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eBook-Ausgabe: © CulturBooks Verlag 2014

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Alle Rechte vorbehalten.

Printausgabe: Rowohlt Verlag 2000

© Stephan Maus, 2000

Umschlaggestaltung: Magdalena Gadaj

eBook-Umsetzung: CulturBooks

Erscheinungsdatum: 3.2.2014

ISBN: 978-3-944818-34-4

»Be groovy or B-movie.« Thomas Pynchon, »Vineland«

»Ab morgen bist du eine Kampfmaschine, die schreibt.« Albert Ostermaier, »The Making Of. B.-Movie«

»Die Erlernung des Waffengebrauchs ist das wahre Esperanto auf dieser unfreundlichen Welt.« Ernst Jünger, »Afrikanische Spiele«

»Ich frage mich immer schweren Herzens: Wer erzieht die Massen eigentlich zum Töten? Gottes Strafe soll diejenigen treffen.« Wolfgang Joop

»Ein Golfball ist eine tödliche Waffe, wenn man ihn aus dem Kontext eines Golfplatzes entfernt. Das ist eine Tatsache, die für mich natürlich von einigem Interesse ist.« Scotty B., Skater & Street-Golfer

»Er beugte sich über Sonnys Schreibtisch und ordnete die Zigarettenstummel zu einem Grundriss.« Mario Puzo, »Der Pate«

»... sah es kommen im Gelb seiner verdammten Augen, noch bevor ich das Messer sah.« William Gaddis, »Die Erlöser«

»Unmittelbar unter meinem Schlafzimmer ist diese gigantische Kathedrale - ein Tempel des Todes.« James Kahn, »Indiana Jones und der Tempel des Todes«

»Il fasait parler son fouet et riait. Content.« Blaise Cendrars, »L’homme foudroyé«

»Da war’s so, dass ich live alleine gespielt habe und die Ella in Gummiwäsche mit der Peitsche ins Publikum gehaut hat. War eh schon scheißegal.« Christopher Just, DE:BUG

»Ständig diese Unruhe, diese Panik und dieses Chaos.« ODEM, »On The Run, Eine Jugend in der Graffiti-Szene«

»Alles brennt ständig, explodiert, überall Chaos.« Dave Wyndorf, »Monster Magnet«

»Der Aufruhr zieht mich an.« Inge Viett

»Nur über Explosionen lernst Du, wie man Ecstasy richtig macht.« Holländischer Untergrund-Produzent

»Ein Sonnenstrahl erleuchtete ihr Gesicht.« Kenneth Starr, »Starr-Report«

»Die Schönheit Ihrer Töchter mag Sie daran erinnern, dass Sie auf anderen Kontinenten, anderen Ozeanen, unter anderen Himmeln geliebt haben.« Maître Jean-Marc Varant zu seinem Klienten, dem Söldner Bob Denard

»Ich habe mir in den Tropen die Blase kaputtgemacht.« Hilde Domin

»Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, und die Gesinnungen ändern sich gewiß in einem Lande, wo Elefanten und Tiger zuhause sind.« J. W. v. Goethe, »Wahlverwandschaften«

»Ich sagte etwas von Krokodilen und da kamen auch schon die Krokodile. Sie hatten die Köpfe außerordentlich hübscher Frauen. Eine redete mir gut zu: Gefressenwerden tue nicht weh.« Theodor W. Adorno

»Ihre Hände auf dem rhythmisch sich hebenden und senkenden Brustkorb, das Gesicht nach oben gewandt, war sie vom hellen Donner des Tigerherzens erfüllt.« Thomas Harris, »Roter Drache«

»Denk dran, es ist besser, ein Jahr als Tiger zu leben, als hundert Jahre als Schaf.« Madonna

»Asiens Atem ist jenseits.« Ingeborg Bachmann, »Große Landschaft bei Wien«

»Als Kind habe ich versucht, eine Herdplatte zu küssen, eine heiße Herdplatte! Nur anfassen wäre mir zu wenig gewesen.« Patricia Arquette

