufigste Überträger: die Zecke

Mit Beginn der warmen Jahreszeit tauchen in den Schaufenstern von Apotheken regelmäßig Schilder und Tafeln auf, die eindringlich vor Zecken warnen, welche ebenso wie manche Insekten Borreliose und andere sogenannte Co-Infektionen übertragen können. Zecken sind winzige Spinnentiere und gehören zu den Milben. Viele Zeckenarten, wie der gemeine Holzbock oder die Schafzecke, sind in Mitteleuropa beheimatet.

Für die Mehrzahl aller Infektionen ist der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) verantwortlich, ein drei bis fünf Millimeter großes Spinnentier aus der Familie der Schildzecken. Er lebt als Parasit an Säugetieren, zu denen auch der Mensch zählt, seltener an Vögeln und Reptilien. Der wissenschaftliche Name rührt daher, dass die Zecke wie Ricinussamen aussieht. Ihr Körper ist zweigeteilt: ein kopfartiges Vorderteil, das die Mundwerkzeuge mit dem Stechapparat trägt, und ein größeres, sackartiges Hinterteil, das die Blutnahrung aufnimmt. Auffällig ist, dass sich die Weibchen deutlich von den Männchen unterscheiden. Während Letztere auf dem Rücken ein derbes Chitinschild tragen, besitzen die Weibchen nur ein schwach ausgeprägtes Schild. Dadurch kann ihr Hinterleib während des Blutsaugens auf die zehnfache Größe anschwellen und mehrere Tausend Eier aufnehmen.

Entwicklung des Gemeinen Holzbocks

Eine Zecke kann ein Lebensalter von bis zu sechs Jahren und eine Größe von bis zu viereinhalb Millimetern erreichen. Die Weibchen sind meist größer, um genug Blut für die Produktion der Eier aufnehmen zu können. Der Gemeine Holzbock durchläuft drei charakteristische Entwicklungsstadien, wofür er in der Regel zwei bis vier Jahre benötigt. Bevor das Tier die nächste Entwicklungsstufe erreicht, muss es Blut aufnehmen.

Stadium 1: die Larve

Aus dem Ei schlüpft zunächst eine durchsichtige, etwa 0,5 Millimeter große Larve mit nur sechs Laufbeinen. Sie lebt in feuchtwarmen Laub- und Grasschichten, Sträuchern und Büschen bis zu einer Höhe von ungefähr 20 Zentimetern. Ihr Wirt ist vorzugsweise ein kleines Säugetier, etwa eine Maus, ein Igel oder eine Katze, sehr selten der Mensch. Da die Eier der Zecken keine Borrelien enthalten, nimmt die Larve erst bei diesem Saugakt den Erreger in sich auf und hat nach drei bis fünf Tagen das Zehn- bis Zwanzigfache an Gewicht zugelegt. Bei entsprechend warmen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit beginnt sie sich zu häuten, eine Prozedur, die mehrere Tage dauern kann.

 

Nur Larven fallen aus dem Nest

Es stimmt nicht, dass Zecken sich von hohen Bäumen auf ein Opfer fallen lassen. Stattdessen lauern sie darauf, dass sie von ihrem potenziellen Wirt im Vorbeigehen abgestreift werden. Lediglich Larven lassen sich auf der Suche nach Feuchtigkeit schon mal aus einem Vogelnest fallen.

 

Stadium 2: die Nymphe

In ihrem zweiten Entwicklungsstadium, Nymphe genannt, ist die Zecke ein bis zwei Millimeter groß und besitzt bereits die für Spinnentiere charakteristischen acht Laufbeine. Sie hält sich in Büschen und hohem Gras bis zu 80 Zentimetern auf. Als Wirt dienen vorzugsweise Mäuse und Hasen, aber auch Füchse. Nymphen können bereits den Menschen befallen und sind in der überwiegenden Zahl der Fälle für die Übertragung von Borrelien verantwortlich.

