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Philosophie des Geistes zur Einführung

Jasper Liptow

Philosophie des Geistes zur Einführung

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Wissenschaftlicher Beirat
Michael Hagner, Zürich
Ina Kerner, Berlin
Dieter Thomä, St. Gallen

© 2013 by Junius Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Florian Zietz
Titelbild: Paul Klee, Einer der versteht
Veröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016
ISBN 978-3-96060-006-0
Basierend auf Printausgabe:
ISBN 978-3-88506-072-7
1. Aufl. 2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zur Einführung …

… hat diese Taschenbuchreihe seit ihrer Gründung 1977 gedient. Zunächst als sozialistische Initiative gestartet, die philosophisches Wissen allgemein zugänglich machen und so den Marsch durch die Institutionen theoretisch ausrüsten sollte, wurden die Bände in den achtziger Jahren zu einem verlässlichen Leitfaden durch das Labyrinth der neuen Unübersichtlichkeit. Mit der Kombination von Wissensvermittlung und kritischer Analyse haben die Junius-Bände stilbildend gewirkt.

Seit den neunziger Jahren reformierten sich Teile der Geisteswissenschaften als Kulturwissenschaften und brachten neue Fächer und Schwerpunkte wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte oder Bildwissenschaften hervor. Auch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften sahen sich die traditionellen Kernfächer der Geisteswissenschaften neuen Herausforderungen ausgesetzt. Diesen Veränderungen trug eine Neuausrichtung der Junius-Reihe Rechnung, die seit 2003 von der verstorbenen Cornelia Vismann und zwei der Unterzeichnenden (M.H. und D.T.) verantwortet wurde.

Ein Jahrzehnt später erweisen sich die Kulturwissenschaften eher als notwendige Erweiterung denn als Neubegründung der Geisteswissenschaften. In den Fokus sind neue, nicht zuletzt politik- und sozialwissenschaftliche Fragen gerückt, die sich produktiv mit den geistes- und kulturwissenschaftlichen Problemstellungen vermengt haben. So scheint eine erneute Inventur der Reihe sinnvoll, deren Aufgabe unverändert darin besteht, kompetent und anschaulich zu vermitteln, was kritisches Denken und Forschen jenseits naturwissenschaftlicher Zugänge heute zu leisten vermag.

Zur Einführung ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren. Sie wollen klassische Fragen in neuem Licht und neue Forschungsfelder in gültiger Form dargestellt sehen.

Zur Einführung ist von Leuten geschrieben, die nicht nur einen souveränen Überblick geben, sondern ihren eigenen Standpunkt markieren. Vermittlung heißt nicht Verwässerung, Repräsentativität nicht Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren der Reihe haben eine eigene Perspektive auf ihren Gegenstand, und ihre Handschrift ist in den einzelnen Bänden deutlich erkennbar.

Zur Einführung ist in der Hinsicht traditionell, dass es den Stärken des gedruckten Buchs – die Darstellung baut auf Übersichtlichkeit, Sorgfalt und reflexive Distanz, das Medium auf Handhabbarkeit und Haltbarkeit – auch in Zeiten liquider Netzpublikationen vertraut.

Zur Einführung bleibt seinem ursprünglichen Konzept treu, indem es die Zirkulation von Ideen, Erkenntnissen und Wissen befördert.