»Ich glaube nicht, dass die Welt uns ‘n Leben schuldet, aber ich glaube, dass wir der Welt schulden zu leben.« DJ Maruscha

»Nichts ist lächerlicher als ein Mann, der seinem Hut nachrennt.« Joel & Ethan Coen, »Miller’s Crossing«

»Momentan ist meine Stellung in der City ziemlich heikel.« John Dos Passos, »Manhattan Transfer«

»Besetzen Sie, egal wie, die Schlüsselpositionen.« L. Ron Hubbard

»Die Macht verschleißt nur den, der sie nicht hat.« Guilio Andreotti

»Ich lag also im Bett und wurde irgendwann im Laufe des Abends mit Spritzen künstlich vernehmungsfähig gemacht.« Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D

»Er war so tot wie Fixeraugen.« Andrew Vachss, »Kata«

»Mr. Sozeys vorwiegendes Interesse gilt den Betäubungsmitteln.« Bryan Singer, »The Usual Suspects«

»Hesse hat space ... Breton finden wir auch super.« Damon Albarn, »Blur«

»Sie ist bösartig wie die Hölle, sie spricht keine Fremdsprache, und sie riecht nicht allzu toll.« CIA-Agent Anthony Poshepny, Vorbild für Colonel Kurtz aus »Apocalypse Now«, in einem Dschungeltelegramm an die CIA über seine Frau, die Hmong-Prinzessin Seng La

»This is the story of Mace Windu, a revered Jedi-bendu of Opuchi, who was related to Usby C. J. Thape, padawaan learner of the famed Jedi.« George Lucas, 1. Satz im »Star Wars«-Treatement von 1973

»Der Chef muss Fleischfresser sein.« Jacques Derrida

»Wer die Liebe kennt, versteht auch, wozu sie dient.« Andrea, Gutenberg-Oberschule Hohenschönhausen, 8. Klasse

»Elle est partie, cette conne ... Enfin, il nous reste la poésie ... Et le cul.« Pierre Desproges

»Mein Herz ist unruhig.« Johannes Rau

»Auch in meinen Eierstöcken tickt die Uhr, und ich muss zugeben: Ich bin auf der Suche nach Sperma.« Ex-Spice-Girl Geri Halliwell

»In dieser Spannung zu leben, kann auch sehr spannend sein.« Papst Johannes Paul II.

»Nach dem Geschlechtsverkehr sollte sich der Mann hinlegen, und die Frau führt die Hygiene an seinem Geschlechtsorgan durch.« Wladimir Schirinowskij, »Alphabet der Liebe«

»Buffalo Bill’s / defunct / who used to / ride a watersmooth-silver / stallion / and break onetwothreefourfive pigeonsjustlikethat / Jesus/ he was a handsome man / and what i want to know is / how do you like your blueeyed boy / Mister Death.« e. e. cummings

»Sehr undeutliche Erinnerung an einen eleganten Kakadu bei Dämmerung, 14. Straße.« Joseph Cornell, Tagebuch

»Ich möchte wissen, was er sich dabei denkt, ein Stück japanische Software zu vögeln.« William Gibson, »Idoru«

»Sieg. Großer Sieg. Ich sehe alles rosenrot.« Karl Mays letzte Worte

»Hie durch den anger shlaipfens ihn / vom teifl angehetzet, / dass shier kein orth wird sein darin, / so sein blut nit benetzet.« Inschrift der Wilpartinger Kirche

»Les gens heureux me font chier.« Jean-Marc Reiser, »Gros dégueulasse«

»Ewig dein – ewig mein – ewig unß.« Beethoven

»Mann o Mann, da oben sollen die Fotzen ja gut im Saft stehen.« James Ellroy, »White Jazz«

»Ich habe den Himmel vermessen, nun vermesse ich die Schatten der Erde.« Grabspruch Johannes Kepplers

»Wir sahen sie oft mit Gewehren im Müll, in Erwartung der Ratten.« Christoph Meckel, »Licht«

