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Technikphilosophie zur Einführung

Alfred Nordmann

Technikphilosophie zur Einführung

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Wissenschaftlicher Beirat
Michael Hagner, Zürich
Dieter Thomä, St. Gallen
Cornelia Vismann, Frankfurt a.M.†

Junius Verlag GmbH
Stresemannstraße 375
22761 Hamburg
Im Internet: www.junius-verlag.de

© 2008 by Junius Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Florian Zietz
Titelbild: Man Ray, L’impossible (1920)
Veröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016
ISBN 978-3-96060-021-3
Basierend auf Printausgabe:
ISBN 978-3-88506-724-5
2., korrigierte und erweiterte Aufl. 2015

Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Zur Einführung …

hat diese Taschenbuchreihe seit ihrer Gründung 1978 gedient. Zunächst als sozialistische Initiative gestartet, die philosophisches Wissen allgemein zugänglich machen und so den Marsch durch die Institutionen theoretisch ausrüsten sollte, wurden die Bände in den achtziger Jahren zu einem verlässlichen Leitfaden durch das Labyrinth der neuen Unübersichtlichkeit. Mit der Kombination von Wissensvermittlung und kritischer Analyse haben die Junius-Bände stilbildend gewirkt.

Von Zeit zu Zeit müssen im ausufernden Gebiet der Wissenschaften neue Wegweiser aufgestellt werden. Teile der Geisteswissenschaften haben sich als Kulturwissenschaften reformiert und neue Fächer und Schwerpunkte wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte oder Bildwissenschaften hervorgebracht; auch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften sind die traditionellen Kernfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften neuen Herausforderungen ausgesetzt. Diese Veränderungen sind nicht bloß Rochaden auf dem Schachbrett der akademischen Disziplinen. Sie tragen vielmehr grundlegenden Transformationen in der Genealogie, Anordnung und Geltung des Wissens Rechnung. Angesichts dieser Prozesse besteht die Aufgabe der Einführungsreihe darin, regelmäßig, kompetent und anschaulich Inventur zu halten.

Zur Einführung ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren. Sie wollen klassische Fragen in neuem Licht und neue Forschungsfelder in gültiger Form dargestellt sehen.

Zur Einführung ist von Leuten geschrieben, die nicht nur einen souveränen Überblick geben, sondern ihren eigenen Standpunkt markieren. Vermittlung heißt nicht Verwässerung, Repräsentativität nicht Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren der Reihe haben eine eigene Perspektive auf ihren Gegenstand, und ihre Handschrift ist in den einzelnen Bänden deutlich erkennbar.

Zur Einführung ist in verstärktem Maß ein Ort für Themen, die unter dem weiten Mantel der Kulturwissenschaften Platz haben und exemplarisch zeigen, was das Denken heute jenseits der Naturwissenschaften zu leisten vermag.

Zur Einführung bleibt seinem ursprünglichen Konzept treu, indem es die Zirkulation von Ideen, Erkenntnissen und Wissen befördert.

Michael Hagner
Dieter Thomä
Cornelia Vismann

Inhalt

Technikgeschichten: Zur Einführung in diese Einführung

Technik als Reflexionsbegriff

Romanzen und Tragödien

1. Hervorbringen oder Herausfordern – die Frage nach Mensch und Technik

Die silberne Opferschale: Aristoteles und Martin Heidegger

Die Maschine: Martin Heidegger und Ernst Cassirer

2. Vertraut und unheimlich – die Frage nach Natur und Technik

Der Berliner Schlüssel: Lebensform und Aktionsprogramm

Die Krebsmaus: Natur und Gegennatur

3. Archäologie und Utopie – die Frage nach Technik und Geschichte

Der »Bracht« und die Ausgrabung technisierter Welten

Die Kamera und der Fortschritt der Technisierung

4. Instrumentell oder kommunikativ – die Frage nach Technik und Wissen

Die Vakuumpumpe oder die Entleerung der Gesellschaft

Das Fahrrad oder der offene Konstruktionsprozess

5. Das technische Kunstwerk – die Frage nach Lust und Liebe

Das Feuerwerk oder das Unscheinbare

Die Guillotine, heile und kaputte Welt

Sein und Sollen: Eine Schlussbetrachtung

Rückblick: Angemessene Verhältnisse

Ausblick: Ansätze zu einer Technikethik

Danksagung

Anhang

Weiterführende Literatur

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Technikgeschichten: Zur Einführung in diese Einführung

