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Impressum
© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-434-0
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Fong-Ch’ang hatte verzweifelt versucht, seinen Gegnern auszuweichen. Aber sie griffen ihn von allen Seiten an und ließen ihm keine Chance. Sie waren zu viert. In der nachtfinsteren Gasse von Xiapu schien es für Fong keine Fluchtmöglichkeit mehr zu geben.

Die Männer, die Fong-Ch’ang noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte, waren mit kurzen Bambusstöcken bewaffnet. Fong hatte dieser prügelnden Übermacht nichts entgegenzusetzen als seine Fäuste und seine bloße Körperkraft.

Er war verloren, und doch wehrte er sich.

„Mit mir habt ihr kein leichtes Spiel, ihr feigen Hunde“, stieß er hervor.

Während sie auf ihn einschlugen, sagte der eine hämisch: „Ruf doch um Hilfe.“

„Na los“, zischte sein einer Kumpan. „Vielleicht steht dir jemand bei!“

Fong-Ch’ang rief nicht. Zum einen, weil es ihm der Stolz verbot, nach Beistand zu schreien, zum anderen, weil ihm instinktiv bewußt war, daß die Bewohner des Hafenviertels viel zuviel Angst hatten, einem Fremden Unterstützung zu gewähren. Und darauf zu hoffen, daß sich ein berittener Aufseher in der Nähe befand, der ihn hörte, erschien Fong geradezu illusorisch.

Die vier Gegner sagten jetzt kein Wort mehr. Sie hatten ihn umringt, eine Barriere tödlicher Feindseligkeit und Grausamkeit, und im Stakkato sausten die Hiebe auf ihn nieder.

Fong hatte sich an eine Hausmauer zurückgezogen, um wenigstens den Rükken frei zu haben. Jetzt ließ er sich sinken, denn der Weg nach unten war der einzige, der ihm noch offenstand.

Im Abwärtsrutschen stieß Fong-Ch’ang seinen rechten Fuß vor. Er traf den Unterleib eines Angreifers. Der Kerl stöhnte und hörte mit dem Schlagen auf, weil er jetzt genug mit seinen Schmerzen zu tun hatte.

Fong trat rasch noch einmal zu. Diesmal zielte er etwas höher. Er erwischte den rechten Nebenmann des Getroffenen. Hart gruben sich seine Zehen in dessen Magengegend. Auch dieser Mann war für kurze Zeit außer Gefecht gesetzt. Er krümmte sich und taumelte zurück. Als er mit den Händen nach der Magenpartie griff, entglitt der kurze Stock seiner Rechten.

Er gab würgende und jammernde Laute von sich und drohte zu stürzen.

Fong hatte das Bein wieder an den Körper gezogen. Er wälzte sich auf dem Boden und rollte auf den Mann zu, der als erster in seinem Rücken gewesen war und sich auf ihn gestürzt hatte. Obwohl dieser Kerl wie besessen mit dem Knüppel auf ihn eindrosch, vermochte sich Fong für dessen Gemeinheit zu revanchieren.

Er packte die Wade des Kerls, umklammerte sie und riß das ganze Bein zu sich heran. So viel verzweifelte Kraft steckte in Fongs Aktion, daß der Mann tatsächlich aus dem Gleichgewicht geriet und hinfiel.

„Elender Bauerntrampel“, fluchte der vierte. „Warte nur, dich mache ich fertig.“

Fong ließ den gestürzten Gegner los. Er kroch auf allen vieren, sprang auf und hetzte ein Stück über die Pflastersteine der Gasse. Fort konnte er nicht, weil der im Unterleib Getroffene inzwischen wieder auf den Beinen war und ihm mit dem vierten den Fluchtweg versperrte.

Aber der eine Bambusknüppel lag immer noch da. Sein Besitzer erholte sich eben gerade von dem wuchtigen Tritt in den Magen.

Fong warf sich auf den Stock. Er ergriff ihn, drehte sich und schnellte wieder hoch. Zornig hob er den Bambusknüppel gegen die finsteren Gestalten. Der, den er an der Wade gepackt hatte, war mittlerweile auch wieder auf den Beinen, und als letzter erhob sich jetzt der Kerl mit dem schmerzenden Magen.