Michael Hagner
Ina Kerner
Dieter Thomä

Inhalt

1. Einleitung: Die Philosophie und das Mentale

1.1 Die Methode der Philosophie

1.2 Philosophische Zugänge zum Mentalen

1.3 Grundfragen und -probleme der Philosophie des Geistes

1.4 Aufbau des Bandes

2. Eine kleine Ontologie des Mentalen

2.1 Geistige Substanzen, Eigenschaften und Zustände

2.2 Mentale Ereignisse und mentale Zustände

2.3 Einzelereignisse und Ereignistypen

3. Mentaler Gehalt

3.1 Der Gehalt von Gedanken

3.2 Gehalt und Intentionalität

3.3 Gedanken und mentale Repräsentationen

3.4 Philosophische Theorien mentalen Gehalts

4. Phänomenales Bewusstsein

4.1 »Bewusstsein«

4.2 Was genau ist phänomenales Bewusstsein?

4.3 Philosophische Auffassungen phänomenalen Bewusstseins

5. Gibt es ein Merkmal des Mentalen?

5.1 ›Privilegierter Zugang‹

5.2 Mentaler Gehalt und Intentionalität

5.3 Phänomenales Bewusstsein

6. Ein Anwendungsfall: die sinnliche Wahrnehmung

6.1 Wahrnehmung als Überzeugungserwerb und Erlebnis

6.2 Die Direktheit der Wahrnehmung

6.3 Das Problem der Sinnestäuschungen

6.4 Das Spektrum philosophischer Wahrnehmungstheorien

7. Körper und Geist I – Reduktiver Materialismus

7.1 Analytischer Behaviorismus

7.2 Klassische Identitätstheorie

7.3 Klassischer Funktionalismus

7.4 Analytischer Funktionalismus

8. Körper und Geist II – Nicht-reduktiver und eliminativer Materialismus

8.1 Die beiden Grundprobleme des Materialismus

8.2 Reduktiver und nicht-reduktiver Materialismus

8.3 Das Problem der mentalen Verursachung

8.4 Eliminativer Materialismus?

Anhang

Anmerkungen

Literatur

Über den Autor

1. Einleitung: Die Philosophie und das Mentale

Was ist Philosophie des Geistes? Eine kurze Antwort lautet: Die Untersuchung des Geistes durch die Philosophie. Nun ist diese Antwort sicherlich nicht falsch, aber sie ist offenbar wenig hilfreich und eventuell sogar irreführend. Wenig hilfreich ist sie, weil sie voraussetzt, dass wir wissen, was eine philosophische Untersuchung ist und was unter »dem Geist« als Gegenstand dieser Untersuchung zu verstehen ist. Sie ist eventuell irreführend, weil sie suggerieren könnte, dass es so etwas wie »den Geist« im Sinne eines einzelnen Gegenstands einer besonderen Art – etwa die Seele der christlich-platonischen Tradition – gibt, oder so etwas wie »die Methode der Philosophie« im Sinne einer wohlbestimmten, allgemein praktizierten Form der Forschung. Dass es so etwas gibt, darf aber in beiden Fällen bezweifelt werden und ist sicherlich keine Voraussetzung für die Existenz der Philosophie des Geistes.

Wenn heute über irgendetwas weitgehende Einigkeit in der Philosophie herrscht, dann darüber, dass die Rede von »dem Geist« eines Wesens sich nicht auf einen einzelnen Gegenstand bezieht, den dieses Wesen sein Eigen nennt oder der ein Teil von ihm oder auf eine besondere Weise mit ihm verbunden ist. Dass ein Wesen »einen Geist besitzt«, bedeutet vielmehr, dass ihm bestimmte Arten von Ereignissen, Prozessen, Zuständen, Fähigkeiten und Dispositionen zugeschrieben werden können: dass es etwa Intelligenz besitzt, fühlt, Absichten hat, denkt, wahrnimmt oder empfindet. »Der Geist« ist zunächst nichts anderes als ein Name für den Gegenstandsbereich, der von diesen Arten von ›Dingen‹ gebildet wird und den wir etwas weniger missverständlich auch als »das Mentale« bezeichnen können. Wir können das Interesse der Philosophie am Mentalen daher zunächst durch eine Vielzahl verschiedener Fragen zum Ausdruck bringen: Was sind eigentlich Gedanken, und was heißt es, Gedanken zu haben? Was sind eigentlich sinnliche Wahrnehmungen, und was heißt es, etwas wahrzunehmen? Und so weiter für alle anderen Arten des Mentalen. Aber selbst, wenn wir der Auffassung sind, dass diesen vielen Fragen letztlich eine einzige Frage zugrunde liegt, können wir diese Frage immer noch formulieren, ohne von »dem Geist« als einem einzelnen Gegenstand zu reden. Sie lautet etwa: Was ist es, dass einige Zustände, Ereignisse usw. zu mentalen Zuständen, Ereignissen usw. macht, und was heißt es, ein Wesen mit mentalen Zuständen, Ereignissen usw. zu sein?1 Dass ein Wesen, um in diesem Sinn ein geistiges Wesen zu sein – um mentale Ereignisse, Zustände usw. haben zu können –, einen Geist im Sinne eines einzelnen Gegenstands sein Eigen nennen muss, wird dann als eine riskante These erkennbar, die im Rahmen einer philosophischen Erklärung des Mentalen zu erläutern und zu begründen wäre.

In ähnlicher Weise ist die Rede von »der Methode der Philosophie« irreführend. Auch sie könnte die Existenz von etwas suggerieren, das es tatsächlich nicht gibt: eine von anderen – insbesondere empirischen – Forschungsmethoden prinzipiell unterschiedene, allgemein anerkannte und praktizierte Form der philosophischen Forschung. Aber ebenso wenig wie die Nichtexistenz »des Geistes« bedeutet, dass die Philosophie des Geistes keinen Gegenstand hat, bedeutet die Nichtexistenz »der Methode der Philosophie«, dass man die Philosophie des Geistes nicht relativ zuverlässig von anderen Formen der Erforschung des Mentalen, wie etwa der Psychologie, unterscheiden kann.

Die Erläuterung zentraler Aspekte der Bedeutung unserer Rede vom Mentalen ist der Gegenstand dieser gesamten Einführung. Dieses einleitende Kapitel möchte ich dafür nutzen, wichtige Unterschiede zwischen einer philosophischen im Gegensatz zu einer empirisch-wissenschaftlichen Untersuchung des Mentalen herauszustreichen.