Technik als Reflexionsbegriff

Das Erstaunliche an der Technikphilosophie ist, dass es sie noch nicht sehr lange gibt. Während die Technik so alt ist wie die Menschheit selbst und die Philosophie immerhin auf eine fast dreitausendjährige Geschichte zurückblickt, taucht die »Technikphilosophie« unter diesem Namen erst 1877 auf (Kapp 1877). Sie entwickelte sich im 20. Jahrhundert in vielen Gestalten und führt immer noch ein Schattendasein neben prominenteren Disziplinen wie Erkenntnistheorie, Ethik oder Ästhetik. Dass es sich um ein philosophisches Fachgebiet ohne eigene Tradition handelt, macht eine Schwierigkeit dieser einführenden Darstellung aus. Einerseits führt das technikphilosophische Interesse zu Anfängen bei Aristoteles, Spuren bei Kant oder Hegel, Ansätzen bei Marx. Andererseits steht es mit leeren Händen da, wenn sich selbst in neueren philosophischen Wörterbüchern nichts (z.B. Edwards 1967) oder nur ein relativ knapper Abriss (z.B. Ritter 2007) unter dem Stichwort »Technik« findet. Diese Traditionslosigkeit soll in diesem Buch nicht kompensiert werden, indem etwa eine Geschichte rekonstruiert wird, die chronologisch von Aristoteles in die Gegenwart führt. Auf Aristoteles, Bacon oder Descartes wird stattdesssen dann zurückgegriffen, wenn sie in den aktuellen Diskussionen einiger Kernfragen ins Spiel kommen.

Eine zweite Schwierigkeit unterstreicht die Reichweite und enorme Bedeutung der Technikphilosophie. Nicht nur handelt es sich bei ihr um ein Fachgebiet ohne Tradition, sie ist vor allem ein Fachgebiet ohne eigene Fragestellung. Im Grunde ist die Technikphilosophie die ganze Philosophie noch einmal von vorn – diesmal unter Einbeziehung der Technik. Sie stellt beispielsweise die Frage nach dem Wesen der Technik und stößt dabei auf den homo faber, den Menschen als herstellendes und hervorbringendes Wesen. Das ist philosophische Anthropologie im Blickwinkel der Technik. Die Technikphilosophie beschäftigt sich auch mit der von Menschen geschaffenen Welt und ihren technisch strukturierten Lebensformen. Das ist Naturphilosophie und die alte Frage nach dem Seienden in der zweiten Natur unserer technisierten Welt. Auch die Geschichtsphilosophie kehrt in der Technikphilosophie mit der Behauptung wieder, dass unsere Lebenswelt eine zunehmende Technisierung erfährt. Wenn nach technischer oder instrumenteller Rationalität gefragt wird, nach Funktion und Funktionieren, nach Konstruktionsprinzipien und Ingenieurswissen, haben wir es mit einer Erweiterung der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie zu tun, die viel zu lange versucht haben, ohne Technikbezug auszukommen. Insofern unsere Beziehung zu Technik jenseits praktischer Nützlichkeitserwägungen mit Lust und Unlust verbunden ist, kommen Ästhetik und Philosophie der Künste ins Spiel, die von der Betrachtung technischer Kunstwerke nur profitieren können. Am wenigsten überrascht schließlich, dass innerhalb der Technikphilosophie auch Ethik und politische Philosophie unter dem Vorzeichen der Technik neue Fragen stellen. Dabei ist das Problem eines angemessenen Verhältnisses zur Technik und einer verantwortlichen Technikentwicklung mit den Fragen der philosophischen Anthropologie, der Natur- und Geschichtsphilosophie, der Erkenntnistheorie und Ästhetik eng verknüpft. Sie kommen in den Auseinandersetzungen um die oft widerstreitenden Visionen für die technische Gestaltung unserer Welt zusammen. Die Anordnung der folgenden Kapitel entspricht dieser Aufzählung von Fragen nach dem Wesen der Technik, nach Technik als Lebensform, nach Technisierungsprozessen, nach technischer Rationalität und schließlich nach technischen Kunstwerken. Das Problem eines angemessenen Technikverhältnisses durchzieht das Buch und wird abschließend explizit zur Sprache gebracht.