„Was wollt ihr von mir?“ fragte Fong-Ch’ang keuchend. „Ich habe euch nichts getan. Reichtümer trage ich auch nicht bei mir. Ich bin bettelarm.“

Einer der Männer lachte höhnisch. Der Kerl, der den Stock verloren hatte, stieß eine Verwünschung aus, die so ziemlich das gemeinste und unflätigste war, das Fong je gehört hatte.

Gemeinsam drangen sie von neuem auf ihn ein. Er hieb mit dem erbeuteten Bambusstock um sich, aber sie stürmten gleichzeitig und geduckt vor, er konnte sie nicht alle im Auge behalten. Einer packte ihn von hinten, ein zweiter entwand ihm den Knüppel, die anderen beiden schlugen zu.

Fong stöhnte und schloß die Augen. Er wollte wieder um sich treten, aber diesmal paßten sie auf und wichen seinen Füßen geschickt aus.

Fong hatte wirklich keine Vorstellung, was sie von ihm wollten. Daß Bai Liang, dieser schmutzige Heuchler, ihn an sie verraten hatte, war ihm inzwischen klar geworden. Nicht umsonst hatte Bai Liang die Opiumhöhle betreten und war dann nicht mehr erschienen. Oh, es war alles nur eine Täuschung gewesen, der reine Aberwitz: Bai Liang hatte nur vorgegeben, ihn, Fong, mit „einflußreichen Männern der Stadt“ zusammenführen zu wollen.

So endete Fong-Ch’angs Versuch, etwas für die weißen Männer von dem großen, schlanken Dreimaster zu tun. Philip Hasard, der Kapitän, hatte FongCh’ang vor dem drohenden Untergang gerettet. Jetzt hatte ein Verband Kriegsdschunken seinen Segler eingekeilt – hier, vor Xiapu. Fong konnte sich gut vorstellen, wie seine Landsleute den Fremden zusetzten – noch ein Grund mehr, sich als Fürsprecher für sie bei den Obrigkeiten vorzustellen.

Aber Fong stand alledem ohnmächtig gegenüber. Alles war ein abgekartetes Spiel. Er war in die Falle getappt und mußte nun dafür büßen. Aber warum hatten ihn die vier Kerle überfallen? Wenn sie ihn nicht ausplündern konnten, weil er keine Besitztümer bei sich führte – zu welchem Zweck geschah dies alles?

Zu weiteren Überlegungen blieb ihm keine Zeit. Die Bambusknüppel trafen seinen Kopf, obwohl er sich gegen die Hiebe zu schützen versuchte. Er spürte die Treffer, den stechenden Schmerz, der sich in seinen Kopf, seinen Körper bohrte. Und plötzlich hatte er das eigenartige Gefühl, Dächer würden über ihm zusammenbrechen. Donnernd stürzten die Trümmer auf ihn nieder. Sie begruben ihn unter sich, und totale Finsternis breitete sich um Fong aus.

Batutis Gestalt verschmolz mit den Schatten der Nacht. Die Männer auf dem Oberdeck der „Isabella VIII.“ konnten aber trotzdem deutlich erkennen, daß der schwarze Mann am Steuerbordschanzkleid der Kuhl unweit der Hauptwanten lehnte. Seine Augen schimmerten matt wie große Perlen.

Er hielt sie unnatürlich geweitet, diese Augen, denn sein Inneres war aufgewühlt, voll zorniger Unruhe und hundert deprimierender Fragen.

Batuti wurde mit dem, dessen man ihn bezichtigte, einfach nicht fertig.

Am Nachmittag, da hatte er noch lauthals gelacht und war sehr stolz auf seine schwarze Haut gewesen – jawohl. Er hatte die Zopfmänner erschreckt, die das Vordeck der „Isabella“ durchstöbert hatten, dann war er ins Freie getreten. Die ungebetenen Besucher – ein hoher Beamter aus Xiapu und sein Gefolge – hatten ihn, den schwarzen Herkules aus Gambia, wie ein Wundertier angestarrt.

Aber jetzt hatte Batuti von Hasard erfahren, was die Chinesen über ihn dachten. Sie hielten ihn, das Hei Lien, das schwarze Gesicht, für einen Spion, der sich im Reich der Mitte durch einen Trick einschleichen wollte – durch das Aufmalen schwarzer Farbe.