1.1 Die Methode der Philosophie

Was unterscheidet die Philosophie des Geistes von allen anderen Arten der Untersuchung des Mentalen, insbesondere von einer empirischen Untersuchung des Mentalen und damit von der Psychologie? Auf diese Frage eine unkontroverse Antwort zu geben ist kaum möglich. Denn von der Philosophie gilt, was Adorno einmal von der Kunst sagte: dass es zur Selbstverständlichkeit wurde, dass nichts, was sie betrifft, mehr selbstverständlich ist.2 Dies ist auch gar nicht der Ort, um zu versuchen, die Frage nach der Methode der Philosophie allgemein zu beantworten, denn diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit der Erforschung des Mentalen nicht in einer prinzipiell anderen Weise als im Zusammenhang mit der Erforschung anderer Bereiche, und dies ist eine Einführung in die Philosophie des Geistes und nicht in die Philosophie der Philosophie.3 Da ich aber hoffe, dass diese Einführung auch Leserinnen und Leser findet, die sich für das Mentale interessieren, ohne bereits auf die eine oder andere Weise eingehender mit der Philosophie vertraut zu sein, möchte ich einige grundlegende Hinweise in dieser Sache geben. (Wer glaubt, ohne diese Hinweise auszukommen, kann den Rest dieses Abschnitts überspringen.)

Seitdem sich die moderne empirische Wissenschaft in der Neuzeit als eine Forschungsmethode eigener Art von der Philosophie emanzipiert hat, stellt sich der Philosophie mit zunehmender Dringlichkeit die Frage nach ihrem Verhältnis zu diesem Unternehmen. Anders als andere Formen nicht-empirischer Forschung, wie Logik und Mathematik, kann die Philosophie keinen eigenen Gegenstandsbereich für sich reklamieren. Was immer sie untersucht – von den grundlegenden Strukturen dessen, was es überhaupt gibt, bis hin zu den Merkmalen menschlicher Sprache oder der Funktion der Kunst –, stets teilt sie sich ihren Gegenstand mit empirisch-wissenschaftlicher Forschung – etwa der Kosmologie, der Linguistik oder der Kunstwissenschaft. Das gilt auch für die Philosophie des Geistes, die denselben Gegenstandsbereich besitzt wie die empirische Psychologie, deren Emanzipation von der Philosophie in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt. Das wäre kein Problem, wenn die Philosophie nicht den Anspruch hätte, genauso wie die empirisch-wissenschaftliche Forschung einen eigenständigen Beitrag zu unserem Wissen über die Welt zu liefern. Nun lässt sich zwar mit guten Gründen bestreiten, dass der Anspruch auf Erkenntnis der einzige legitime Anspruch philosophischer Arbeit ist.4 Stimmen aber, die leugnen, dass die Idee philosophischer Erkenntnis als solche verfehlt ist, lassen sich heute nur noch vereinzelt vernehmen.5 Wie aber unterscheidet sich dann die philosophische von der empirisch-wissenschaftlichen Untersuchung eines bestimmten Gegenstandsbereichs – in unserem Fall des Mentalen?

Antworten auf diese Frage lassen sich in zwei Klassen einteilen: in diejenigen, die behaupten, dass die beiden Unternehmungen sich prinzipiell unterscheiden, und diejenigen, die behaupten, dass alle Unterschiede zwischen den beiden Unternehmungen letztlich gradueller Natur sind. Überlegen wir zunächst, auf welche Weise ein prinzipieller Unterschied zwischen zwei Praktiken der Gewinnung von Wissen über denselben Gegenstandsbereich geltend gemacht werden könnte. Hier scheint es vor allem folgende Möglichkeiten zu geben: Man könnte erstens behaupten, dass das jeweilige Wissen sich hinsichtlich seines modalen Status unterscheidet – empirische Forschung liefert vielleicht nur kontingente Wahrheiten, philosophische Forschung hingegen notwendige Wahrheiten. Man könnte zweitens die These zu vertreten versuchen, dass der Unterschied bei genauerem Hinsehen letztlich doch wieder einer des Gegenstandsbereichs ist – das empirische Wissen handelt unmittelbar von der Welt, während das philosophische Wissen vielleicht unmittelbar nur von den Begriffen handelt, mit denen wir die entsprechenden Aspekte der Welt erfassen, und nur mittelbar von den Dingen, die unter diese Begriffe fallen, selbst. Man kann drittens behaupten, dass der entscheidende Unterschied in der Art der Begründung des jeweiligen Wissens besteht – die Begründung empirischen Wissens hängt sicherlich von Beobachtungen und Experimenten und damit von der sinnlichen Erfahrung ab (es handelt sich um Wissen a posteriori), die des philosophischen Wissens ist vielleicht erfahrungsunabhängig (es handelt sich um Wissen a priori). Und man kann schließlich viertens behaupten, dass der entscheidende Unterschied in der Art der Belege besteht, auf die sich das Wissen stützt – empirisches Wissen stützt sich wohl immer auf Erfahrungen, philosophisches Wissen dagegen vielleicht auf eine besondere Art von Intuitionen, wie sie sich vielleicht durch Gedankenexperimente ermitteln lassen.