Stadium 3: die adulte Zecke

Die sogenannte adulte Zecke hat mit etwa viereinhalb Millimetern das Erwachsenenstadium erreicht und findet sich in Sträuchern bis zu 120 Zentimetern Höhe, gelegentlich sogar auf Bäumen bis zu 180 Zentimetern. Sie sucht sich als Wirt bevorzugt größere Säugetiere wie Rehe, Rot- und Damwild, Hunde, Katzen und natürlich auch den Menschen. Während das Männchen in diesem Stadium nur noch wenig oder gar kein Blut mehr aufnimmt, braucht das Weibchen als Energiereserve für die Produktion der Eier eine große Menge davon. Dementsprechend kann der Saugakt bis zu 20 Tage dauern. Nach der Paarung legt das Weibchen die Eier an einer geschützten Stelle im Boden ab. Sobald die Larven geschlüpft sind, beginnt der Zyklus aufs Neue.

Info

Lyme-Borreliose – die Entdeckung einer neuen Krankheit

Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrankheit mit einem vielschichtigen Krankheitsbild. Jedes Organ, das Nervensystem, die Gelenke sowie das Gewebe können befallen werden und das nicht nur in der freien Natur und in ländlichen Gebieten, sondern auch in den Städten. Die Krankheit ist heute über die ganze Welt verbreitet und zählt in den gemäßigten Klimazonen zu den häufigsten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten. Dabei liegt ihre Entdeckung noch nicht einmal 40 Jahre zurück.

Die ersten Infektionen

Im Frühsommer 1975 wurde in den beiden Orten Lyme und Old Lyme im US-Bundesstaat Connecticut bei Erwachsenen sowie auch bei Kindern und Jugendlichen eine spezielle Form von Gelenkentzündung (Arthritis) festgestellt. Zunächst vermutete man, dass es sich um die sogenannte juvenile rheumatoide Arthritis handeln könnte. Doch bald kamen weitere Beschwerden hinzu, und auf Drängen der Einwohner der beiden Orte, in denen die Symptome aufgetreten sind, wurde die Yale-University mit der Untersuchung der Fälle beauftragt.

Man fand schnell heraus, dass die Krankheit meist mit einem roten, schnell größer werdenden Fleck auf der Haut begonnen hatte, und brachte dies mit einem Stich der in den umliegenden Wäldern vorkommenden Hirschzecke in Verbindung. Die zunächst als Lyme-Arthritis bezeichnete Infektionskrankheit war damit erkannt. Doch es dauerte noch mehrere Jahre, bis auch endlich der dafür verantwortliche Erreger gefunden wurde.

Willy Burgdorfer, der Entdecker des Erregers

1981 konnte Willy Burgdorfer das später nach ihm benannte Bakterium Borrelia burgdorferi erstmals aus Zecken (in Deutschland Ixodes ricinus, in den USA Ixodes dammini) isolieren. Ein Jahr später gelang es dem Arzt und Bakteriologen, der in den 50er Jahren die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, den gesuchten Erreger im Labor zu züchten.

Schutzimpfung nicht möglich

Eine Impfung, die vor Borreliose schützt, gibt es nicht – im Gegensatz zur wesentlich seltener auftretenden FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, umgangssprachlich Hirnhautentzündung), die ebenfalls durch Zecken auf den Menschen übertragen, aber durch einen anderen Krankheitserreger verursacht wird. Auch wenn eine Borreliose erkannt und erfolgreich behandelt wurde, ist man für die Zukunft nicht immun: Man kann jederzeit erneut infiziert werden. Vorbeugende Maßnahmen, die Sie selbst ergreifen können, lesen Sie ab >.

Lebensraum und Aktivzeiten des Holzbocks

Der Gemeine Holzbock kommt vor allem in den gemäßigten Zonen Europas bis in Höhen von 2000 Metern vor. Er bevorzugt feuchtwarme Standorte mit hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen über 10 °C. Dementsprechend sind die Zecken oft an Waldrändern und auf Waldlichtungen, in Wiesen mit hochwüchsigen Gräsern und an Flussufern zu finden, außerdem auch in der Streuschicht von Laub- und Mischwäldern und besonders im Übergang zwischen Wegrändern und Hecken mit Gräsern, krautartigen Pflanzen und niedrigem Gestrüpp. Entgegen landläufiger Meinungen sind Zecken das ganze Jahr über aktiv, wozu auch die milden Winter der letzten Jahre beigetragen haben. Extrem niedrige Temperaturen unter dem Gefrierpunkt oder Perioden langer Trockenheit können sie in einer Art Starre überstehen. Sobald die Temperaturen jedoch 3 bis 4 °C übersteigen, erwachen sie aus dem Kälteschlaf und gehen auf Nahrungssuche. Ihre höchste Aktivität entwickeln sie vom Frühling bis in den Spätherbst. Im Hochsommer ist es ihnen mitunter zu heiß und zu trocken. Dann nimmt die Aktivität etwas ab.