„Verdammich“, sagte der Goliath immer wieder. „Batuti schwer beleidigt. Ist doch kein Hampelmann. Und auch kein Spionierer. Verdammich und zugenäht.“

Der junge Dan O’Flynn, einer seiner besten Freunde, trat zu ihm. „Hör zu, es hat keinen Zweck, daß du dich aufregst. Dadurch änderst du nämlich auch nichts. Wir sind den Chinesen ausgeliefert, vorläufig jedenfalls.“

Arwenack, der Schimpanse, war auch aus dem Hauptmars herabgeklommen. Gary Andrews hatte den Posten des Ausgucks übernommen, obwohl es hier in der Bucht bei Xiapu weiß Gott nicht viel zu schauen gab. Arwenack schwang sich neben Batuti aufs Schanzkleid, beäugte den großen Mann und legte sein Affengesicht in sorgenvolle Falten.

Batuti nickte heftig und antwortete in seinem schauderhaften Englisch: „Weiß das, weiß das. Aber Zopfmänner sind gemeine Bastarde. Sagen Lügen. Batuti anständiger Kerl. Hab große Lust, ihnen was aufs Kopf zu hauen.“ Zur Bekräftigung seiner Worte hieb er mit der rechten Faust in die geöffnete Linke. Es klatschte, und Arwenack zuckte ein bißchen zusammen.

„Damit würden wir auch nichts erreichen“, sagte Dan O’Flynn geduldig. „Hasards Taktik leuchtet mir durchaus ein. Er will sich hier nicht mit Donner und Trara einführen. Lieber läßt er die ganze Prozedur und den Beamtenkram geduldig über sich ergehen.“

„Ja“, brummte der Neger.

„Du hast ja gehört, was Feng-yu-sung, der Dolmetscher, übersetzt hat.“

„Ja. Batuti Spionierer.“

„Aber wir sind doch alle von den Zeichnern porträtiert worden. Die schicken die Bilder jetzt in alle Provinzen des Reichs, und wenn wir irgendwo was ausgefressen haben oder in nächster Zeit was Krummes anstellen, stöbert man uns garantiert überall auf.“

Matt Davies trat zu ihnen. „Die haben sogar Arwenack und Sir John, den Papagei, abgemalt. Die haben sie nicht mehr alle, sage ich euch.“

„Jawoll“, bestätigte der Gambia-Mann. „Total plemplem.“ Er blickte zum Land.

Dort hatten die chinesischen Soldaten Lagerfeuer angezündet. Nach den Beobachtungen der Seewölfe waren es ständig mehr als hundert schwer Bewaffnete, die umschichtig am Ufer der Bucht Wache hielten.

Batutis Blick wanderte vom Buchtufer seewärts. Auch die Dschunken, die die „Isabella“ überrascht und eingekreist hatten, lagen dort draußen immer noch vor Anker.

Matt Davies hatte Batuti im Auge behalten.

„Glaubst du etwa, da ändert sich was?“ sagte er jetzt. „Heiliger Strohsack, wer wird denn so naiv sein? Die lassen uns nicht mehr aus den Krallen. Sie sind schon in den Laderäumen gewesen und wissen, daß sie ’ne fette Kuh gefangen haben, die sie bloß zu melken brauchen. Vorausgesetzt, Hasard bleibt dabei, diesen eingebildeten Burschen keinen Denkzettel zu verpassen.“

Dan wandte sich zu dem Mann mit der Eisenhakenprothese um. „Matt, fang jetzt bloß nicht an zu stänkern.“

„Wer stänkert denn? Ich sag bloß, wie es ist.“

„Das heißt, du hast an Hasards Entscheidungen was auszusetzen?“

„Diesmal ja.“

„Hast du denn was Besseres vorzuschlagen?“ fragte Dan aufgebracht.