Versuche, eine prinzipielle Autonomie des philosophischen Wissens geltend zu machen, haben in den letzten Jahrzehnten zwar wieder etwas an Fahrt aufgenommen, es hat sich aber gezeigt, dass sie mit notorischen Problemen behaftet sind. So hat sich etwa inzwischen weitgehend die Meinung durchgesetzt, dass das naturwissenschaftliche Wissen selbst zumindest teilweise ein Wissen von notwendigen Wahrheiten ist6 und sich philosophisches Wissen daher nicht ohne Weiteres durch seinen modalen Status abgrenzen lässt. Auch ist es schwierig zu verstehen, wie ein Wissen, das unmittelbar nur von Begriffen handelt oder das hinsichtlich seiner Begründung von der sinnlichen Erfahrung in einem starken Sinn unabhängig ist, dennoch ein Wissen über die konkrete, sinnlich erfahrbare Welt sein kann.7 Und schließlich ist es höchst umstritten, ob es Intuitionen im Sinne von prinzipiell von unseren gewöhnlichen empirischen Überzeugungen verschiedene Belege für ein Wissen von der Welt überhaupt gibt und wie sie, wenn es sie gibt, Belege für ein Wissen über die erfahrbare Welt sein können.8

Ich hatte bereits gesagt, dass dies nicht der Ort ist, um die Frage nach der prinzipiellen Autonomie philosophischer Erkenntnis zu diskutieren. Auch ohne eine solche Diskussion aber sollte deutlich geworden sein, dass die Annahme eines prinzipiellen Unterschieds zwischen philosophischer und empirischer Erkenntnis eine Reihe von umstrittenen begrifflichen Unterscheidungen und substanziellen Thesen zu rechtfertigen hat. Insofern ist es auf jeden Fall methodisch heikel, die Ergebnisse der philosophischen Arbeit von der Tragfähigkeit dieser Unterscheidungen und der Wahrheit dieser Thesen abhängig zu machen.

Darüber hinaus ist nicht klar, was methodisch gewonnen wäre, wenn gezeigt würde, dass sich die philosophische Erkenntnis wesentlich von der empirischen unterscheidet. Auch wer annimmt, dass die Unterschiede letztlich nur gradueller Natur sind, leugnet ja nicht, dass es hier tatsächlich Unterschiede gibt. Auch graduelle Unterschiede sind Unterschiede. Die Welt enthält wirklich Menschen mit und ohne Glatzen, Baustellen mit und ohne Sandhaufen, leise und laute Cafés, langsame und schnelle Läufer, und wir haben in der Regel kein Problem, einzelne Fälle der einen oder anderen Seite zuzuschlagen. Ebenso kann die Welt auch dann, wenn die Unterschiede zwischen empirischer und philosophischer Erkenntnis letztlich gradueller Natur sind, wirklich empirische und philosophische Erkenntnis enthalten, und es kann in vielen Fällen ohne Schwierigkeit möglich sein, einzelne Fälle von Erkenntnis der einen oder anderen Art zuzuordnen.

Welches aber könnten die graduellen Unterschiede zwischen philosophischer und empirischer Erkenntnis sein? Ich möchte vor allem folgende Merkmale erwähnen, über die weitgehende Einigkeit herrscht:

Philosophische Forschung zielt erstens auf besonders allgemeine oder abstrakte Merkmale ihrer Gegenstände. Sie fragt nicht nach den konkreten Gesetzen, die die verschiedenen Arten von Gegenständen eines bestimmten Bereichs im Detail beherrschen, sondern danach, was es eigentlich heißt, ein Gegenstand einer dieser Arten oder überhaupt dieses Bereichs zu sein und unter diese Art von Gesetzen zu fallen.

Damit hängt zweitens zusammen, dass die philosophische Forschung immer auch eine Form des Diskurses beinhaltet, die man mit dem amerikanischen Philosophen W. V. O. Quine als »semantischen Aufstieg« (semantic ascent) bezeichnen kann. Des semantischen Aufstiegs bedienen wir uns immer dann, wenn wir nicht einfach unhinterfragt bestimmte Wörter und Begriffe verwenden, um über die Verfasstheit eines bestimmten Gegenstandsbereichs zu reden, sondern wenn wir dabei gleichzeitig nach dem Sinn dieser Wörter und dem Gehalt dieser Begriffe und nach deren Angemessenheit für den infrage stehenden Gegenstandsbereich fragen.9 Zwar wird, wie Quine betont, der semantische Aufstieg auch in den empirischen Wissenschaften immer wieder in Anspruch genommen, etwa wenn es um die Klärung von Grundlagenproblemen geht, aber in der Philosophie gehört es zum alltäglichen Geschäft, die Angemessenheit noch der scheinbar selbstverständlichsten begrifflichen Unterscheidung zu hinterfragen, die für die Gewinnung von Erkenntnis in Anspruch genommen wird.