»Ich wollte diese Jacke. Da gab es kein Zurück mehr.« Götz George

»200 Millionen Amerikaner sind nicht an Subtilitäten interessiert. Die wollen eins mit dem Vorschlaghammer über den Kopf und kein vornehmes Getue.« KISS

»Das sexkranke Kreischen der städtischen Leichenwagen sodomisierte den neugeborenen Tag. Chicago, die aufgeputzte Schlampe, hatte wieder eine Nacht der Fleischeslust zerfickt. Jetzt lag die Große Dame in ihrem neonbleichen Ballkleid, schäbig im gnadenlosen Licht. In ihrem fahlen Schlüpfer hing der Pestgestank von jungem und uraltem Tod.« Iceberg Slim, »Todesfluch«

»Ich kann nur kurze Sätze.« Franz Müntefering

»Blut schießt in vier sprudelnden Fontänen unter seinem Kinn hervor, klatscht in hohem Bogen auf den weißen BMW 320i am Straßenrand und löst die Alarmanlage aus.« Bret Easton Ellis, »American Psycho«

»Ich bin Deutscher, und ich habe Abitur.« Joachim »Die Behörde« Gauck

»... und er kann töten, ohne zu berühren.« Hugo von Hofmannsthal, »Der Prophet«

»Ce qui convient à la main, c’est le flingue, la bouteille et la queue.« Virginie Despentes, »Baise-moi«

»Ich bin autorisiert, so was zu machen, weil ich den Dreck der Straße kenne, die Verlockungen von Wahnsinn, Drogen, Exzess.« Udo Lindenberg

»Ohne Science-Fiction kommen wir hier nicht raus aus dieser Nostalgie-Brühe.« Winy Maas, Architekturbüro MVRDV

»Nein, ich entlasse kaum Leute. Die meisten treten in den Ruhestand. Eine Köchin ist verrückt geworden. Das kann passieren.« Karl Lagerfeld

»... beim obligatorischen Live-Stück haben wir ein Sax durch ein Gitarrenpedal gespielt.« Patrick Pulsinger

»Sonst wird der Hammer nur geworfen, diesmal habe ich den Hammer ein bißchen zelebriert.« Heinz Weis, Hammerwerfer

»Less is not more, less is less.« Donatella Versace

»Colorless green ideas sleep furiously.« Noam Chomsky

»Yeah, they call me the son of Africa Bambaataa, Africa Islam.« Africa Islam

»Wenn es darum geht, einen wirklich harten Shit aus der Retorte zu zaubern, ist auf die Deutschen eben immer Verlass.« William Burroughs, »Naked Lunch«

»Wenn ich nach Feuer frage, dann will ich Feuer, sonst nichts. Glaub das, Mann.« Sabrina Setlur

cover

Über das Buch

»Schnauze, jetzt rede ich!«

Die hier redet, heißt Nina. Nina verbindet sich mit Berlin, nimmt Witterung auf und Impressionen, gibt Straßenlärm und Sphärenmusik wieder, fügt sich übergangslos ins tausendfältige Stadtbild ein. Nina verliebt sich. Sie verschmilzt mit Thanh, Zigarettenschwarzhändler aus Vietnam. Thanh tarnt sich, ein urbaner Raubritter von flüchtiger Gestalt. Nina lässt sich buchstäblich auf ein Spiel mit dem Feuer ein. Sie vereint sich mit Thanhs Auftraggeber, dem mythischen Nin?ja!, Verkörperung des Bösen in profanen Zeiten. Die vollkommene Entgrenzung kann beginnen ... Nina träumt. Auf die Gefahr hin, schweißgebadet aufzuwachen.

»Alles Mafia« erzählt eine Dreiecksgeschichte, wie wir sie bisher noch nie vernommen haben. Zündet ein sprachliches Feuerwerk explosivster Machart: eine furiose Collage, die alle Zeichen zum Tanzen und Klingen bringt. Gut laut, präzise gerappt, halluzinogen, atemberaubend und ganz bestimmt nicht aus der Neuen Mitte.