Gernot Böhme stellt ebenfalls vier Paradigmen der Technikphilosophie vor – das anthropologische, ontologische, geschichtsphilosophische und epistemologische – und hat trotzdem den Eindruck, »dass es eigentlich noch gar keine richtige Technikphilosophie gibt« (Böhme 2008, 23-29). Dass die Technikphilosophie keine eigenen Fragen hat, soll hier vor allem unterstreichen, dass sie die alten Fragen neu und angemessener stellt. Dabei kommt nun aber eine weitere grundlegende Schwierigkeit ins Spiel. Der Technikphilosophie fehlen nämlich nicht nur die Tradition und die eigene Fragestellung, sondern sie hat auch keinen klar definierten Gegenstand. Obwohl das Wort »Technik« hier schon mehrfach gebraucht und vielleicht auch vage verstanden wurde, lässt sich gar nicht so leicht sagen, was mit diesem Wort gemeint ist. Wir sprechen von Elektrotechnik als einem Oberbegriff für technische Geräte, technische Systeme, technische Prozesse und technisches Wissen – wobei jedes einzelne Gerät, jedes System und jeder Prozess wieder als Technik bezeichnet werden kann. Aber wir sprechen auch von Kulturtechniken wie dem Schreiben und Lesen, von Kontroll- und Sozialtechniken, die für die Beherrschung großer Menschenmengen oder die Durchleuchtung des Kunden an der Kasse eingesetzt werden. Dass motivierte Mitarbeiter höhere Leistungen erbringen, verdankt sich gewissen Managementtechniken, und auch die Rituale eines Schamanen sind Techniken, um den sozialen Zusammenhang zu stärken oder den Regen herbeizuführen. Unser Sprachgebrauch kennt van Goghs Technik des Farbauftrags, die Technik eines Fußballspielers und die Überzeugungstechniken großer Redner. Das Handwerk und die industrielle Fertigung bedürfen der »Technik«, die aus der Wissenschaft hergeleitet oder ganz unberührt von ihr sein kann. Die chemische Synthese eines medizinischen Wirkstoffs, aber auch das Kochen einer Mahlzeit ist ein technischer Vorgang. Und immer wenn das Wort »Technik« gebraucht wird, sind einige, aber nicht alle dieser Bedeutungen im Spiel. Dementsprechend mag es scheinen, dass erst einmal die Begriffe geklärt werden müssen, ehe es mit der Technikphilosophie losgehen kann. Allerdings ist zu befürchten, dass so ein Ansatz in begrifflichem Vorgeplänkel steckenbleibt oder allzu willkürliche Festsetzungen und Einschränkungen vornimmt. Auch angesichts dieser dritten Schwierigkeit sollten wir erwarten, dass die Technikphilosophie über Begriffsklärungen hinausgeht, selbst wenn sie zunächst nach dem Wesen der Technik fragt.

An dieser Stelle kommt ein Vorschlag von Armin Grunwald und Yannick Julliard zu Hilfe. Sie reden von »Technik als Reflexionsbegriff« und bieten dafür eine Definition an, die auf den ersten Blick höchst unbefriedigend erscheint, aber auf den zweiten Blick das Definitionsproblem hinter sich lässt: Technik sei das, was wir meinen, wenn wir allgemein über Technik reden (Grunwald/Julliard 2005, 140). In dieser Formulierung kommt »Technik« zweimal vor, und die erste Reaktion darauf ist, dass in einer ordentlichen Definition der zu definierende Begriff nicht verwendet werden darf. Aber hinter dem Vorschlag, Technik sei ein Reflexionsbegriff, steckt mehr: In der zweifachen Verwendung hat das Wort nicht dieselbe Bedeutung. Wenn wir über Technik reden, gehen wir von einem undefinierten Vorverständnis aus. Wir reden eigentlich über das, was uns zum Stichwort »Technik« einfällt. Fangen wir nun an, darüber zu reflektieren, dann führt uns dieses Vorverständnis auf allgemeinere Überlegungen. Was zunächst nur ein erster Einfall war, wird nun zu einer Art Sinnbild für das, was Technik sein und bedeuten kann. Zum Stichwort »Technik« fällt einigen die Maschine ein, andere denken vielleicht an den perfektionierten Bewegungsablauf eines Sportlers, wiederum andere an die Nanotechnologie oder die Vernetzung der Menschen durch das Internet. Reflexionen über diese Sinnbilder führen weg von den Dingen und hin zu ihren Bedeutungen für uns und schließlich hin zu uns selbst oder der Stellung des Menschen in der technisierten Welt. Je nachdem, was uns zum Stichwort »Technik« einfällt, sprechen wir von Hoffnung auf medizintechnische Heilung oder Angst vor Kontrollverlust und technischer Überwachung. Auf einer weiteren Reflexionsstufe kommen dann vielleicht Fragen nach menschlicher Freiheit oder nach der Gestaltbarkeit der technischen Entwicklung ins Spiel: Wie unaufhaltbar ist die scheinbare Eigendynamik der Technik, wenn wir etwa an Halbleiter oder Elektronikprodukte denken, und wie abhängig von politischen Entscheidungen ist sie, wenn es um die Bekämpfung von Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern geht?