Drittens beansprucht die Philosophie, die grundlegenden Eigenschaften und Beziehungen, die einen jeweiligen Gegenstandsbereich bestimmen, in Begriffen zu erklären, die an unser alltägliches Weltverständnis zurückgebunden bleiben. Während die empirischen Wissenschaften sich eigens für den Zweck der jeweiligen Erkenntnis entwickelter theoretischer Sprachen und Begriffssysteme bedienen, die mit unseren Alltagsverständnissen nur noch so weit verbunden sind, wie es notwendig ist, um sie zu erlernen, sollen die Erkenntnisse der Philosophie nicht nur für eine Gruppe von Spezialistinnen und Spezialisten zugänglich sein, sondern unmittelbar unser Selbstverständnis als vernünftig denkende Wesen bereichern. Auch die technischen Begriffe, die die Philosophie verwendet, heißt das, müssen sich letztlich immer in einer allgemein verständlichen Weise explizieren lassen.

Auf diese Weise kann die Philosophie viertens auch in besonderer Weise der Frage nachgehen, wie ein bestimmter Bereich von Gegenständen mit anderen Bereichen von Gegenständen zusammenhängt. Die Physik etwa nimmt Gegenstände in der Regel immer schon als Gegenstände in den Blick, die bestimmte Eigenschaften besitzen und in bestimmten Beziehungen stehen, wie sie durch bestimmte physikalische Theorien vorgezeichnet sind. Die Frage, wie die physikalischen Gegenstände mit Gegenständen anderer Arten, etwa biologischen Gegenständen oder mentalen Gegenständen, zusammenhängen, wird unter diesen Vorzeichen in der Regel nicht mehr selbst als eine physikalische Frage begriffen. Zwar haben auch die empirischen Wissenschaften immer wieder den Anspruch zu erklären, wie sich die Erkenntnisse, die sie gewinnen, zu den Erkenntnissen anderer Wissenschaften verhalten, aber die Philosophie ist in besonderer Weise zur Klärung dieser Frage geeignet.

Diese Punkte lassen viele Ähnlichkeiten mit den Thesen erkennen, durch die wir oben die Idee eines prinzipiellen Unterschieds zwischen empirischer und philosophischer Erkenntnis auszudrücken versucht hatten. Das ist kein Zufall. Niemand kann die offensichtlichen Unterschiede leugnen, die den Großteil der philosophischen von dem Großteil der empirischen Forschung trennen. Beobachtung oder die Durchführung von Experimenten spielen in der philosophischen Forschung praktisch keine Rolle, in kaum einer Universität gibt es ein philosophisches Labor. Strittig ist vor allem die Deutung oder Erklärung dieser offensichtlichen Unterschiede. Ich werde im Folgenden davon ausgehen, dass ihre Existenz damit vereinbar ist, dass das philosophische Wissen letztlich nicht durch einen prinzipiellen Graben vom empirischen Wissen getrennt ist.

1.2 Philosophische Zugänge zum Mentalen

Wenn nicht Beobachtung und Experiment die primären Daten für die philosophische Untersuchung des Mentalen liefern, wovon geht diese dann aus? Welches sind die primären Quellen des philosophischen Wissens über das Mentale?

Hier ist zunächst jener Bereich unseres alltäglichen Redens und Denkens zu nennen, der oft als unsere »Alltagspsychologie« (folk psychology) bezeichnet wird. Damit verständlich wird, wieso es sich hier um eine Quelle philosophischer Erkenntnis handelt, bedarf es eines kurzen Kommentars. Gelegentlich wird unter der Alltagspsychologie (mehr oder weniger abschätzig) so etwas wie eine vorwissenschaftliche, wahrscheinlich von Vorurteilen durchdrungene und womöglich verfehlte Theorie über das Mentale verstanden, die sich zu der wissenschaftlichen Psychologie in etwa so verhält wie die Alltagsphysik zur wissenschaftlichen Physik.10 Eine solche Alltagstheorie kann wohl kaum als eine Quelle philosophischer (oder überhaupt irgendwelcher wissenschaftlicher) Einsichten dienen. Wenn unsere Alltagspsychologie der Ausgangspunkt philosophischer Forschung sein können soll, müssen wir hierunter etwas für unser Verständnis des Mentalen Grundlegenderes verstehen als eine Sammlung potenziell falscher Alltagsüberzeugungen. Ein solches Verständnis steht nun tatsächlich zur Verfügung. Diesem Verständnis zufolge besteht unsere Alltagspsychologie aus den Grundzügen unseres Verständnisses unserer selbst und anderer als geistige Wesen, wie sie sich weniger in einzelnen Ansichten als vielmehr in der Form unseres alltäglichen Redens und Denkens über Mentales ausdrücken: in der grammatischen Struktur, den logischen Eigenschaften und ontologischen Voraussetzungen oder der Rechtfertigung derjenigen Sätze und Gedanken, mit denen wir uns selbst und anderen Gedanken, Wahrnehmungen, Empfindungen usw. zuschreiben. Wir werden in späteren Kapiteln sehen, dass sich unserer so verstandenen Alltagspsychologie tatsächlich ein Begriff des Gehalts von mentalen Zuständen und Ereignissen und ein entsprechender Begriff von Gedanken entnehmen lässt, sowie Hinweise auf das Wesen der sinnlichen Wahrnehmung. Die Einsichten, die anhand einer Untersuchung der Alltagspsychologie in diesem Sinn gewonnen werden können, sind für unser Verständnis des Mentalen tatsächlich in einer Weise prägend, dass nur schwer vorstellbar ist, in welchem Sinn ein Wesen, auf das sie nicht zutreffen, überhaupt ein geistiges Wesen sein könnte.