»Berlin als Orgasmus. Mit ›Alles Mafia!‹ liefert Stephan Maus eine neue Form von Roman: Schnell, poppig, lyrisch und körperlich. Der multiple Text-Orgasmus spielt sich zwischen den beiden Sätzen der Rahmenhandlung ab: ›Hast du mal Feuer?‹ auf der ersten Seite und ›Ich rauche nicht!‹ auf der letzten Seite. Eine Tausendstelsekunde Welt aus Wollust und Vorstellung, zwischen einer Anmache und einer Abfuhr als gewaltige Eruption.« Spiegel Online

Über den Autor

Stephan Maus wurde 1968 in Berlin geboren. Er studierte Literatur in Frankreich, jobbte in Paris und arbeitete lange als freier Autor und Literaturkritiker in Berlin. Seit 2006 ist er Reporter beim stern. Mehr: www.stephanmaus.de.

Stephan Maus

Alles Mafia!

Eine Gangsta Rhapsodie

CulturBooks Verlag

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»HAST DU MAL FEUER?«

(Ich hatte Feuer und der lächelnde Mann vor mir Zigaretten. Mit dem Gesicht stand ich nach Westen, im Rücken spürte ich den leichten Druck der Taiga und des Ural. Herz. Wildheit. Jugend. Träume. Er fuhr sich durchs Haar, das er borstig hatte. Mir stockte der Atem. Eine Überdosis Leben. Ich wurde zum Abziehbildchen meinerselbst und geriet in einen Strudel des Bösen. So o. ä. Eine Welt an der Bruchstelle demokratischer Kultur, in der aufgestauter Rassismus, Gewinnsucht, Arroganz und Gehorsam einen Nährboden der Gewalt bereitet hatten. Auch Zyankali war im Spiel. Realismus live. Daseins- und Todesfülle in Echtzeit. Das war der hohe Preis für weibliches Körperglück. Ich brauchte männlichen Input, Moschusdüfte. Sein Waschmittel konnte man nicht riechen, es wurde vom Geruch seines Weichspülers dominiert. Mich hinsetzen, unterhalten, guten Wein dazu trinken: das bin ich. Hallöle erst mal. Ich freu mich.

Noch denken alle, ich bin die Danke-Anke, aber die haben sich getäuscht. Licht aus, Spot an. Ich heiße Nina. Geld spielt keine Rolle. Alles dunkle Geheimnisse, die heute in meine Gegenwart ragen. Ein Katastrophengebiet der Erinnerung, in das ich mich selten hineinwage. Horror in Tüten. In Thermotaschen. Noch nie war ich in einer solchen Lebensgefahr. Ich kroch durch ein kosmisches Wurmloch, das mich durch ein Schwarzes Loch in ein anderes Universum führte. Parallel, höchstwahrscheinlich. Was soll ich sagen? Eine Vorwärtsfrau geht den dornigen Weg einer Großstadtschamanin, pflückt gedankenverloren eine Blume und klemmt sie sich hinters Ohr. Glückwunsch. Verwilderungswünsche durchwucherten mich, absolutes Bauch-Ding, schon klar. Ich hatte damals nicht mal jemanden, den ich aus Langeweile hätte küssen können. Wochenlang lag mein Telefonhörer in Embryohaltung auf der Gabel und nährte sich durch seine eingerollte Nabelschnur von Stille. Dann wieder klingelte der Apparat immer nur nachts, ein einziges Mal, als schreckte das Netz kurz aus seinen unterirdisch sich verzweigenden Alpträumen hoch.