Wenn Technik das ist, was wir meinen, wenn wir allgemein über Technik reden, dann interessiert sich Technikphilosophie zunächst einmal für diese Reflexionsbewegungen und dafür, wie sie uns von einem unreflektierten Vorverständnis zu Fragen darüber führen, auf welche Weise unser Verhältnis zur Welt über die Technik organisiert ist, d.h. zu den Fragen der philosophischen Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Naturphilosophie, Erkenntnis- und Wissenschaftsphilosophie oder Ästhetik. Methodisch kann die Technikphilosophie nicht viel mehr leisten, als diesen Weg immer wieder zu gehen, also immer wieder von konkreten Vorstellungen ausgehend zu allgemeinen Reflexionen zu gelangen. Und diesen Weg immer wieder gehen heißt letztlich so viel wie Geschichten erzählen. Darum finden sich in den folgenden Kapiteln Geschichten über die silberne Opferschale und die Maschine als Sinnbilder des Technischen, über Krebsmaus und Vakuumpumpe, Kamera und Fahrrad, Feuerwerk und Guillotine, den sogenannten Berliner Schlüssel und einen Hebammengriff namens »Bracht«. Die Vielfalt und scheinbare Beliebigkeit dieser Geschichten widerstrebt manchen Philosophen, denen es auf systematisches Wissen, begriffliche Fundierung, gültige Allgemeinheit und nicht nur auf die mit der Reflexion einhergehende Verallgemeinerung ankommt. Aber nicht nur weil sich die Vielfalt der technischen Phänomene jeder Systematik entzieht, sind die hier erzählten Geschichten buchstäblich aufschlussreich – sie öffnen den Blick, zwingen uns, traditionelle Fragen der Philosophie einer kritischen Prüfung zu unterziehen, und irritieren auch sonst unser eher schlafwandlerisches Technikverhältnis.

Wenn Technik als Reflexionsbegriff aufgefasst wird, geht es also nicht darum, mit einem bestimmten Gegenstandsbereich namens Technik begrifflich fertig zu werden. Vielmehr dienen die Erfahrung mit Technik und die Reflexion auf diese Erfahrung als ein Anstoß, neue Fragen und vielleicht auch Forderungen zu stellen. Hier kann nur angedeutet werden, wie schon das bloße Hinzutreten der Technik überlieferte philosophische Positionen und Debatten unterläuft. So wird die Frage Was ist der Mensch? zumeist mit Bezug auf Wissen und Vernunft, Handeln und Moral, Sprache und Kultur beantwortet. Mit der Technik gerät der homo faber in den Blick, der herstellende und hervorbringende Mensch. Was ist das Seiende, wie ist die Welt beschaffen? sind metaphysische Fragen, die darauf zielen, den Geist im Leib zu verorten oder das frei handelnde Subjekt als Teil einer objektiven Naturgegebenheit zu verstehen. Dabei geht es meistens darum, das Innere des Denkens mit dem Äußeren der Natur zu versöhnen. Kaum kommt jedoch die Technik ins Spiel, verlieren diese Dualismen ihren Sinn. Schließlich findet sich der Mensch gar nicht in einer gegebenen Natur vor, sondern in der von Menschenhand geschaffenen Welt. Was ist Fortschritt, wohin entwickelt sich die Menschheit? sind Fragen der Geschichtsphilosophie, die die zunehmende Technisierung als ein Kennzeichen der Moderne diagnostiziert, das sich in der Postmoderne allenfalls potenziert. Unter Einbeziehung der Technik stellt sich auch diese Frage anders, denn die Technik ist nicht etwas, das sich den Menschen erst im Laufe ihrer Geschichte zugesellt. Vielleicht ist es ja so: So wie die Sprache von jeher unsere Beziehungen zu anderen Menschen regelt, so regelt die Technik unsere Beziehungen zu den Dingen. Technik ist Lebensform, und jede Lebensform ist von verfügbaren Techniken gekennzeichnet und insofern bereits technisiert. Es wäre dann also nicht so, dass Technisierung die historische Entwicklung bestimmt, vielmehr vollziehen sich historische Entwicklungen unter technischen Bedingungen. Was können wir wissen? fragt die Erkenntnistheorie und bezieht sich dabei gewöhnlich auf das sprachlich artikulierte Wissen der Wissenschaften, nicht aber auf einverleibtes technisches Fertigkeitswissen. Die Wirklichkeit eines solchen Fertigkeitswissens wird zwar nicht geleugnet, aber immer wieder als sekundär oder gar als minderwertig eingestuft – es folge einer bloß praktisch-instrumentellen und eben nicht intellektuell-reflektierenden Vernunft. Die Entwicklung des Wissens wird dementsprechend vor allem als Ideengeschichte begriffen, wobei Fragen der technischen Phänomenkontrolle ausgeblendet werden. Kaum jedoch wird die Rolle von Instrumenten, Experimenten, Darstellungstechniken angemessen gewürdigt, ergeben sich neue erkenntnistheoretische Fragen nach einem Wissen, das keiner sprachlichen Darstellung bedarf. Die Ästhetik fragt schließlich Wie kommt die Welt zur Erscheinung? und beschränkt sich dabei weitgehend auf sinnliche Wahrnehmung und wie sie bedeutsam wird. Wird das Werk jedoch als ein technisches Zusammenwirken von Dingen aufgefasst, nimmt die Teilnahme an Wirkzusammenhängen und die Erkundung, ob es in Werk und Welt mit rechten Dingen zugeht, ästhetische Bedeutung an.

