Cover

Juli Zeh

Good Morning, Boys and Girls

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Über Juli Zeh

Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, studierte Jura in Passau und Leipzig, wo sie 1998 ihr Erstes Staatsexamen machte. Ebenfalls in Leipzig studierte sie am Deutschen Literaturinstitut (DLL). Nach ihrem Diplom am DLL folgte 2003 das Zweite Staatsexamen. 2001 erschien ihr erster Roman, «Adler und Engel», wie ihre anderen Bücher, die mittlerweile in fast 30 Sprachen übersetzt wurden, im Verlag Schöffling & Co. Außerdem hat Zeh Theaterstücke, Erzählungen, Essays und Zeitungsartikel veröffentlicht. Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit dem Deutschen Buchpreis (2002), Rauriser Literaturpreis (2002), Hölderlin-Förderpreis (2003), Ernst-Toller-Preis (2003), dem Jürgen-Bansemer-und-Ute-Nyssen-Dramatikerpreis (2008) und dem Solothurner Literaturpreis (2009). 2010 promovierte sie an der Universität Saarbrücken in internationalem Recht.

Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Theater

 

Minutiös plant Jens, genannt «Cold», den Amoklauf an seiner Schule. Ins Täterprofil passt er perfekt: Er ist 16, Außenseiter, hört böse Musik, spielt gern Counter Strike, schreibt blutige Kurzgeschichten. Dass es vor ihm andere Amokläufer gab, ist ihm bewusst, also muss er eben krasser sein. Schon hört er seine Eltern auf CNN Interviews geben, orchestriert im Kopf den eigenen Nachruhm, das weltweite Betroffenheitspathos. Erst als «Cold» Susanne, eine Mitschülerin, kennenlernt, nimmt die Geschichte eine ungeahnte Wendung.

«Zeh spannt ein Netz von Bezügen, in dem alle ihren Teil an Schuld tragen … Amokläufe können nicht monokausal begründet werden, so eine Hauptthese des Stücks, die durch das überraschende Ende noch einmal bekräftigt wird.» (dpa)

«In 30 Szenen plus Epilog wechselt Juli Zeh permanent – und gekonnt – die Zeit- und Realitätsebenen, bis man nicht mehr genau sagen kann: Was ist Wirklichkeit, was Phantasie?» (Süddeutsche Zeitung)

Impressum

Die Theaterstücke von Juli Zeh sind als Sammelband bei Schöffling & Co., Frankfurt am Main erschienen

 

«Good Morning, Boys and Girls»

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Oktober 2013

Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung any.way, Cathrin Günther

(Abbildung: thinkstockphotos.de)

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved.

Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN 978-3-644-90441-5

www.rowohlt.de

www.rowohlt-theater.de

ISBN 978-3-644-90441-5

Personen

COLD/JENS
16. Plant einen Amoklauf.

SUSANNE
16. Ein Mädchen aus Colds Schule.

VATER
40. Hält seinen Sohn für ein Monster.

MUTTER
40. Hält ihren Sohn für unschuldig.

FRAU PATT
Anfang 30. Lehrerin.

AMOK
Eine Allegorie. Stets maskiert.

DANTON
Männliche Stimme, 30.

ZICKE
Weibliche Stimme, 16.

Anmerkungen

Cold, Zicke und Danton spielen im Netz einen Egoshooter namens Counter Strike Source. Sie sind Mitglieder eines Clans (vergleichbar einem Sportverein), trainieren regelmäßig und nehmen an Wettkämpfen teil (Electronic Sports League). Kommuniziert wird über Teamspeak, ein Programm, mit dessen Hilfe beliebig viele Teilnehmer über das Internet miteinander «telefonieren» können.

 

Amok hat keine eigene Stimme. Was er spricht, wird von Cold, später auch von Susanne synchronisiert. Dabei sollte ein Mikro verwendet werden, damit Amok lauter ist als die anderen.

Szene 1

VATER

3. Juni 1983. Karel Charva erschießt in der Freiherr-vom-Stein-Schule im hessischen Eppstein fünf Menschen und sich selbst. Marc Lepine erschießt 1989 in einer Montrealer Universität 14 Studentinnen. Thomas Hamilton tötet am 13. März 1996 im schottischen Dunblane 16 Grundschüler, eine Lehrerin und sich selbst. Kiplan Kinkel erschießt im Mai 1998 an seiner Schule in Springfield zwei Mitschüler. Ein 16-Jähriger aus Pearl erschießt im Herbst 1997 seine Mutter und zwei Mitschüler. Dylan Klebold und Eric Harris töten am 20. April 1999 13 Menschen in der Columbine-Highschool. Ein 16-Jähriger tötet in Bad Reichenhall am 7. November 1999 seine Schwester, drei Passanten und sich selbst. Zwei Tage später tötet ein 15-jähriger Gymnasiast eine Lehrerin im sächsischen Meißen. Am 16. März 2000 schießt ein 16-jähriger Schüler in Brannenburg auf seinen Internatsleiter und tötet sich anschließend selbst. Charles Andrew Williams tötet am 5. März 2001 in Kalifornien zwei Mitschüler mit einem Revolver. Im Februar 2002 tötet ein 22-Jähriger in Eching den Direktor seiner früheren Berufsschule; einem Lehrer schießt er ins Gesicht. Einen Monat später tötet ein ehemaliger Schüler am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 13 Lehrer, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst.

MUTTER

Er war so ein süßes Kind.

Amok wird von Cold, später auch von Susanne durch ein Mikrophon synchronisiert.

AMOK/COLD

Good morning, boys and girls.

VATER

Im Juli 2003 schießt ein 16-Jähriger in einer Realschule in Coburg eine Lehrerin an und tötet sich selbst.

COLD

Schreiben. Immer schreiben. Die Gedanken rausfließen lassen.

VATER

14. September 2006. Der 25-jährige Kimveer Gill tötet in Montreal eine Mitschülerin und verletzt 19 weitere Personen schwer.

COLD

Wisst ihr, wie sich Schreiben anfühlt? Wie wenn man ein Geschwür öffnet und der Eiter platzt raus.

VATER

2. Oktober 2006. In Pennsylvania tötet ein Amokläufer fünf Schülerinnen einer Amish-Schule.

COLD

Mein Kopf ist eine Wunde / 

VATER

20. November 2006. Sebastian B. verletzt an seiner Schule in Emsdetten 37 Menschen und tötet sich selbst.

COLD

/ die nicht aufhört zu schmerzen und zu wuchern.

VATER

16. April 2007. An der Technischen Hochschule von Blacksburg tötet der 23-jährige Cho Seung-Hui 31 Studenten und Dozenten.

COLD

Denken ist krank.

VATER

7. November 2007. Im finnischen Tuusula erschießt ein Abiturient acht Menschen und sich selbst.

COLD

Alle Gedanken sind Lügen. Die Wirklichkeit besteht aus Gedanken. Also ist die Wirklichkeit eine Lüge.

VATER

Im finnischen Kauhajoki erschießt ein 23-Jähriger im September 2008 neun Schüler, einen Lehrer und sich selbst.

COLD

(heftig) Das hört nicht auf! (Klopft sich rhythmisch an die Stirn) Denk zwo drei vier, denk zwo drei vier, denk zwo drei vier.

VATER

Am 11. März 2009 sterben bei einem Amoklauf an einer Realschule in Winnenden 16 Menschen, darunter der Amokläufer.

COLD

Ich muss meinen Kopf ausdrücken wie einen riesigen Pickel.

MUTTER

Er war so ein liebes Kind.

AMOK/COLD

Good morning, boys and girls.

Szene 2