Mein seelenloser Anrufbeantworter hatte 15 Minuten Speicherzeit. Immerrotes Zyklopenauge der Einsamkeit. 15 Minuten! Zwei Minuten länger als die netzunabhängige Betriebsdauer meines Vibrators. Ein Leben im asketischen Einzelbett. Eine Frau in labio-digitaler Zwiesprache mit sich selbst. Wenn ein Duschkopf in einem Katalog als Modell »Single« präsentiert wird, ist das eine diskrete Art, auf seine Multiple-Orgasmus-Funktion hinzuweisen. Näheres gerne auf Anfrage. Sogar mein Deo-Roller war verkrustet. Trockene Parfümschuppen rieselten aus seinem Gewinde. Nur die Thermostate meiner Heizkörper zeigten noch ein bisschen Einfühlungsvermögen. Einem Rock-, Mantel- oder Pulloverkauf wohnt keine lebensverändernde Kraft inne. Bodybags sind erklärungsbedürftig. Nur kurz gibt dir dein Frisör ein neues Kopfgefühl. Manchmal hilft Renovieren. Kauf Tiefkühlerbsen mit mir ein. Zeige Deine Wunde. Fütter deine Angst, denn sie wird niemals satt. Geh lieber durch die Wand, als immer durch die Tür. Resensualisier mich, Du Umtriebiger der Nacht. Am Seeufer schluck ich Mücken mit dir. Ich steh auf Drängelknutschen. Gib mir die Hand, ich bau dir ein Schloss aus Sand, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Ich geh klug mit Deiner Nacktheit um. Sag einfach Nina, und wir werden Freunde. Ich bin gespannt. Ich drück Euch vorab schon mal ganz lieb. Fühlt Euch ganz groß umarmt.

Mittags fiel mir der getrocknete Schlaf aus den Augen in die Mittelfalte der Tageszeitung. Das füllige Volumen des Tages, am Morgen noch vielversprechend gebläht, sackte ganz schnell in sich zusammen und hing mir schon am frühen Nachmittag schlabbrig zwischen den Beinen. Langeweile ist die schnellste Abkürzung zur Ewigkeit. Im Stehsatz ruhte schon die Battle-Tech-Romanze. Brunnenkresse gedeiht in einer einfachen Pappschachtel mit Nährstoffvlies. Was mir fehlte, war jemand, mit dem man ungeniert ein Kräuterfußbad nimmt, in das man zischend eine geteilte Zigarette fallen lässt, um sich in eine Wolke warmen Johanniskrautduftes zu hüllen.

Der Himmel hatte Zellulitis und der lächelnde Mann viele Zigaretten. Aber davon später. Erst mal den liebeshungrigen Bauch voll lasziver Luxusschmetterlinge von der Sorte chloroformsüchtiges Piercinginsekt mit Faible für Schaukastenexhibitionismus. Welt, ich komme! Alleine war gestern. Einfach mal Bauchgefühl entscheiden lassen. Mega-dupi. Hi, ich heiße Nina, alles im grünen Bereich? Flugzeuge im Bauch, Klobürste im Hirn. Die Straße ist eine Kontaktbörse. Fisch meets Fahrrad vor der Nordsee-Filiale, Sofortkontakt mit Männern aus deinem PLZ-Gebiet, schön für dich. Wer kann mir Babykleidung in Erwachsenengrößen nähen? Offenbar dehnt sich das All immer schneller aus. Mach dich nackig, Sternschnuppe, ich muss mit dir reden! Glück, du näherst dich uns im Krebsgang, und möcht’ man dir an den Panzer, kneifst du einem rücklings in den Arsch!

Flittchenpower, Schlampengroove, Girliefunk. Endlich zog die Frau in meinen Körper ein. Ich habe in meinem Leben schon viele Gürtelschnallen klimpern hören, aber dieses Klingeln hier war wie das fröhliche Läuten der Osterglocken. Das Mädchen Nina gab es nicht mehr. Verschwunden. Im Abendnebel um die Ecke gebogen, von der Morgensonne aus dem schattigen Kelch seiner jungen Mädchenblüte geleckt, von der Mittagssonne lotrecht in den Staub gebohrt, während die Düsentriebwerke der Kampfjets mit konspirativ verblassender Geheimtinte verfassungswidrige Symbole in den Himmel schrieben. Wann hatte ich das letzte Mal das Wort »Waldsaum« unter meiner Vorstellungsnähmaschine gehabt?