Eine zweite, von der Alltagspsychologie nicht immer scharf zu trennende Quelle philosophischen Wissens über das Mentale ist das, was man heute oft als »Phänomenologie« bezeichnet. Hiermit ist dann aber nicht die gleichnamige Richtung philosophischer Forschung gemeint, sondern eine bestimmte Form des Verständnisses, das geistige Wesen von sich selbst als geistigen Wesen haben können. Für viele Arten mentaler Ereignisse oder Zustände gilt mit einer berühmten Formulierung des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel, dass es für die Subjekte dieser Ereignisse und Zustände »irgendwie ist«, sich in ihnen zu befinden.11 Das wird heute oft in dem engen Sinn verstanden, der uns unter dem Titel des »phänomenalen Bewusstseins« in einem späteren Kapitel beschäftigen wird. In einem weiteren Sinn können wir hierzu aber auch grundlegende Aspekte unseres reflektierten Selbstverständnisses als Subjekte bestimmter Arten mentaler Zustände oder Ereignisse zählen. Wir können diese Aspekte vielleicht so kennzeichnen, dass sie Ansichten darüber beinhalten, was es heißt, ein Subjekt bestimmter Arten mentaler Zustände oder Ereignisse zu sein, die wir als wahr anerkennen müssen, wenn wir uns in die Situation dieses Subjekts begeben. So gehört es etwa zur Phänomenologie der sinnlichen Wahrnehmung, dass uns in der sinnlichen Wahrnehmung die materiellen Dinge selbst gegenwärtig sind. Dies ist ein so grundlegender Aspekt unseres Selbstverständnisses als sinnlich Wahrnehmende, dass wir eine philosophische Erklärung eines bestimmten Vermögens, das diesem Aspekt nicht Rechnung trägt, nur schwer als eine Erklärung der sinnlichen Wahrnehmung anerkennen können.

Wenn man Alltagspsychologie und Phänomenologie in dieser Weise begreift, ist nur schwer vorstellbar, wie die Ansichten des Mentalen, die sie enthalten, von der Psychologie oder einer anderen empirischen Wissenschaft widerlegt oder korrigiert werden könnten. Aber das heißt nicht, dass es ausgeschlossen ist, dass das passiert.12 Und außerdem können die empirischen Wissenschaften unsere Alltagsüberzeugungen auf subtilere Weise beeinflussen als durch offene Widerlegung oder Korrektur. Man denke nur an die Veränderung unseres Selbstverständnisses als mentale Wesen, die die Psychoanalyse im Lauf der letzten gut hundert Jahre bewirkt hat. Der Gedanke, dass unser Denken und Handeln von mentalen Ereignissen beeinflusst wird, von denen wir zu dem Zeitpunkt, zu dem sie stattfinden, keine Kenntnis haben können, und dass Beschreibungen unseres mentalen Lebens aus der Perspektive der dritten Person auch dann wahr sein können, wenn das Subjekt dieser Zustände sie aufrichtig bestreitet, scheint heute, anders als vielleicht noch vor hundert Jahren, ein Bestandteil unserer Alltagspsychologie zu sein.

1.3 Grundfragen und -probleme der Philosophie des Geistes

Vor dem Hintergrund dieser Andeutungen können wir das Unternehmen der Philosophie des Geistes nun dadurch näher charakterisieren, dass wir betrachten, welcher Art die Fragen sind, die es zu beantworten versucht:

Es sind erstens Fragen, die die grundlegenden Merkmale (früher hätte man gesagt: das »Wesen«) der grundlegenden Arten des Mentalen betreffen: Was kennzeichnet das Mentale als solches? Und was kennzeichnet Gedanken als solche? Und was unterscheidet sie von Wahrnehmungen oder Empfindungen?

Es sind zweitens Fragen, die das Wesen der grundlegenden Eigenschaften und Relationen betreffen, durch die das Mentale und die verschiedenen Arten des Mentalen gekennzeichnet sind: Wie lässt sich etwa die Empfindungsqualität von Schmerzen verstehen? Wie ist es zu erklären, dass Gedanken von der Welt handeln oder Emotionen auf Dinge in der Welt gerichtet sind?