Die Zecke und ihr Wirt

Die meisten Zeckenarten besitzen keine Augen, bei anderen ist der Gesichtssinn nur schwach ausgeprägt. Um einen geeigneten Wirt zu finden, bedienen sie sich einer speziellen Vorrichtung, des sogenannten Hallerschen Organs. Dabei handelt es sich um einen grubenförmigen Chemorezeptor, der mit speziellen Sinnesborsten versehen ist und am letzten Glied des ersten Beinpaares sitzt. Mithilfe dieses Organs kann die Zecke Stoffe wie Ammoniak, Kohlendioxid, Milchsäure und vor allem Buttersäure erkennen, die vom möglichen Wirt über Atem und Schweiß abgegeben werden. Besonders gefährdet sind Menschen, deren Körper übersäuert ist, was sich in »saurem Schweiß« niederschlägt (>).

In Lauerstellung

Während die Zecke auf einen geeigneten Wirt wartet, nimmt sie eine typische Lauerstellung ein, indem sie sich mit den hinteren Beinpaaren festklammert und das vorderste Beinpaar ausstreckt und leicht schwenkt, um mit dem Hallerschen Organ Sinnesreize aufnehmen zu können. Sobald sich der Wirt nähert, was die Zecke außer an den chemischen Reizen auch an der Veränderung des Lichts von hell zu dunkel bemerkt, ist sie bereit, von ihm im Vorbeigehen abgestreift zu werden. Auf dem Körper des Wirts krabbelt sie dann so lange herum, bis sie eine passende Einstichstelle gefunden hat. Das sind vor allem dünne, feuchtwarme, gut durchblutete Hautstellen wie Kniekehle, Achselhöhle, Schambereich, Leiste, Haaransatz oder Zehenzwischenräume. Auch die zarte Haut hinter den Ohren zählt dazu.

Beim Blutsaugen

Hartnäckig hält sich die Meinung, Zecken würden beißen. Richtig ist jedoch, dass sie mithilfe ihrer Mundwerkzeuge stechen und das Blut des Wirts über einen Rüssel einsaugen. Sie ritzen mit ihren beiden scherenartigen Fortsätzen ein winziges Loch in die Haut und schieben ihren mit vielen Widerhaken versehenen Stechapparat hinein. Dieser wird überdies mit einer Art Klebstoff fest verankert, was es zusätzlich erschwert, die Zecke zu entfernen.

Genau wie manche stechende Insekten gibt die Zecke, bevor sie mit dem Blutsaugen beginnt, Speichel in die Wunde ab. Dieses Sekret enthält einen gerinnungshemmenden Stoff, der für eine reibungslose Aufnahme des Blutes sorgt, sowie ein Betäubungsmittel, wodurch der Wirt den Stich nicht spürt. Dies ist von Bedeutung, da die Zecke im Gegensatz zu Insekten oft mehrere Stunden oder sogar Tage an ihrem Opfer festsitzt und saugt. Ein entzündungshemmender Stoff bewirkt obendrein, dass keine normale Wundreaktion einsetzt und die körpereigenen Abwehrzellen des Wirts an der Einstichstelle nicht eingreifen.

Leider behält die Zecke nicht alle aufgenommenen Bestandteile des Blutes im Magen, sondern filtert die roten Blutkörperchen heraus und leitet die nicht benötigte Blutflüssigkeit zusammen mit unverdaulichen Bestandteilen wieder in den Blutkreislauf ihres Wirts zurück. Mit diesem Mageninhalt können auch weitere Erreger übertragen werden, die die Zecke zuvor von einem anderen Wirt aufgenommen hat, beispielsweise Chlamydien (>). Ob die Zecke diese Krankheitserreger an ihre Nachkommen weitergeben kann, ist noch nicht erwiesen.