Diese Beispiele zeigen, wie Geschichten über die Technik philosophische Fragestellungen verändern. Wichtiger ist aber, was die Technikphilosophie sonst noch bewirken kann. Am Anfang jeder technikphilosophischen Reflexion, so hieß es, steht ein vages Vorverständnis, das sich an einem bestimmten, oftmals historisch geprägten Bild von Technik orientiert. Am Ende der Reflexion steht das philosophische Selbstverständnis des Menschen in einer so oder so technisierten Welt. Was für ein Anfang ist das, und welchen Anfang sollten unsere Reflexionen nehmen? Stehen wir alle gleichermaßen an diesem Anfang, oder bedarf es dafür eines speziellen philosophischen, historischen oder technischen Wissens? Diese Frage nach dem Anfang ist ihrerseits Gegenstand technikphilosophischer Auseinandersetzung. Der Technikphilosoph und wunderbare Geschichtenerzähler Langdon Winner stellt diese Frage ausdrücklich: »Wohin sollte ein Philosoph gehen, der etwas über Technik erfahren will? In ein Forschungsund Entwicklungslabor? Auf einen Bauernhof? In ein Elektrizitätswerk? Eine Telefonzentrale? Einen Flughafen? Ein Waffenlager? Eine Baustelle? Eine Forschungsförderungsbehörde? Eine Giftstoff-Abfallanlage? Einen automatisierten Vergnügungspark? Eine Schule, die Computer in den Unterricht integriert?« (Winner 1993, 234)

Den Fragen hängt ein Hauch des Absurden an, und damit beantworten sie sich fast schon selbst. Ja, an all diesen Orten kann ein Philosoph sehr aufschlussreich zu reflektieren beginnen, aber gerade darum fiele es uns nicht ein, den einen oder anderen Ort zum einzig richtigen oder zum zentralen Ausgangspunkt zu erklären.

Die Frage lässt sich zuspitzen. Ist eine technikphilosophische Reflexion erst dann seriös, wenn sie auf einem Wissen über technische Forschung und Entwicklung basiert und wenigstens ungefähr weiß, wie die betreffende Technik eigentlich funktioniert? Oder reicht es völlig aus, dass wir schließlich in einer technisierten Welt leben und reichlich Bekanntschaft haben mit Technik im Gebrauch? Und noch weiter zugespitzt: Wissen wir alle womöglich schon alles, was wir über Technik wissen müssen, um sie zu reflektieren und zu bewerten?

Zu diesem Fragenkomplex gibt es zwei Standpunkte, denen wir in späteren Kapiteln wiederbegegnen werden. Dem einen Standpunkt zufolge wissen wir nichts über die Technik, mit der wir täglich umgehen. Dies liegt daran, dass die Arbeit der Ingenieure und ihre vielen Konstruktionsentscheidungen hinter der Benutzeroberfläche verborgen liegen. Zwar wissen wir, wo wir Geräte an- und ausschalten können, wie wir etwas eingeben sollen, um etwas herauszubekommen, aber die eigentlichen Funktionsmechanismen sind dem normalen Benutzer nicht zugänglich. Daraus leitet sich die Forderung ab, Aufklärung über Technik verlange vor allem eine Offenlegung von Konstruktionsprinzipien und der Geschichte, die zur jetzigen Gestalt eines technischen Geräts oder Systems geführt hat (Bijker/Pinch 1987). Philosophische, historische und sozialwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Technik sollen zunächst den Schleier des Unwissens lüften und die technische Entwicklung in die Arena politischen Handelns rücken.

Gegen diese Auffassung wendet sich insbesondere Langdon Winner. Alles, was wir wissen müssen, um Technik zu reflektieren, können wir allein dadurch wissen, dass wir als Bewohner einer technisierten Welt diese Technisiertheit täglich am eigenen Leib erfahren. Wir treten mit technischen Systemen in Beziehung, und wie alle Beziehungen können sie gelingen und scheitern. Eine gelingende Beziehung kann durchaus von einem Glücksgefühl begleitet sein und einem Rausch der Ermächtigung, etwa wenn sich Nutzer erstmals bewusst werden, dass sie plötzlich etwas können, was ihnen vorher unmöglich war. Auch die scheiternden Beziehungen sind uns wohlvertraut, insbesondere wenn etwas einfach nicht funktionieren will oder äußerst umständliche Forderungen an seine Nutzer stellt. Winner betont allerdings ebenfalls, dass uns die Technik weitgehend unbewusst und verborgen bleibt, dies jedoch nicht, weil sie sich im Inneren eines Geräts versteckt, sondern weil sie im routinisierten Umgang zur scheinbar unbedeutenden Gewohnheitssache wird. Dem will er entgegenarbeiten, indem er aufschlussreiche Geschichten erzählt und Technik von Alltagssituationen her reflektiert. Zwei Freunde begegnen einander auf der Straße, der eine im Auto, der andere zu Fuß unterwegs. Der Autofahrer hupt, hält, kurbelt das Fenster herunter und versucht durch Zuruf, die Aufmerksamkeit des nunmehr leicht irritierten Freunds zu gewinnen, der ihn natürlich nicht sofort erkannt hat. Noch während der Autofahrer eine Einladung zum Abendessen loszuwerden sucht, drängeln bereits andere Autos. Winner schreibt dazu:

»Was wir hier sehen, ist eine Art Verkehrsunfall, auch wenn er zu keinen körperlichen Verletzungen geführt hat. Es ist ein Zusammenstoß zwischen der Welt des Autofahrers und der des Fußgängers. […] Die Kommunikation der beiden ist durch die Unvereinbarkeit zweier Fortbewegungsarten geprägt, von denen eine Gehen genannt wird und eine sehr viel neuere Autofahren heißt. […] Wer verstehen will, wie das Auto das Gefüge unseres Zusammenlebens prägt, dem nützt es wenig, etwas über die Herstellung von Autos zu wissen, wie man sie bedient und wozu sie gebraucht werden, was die Straßenverkehrsordnung besagt und wie sich die Verkehrspolitik entwickelt hat. In solchen Fällen läßt uns ein rein instrumentelles oder funktionales Verstehen im Stich. Was gebraucht wird, ist eine Interpretation der offensichtlichen und subtilen Weisen, auf die das alltägliche Leben durch die Vermittlung technischer Erfindungen transformiert wird. Im nachhinein ist das allen klar. Individuelle Gewohnheiten, Wahrnehmungsweisen, Selbstverständnisse, Begriffe von Raum und Zeit, Sozialbeziehungen und Grenzen der Politik und Moral sind im Verlauf der modernen Technikentwicklung wirkungsvoll restrukturiert worden. […] Das interessante Rätsel unserer Zeit ist, daß wir uns so bereitwillig schlafwandelnd diesen Prozessen einer Restrukturierung der Bedingungen menschlichen Existierens überlassen.« (Winner 1987, 9 f.; vgl. Horkheimer/Adorno 1944, 233; Marcuse 1967, 237f.)

Winners Technikphilosophie soll vor allem dazu dienen, uns aus dieser schlafwandlerischen Haltung aufzuwecken. Seine Geschichten führen uns von der Alltagswahrnehmung der Technik zu Fragen über uns selbst und insbesondere zu Reflexionen darüber, wie wir mithilfe der Technik unser Zusammenleben und unser Weltverhältnis organisieren wollen.

Romanzen und Tragödien

Die folgenden Kapitel führen in viele, keineswegs alle technikphilosophischen Ansätze ein. Diese stehen zumeist nicht in Konkurrenz zueinander, vielmehr stellt jeder von ihnen gewisse Erfahrungen mit Technik in den Mittelpunkt und geht aufschlussreich über sie hinaus. Im Vordergrund steht jeweils, was die Technikphilosophie leistet und leisten kann, wie sie wirkt und was sie bewirkt. Dafür spielt es keine besondere Rolle, ob die jeweils erzählten Technikgeschichten wahr sind oder nicht. So trauen viele dem Erfinder und Ingenieur oder der demokratischen Gestaltbarkeit der Technik zu viel zu, andere wiederum überschätzen die von der Technik produzierte Entfremdung des Menschen oder die Eigendynamik der technischen Entwicklung, die uns überrolle. Nicht trotz dieser Übertreibungen, sondern gerade wegen der Vereinseitigung gewisser Gesichtspunkte kann jeder dieser Ansätze zu wichtigen Fragen führen und den Blick für das Leben in unserer technisierten Welt schärfen. Der Technikphilosoph Günther Anders hat sich dieser Methode der Übertreibung ganz ausdrücklich bedient, aber auch Langdon Winner oder Martin Heidegger wenden sie an.

Dass es auf buchstäbliche Wahrheit nicht ankommt, mag auf den ersten Blick als Ausflucht aus einer Verlegenheit missverstanden werden: Wenn alle Technikphilosophen nur Geschichten erzählen, die ihre Sinnbilder des Technischen einseitig überhöhen, dann können auch alle irgendwie recht haben – sei es auch nur, weil alle Geschichten irgendwie aufschlussreich sind, ohne dabei all den vielfältigen und widersprüchlichen Erscheinungen der technischen Welt gerecht werden zu müssen. Und von dort ist es nur ein kleiner Schritt in einen Relativismus, der jede Reflexion über die Technik für gleichwertig hält. Gleichwertig jedoch sind Technikgeschichten gerade nicht. Die Frage nach einem angemessenen Technikverhältnis ist nämlich eng mit der Frage verknüpft, was für Geschichten wir erzählen und welchen Reflexionsbewegungen wir folgen, was für Denk- und Handlungsmöglichkeiten diese Geschichten eröffnen und welche sie verhindern, was sie aufhellen und was sie verdunkeln. Dass sich eine Übertreibung als angemessener erweisen kann als so manche unscheinbare Überlieferung, mögen die folgenden Beispiele verdeutlichen.