„Und ob.“ Matt schnitt eine geradezu diabolische Grimasse. „Wir machen Klarschiff, pirschen uns an die Gelben ’ran und ziehen dann mächtig vom Leder. Wir sind schon mit ganz anderen Kalibern fertiggeworden.“

„Sie würden uns zusammenschießen.“

„Man kann’s doch wenigstens mal versuchen, oder?“ Matt rückte noch etwas näher auf Dan O’Flynn zu. „Ich weiß, die Chinesen haben Brandsätze, Salpeter-Feuerwerk und noch anderen Kleinkram, mit dem sie gut umzugehen verstehen. Allein mit der großen fünfmastigen Dschunke sind sie auch in der Übermacht, die kleineren Schiffe mal nicht mitgezählt. Das ist mir alles klar, Dan, ich bin doch kein Holzkopf. Aber ich frage mich allmählich, was für ein lahmer Haufen wir geworden sind.“

„Mensch, Matt, begreife doch …“

„Der Seewolf kein Blutbad will“, zischte Batuti. „Wenn alle Seewölfe tot – heller Wahnsinn.“

„So, ihr seid also alle der gleichen Meinung“, sagte Matt Davies. „Gut, dann brauche ich ja nicht weiterzureden.“

„Rede“, erklang in diesem Moment eine Stimme hinter ihm „Auf diesem Schiff braucht keiner ein Blatt vor dem Mund zu nehmen, es sei denn, er will zur Meuterei aufrufen. Dann kriegt er’s mit mir zu tun.“ Die Stimme klang tief und rauh und gehörte dem häßlichsten Mann der „Isabella“: Edwin Carberry.

Matt fuhr herum. „Profos, du kannst mir mit Auspeitschen oder Einsperren drohen, ich sage trotzdem, was ich denke.“

Carberry verharrte einen Schritt vor ihm und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hab ich dich nicht darum gebeten, du Dorsch?“

„Ich weiß, wie du das meinst.“

„Na, wie denn?“ fragte der Profos drohend.

„Wer aufmuckt, dem ziehst du die Haut in Streifen ab, oder?“

„Von seinem Affenarsch, stimmt. Und die Streifen hänge ich in den Hauptmars, wenn du nichts dagegen hast.“

„Ich sage trotzdem, was ich von der Sache hier halte“, erwiderte Matt Davies. „Auch auf die Gefahr hin, zu einer Strafe verdonnert zu werden. Weißt du was, Ed? Ich sag es dem Seewolf ins Gesicht.“

Carberrys Miene war nicht zu entnehmen, was in diesem Augenblick hinter seiner Stirn vorging. Matt Davies, Batuti und selbst Dan O’Flynn, der sich sonst gern mal mit dem Profos anlegte, war aber gar nicht wohl in ihrer Haut.

Endlich sagte Carberry: „Nein, das tust du nicht, Matt. Lieber biege ich es dem Seewolf bei. Du wirst lachen, aber ich bin zufällig mal der gleichen Meinung wie du.“

„Donnerschlag“, sagte Dan.

„Das – kann ich nicht glauben“, sagte Matt Davies.

Carberry stemmte die Fäuste in die Seiten und beugte sich mit dem Oberkörper vor. „Soll das heißen, du glaubst, ich schwindle dir was vor, Mister? Hab ich vielleicht schon mal einen von euch Himmelhunden ’reingelegt oder auf die miese, hinterhältige Tour angeschissen?“

„Hast du nicht“, erwiderte Matt wie aus der Pistole geschossen.

„Dann halt gefälligst den Rand und sprich nur, wenn du gefragt wirst“, wies Carberry ihn barsch zurecht. Er drehte den mächtigen Schädel und blickte zum Achterdeck. Dort hatten sich der Seewolf, Ben Brighton, Big Old Shane und Ferris Tucker versammelt. Der alte Donegal Daniel O’Flynn, Dans Vater, ließ sich nicht blicken. Er hatte sich in seine Kammer im Achterkastell zurückgezogen, mit der galligen Bemerkung, er habe sich den Tag über schon genug über die verfluchte Zopfbande geärgert, und überhaupt, er habe das Ganze ja vorausgesehen.

„Also, ich gehe jetzt ’Rauf und unterbreite dem Seewolf einen ganz vernünftigen Vorschlag“, sagte Carberry mehr im Selbstgespräch. „Den kann er nicht so mir nichts, dir nichts für haarsträubenden Blödsinn erklären.“

„Danke, Ed“, erwiderte Matt Davies.