 

Langes Saugen erhöht Risiko

Je länger eine durchseuchte Zecke beim Wirt Blut gesaugt hat, desto höher ist das Risiko, dass Borrelien übertragen wurden.

 

Das Risiko einer Borreliose-Erkrankung

Nicht jeder Borrelien-Infizierte erkrankt auch an einer Borreliose. So wurde 2008 bei etwa 20 Prozent einer getesteten Risikogruppe mit Jägern und Förstern ein positiver Borrelientiter nachgewiesen. Der Titer ist die Maßangabe für Verdünnungen von Antikörpern und Antigenen (die das Immunsystem bildet), die gerade noch eine positive Reaktion ergeben. Die Testpersonen müssen also irgendwann einmal mit Borrelien infiziert worden sein, dennoch litten sie nicht an borreliosespezifischen Symptomen. Warum das so ist, erfahren Sie auf >.

Infektionsgefahr: praktisch überall

Borrelia burgdorferi ist weltweit verbreitet, und Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung. In Deutschland bestand vormals ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, was die Durchseuchung von Zecken wie den Gemeinen Holzbock (>) betrifft. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse angeglichen, und der Erreger kommt von den Alpen bis zur Nord- und Ostsee vor. Das bedeutet, Sie können sich in ganz Deutschland – im Gegensatz zu der durch Viren hervorgerufenen FSME – mit Borreliose infizieren, und das nicht nur bei einer Wanderung in freier Natur. Auch in stadtnahen Gebieten und in den Städten selbst, auf dem Spielplatz, beim Spazierengehen mit dem Hund oder beim Picknick im Park, besteht diese Gefahr.

Befallene Zecken

Je nach Region schwankt die mit Borrelien durchseuchte Zeckenrate dennoch ganz erheblich. Sie reicht von etwa fünf bis weit über 40 Prozent, im Durchschnitt sind in Deutschland 20 Prozent der Zecken von Borrelien befallen. In Hochrisikogebieten werden 30 bis 50 Prozent mit Borrelien durchseuchte Zecken vermutet: In der Region Konstanz am Bodensee lag die mittlere Infektionsrate der Zecken mit Borrelien bei 35 Prozent, im Englischen Garten und in den Isarauen Münchens waren etwa 30 Prozent der gefundenen Zecken mit Borrelien verseucht.

Nach dem derzeitigen Stand der Forschung ist die Übertragung der Borrelien frühestens zehn bis 24 Stunden nach dem Zeckenstich möglich. Erfahrungen aus der Praxis zeigen aber, dass eine Infektion mit Borrelien bereits nach wenigen Stunden erfolgen kann. Am höchsten scheint das Risiko, dass die Bakterien in den menschlichen Körper gelangen, nach 48 bis 72 Stunden zu sein. Oft wird ein Zeckenstich überhaupt nicht bemerkt und Borreliose demzufolge erst spät (manchmal erst nach Jahren) erkannt.

 

Zecken bekommen heisse Füsse

Eine neu entwickelte chemische Textilbeschichtung soll Gärtner, Landwirte und Forstarbeiter vor Zeckenstichen schützen. Der starke Nervenreiz verursacht bei den Zecken Koordinationsstörungen und Erschöpfung, sobald sie auf der Kleidung Platz nehmen. Gesundheitliche Risiken für die Haut der Träger bestehen laut Hersteller nicht.

 

Neuinfektionen und Neuerkrankungen

Über die Zahl der jährlichen Neuinfektionen beziehungsweise Neuerkrankungen gibt es für Deutschland nur Schätzungen, da eine generelle Meldepflicht in den alten Bundesländern fehlt. Je nach Studie variieren die Zahlen stark. So weisen Statistiken einer Krankenkasse für das Jahr 2008 aus, dass sich jährlich zwischen 500.000 und 750.000 Menschen neu infizieren. Andere Statistiken gehen von 50.000 bis 160.000 Fällen aus. Unstrittig ist, dass die Borreliose wegen ihres immer häufigeren Auftretens inzwischen zu den Zivilisationskrankheiten zählt.

Fallbeispiele aus meiner Praxis