Technik sei neutral, heißt es etwa, und nur in den Händen der Nutzer werde sie gut oder schlecht. Die technische Entwicklung beschleunige sich permanent und es falle den Menschen immer schwerer, ihr hinterherzukommen. Technik diene den Menschen allemal als Mittel zu einem Zweck. Mittels der Technik kompensiere der Mensch seine Mängel und erweitere seine Macht. All dies sind vertraut-unscheinbare Muster, die sich in unzählige Technikgeschichten einschreiben, sich manchmal als wahr und in mancher Hinsicht als falsch erweisen, in jedem Fall aber ein Technikverhältnis begründen, das uns von vornherein unfrei gegenüber der Technik macht und das darum als unangemessen befunden werden mag. So steckt in der Reflexionsbewegung von einem Sinnbild der Technik zu seiner Verallgemeinerung ein Urteil darüber, was die Technik im Verhältnis zum Menschen ist.

Dass es in unseren Technikgeschichten nicht so sehr auf Wahrheit und Falschheit, sondern auf das auch durch Übertreibung gewonnene Urteil ankommt, lässt sich insbesondere am Verhältnis von Technik und Kunst verdeutlichen. Grunwald und Julliard gehen wie selbstverständlich davon aus, dass eine erfolgreiche Reflexion auf Technik zu allgemeinen Unterscheidungsmerkmalen von Technik und Kunst führt: Wer in der heutigen Zeit darüber nachdenkt, was gemeint sein mag, wenn wir allgemein über Technik reden, wird hier in der Tat unterscheiden wollen. Zwar sind Kunstwerke und technische Artefakte gleichermaßen gemacht, die Kunst aber ist offenbar ganz anders auf Funktionen und Zwecke bezogen als die Technik. Zu diesem Ergebnis kommt vermutlich auch, wer darauf reflektiert, was wir meinen, wenn wir allgemein über Kunst reden. Wem ein abstraktes Gemälde oder ein Streichquartett Beethovens Sinnbild oder Inbegriff der Kunst ist, dem mag es fraglos so erscheinen, dass Kunstwerke selbstgenügsam ihre eigenen Zwecke sind, die wir mit interesselosem Wohlgefallen wahrnehmen. Schwieriger wird die Sache allerdings, wenn die Reflexion ihren Ausgangspunkt bei einer verspielten Maschinenskulptur Jean Tinguelys nimmt oder bei einer herrschaftlichen Reiterstatue, der eine klare gesellschaftliche Funktion für die Machtausübung zukommt.

Schwierigkeiten dieser Art bereitet etwa das Bild von Man Ray auf dem Umschlag dieses Buchs: Es handelt sich um ein 1920 mit Airbrush hergestelltes Ölbild, dessen spielerische Intelligenz den Blick des ehemaligen technischen Zeichners mit den auch technischen Innovationen des Dada-Künstlers verbindet. Einerseits verweist dieses Bild auf das tänzerisch-freie, zweckfreie Spiel der Kunst, andererseits stellt es die Gefahr einer blockierten, unmöglich funktionsfähigen Technik dar, denn die drei Zahnräder sind so ineinander verkeilt, dass sie sich ganz unmöglich bewegen können. Die Bewegung, die die Zahnräder von hier nach dort weitergeben sollen, um einen Antrieb zu erzeugen oder etwas in Schwung zu setzen, findet nicht statt. Die Kunst kommt nicht über sich hinaus, auch dort nicht, wo sie sich der Technik anvertraut: Das Kunstwerk ist eine unmögliche Maschine und als Verbindung von Kunst und Technik die Darstellung einer Unmöglichkeit. Umgekehrt macht hier die Kunst etwas möglich, wo die Technik versagt. Denn die Kunst kann eine kubische Figur flach erscheinen lassen und dann wieder physische Tiefe suggerieren, als ob sich eine Art Gebäude in dem Gittermuster verbirgt. Damit bringt die Kunst die Dinge zum Tanzen und erscheint der unvermögenden Technik als Bedrohung und Gefahr. Und so thematisiert Man Ray zugleich die Nähe und die Ferne von Kunst und Technik.

So wie wir gerne über das streiten, was Kunst ist oder sein darf, so sollten wir vielleicht auch über das streiten, was Technik ist. Es ist bereits ein Urteil, wenn jemand die Kunst auf vor allem realistische Darstellungen von schönen Dingen, Landschaften, Personen beschränkt – genauso, wie es ein Urteil ist, wenn der kritische Impuls einer zerstörerischen Geste als Kunst gefeiert wird und überhaupt fast alles als Kunst gelten darf, solange es nicht zu schön oder gar kitschig ist. Derlei Urteile sind noch keine Geschmacksurteile und schon gar keine Bewertungen der Qualität eines Werks, aber sie sagen etwas darüber aus, wie wir die Welt einteilen und worauf wir uns einlassen wollen. Ähnlich geht es mit der Technik: Gelten als Reproduktionstechnologien zum Zweck der Schwangerschaftsverhütung allein die Pille und andere pharmazeutische Interventionen oder auch die fast schon archaischen Kondome, Schwämme, Spülungen oder sogar das Zählen der Tage und die genaue Beobachtung des eigenen Körpers? Wollen wir die Züchtungstechnik eines Bauern im 19. Jahrhundert vom gentechnisch manipulierten Saatgut der Gegenwart grundsätzlich unterscheiden? Wie umfassend oder beschränkt denken wir uns die Gestaltbarkeit der Welt und unsere Fähigkeit der Weltgestaltung?