Es sind drittens Fragen, die den Zusammenhang des Mentalen mit der nicht-mentalen Welt betreffen. Hier sind es vor allem zwei Arten von Fragen, die im Mittelpunkt stehen: zum einen Fragen, die den kausalen Zusammenhang mentaler Ereignisse untereinander und mentaler Ereignisse mit Ereignissen in der nicht-mentalen Welt betreffen, wie er in der Wahrnehmung und im Handeln besteht (das sogenannte »Problem der mentalen Verursachung«); zum anderen Fragen, die das Verhältnis des Mentalen zu denjenigen körperlichen Ereignissen, Vorgängen, Zuständen usw. betreffen, mit denen es zumindest de facto stets korreliert ist und von denen es abzuhängen scheint. Diese Fragen werden unter dem Titel »Leib-Seele-Problem« oder »Körper-Geist-Problem« verhandelt.

Und schließlich sind es viertens Fragen, die den internen Zusammenhang des Mentalen mit anderen Gegenstandsbereichen betreffen, die sich ihrerseits nicht unabhängig vom Mentalen verstehen lassen, sondern konstitutiv von ihm abhängen, wie etwa die Sprache, die Kunst oder die Moral.

1.4 Aufbau des Bandes

Im Rahmen dieser Einführung werden wir uns auf Fragen der ersten drei Arten beschränken. Die nächsten fünf Kapitel beschäftigen sich mit Fragen der ersten beiden Arten, die letzten beiden Kapitel mit dem Problem des Verhältnisses von Geist und Körper. Etwas genauer sieht das so aus: Im nächsten Kapitel werde ich unter dem Titel einer »Ontologie des Mentalen« überlegen, nach welchen Prinzipien der Bereich des Mentalen sich in welche grundlegenden Arten mentaler ›Dinge‹ einteilen lässt, und entsprechend versuchen, die Rede von mentalen Substanzen, Eigenschaften, Zuständen, Ereignissen usw. zu erläutern. Die darauffolgenden beiden Kapitel sind den beiden grundlegenden Eigenschaften mentaler Ereignisse und Zustände gewidmet: dem mentalen Gehalt und dem phänomenalen Bewusstsein. In beiden Fällen gehe ich so vor, dass ich zunächst versuche, den intuitiven Gehalt der jeweiligen Idee ausführlich zu erläutern, um dann einen Überblick über die philosophischen Ansätze zur Erklärung des entsprechenden Phänomens darzustellen. Das fünfte Kapitel ist dann der Frage gewidmet, ob es ein einheitliches Prinzip gibt, nach dem wir Mentales von Nicht-Mentalem unterscheiden. Es wird sich zeigen, dass die Überlegungen der vorangegangenen Kapitel es erlauben, zumindest eine tentative Antwort auf die Frage nach diesem sogenannten »Merkmal des Mentalen« zu geben. Im sechsten Kapitel werden wir dann die begrifflichen Erläuterungen der vorangegangenen Kapitel dadurch überprüfen und vertiefen, dass wir sie auf einen konkreten Fall des Mentalen, die sinnliche Wahrnehmung, anwenden.

Die letzten beiden Kapitel schließlich widmen sich dem in den meisten anderen Einführungen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden Zusammenhang zwischen Geist und Körper.13 Hintergrund meiner Entscheidung, diese Darstellung an das Ende dieser Einführung zu stellen, ist die Überzeugung, dass das Projekt des philosophischen Materialismus nicht verstanden werden kann, solange man sich nicht sorgfältig darüber Rechenschaft abgelegt hat, was denn eigentlich die grundlegenden Merkmale der mentalen Phänomene sind, von denen zumindest die radikalere Form des Materialismus, der reduktive Materialismus, behaupten möchte, dass sie in einem bestimmten Sinn nichts anderes als physische Phänomene sind. Die Erörterung des Materialismus vollzieht sich in zwei Schritten. Im siebten Kapitel stelle ich die wichtigsten Varianten des reduktiven Materialismus dar und diskutiere ihre relativen Vorzüge und Nachteile, im achten Kapitel präsentiere ich zunächst die beiden Grundprobleme des reduktiven Materialismus und stelle dann eine Variante des nichtreduktiven Materialismus vor. Es zeigt sich, dass der nicht-reduktive Materialismus zwar die Grundprobleme des reduktiven Materialismus vermeidet, dafür aber Schwierigkeiten hat, der mentalen Verursachung Rechnung zu tragen. Abschließend werfe ich einen kurzen Blick auf den eliminativen Materialismus, der die erstaunliche These vertritt, dass das Mentale, so wie wir es bis dahin zu verstehen versucht haben, schlichtweg nicht existiert.

Ich habe versucht, die einzelnen Kapitel so zu gestalten, dass sie weitgehend auch unabhängig voneinander verständlich sind. Wo mir das nicht gelungen ist, habe ich in Fußnoten auf die Passagen verwiesen, in denen das Vorausgesetzte erörtert wird.