Ich hielt ihm mein Feuerzeug hin. »Eines Tages, und dieser Tag wird vielleicht niemals kommen, werde ich dich bitten, mir dafür einen Gefallen zu tun«, sagte ich hüstelnd in Moll und lutschte eins (Pull). Eine Sprechblase aus kalter Morgenluft. Im Kölner Dom schlug ein Blitz ein und schlängelte sich an den eisernen Aufhängungen der wertvollen Rubens-Teppiche entlang. Seine Augen leuchteten wie angelutschte Wick-Gletscherbonbons, wie die Spitzen von langsam abtauendem Waldmeister-Wassereis. Das schweißige Flüstern der Schicksalslinien hinter vorgehaltener Hand. Es war Winter. Das Wetter war von Anfang an gegen uns. Der stern ritt wieder einmal sein liebstes Steckenpferd: Die Kohlesubvention.

Thanh gab mir eine raffiniert synkopierte Telefonnummer: 54312. Die verrückte Person war Vietnamese, was man nicht sah. Auf Anhieb nicht sofort. Nicht auf den ersten Blick. Wer sind eigentlich diese meist dünnen Männer und Frauen mit den kleinen, otterähnlichen Füßen? Kann ein Heimatloser Heimat geben? Wenn ich ihn gut finde. Wenn er mein Mann ist. Dann atme ich anders.

Thanh, herrlich expressiv, schlicht und zu Herzen gehend. Wenn er in die Knie ging, vibrierte der Raum. Manchmal fiel ihm ein bisschen Putz aufs Haupt. Wir waren Exoten. Mein Gott, Daddy, waren wir Exoten. Good morning, Vietnam! Sauerkrautige Verschlingung meets bambussprossige Luftigkeit, Clash-of-Cultures-mäßig. Und dann erst mal Melting Pot, aber volles Rohr. Der Sohn eines Reisbauern und die Tochter eines Kreditberaters, nie hätten wir uns begegnen dürfen. Doch der Zauber des Fernen Ostens legte sich über diese unerlaubte Beziehung. Die Teth-Offensive des Lächelns. Asien hautnah. Er küsste mich, Berlin, Bundesrepublik Deutschland, Dezember 1999. War super für mich. Ich küsste am Ende des zweiten Millenniums, er im Jahr des Drachen. Die übereinandergelegten Jahreskurven des Nikkei- und des Hang-Seng-Index sahen aus wie ein hungrig geblecktes Tigergebiss. Auf jeden Fall eine geballte Ladung Future in der Warteschleife.

Ein Archäologe rekonstruiert den Suizid seines Sohnes. Ornithologen besuchen die letzten Zwerggänse. Ein verlassener Fabrikant demoliert im Suff seine Stammkneipe. Auf einem Bretterboot sitzt ein Mann und hält Briefe ins Wasser, bis die Schrift verschwommen und das Papier gewellt ist. Es könnten Liebesbriefe sein ... Deutschland heute, dunkel lockende Welt. Kennzeichen D. Aktenzeichen XY. Der Archipel Gulasch. Land der Henker. Weil ich es mir wert bin. Unsere Liebe musste hauptstadtfähig werden. Ein Bürger aus meinem »inneren Ausland« stellte Antrag auf Asyl in der Wirklichkeit. In historisch-kultureller Sonderbefindlichkeit gingen wir auf Schmusekurs, unser Zungensegel hart am Atemwind. Und nicht nur das, nicht nur das.

Zeitsprung: Ein Montag im Januar. Am Rande einer Baustelle schwenkten Kinder gekrümmte gelbe Plastikrohre, die einen tiefen, kehligen Ton erzeugten. Man brauchte eigentlich keine Zigaretten, um zu rauchen. Atemfahnen usw. ... Aber wir wollten es ja nicht anders. Ich wollte es nicht anders. Plötzlich saß eins der Kinder im Schneidersitz mit steil in die Höhe gerecktem gelbem Schwert in einer Staubwolke. Der Weg des Samurai. Ein Magier in seinem Kraftfeld. Die Staubturbulenz schraubte sich langsam in die Höhe. Ich machte mich auf, den Horizont zu erkunden, und leitete erektionsfördernde Maßnahmen ein. Muss sein.

And along comes Nina