Der Profos schnaubte verächtlich. „Glaub bloß nicht, daß ich das dir zuliebe tu.“ Er schaute wieder zu den dreien und fixierte plötzlich Batuti. Der Gambia-Mann löste sich aus seiner lehnenden Haltung. Irgend etwas schien nicht zu stimmen. Carberry, der eisenharte Zuchtmeister der „Isabella“, schob auf bedenkliche Art das Rammkinn vor.

„He, Batuti?“ sagte er.

„Profos?“

„Die Luft ist verdammt trocken heute nacht. Paß auf, daß deine schwarze Farbe nicht abblättert. Sonst mußt du sie. erst wieder neu auftragen, wenn der Tag anbricht.“ Er drehte sich auf dem Absatz um und schritt mit breitem Grinsen davon.

Dan folgte ihm, er wollte bei der Besprechung auf dem Achterdeck dabeisein. Matt Davies zog es vor, bei dem schwarzen Herkules am Schanzkleid der Kuhl zu verweilen.

Sie blickten sich an. Batuti hielt die Hände geballt, verdrehte beinah die Augen und gab einen ärgerlichen Seufzer von sich.

„Alles hacken auf Batuti ’rum“, sagte er in seinem gräßlichen Kauderwelsch. „Batuti am liebsten in Teich springt und absäuft.“ Er verzog das Gesicht, als würde ihn jeden Moment das heulende Elend packen.

„Nimm’s nicht so tragisch“, entgegnete Matt Davies. „Carberry reißt zwar faule Witze, aber im Grunde ist er eine ehrliche Haut und nimmt uns beim Seewolf in Schutz, statt uns in die Pfanne zu hauen.“ Er schaute dem Narbenmann nach und meinte noch: „Wenn er bloß endlich mal aufhören würde, seine dämlichen Sprüche zu klopfen.“

2.

Im Dahinschreiten war Carberry tief in seine Gedanken verstrickt. Er nahm nicht zur Kenntnis, daß Dan O’Flynn auf den Steuerbordniedergang zuhuschte, während er, der Profos, auf den Backbordniedergang des Achterkastells zusteuerte. Erst Sir John riß ihn aus seinen Überlegungen.

Der karmesinrote Ara hatte hoch oben auf der Großmarsrah gehockt und Ausschau zum karg bewachsenen Ufer der Bucht, zu den Lagerfeuern und den Soldaten gehalten. Jetzt sauste er im Sturzflug zum Deck hinunter, fing sich buchstäblich in letzter Sekunde ab und landete sanft auf der mächtigen Profosschulter.

Er nickte zweimal, als wisse er über alles genau Bescheid.

„Alle Mann an die Brassen“, schnarrte er, dann knabberte er zärtlich an Carberrys wurstigem Ohr herum.

Carberry griff nach dem Tier, aber Sir John eilte auf die andere Schulter hinüber.

„Paß auf, du“, brummelte der Profos. „Sonst steck ich dich in eine Pütz Seewasser und wringe dich hinterher aus.“

Sir John verstand den Wortsinn zwar nicht, wußte aber den drohenden Unterton in Carberrys Stimme sehr wohl zu werten. Trotzdem blieb er seelenruhig auf der Schulter seines Herrn hocken. Carberry tat ihm nichts zuleide, dem frechen Papagei. Schließlich hatte er ihn am Amazonas selbst gefangen, und eine Art ruppiger Zuneigung verband die beiden miteinander.

Der Profos stieg zum Achterdeck hinauf.

Der Seewolf und seine Gesprächspartner blickten zu ihm.

Carberry schaute an ihnen vorbei und konnte jetzt sehr deutlich die Dschunken erkennen. Das Mondlicht reichte aus. Sie erhoben sich achteraus der „Isabella“ wie große, schemengleiche Tiere mit riesigen Fledermausflügeln.

Die gewaltige fünfmastige Dschunke, die der „Isabella“ gegenüberlag, bot das gleiche Bild. Mit den aufgeholten Lateinersegeln an den langen Gaffelruten wirkte das Schiff wirklich wie ein schwarzer Blutsauger, der mit hochgezogenen Schultern dahockt und darauf wartet, sich auf sein Opfer zu stürzen.

Verdammte Mattensegel, dachte Carberry erbittert, elende Kähne, Scheiß-land.

Carberry hielt auf seinen Kapitän zu.