2. Eine kleine Ontologie des Mentalen

Ich habe, um mich auf Mentales insgesamt zu beziehen, bisher zwei Arten von Aufzählungen verwendet, die implizieren, dass sich der Bereich des Mentalen in unterschiedlichen Weisen in grundlegende Arten einteilen lässt. Zum einen habe ich von »Gedanken, Wahrnehmungen, Empfindungen usw.« geredet, zum anderen von »mentalen Zuständen, Ereignissen usw.«. Das mag für die Zwecke einer Einleitung in eine Einführung noch gerade durchgehen, sobald man aber auf ein genaueres Verständnis der Fragen, Probleme und Positionen der Philosophie des Geistes aus ist, muss man sich Klarheit verschaffen über die Prinzipien, nach denen man den Bereich des Mentalen in grundlegende Arten einteilt, und über die Begriffe, mit denen man diese Arten bezeichnet.

Auf Fragen wie die nach dem Unterschied zwischen Gedanken, Wahrnehmungen, Empfindungen usw. werden wir in späteren Kapiteln noch eingehen. In diesem Kapitel wollen wir uns mit Unterschieden der zweiten Art beschäftigen. Hier handelt es sich um Unterschiede, die durch den Gebrauch von ontologischen Begriffen getroffen werden, von Begriffen also, deren Funktion es ist, ›Dinge‹ – im weitesten Sinn des Wortes genommen – in den grundlegendsten und allgemeinsten Hinsichten überhaupt zu charakterisieren und zu klassifizieren. Die in der philosophischen Diskussion übliche Unterscheidung zwischen substanz- und eigenschaftsdualistischen Positionen etwa ist ebenso eine ontologische Unterscheidung wie die zwischen mentalen Zuständen, Ereignissen und Prozessen. In diesem Kapitel möchte ich diese Begriffe so weit klären, wie das für ein Verständnis der anstehenden philosophischen Probleme im Zusammenhang mit dem Mentalen wichtig ist. Nicht zuletzt soll dabei die in der Philosophie des Geistes weit verbreitete pauschale Rede von mentalen Zuständen als Sammelbegriff für so unterschiedliche ›Dinge‹ wie Überzeugungen, Urteile, Wahrnehmungen, Absichten, Schmerzerlebnisse und Stimmungen einerseits erläutert, andererseits aber vor allem durch eine differenziertere Rede ersetzt werden, die es erlaubt, diese verschiedenen ›Dinge‹ hinsichtlich ihrer zeitlichen Form zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist kein Selbstzweck. Sie hilft uns, phänomenologisch und alltagspsychologisch wichtige Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Arten des Mentalen zu artikulieren und im Blick zu behalten, und ermöglicht uns dadurch, philosophische Scheinfragen zu vermeiden, die durch eine Verwechslung dieser Phänomene entstehen.

2.1 Geistige Substanzen, Eigenschaften und Zustände

Ich hatte einleitend gesagt, dass heute unter Philosophinnen und Philosophen weitgehende Einigkeit besteht, dass man die Rede von »dem Geist« eines Wesens nicht so verstehen sollte, dass etwa »mein Geist« der Name für einen einzelnen Gegenstand wäre, der ein Teil von mir ist oder in irgendeiner Weise von mir ›besessen‹ wird. Das war nicht immer so. In der platonischchristlichen Tradition ist es der Begriff der Seele, in dem sich die Idee ausdrückt, dass das geistige Leben eines Wesens auf die Existenz eines einzelnen Gegenstands einer besonderen Art angewiesen ist, der zusätzlich zu seinem Körper existiert und der der eigentliche Ort des geistigen Lebens dieses Wesens ist.

Ihren einflussreichsten philosophischen Ausdruck hat diese Idee im 17. Jahrhundert durch René Descartes erfahren. Descartes begreift den Menschen als eine Verbindung zweier fundamental unterschiedlicher ›Dinge‹, eines Körpers bzw. »ausgedehnten Dings« (res extensa) und eines Geistes bzw. »denkenden Dings« (res cogitans). Ontologisch gesehen handelt es sich bei diesen beiden ›Dingen‹ um Substanzen.14 Substanzen als solche sind für Descartes durch zwei Merkmale definiert. Sie hängen hinsichtlich ihrer Existenz von nichts anderem ab;15 und sie sind diejenigen ›Dinge‹, denen einerseits Eigenschaften zugeschrieben werden können, die aber andererseits nicht selbst anderen ›Dingen‹ als Eigenschaften zugeschrieben werden können. Meine Größe und mein Gewicht sind Eigenschaften der Substanz, die mein Körper ist, meine Feigheit, meine Gedanken und meine Empfindungen Eigenschaften der Substanz, die mein Geist ist.

Körper und Geist sind zwei Substanzen fundamental unterschiedlicher Art: Der Körper ist ausgedehnt und aus Teilen zusammengesetzt, der Geist nicht; der Körper ist daher auch vergänglich, der Geist nicht; der Geist empfindet, denkt, fühlt, der Körper nicht. Die einzige echte Gemeinsamkeit zwischen Körper und Geist besteht darin, dass sie beide Substanzen sind. Es ist daher angemessen, Descartes’ Auffassung des Mentalen und seines Verhältnisses zum Körper als einen Substanz dualismus zu bezeichnen.