Diese Fragen zielen auf Urteile, die auch für die gar nicht selbstverständliche Unterscheidung von Technik und Kunst gefordert sind. Schon die beiden Wörter haben keineswegs immer einen Gegensatz ausgedrückt und sind im Sprachgebrauch nach wie vor noch nicht streng voneinander getrennt. Tatsächlich gab es für »Technik« bis ins 18. Jahrhundert gar kein eigenes Wort und noch in Diderots berühmter Enzyklopädie findet sich unter »Kunst« vor allem die Würdigung der mechanischen Künste. Von Kunstfertigkeiten und Kunstgriff sprechen wir in Bezug auf Technik noch immer, die Fahrkunst in einem Bergwerk ist eine Art Fahrstuhl in den Schacht, und vage vertraut klingt immer noch die Rede von der Maschinenkunst. »Das ist doch keine Kunst«, sagen wir, wenn wir einen Vorgang beherrschen.

Diese sprachlichen Reminiszenzen beziehen sich auf historisch und systematisch weiter reichende Zusammenhänge. Wenn etwa Aristoteles nicht streng zwischen Kunst und Technik unterscheidet (vgl. Wolff 2007), hat das einen systematischen Grund in der grundsätzlicheren Unterscheidung von physis oder Natur und techné oder Kunst (lat. ars). Was von Natur aus ist, hat seine Bewegungsprinzipien in sich selbst. Es ist selbsttätig in dem Sinne, dass seine Bewegungen ihren Ursprung in sich selbst haben. Für techné oder ars gilt das nicht. Was ein Tischler oder Bildhauer macht, hat seinen Ursprung nicht in sich selbst, sondern empfängt Bewegungsimpulse vom Künstler oder Ingenieur. Angesichts dieser Zweiteilung, die Kunst und Technik zusammenschließt, würden wir sofort zugeben, dass Technikentwicklung kreativ ist, während die Kunstproduktion auf technische Produkte und Fertigkeiten angewiesen ist. Kunst und Technik dienen einer Art von Transzendenz, da wir mit ihrer Hilfe über die bloße Gegebenheit unserer Existenz hinausgehen. Beide dienen der Weltgestaltung und der Realisierung von Lebensentwürfen, insofern sind sie konstruktiv und gehören im weitesten Sinn in den Bereich des »Designs«. Mit ihrer Hilfe verwirklichen wir uns, suchen Wunscherfüllung, drücken uns aus. Vor allem jedoch verweisen die Gemeinsamkeiten von Kunst und Technik auf eine Gemeinsamkeit des Ursprungs – und, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, auf die Vorstellung, dass wir durch Rückbesinnung auf diese Gemeinsamkeit gerettet werden können.

Dem Ausgangspunkt von Kunst und Technik begegnen wir im Mythos von Prometheus, der den Menschen Kunst, Wissenschaft und Technik gab und insofern den Menschen erst schuf. In einigen Versionen des Mythos tut er dies ganz unmittelbar, indem er den Menschen aus Ton erschafft. Im übertragenen Sinne bringt Prometheus den Menschen im Drama vom gefesselten Prometheus des Aischylos hervor. Dort heißt es, dass die Menschen wie Eintagsfliegen auf der Erde hausen, »Träumer sonst und stumpfen Sinns« (443). Nachdem Zeus im Kampf mit den Titanen gesiegt hat, verteilt er Amt und Ehren unter den Göttern, ohne dabei auf die »armen Menschenkinder« Rücksicht zu nehmen: »ganz zu vertilgen ihr Geschlecht, ein anderes neues dann zu schaffen, war ihr Plan« (227-233). Gegen diesen Plan widersetzt sich Prometheus, der den Menschen nicht nur das Feuer, sondern dazu auch blinde Hoffnung schenkt, die sie über ihr Geschick als Eintagsfliegen hinwegtäuscht.

Prometheus Ich nahm’s den Menschen, ihr Geschick vorauszuseh’n.
Chorführerin Sag, welches Mittel fandest diesem Übel du?
Prometheus Die blinde Hoffnung ließ ich einziehn in ihr Herz.
Chorführerin Ein großes Gut ist’s, das du gabst den Sterblichen.
Prometheus
Die Eintagskinder kennen jetzt der Flamme Licht?Prometheus